Protokoll der Sitzung vom 16.07.2008

Wir werden heute ein Versammlungsgesetz beschließen, das es jedem uneingeschränkt ermöglicht, friedlich wie in der Vergangenheit zu demonstrieren. Dafür bitte ich um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Herr Kollege, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Franz Schindler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Kollege Obermeier! Eigentlich bin ich jetzt versucht, das, was ich heute Vormittag in über einer Stunde und später noch einmal ausgebreitet habe, zu wiederholen, weil Sie es offensichtlich nicht verstanden haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dürr.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute noch einmal eine Demonstration der alten Arroganz der Macht erleben müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Art von Machtmissbrauch wird bald der fernen historischen Vergangenheit angehören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist die Arroganz einer bröckelnden, einer zerfallenden Macht. CSU und Staatsregierung haben sich heute über alle Argumente hinweggesetzt. Sie haben die Argumente nicht einmal als Argumente zur Kenntnis genommen. Sie haben sich kaum an der Debatte beteiligt und wenn, dann auf dem niedrigsten Niveau. Mit Recht hat der Kollege Schindler gesagt, das sei keine Sternstunde des Parlaments gewesen. Jeder konnte sehen, welches trostlose Bild der CSU Sie zurzeit abgeben. Dafür sind wir dankbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dieser Gesetzentwurf hat offensichtlich eine ungleich größere Bedeutung für uns als für Sie. Deswegen haben wir auch eine namentliche Abstimmung beantragt. Unsere Partei ist aus Bürgerinitiativen, aus dem Kampf um Bürgerrechte, aus dem Widerstand gegen staatliche Übergriffe entstanden. Im Kampf für unsere Bürger- und Freiheitsrechte haben wir immer wieder die Grenzen des geltenden Versammlungsrechts schmerzhaft spüren müssen. Schon das geltende Versammlungsrecht macht große Schwierigkeiten in der Praxis und schränkt die Demonstrationsfreiheit zu stark ein. Deshalb haben wir einen Entwurf eines eigenen Versammlungsfreiheitsgesetzes vorgelegt. Die GRÜNEN sind froh, wenn sich Bürgerinnen und Bürger engagieren und sich politisch äußern, sich einmischen und sich versammeln. Sie dagegen, Kolleginnen und Kollegen der CSU, haben Angst vor dem politischen Engagement der Bürger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wollen mit Ihrem Gesetz die Rechte der Bürgerinnen und Bürger genauso beschneiden, wie Sie das in der Beratungspraxis bei der Behandlung der Petitionen gemacht haben. Die schäbige und undemokratische Behandlung von Petitionen ist exemplarisch für Ihr überholtes Politikverständnis aus dem vorletzten Jahrhundert. Auch das fügt sich nahtlos in das miserable Gesamtbild, das Sie heutzutage bieten, ein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Entwurf des Versammlungsverhinderungsgesetzes der Staatsregierung hat durchwegs versammlungsfeindli

klammheimlich in Ihrem Änderungsantrag untergebracht. Insofern gibt es ein bisschen Bewegung, aber es war im Ergebnis doch zu wenig.

Herr Kollege Schindler, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dürr?

Selbstverständlich.

Herr Kollege Schindler, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass wir GRÜNEN, anders als der Kollege Obermeier behauptet hat, unsere Reden nicht beim Innenministerium schreiben lassen,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das muss jemand anderer sein!)

dass aber der Kollege Obermeier nicht richtig vorlesen kann?

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich stimme Ihnen in Ihrer Bewertung zu, Herr Kollege Dr. Dürr.

(Walter Nadler (CSU): Infantil ist das!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten zum Abschluss eines Kapitels kommen, das nicht als große Sternstunde des Parlaments in die Geschichte eingehen wird, und zwar deshalb, weil die Mehrheitsfraktion nicht bereit war, auf die Argumente der Minderheit, die auch von außen unterstützt worden sind, auch nur ein bisschen einzugehen. Die Mehrheit ist offensichtlich der festen Überzeugung, wie heute in einem anderen Zusammenhang ausgeführt worden ist, dass Mehrheit auch Wahrheit entspricht. Ich sage Ihnen: Das stimmt auch in diesem Zusammenhang nicht.

(Beifall bei der SPD)

Vor über 130 Jahren ist ein sozialdemokratischer Redakteur der „Hofer Zeitung“, der die vom damaligen Polizeireferenten erlassenen Versammlungsverbote kritisiert hat, unter anderem wegen folgenden Gedichts wegen Beleidigung zu drei Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Gedicht lautete:

Wo zwei hier stehen und flüstern, da sieht die Polizei den Himmel sich verdüstern und riecht Rebellerei. Fängt an zu arretieren, denn es könnt zu Aufruhr führen. Will einer sich versammeln, rennt flugs ein Kommissär, das Haus ihm zu verrammeln, dem frechen Räsonär.

Das ist auch heute noch Ihre Grundeinstellung und das bedaure ich.

verhinderungsgesetz mit dem Kampf gegen rechte Aufmärsche rechtfertigen wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die unter der rot-grünen Bundesregierung vorgenommenen Änderungen des Strafrechts reichen, wenn sie konsequent umgesetzt werden, aus, um Aufmärsche von Neonazis zu verbieten. Das hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni dieses Jahres deutlich bestätigt. Durch Ihr Gesetz wird aber der Protest gegen Rechts deutlich erschwert. Die bürokratischen Hemmnisse und Schwierigkeiten, die Sie einführen wollen, betreffen auch die Gruppen, die heute voller Zivilcourage sich gegen die Nazis stellen und kämpfen und denen nur unsere Bewunderung gelten kann.

Frau Knobloch nannte den Gesetzentwurf der Staatsregierung – wenn stimmt, was in den Zeitungen steht – ein Bekenntnis zu Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit. Aber die Gesetzgebung ist der falsche Ort für Bekenntnisse. Frau Knobloch hat weiter ausgeführt – ich gebe ihr hier uneingeschränkt recht –: Nur gemeinsam sind wir in einer Demokratie stark und können rechtsextremistisches Gedankengut von öffentlichen Plätzen fernhalten. Aber es ist die Zivilgesellschaft, das gemeinsame, entschlossene Auftreten gegen rechte Umtriebe, das Erfolg bringt. Das praktische Beispiel hierfür heißt Gräfenberg. Sie aber erschweren der Zivilgesellschaft, den Bürgerinnen und Bürgern, sich zu versammeln, sich gemeinsam zur Wehr zu setzen. Mit Ihrem Gesetz untergraben Sie die lebendige Demokratie und deswegen lehnen wir Ihr Gesetz ab und werden alles dafür tun, das dieses Gesetz im Herbst nach der Wahl sofort wieder aufgehoben wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Innenminister Herrmann.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen. Bayern ist ein freiheitsliebendes Land und Bayern hat freiheitsliebende Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind stolz darauf, dass wir auch in diesem Hohen Hause ungebrochen in den letzten 60 Jahren immer für die Freiheit, übrigens auch für die Freiheit aller Deutschen, eingetreten sind, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo das, auch in der politischen Auseinandersetzung, nicht immer so selbstverständlich war.

(Beifall bei der CSU)

Sie brauchen sich nicht angesprochen fühlen, Herr Kollege Maget, aber ich sage schon bei dieser Gelegenheit, wenn ich an die Pressefreiheit denke: In den letzten 20 Jahren hat es keinen gegeben, der in so dreister Weise

che Tendenzen. Die Anmeldefrist wird verlängert, die Formalien werden erweitert, der Straf- und Bußgelderrahmen wird erhöht, die Polizei erhält mehr Möglichkeiten usw. Die Behörden sollen sogar das Recht erhalten, Ordner abzulehnen. All dies wird viele Menschen abschrecken, sich für die Durchführung von Demonstrationen zu engagieren. Wer vermuten muss, dass die Behörden eine lückenlose Demonstrantenbiografie speichern und wer künftig bei jeder Demonstration erwarten muss, dass die Polizei alles und jeden filmt und abhört, der kann dadurch von seiner Meinungsäußerung abgehalten werden. Das ist und bleibt skandalös.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach in seinen Entscheidungen deutlich gemacht, dass dies nicht sein darf. Der Staat darf keine Gesetze machen und Maßnahmen durchführen, die die Bürger von der Ausübung ihrer Freiheitsrechte abschrecken. Dem hat sich jetzt offenbar auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof angeschlossen. Laut „Sueddeutsche. de“ hält der VGH es nicht für zulässig, dass die Polizei öffentliche Veranstaltungen ohne konkrete Hinweise auf eine Gefährdung beobachtet. Deren Anwesenheit schränke die Versammlungsfreiheit per se ein. So mancher Bürger wolle dann lieber nichts sagen oder verlasse die Veranstaltung sogar. Das ist nicht rechtens, das ist nicht verfassungsgemäß. Das ist bei Ihrem Gesetzentwurf noch schlimmer und das ist nicht verfassungsgemäß.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im sogenannten Brokdorf-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht 1985 eine grundlegende Entscheidung zur Versammlungsfreiheit getroffen. Darin heißt es: Das Recht, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln, galt seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers.

Die Geschichte der Bundesrepublik und die Geschichte Bayerns haben immer wieder gezeigt, dass gefährliche Fehlentwicklungen durch Demonstrationen gestoppt werden können, dass wichtige Themen auf demokratische Versammlungen in die Öffentlichkeit gebracht werden. Die Friedens- und die Umweltbewegung haben wichtige Impulse gegeben. Unverzichtbar für unsere Demokratie sind auch die Gewerkschaften und ihre Aktionen. Hierzu sind ein gesetzlicher Schutz und eine behördliche Unterstützung notwendig. Nicht zielführend ist eine derart weite Einschränkung, wie Sie sie vorhaben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist eine Schande, dass Sie die Bekämpfung des Rechtsextremismus dazu missbrauchen, um für dieses freiheitsfeindliche Gesetz zu werben. Es ist verständlich, wenn die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, jedes Mittel für rechtens hält, um Nazis das Handwerk zu legen. Das ist persönlich verständlich. Aber es ist schädlich, wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU, Ihr Versammlungs

Bedanken Sie sich bei Ihrem Minister, meine Herren und Damen. Wenn er jetzt nicht noch einmal so auf den Putz gehauen hätte, hätte ich Ihnen und auch uns gerne diese Wortmeldung erspart.