Sie legen die Axt an und betreiben einen Kahlschlag von zwei Seiten: Im Bund bleibt es Gott sei Dank beim Wollen; denn Sie regieren nicht in Berlin. In Bayern legen Sie aber mit dem Nachtragshaushalt für 2004 die Axt an.
Sie haben gestern einstimmig beschlossen, dass das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ gestrichen wird. Die Gelder für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, für berufliche Anpassungen, für Berufshilfen und für benachteiligte Jugendliche werden massiv gekürzt. Frau Staatsministerin Stewens verweist auf die Hartz-Gesetze und streicht diese Maßnahmen.
Sie zerstört ohne Not vorhandene und erfolgreiche Strukturen der Beschäftigungsförderung und Wiedereingliederung, bevor die Hartz-Gesetze überhaupt greifen bzw. überhaupt in Kraft treten; denn das SGB II gilt erst ab 2005.
Aber vorher machen Sie alles kaputt. Darüber hinaus bremsen die gesamten Haushaltskürzungen die bayerische Konjunktur. Das können Sie beim Deutschen Institut für Wirtschaft und bei Herrn Prof. Dr. Bofinger nachlesen. Wissen Sie überhaupt noch, was Sie tun?
Zusammenfassend möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Der Kahlschlag, den die Union zurzeit im Arbeits- und Sozialrecht betreibt, dieser Kürzungshaushalt, ist ein verheerendes Signal. Damit wird kein Vertrauen geschaffen. Herr Prof. Dr. Faltlhauser hat gestern lauthals verkündet, wir müssten den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Angst nehmen und Vertrauen schaffen. Sie machen derzeit das genaue Gegenteil. Rücken Sie von diesem Papier ab. Es hat keine Zukunft. Schaffen Sie Vertrauen. Wir haben zu diesem Thema einen Dringlichkeitsantrag eingereicht. Stimmen Sie unserem Dringlichkeitsantrag zu. Nur so können wir unsere Zukunft sinnvoll gestalten und einen Kahlschlag für die bayerischen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen verhindern.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zurzeit wird immer von Grausamkeiten gesprochen. Die größte Grausamkeit der letzten Stunde war die Rede, die Sie soeben gehalten haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Rede wäre vielleicht vor 30 Jahren bei einer Versammlung der AFA halbwegs originell gewesen. Heute kann ich nur sagen, was Herr Ude einmal gesagt hat: „Der größte Feind der SPD ist die Bayern-SPD.“ Wo er Recht hat, hat er Recht. Sie sind die rückständigste SPD, die es in ganz Deutschland gibt.
Deutschland befindet sich derzeit in einer katastrophalen Lage. Wir sind Exportweltmeister bei der Verlagerung von Arbeitsplätzen. An jedem Tag werden 1200 Arbeitsplätze verlagert. Wir haben eine Rekordarbeitslosigkeit von 4,6 Millionen Arbeitslosen. Wenn man die Tricksereien
herausrechnet, die Sie bei der Arbeitsmarktstatistik eingeführt haben, kämen wir in Deutschland auf 5 Millionen Arbeitslose. Anscheinend kümmert Sie dieses Schicksal nicht, da Sie nichts dafür tun, um Menschen in Arbeit zu bringen. Seit 1998 sind wir im internationalen Vergleich von Platz 9 auf Platz 18 abgerutscht. Beim Pro-KopfEinkommen ist Deutschland in der Europäischen Union mittlerweile auf dem fünftletzten Platz angekommen. Deutschland ist ein Sanierungsfall. Meine Damen und Herren von der SPD, dafür tragen in erster Linie Sie die Verantwortung.
Das sage übrigens nicht nur ich. Die SPD ist mit ihrer bisherigen Wirtschafts- und Sozialpolitik vollkommen gescheitert. Das hat Otmar Schreiner am 12. Februar in der „Welt“ festgestellt. Sie haben zu lange die ruhige Hand des Kanzlers walten lassen. Sie haben nichts getan und Probleme ignoriert. Dann kam die zittrige Hand, indem Sie versucht haben, Reformen durchzuführen. Diese kamen jedoch zu spät, wurden zaghaft betrieben und handwerklich schlecht gemacht. In einer heute veröffentlichten Umfrage sagen 76 % der Deutschen, dass die Reformen des Bundeskanzlers falsch und sozial ungerecht sind. Sie sollten sich an dieser Zahl messen lassen und nicht an den mickrigen Beschlüssen der Bayern-SPD.
Die ersten Reformversuche mit der Agenda 2010 brachten im Grunde genommen keinen Erfolg. Ich denke an die großen Inszenierungen, zum Beispiel die Ich-AG. Die letzte Ich-AG ist Bundeskanzler Gerhard Schröder. Hartz war ein absoluter Fehleinkauf, wie man beim Fußball sagen würde. Die PSAs, die Personalserviceagenturen, wurden gegründet. Mit ihnen sollten bis zu 200 000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Bislang ist es jedoch nur gelungen, mickrige 6400 Arbeitsplätze zu schaffen. Eine dieser Agenturen ist sogar pleite gegangen. Ein deutlicheres Eingeständnis des Scheiterns kann es gar nicht geben. Wenn jemand in Deutschland sozial ungerecht ist, ist es die SPD. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind die Sozialbankrotteure Deutschlands.
Dann wurden weitere Projekte angegangen, zum Beispiel das Job-AQTIV-Gesetz. Der Effekt war gleich Null. Beim Mainzer Konzept von Herrn Gerster war der Effekt Doppel-Null. Das gilt sowohl für die Person als auch das Ergebnis. Das Jump-Programm hat ebenfalls kein Ergebnis gebracht. Außer Spesen nichts gewesen, das ist das Fazit von Gerhard Schröders Regierungszeit. Gerade wir Bayern haben durch die EU-Osterweiterung und die hinzukommenden Niedriglohnländer eine große Herausforderung zu bewältigen. Statt zu reagieren und sinnvolle Reformen voranzubringen, machen Sie einen Salto mortale links rückwärts. Statt Steuern zu senken, wollen Sie Steuern erhöhen. Sie wollen die Erbschaftsteuer erhöhen, die Vermögensteuer erhöhen und eine Ausbildungsplatzabgabe einführen. Frau Simonis hat heute gesagt, sie wolle die Mehrwertsteuer erhöhen. Ich habe den Eindruck, Sie haben die Innovationsoffensive des Bundeskanzlers falsch verstanden. Ihre einzige Innovation besteht darin, jede Woche eine neue Steuer zu erfinden.
Die SPD ist unsozial, weil sie Arbeitsplätze vernichtet. Die SPD ist unsozial, weil sie die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland betrügt. Statt endlich zu handeln, erschöpfen Sie sich in inneren Debatten über Abspaltungen. Die Bayern-SPD diskutiert über ihre Personalfragen. Frau Kollegin Steiger, Deutschland hat es satt, sich von früh bis spät mit den Psychosen der SPD zu beschäftigen. Handeln Sie, oder treten Sie in Deutschland ab. Letzteres wäre besser für dieses Land.
Wir sagen: Sozial ist, was Arbeit schafft. Wir sind die Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der ökonomischen Vernunft. Ich weiß, dass Ihnen das weh tut. Sie müssen es jedoch immer wieder gesagt bekommen. Wir haben ein modernes Steuerkonzept und ein modernes Arbeitsmarktkonzept vorgelegt. In unserem modernen Steuerkonzept bieten wir zum ersten Mal Steuersätze an, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die niedrigsten wären. Statt zu sagen, danke, liebe Union, da habt ihr eine gute Idee gehabt, hört man von Ihnen lediglich ein kleinkariertes Gemäkel und keine neuen Ideen.
Wir schlagen Bruttoentlastungen um 20 Milliarden Euro und Nettoentlastungen von 10 Milliarden vor. Unser Motto lautet „Sparen“. Da Sie das bereits auf Landesebene verweigern, werden Sie es auch im Bund nicht zustande bekommen.
Die Flexibilität am Arbeitsmarkt ist für uns ein zentrales Thema. Frau Kollegin Steiger, Sie haben ausgeführt, wie toll bereits alles sei. Nach einer Studie der Weltbank liegt Deutschland unter insgesamt 49 untersuchten Staaten in der Frage der Flexibilität am Arbeitsmarkt auf Platz 47. In einer Studie des World Economic Forums haben wir bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit des Tarifrechts unter 102 untersuchten Staaten Platz 102 belegt. Dieses Ergebnis ist fast so schlecht wie das der Bayern-SPD. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen etwas ändern. Wir müssen nicht nur mit den Ländern konkurrieren, die im Rahmen der EU-Osterweiterung zur Europäischen Union kommen werden. Auch Länder wie Österreich, Holland und Dänemark haben in diesem Bereich enorme Fortschritte gemacht. Sie haben Flexibilisierungen eingeführt und Erfolge gehabt.
(Joachim Wahnschaffe (SPD): Herr Kollege Söder, diese Länder haben diese Erfolge gehabt! Das haben Sie noch nicht mitbekommen!)
Bündnisse für Arbeit sind wichtig. Herr Kollege Wahnschaffe, wir wünschen uns mehr Kompetenz für die Betriebsparteien. Ich weiß nicht, warum Sie dem Sachverstand der Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben misstrauen. Frau Kollegin Steiger, Sie als Lehrerin sind immer intensiv in diesen Betrieben tätig gewesen. Sie haben sicherlich auch viele Erfahrungen gesammelt. Sie müssten eigentlich wissen, wie gut die Betriebsparteien sind. Wenn die Betriebsparteien eine Regelung vereinbaren wollen, warum muss dann eine Gewerkschaftszentrale dazu Nein
Schauen Sie sich doch um, was bei den Gewerkschaften selber passiert. Der DGB hat in den letzten zehn Jahren 35 % seiner Mitarbeiterstellen abgebaut. Kahlschlag? Verdi erhöht die Arbeitszeit um 10 % ohne Lohnausgleich. Kahlschlag? Die IG Metall hat die Unterstützung ihrer Rentner im letzten Jahr um 2 Millionen – das sind 14 % - gekürzt. Kahlschlag? Dieser Tage kündigt die Arbeiterwohlfahrt den Tarifvertrag mit Verdi, weil zu viel Urlaubsgeld und zu viel Weihnachtsgeld bezahlt werden muss. Wie viele aus Ihren Reihen tragen in der Arbeiterwohlfahrt selber Verantwortung? Herr Maget war lange Jahre Vorsitzender der Münchner Arbeiterwohlfahrt. Herr Hoderlein ist stellvertretender Kreisvorsitzender. Frau Biedefeld, Frau Radermacher, Frau Schieder und andere tragen Verantwortung in der Arbeiterwohlfahrt. Als MdLs rufen Sie hui, als Arbeitgeber selbst machen Sie pfui. Das ist ein schändliches Verhalten. Schämen Sie sich! Sorgen Sie dafür, dass Sie sich in eigener Verantwortung sozial gerecht verhalten, bevor Sie anderen hier Lehrstunden erteilen.
Wir brauchen Flexibilität bei Einstellungen. Deswegen wollen wir bei Existenzgründungen für die ersten vier Jahr flexible Lösungen. Wir wollen befristete Arbeitsverträge mit der Möglichkeit der Verlängerung auf vier Jahre, damit die Menschen endlich wieder in Arbeit kommen. Ich verstehe nicht, warum Sie sich dagegen wehren, dass Menschen wieder in Arbeit kommen. Jeder, der sich gegen diese Vorschläge wehrt, begeht einen Anschlag auf Arbeitnehmerrechte; denn wer die Chance auf Arbeit blockiert, verrät die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf das Schändlichste. Und das tun Sie.
Sie haben kaum mehr Chancen, auf dem Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden. Statt dass Sie helfen und mitarbeiten, damit wir endlich wieder eine Wende am Arbeitsmarkt erreichen, machen Sie genau das Gegenteil. Obwohl Sie in der Regierung sind, sind Sie die größten Blockierer, die wir in Deutschland finden. Ich bitte Sie herzlich: Überlegen Sie es noch einmal, gehen Sie noch einmal in Klausur - das machen Sie in der Bayern-SPD sehr oft – und versuchen Sie, die Realität in Deutschland anzuerkennen. Gehen Sie nicht so vor wie letzte Woche beim Beschluss über das Rentenniveau im Bundestag. Zwei plus zwei bleibt vier, auch wenn die Bayern-SPD etwas anderes beschließt. Nehmen Sie das endlich zur Kenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deswegen war es für uns ganz entscheidend, dass wir ein modernes Zukunftsprogramm auf den Weg gebracht haben. Dieses Zukunftsprogramm umfasst Fragen der Steuerpolitik, Fragen der Wirtschaftspolitik und vor allen Dingen Fragen der Flexibilisierung. Es ist letzten Endes das beste Programm für die Zukunft.
Sie selber beschäftigen sich nur mit der Frage, wie die Zukunft der SPD aussieht. Man merkte es gestern Abend, und die Geisterfahrt geht heute weiter. Ich muss Ihnen sagen, die Abspaltung einer bayerischen SPD ist, glaube ich, keine Bedrohung für Gerhard Schröder. Der ist heilfroh, wenn seine bayerische Verwandtschaft endlich weggeht. Insofern wünsche ich Ihnen, dass Sie vielleicht zu besserer Einsicht kommen. Unser Reformprogramm ist richtig. Ihren Antrag lehnen wir ab.
Sehr geehrter Herr Präsident Gantzer, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Pult ist aber hoch, na ja, lang ist er, das muss man ihm lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt wird die SPD schimpfen. Es ist meines Erachtens nicht Aufgabe des Bayerischen Landtags, sich in unserer knappen Zeit mit den unausgegorenen arbeitsmarktpolitischen Auswürfen der Opposition im Bundestag zu quälen.
Erstens. Wir sind hier in Bayern. Hier gibt es genügend heftige Arbeitsmarktprobleme, die von der Staatsregierung systematisch verdrängt werden. Ich nenne zwei. Die Statistik über die Entwicklung der absoluten Arbeitslosenzahlen zwischen Februar 1998 und Februar 2004 – also die Entwicklung in den letzten sechs Jahren – belegt, dass Bayern zu den fünf Bundesländern gehört, in denen in den letzten sechs Jahren die absolute Zahl der Arbeitslosen zugenommen hat. In allen anderen elf Bundesländern hat sie abgenommen. Bayern liegt in der Entwicklung dieser Arbeitslosenzahlen mittlerweile auf Platz 13. Unter 16 Bundesländern liegt es weit hinter Bremen und sogar hinter Nordrhein-Westfalen. Es beruht doch nur auf dem Erbe einer niedrigen Arbeitslosigkeit vor sechs, sieben, acht oder zehn Jahren, dass sich Bayern – wenn auch mit deutlich sinkender Tendenz – bei den Arbeitslosenquoten im vorderen Feld befindet. Die Staatsregierung hat bisher nichts dafür getan, dass diese niedrigen Quoten in Zukunft so bleiben. Das sehen wir an den absoluten Zahlen.
Im Übrigen sind die Zahlen auch ein schlagender Beweis dafür, dass die Privatisierungserlöse für unseren Arbeitsmarkt keinen nachhaltigen Effekt hatten, sondern nachhaltig verpufft sind.
So etwas sollte hier Thema sein. Darüber sollten wir heute im Zusammenhang mit der Arbeitsmarktpolitik in Bayern reden.
Auch beim Ausgleich des regionalen Gefälles der Arbeitslosigkeit hat die Bayerische Staatsregierung gnadenlos versagt. Nirgendwo in Deutschland besteht innerhalb eines Bundeslandes ein derart krasses Wirtschaftsgefälle, Bildungsgefälle und Arbeitslosigkeitsgefälle. Auch das wäre für heute ein wichtiges Thema gewesen. Wenn ich allein an diese beiden Fakten denke, gibt es keinen Grund für Ihr arrogantes Auftreten, lieber Herr Kollege Söder.