Protokoll der Sitzung vom 17.03.2004

nährungsberatung diesem Ressort zu; dann ergibt es ein sinnvolles Ganzes.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Biechl.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Nachdem auch Frau Kollegin Lück diese Ressortzusammenlegung als sinnvoll bestätigt hat, bitte ich Sie einfach um Ihre Zustimmung. Die bisherige Aufteilung der Zuständigkeit ist nicht zwingend notwendig und verursacht einen erheblichen Bedarf an Abstimmung zwischen den beiden Ressorts. Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung soll künftig das Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen die Zuständigkeit für die Ausbildung in der städtischen Hauswirtschaft erhalten. Die Konzentration der bisher getrennten Aufgabenbereiche der städtischen und der ländlichen Hauswirtschaft beim Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten ist sachgerecht, weil die Landwirtschaftsverwaltung bereits derzeit administrative Aufgaben der Berufsausbildung für die städtische Hauswirtschaft mit erledigt. Außerdem handelt es sich bei dem Ausbildungsberuf des Hauswirtschafters oder der Hauswirtschafterin um einen bundesrechtlich anerkannten Ausbildungsberuf der Landwirtschaft, soweit die Ausbildung in landwirtschaftlichen Betrieben stattfindet. Deswegen ist die Zuständigkeit der Landwirtschaft für diesen Bereich bundesgesetzlich zwingend vorgeschrieben.

Synergieeffekte ergeben sich aus den organisatorischen Gemeinsamkeiten, zum Beispiel durch eine gemeinsame Prüfungsordnung oder einen gemeinsamen Prüfungsausschuss. – Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu dieser neuen Abgrenzung der Geschäftsbereiche.

(Beifall bei der CSU)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung. Wer der vom Ministerpräsidenten getroffenen Bestimmung, dass das Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten aus dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen die Aufgaben der Ausbildung in der städtischen Hauswirtschaft übertragen erhält, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der SPD. Gegenstimmen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Damit ist so beschlossen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Die wissen doch nie, was sie wollen!)

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 18

Abstimmung über Anträge etc., die gemäß § 59 Absatz 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden

Von der Abstimmung ausgenommen ist die Listennummer 17, die auf Wunsch der CSU-Fraktion zusammen mit dem Tagesordnungspunkt 24 beraten wird. Über die Listennummern 4, 10 und 21 soll gesondert abgestimmt werden, da zu den der Abstimmung zugrunde zu legenden Beschlussempfehlungen kein Votum der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorliegt.

Ich lasse zunächst über die Listennummer 4 abstimmen; das ist der Antrag der Abgeordneten Hufe, Schmitt-Bussinger, Vogel und anderer betreffend „Umwandlung des Theaters Nürnberg in ein Staatstheater“ auf Drucksache 15/84. Der federführende Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur empfiehlt Zustimmung mit der Maßgabe, dass der Berichtstermin „31.03.2004“ in „01.06.2004“ geändert wird. Wer dem Antrag mit der vorgeschlagenen Änderung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Eine Gegenstimme. Stimmenthaltungen? – Keine. Bei einer Gegenstimme so beschlossen.

Dann kommen wir zur Abstimmung über die Listennummer 10. Das ist der Antrag der Abgeordneten Hufe, Vogel und anderer betreffend „Neubau der Hochschule für Film und Fernsehen“ auf Drucksache 15/131. Der federführende Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur empfiehlt die unveränderte Annahme. Wer dem zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind alle drei Fraktionen. Gegenstimmen? – Niemand. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Jetzt lasse ich noch über die Listennummer 21 abstimmen. Das ist der Antrag der Abgeordneten Naaß, Wörner, Dr. Beyer und anderer betreffend „Verwaltungsreform: effizient und bürgernah; hier: Verwaltungsreform bei den obersten Behörden einschließlich der Staatskanzlei/ Umsetzung der Empfehlungen des Obersten Rechnungshofs“ auf Drucksache 15/262. Der federführende Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes empfiehlt Ablehnung. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Letzteres ist die Mehrheit. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist der Antrag abgelehnt.

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen zu den Verfassungsstreitigkeiten und den übrigen Anträgen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste.

(siehe Anlage 10)

Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen – Danke schön. Die Gegenprobe. – Niemand. Stimmenthaltungen? – Auch niemand. Dann einstimmig so beschlossen.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 21

Aktuelle Stunde

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion der SPD vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde beantragt zum Thema „Soziale Sicherheit und sozialen Frieden der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Bayern – gegen einen Kahlschlag im Arbeits- und Tarifrecht – bewahren“.

In der Aktuellen Stunde – die Regeln sind eigentlich bekannt, ich wiederhole sie aber – dürfen einzelne Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält eines ihrer Mitglieder zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Gesamtredezeit der Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält eine Fraktion auf Antrag eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit.

Ich habe keine Rednerliste vorliegen. Wer beginnt? – Frau Steiger beginnt für die SPD-Fraktion. Zehn Minuten sind beantragt.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! „Weichensteller für Deutschland“ – die Union will mit diesem Kahlschlagpapier, das sie kürzlich vorgestellt hat, auf der einen Seite Weichen für Deutschland stellen. Auf der anderen Seite hat der Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende im November vergangenen Jahres verkündet: Bei allen Entscheidungen der kommenden Jahre werde ich auf die soziale Balance und den sozialen Frieden achten. Dazu muss man sagen: Wort gebrochen, mehrfach Wort gebrochen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Heute Nacht haben Sie mit der Verabschiedung des Haushaltes die Weichen für Bayern gestellt – aber falsch. Sie wollen Deutschland retten, stellen aber den sozialen Frieden und die soziale Sicherheit jener Menschen in Frage, die die Leistungsträger unserer Gesellschaft sind, die durch ihre Arbeit den Wohlstand unseres Landes schaffen und geschaffen haben, nämlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie haben nach einem Gerangel und nach einem Streit ein Papier vorgelegt, das die „Süddeutsche Zeitung“ betitelt: Die Union der Irrungen und Wirrungen.

(Beifall bei der SPD)

So ist es halt, wenn man einen Herrn Söder an der langen Leine lässt, wenn der Kampf um die Macht in der Union den Kopf oder die Köpfe halb vernebelt. Das Papier war noch nicht trocken, schon wurde es geändert – man kann dies mit der Zerrüttung der Union begründen. Aber auch die entschärfte Form hat der Grausamkeiten genug zu bieten. Sie wollen die Streichung des Kündigungsschutzes in den ersten vier Jahren. Sie streichen den Kündigungsschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab 50. Sie kürzen das Arbeitslosengeld im ersten Monat um ein Viertel. Sie kippen den Teilzeitanspruch. Sie kippen das Betriebs

verfassungsgesetz. Sie wollen für Langzeitarbeitslose Bezahlung unter Tarif. Sie wollen für Leiharbeitnehmer keinen gleichen Lohn für das erste Jahr. Sie wollen die Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge streichen. Sie gehen an das Tarifrecht und an die Tarifautonomie. Sie treten damit die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, von Berufseinsteigern und älteren Arbeitnehmern mit Füßen – Rechte, die erkämpft worden sind, Rechte, die den sozialen Frieden sichern. Es ist entlarvend, was Sie hier bieten. Der Aufschrei in den eigenen Reihen war auch entsprechend. Von den massiven Protesten außerhalb der CDU/CSU brauche ich gar nicht erst zu reden.

Peter Müller, CDU, sagte am 7. März: Ich frage mich, ob mit dem Ergebnis der bayerischen Landtagswahlen

auch die Funktion der CSU als Anwalt der Arbeitnehmer obsolet geworden ist.

(Ludwig Wörner (SPD): Die haben sie doch nie gehabt!)

Offensichtlich war dies bis dahin seine Meinung. Herr Ahrens, CDU, sagte am 7. März: Es kann nicht sein, dass diejenigen, die sich jetzt ein paar Jahre keinem Wählervotum mehr stellen müssen, soziale Grausamkeiten in das Papier schreiben, die kein normaler Mensch vertreten kann. Dagegen sagte Erwin Huber am 7. März: Wir stehen hinter diesem Papier. Was er jetzt sagt, weiß ich nicht; denn er ist nicht da. Herr Söder sagte am 6. März: Nur auf diesem Weg werden in Deutschland wieder neue Arbeitsplätze entstehen.

(Zuruf des Abgeordneten Markus Söder (CSU))

Herr Söder, Sie haben von der Lebenswirklichkeit offenbar keine Ahnung.

(Beifall bei der SPD)

Gehen Sie einmal für längere Zeit in einen Betrieb und machen Sie dort ein Praktikum. Ein Abbau von Arbeitnehmerrechten bedeutet eben nicht ein Mehr an Arbeitsplätzen.

In einem aber haben Sie Recht; da stimme ich Ihnen zu. Sie fordern auf Seite 5 Ihres Papiers, dass die Anreize zur Frühverrentung konsequent beseitigt werden müssen. Richtig! Wir brauchen auch ältere Arbeitnehmer. Wir brauchen die Erfahrung von älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir brauchen auch eine Chance für Frauen, die nach der Familienphase wieder in den Beruf einsteigen wollen. Aber: Wer hat das denn geschaffen? Wer war es denn? Sie waren damals in der Regierungsverantwortung. Sie waren dafür verantwortlich, nämlich unter Kohl und Waigel. Jetzt wollen Sie das wieder abschaffen. Jetzt wollen Sie die momentanen Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nutzen, um Arbeitnehmerrechte auszuhebeln. Ausgerechnet Sie, die Sie das „S“ im Namen

Ihrer Partei tragen, haben deutlich gemacht, dass Sie eine Verschlechterung durchdrücken wollen.

(Franz Josef Pschierer (CSU): Sie haben auch ein „S“ in Ihrem Parteinamen!)

Herr Pschierer, deshalb lehnen wir Ihre Kahlschläge auch ab; wir heißen nämlich „Sozialdemokratisch“.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen glauben machen, dass Wachstum und Beschäftigung durch Einschränkung oder Wegfall des Kündigungsschutzes zu sichern sind. Sie gehen ein weiteres Mal in die Irre. Warum haben wir denn in Deutschland im Vergleich zu den anderen Ländern die wenigsten Streiktage? – Weil wir ein solides, vernünftiges Arbeitsrecht haben, weil wir eine solide und vernünftige Regelung zwischen den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften haben.

Der Ministerpräsident des Freistaates Bayern und CSUVorsitzende hat sich als Anwalt des kleinen Mannes bzw. der kleinen Frau dargestellt und sich als das soziale Gewissen der Union darstellen lassen. Jetzt aber kommen die größten Grausamkeiten gegenüber den Arbeitnehmern aus den Federn der CSU. Ich vermisse zum Beispiel heute Herrn Kobler; aber er wird schon wissen, warum er Termine außer Haus hat.

(Zuruf von der CSU: Er ist krank! – Gegenruf von der SPD: Nein, er ist in China!)

Sie von CSU und CDU sind in Sachfragen zutiefst zerstritten, nicht nur bei der Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten. Sie sind in Sachfragen zutiefst zerstritten, und Sie zeigen Ihr wahres Gesicht. Es geht in Richtung: Wir, die CSU, überholen die FDP; wir wissen zwar auch nicht, wohin wir wollen, aber ich, Stoiber, bin schneller dort. Wir als SPD wissen genau, wohin Sie wollen. Sie wollen einen anderen Staat. Sie wollen keinen Umbau des Sozialstaates, um ihn zukunftssicher zu machen. Die Reformen der Agenda 2010 sind nämlich notwendig. Sie sollten sie unterstützen. Sie sind auch deshalb dringend notwendig geworden, weil unter Kohl und Waigel 16 Jahre lang nichts, aber auch gar nichts in dieser Richtung passiert ist,

(Beifall des Abgeordneten Ludwig Wörner (SPD))

um unsere sozialen Sicherungssysteme zukunftssicher zu machen. Sie wollen sich mit Ihren unausgegorenen Vorschlägen von der Sozialen Marktwirtschaft verabschieden. Die „SZ“ schreibt am 8. März: Insofern darf man erleichtert sein, dass Sie, die Union, im Bund keine Weichen stellen müssen; denn die Züge würden dann bestenfalls in die Irre, schlimmstenfalls aufeinander fahren. Damit hat sie Recht.

(Beifall bei der SPD)