Auch beim Ausgleich des regionalen Gefälles der Arbeitslosigkeit hat die Bayerische Staatsregierung gnadenlos versagt. Nirgendwo in Deutschland besteht innerhalb eines Bundeslandes ein derart krasses Wirtschaftsgefälle, Bildungsgefälle und Arbeitslosigkeitsgefälle. Auch das wäre für heute ein wichtiges Thema gewesen. Wenn ich allein an diese beiden Fakten denke, gibt es keinen Grund für Ihr arrogantes Auftreten, lieber Herr Kollege Söder.
Zweitens. Die CDU/CSU in Berlin gebiert nahezu jeden Tag eine neue Idee zum Thema Arbeitsmarktpolitik. Die Ideen werden mediengerecht inszeniert und dann wieder still versenkt.
Diese mediengerechte Inszenierung hat nicht nur den Grund darin, dass sich Frau Merkel, Herr Stoiber, und wie sie alle heißen, gern in den Hauptstadtmedien tummeln. Sie hat auch den sachlichen Grund, dass sich die zänkischen Geschwisterparteien CDU und CSU untereinander überhaupt nicht darin einig sind, was sie eigentlich wollen. Sobald es konkret wird, beginnt eine Kakophonie, die für den Betrachter nur belustigend wäre, wenn das Thema nicht so ernst wäre. Was immer wir heute über die jüngsten arbeitsmarktpolitischen Auswürfe der CDU reden, wird morgen schon wieder Schnee von gestern sein. Von solch Unerheblichem sollten wir hier eigentlich im Landtag nicht so viel Aufhebens machen.
Drittens. Ich habe nicht wirklich das Gefühl, dass die Opposition im Bundestag in ihrer permanent erkennbaren Uneinigkeit wirklich als Regierung in absehbarer Zeit in die Verlegenheit kommen wird, sich ernsthaft mit dem Sinn, mit den fachlichen und moralischen Quellen unserer Arbeitsmarktverfassung und mit den unbestreitbaren Erfolgen und dem Veränderungsbedarf in Zeiten der Globalisierung auseinander setzen zu müssen. Sei’s drum! Das Thema ist gesetzt. Inhaltlich hat die SPD mit ihrem Dringlichkeitsantrag natürlich Recht, auch wenn wir über diesen heute vermutlich nicht mehr debattieren werden. Sonst würden wir ihm sicher zustimmen.
Doch nun zum Inhalt der arbeitsmarktpolitischen Gedankenspiele von CDU und CSU. Fangen wir einmal mit dem Kündigungsschutz an. Herr Meyer – diesmal ist nicht unser Staatssekretär, sondern jener von der CDU der Schuldige – bringt gerne Dänemark als Vorbild.
Sie haben zu Recht ja gesagt, weil Sie auch nur kleine Wahrheiten kennen und nicht den Gesamtzusammenhang. Herr Meyer nennt gerne Dänemark als Vorbild. Dort
gibt es in der Tat keinen staatlichen, keinen gesetzlichen Kündigungsschutz. Parallel dazu hat sich dort die Zahl der Arbeitslosen fast halbiert. Das ist aber nur der eine, sehr kleine Teil der Wahrheit, der nur dann einen Sinn macht, wenn wir uns ansehen, wie das dänische Arbeitsmarktsystem als Ganzes aussieht.
Kernstück der dänischen Arbeitsmarktpolitik ist seit Mitte der 90er Jahre Folgendes: Ein Teil besteht aus klassischen passiven Maßnahmen. Dazu gehört mehr Teilzeitarbeit, dazu gehört Sabbatical, dazu gehören Bildungsurlaub, Freistellungsprogramme und Ähnliches. Daneben gibt es einen sehr massiven und kostspieligen Einsatz aktiver arbeitsmarktpolitischer Instrumente. Jeder Arbeitslose hat das Recht auf individuelles Job-Training, auf Arbeitspraktika, auf Ausbildung oder auf Jobrotation. Das alles kostet sehr viel Geld. Viel Geld kostet auch der dritte Punkt. Dänemark ist nämlich europäische Spitze bei der sozialen Absicherung von Arbeitslosigkeit. Nur in diesem goldenen Dreieck von guter sozialer Absicherung, kostenintensiver Arbeitsmarktpolitik und Flexibilität ist das dänische Modell denkbar und erfolgreich.
Flexibilität ohne die anderen Elemente wäre in Dänemark weder gesellschaftspolitisch durchsetzbar noch von Erfolg gekrönt. Was Sie fordern, sieht ungefähr so aus: von einem Dreirad zwei Räder abmontieren und weiterhin dahinbrausen.
Anstatt passive Arbeitsmarktpolitik zu bejahen, wollen Sie die Möglichkeiten der Teilzeitarbeit massiv beschneiden. Bei den Lehrern in Bayern haben Sie angefangen; die Teilzeitarbeit der Beamten soll eingeschränkt werden. Im Bund gilt das Gleiche.
Zudem sitzen in den Reihen der CDU/CSU die größten Kritiker, wenn es darum geht, Mittel der Bundesagentur für Arbeit für aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung zu stellen. Stattdessen fordern Sie wohlfeil, den Beitragssatz von 6,5 % auf 5,0 % zu reduzieren. Das, so viel ist klar, wäre das finanzielle Aus jeder aktiven Arbeitsmarktpolitik in Deutschland.
Ich komme zum dritten Punkt, der sozialen Absicherung: Wir kennen alle die unsägliche Diskussion über die „soziale Hängematte“ und über Lohnabstandsgebote. Aktuell wollen Sie den Arbeitslosen im ersten Jahr der Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld um 25 % kürzen. Ihnen kann die soziale Absicherung der Arbeitslosen doch nicht niedrig genug sein. Sie behaupten, wenn es nur niedrig genug wäre, würden die Arbeitslosen zu irgendeinem Lohn jede Arbeit annehmen, und das Arbeitslosigkeitsproblem wäre gelöst. Was aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU, wenn die Lohnsätze bei den Niedriglohn-Arbeitsplätzen durch Ihre Politik so niedrig werden, dass viele Menschen mit einfachen Qualifikationen nur noch den Weg in das working poor, vergleichbar der Situation in amerikanischen Großstadtslums, vor sich haben?
Wie wenig Ahnung Sie von der Komplexität der Zusammenhänge auf dem Arbeitsmarkt haben, zeigt die naive Art von Herrn Laurenz Meyer, der glaubt, einzelne Facetten aus einer Arbeitsmarktverfassung herausbrechen zu
können, was er auch noch mit dem absurden Verweis auf das funktionierende Sozialstaatsmodell Dänemarks macht, in dem so ziemlich alles entgegengesetzt zu dem ist, was Sie in Ihrer sozialstaatszerschlagenden Ideologie verkaufen.
Das Weitere betrifft die Tarifautonomie. Die deutsche Sozialpartnerschaft ist das Erfolgsmodell der letzten fünfzig Jahre gewesen. Sie hat unser Land befriedet, entwickelt und darf in Krisenzeiten nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden.
Der soziale Friede spiegelt sich zum Beispiel in der verschwindend niedrigen Streikintensität im internationalen Vergleich wider. Unser Sozialstaat wäre ohne Tarifautonomie und Koalitionsfreiheit nicht denkbar. Damit haben die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände Entscheidendes für Wohlstand und Entwicklung in ganz Deutschland geleistet. Sie mögen das anders sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU – Sie sowieso, Herr Söder –, aber ich bin den Tarifparteien für die geleistete Arbeit dankbar.
Zugleich ist das bestehende Tarifsystem in Deutschland sehr flexibel. Schon heute kann von Tarifvertragsbedingungen abgewichen werden, wenn dies für einzelne Beschäftigte günstiger ist oder wenn die Tarifvertragsparteien dem zustimmen. Das war in der Vergangenheit und ist bis heute regelmäßig und sehr oft der Fall, wenn dadurch Arbeitsplätze gesichert und Unternehmen in Not geholfen werden kann. Ein staatlicher Eingriff in das bestehende System würde überhaupt nichts bringen.
Die Arbeitsteilung zwischen den Betriebsräten einerseits und den Gewerkschaften andererseits ist eine gute Grundlage, um wirtschaftlichen Erfolg und sozialen Ausgleich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer praktisch umzusetzen. Sie wollen das nicht. Sie wollen die Betriebsräte und die Personalräte gegen die Tarifverträge, gegen die Gewerkschaften in Konkurrenz bringen. Damit ginge die Schutz- und Befriedungsfunktion der Tarifverträge verloren. Ungeschützte Arbeitsverhältnisse und eine regelrechte Flut massenhafter Streiks würden zur Regel.
Würde man versuchen, einen schwarzen Faden in der arbeitsmarktpolitischen Unions-Kakophonie zu finden, so wäre das die Aushebelung der Tarifautonomie und die faktische Abschaffung der Arbeitnehmerrechte. Damit missbrauchen Sie die schlechte Wirtschaftslage zu einem
Wenn uns das Beispiel Dänemark eines lehrt, dann ist es das: Deutschland braucht eine Strategie, die mehr Flexibilität am Arbeitsmarkt mit einem verlässlichen sozialen Miteinander verbindet. Mit den Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung, flexiblen Arbeitszeiten, Kündigungsschutzregelungen, Erleichterung der Schritte in die Selbständigkeit und einigen weiteren Schritten mehr, geht Rot-Grün in Berlin genau den richtigen Weg. Ihre Politik, Herr Söder, des Lohn- und Sozialdumpings würde Deutschland auf die schiefe Bahn bringen.
Jeder der drei Redner hat um eine Minute überzogen. Wir kommen nun zu den Fünf-Minuten-Reden. Ich bitte Sie, die Redezeit einzuhalten, sonst verschiebt sich die Diskussion zu weit in den Nachmittag hinein. Als nächster Redner hat Herr Kollege Wörner das Wort.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Da gebiert ein Frosch ein Ei. Das speist er in die Bundespolitik ein, und daraufhin sagt selbst die CDU, das könne man nicht brauchen. Wer ist Söder? – Das war die erste Frage bei der CDU. Aus dem Ei ist ein Papier entstanden. Heute schlägt er, gefrustet, wie man nur sein kann, wenn einem das Papier, das unglaubliche Pamphlet gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, rasiert wurde, ohne Sinn und Zweck um sich. Herr Söder, Sie sollten über Bayern und über die Bayerische Verfassung nachdenken. Für einen Generalsekretär Ihres Zuschnitts mag das vielleicht etwas ganz Weltfremdes sein, das Sie noch nicht verstehen.
Sie sollten aber zur Kenntnis nehmen, dass in Bayern gleiche Lebensbedingungen geschaffen werden sollten. Das wäre Ihr Job und der der Regierung. Was machen Sie? – Dies wurde gerade treffend beschrieben. Sie machen das Gegenteil. In Bayern gibt es das höchste Lohngefälle. Herr Dr. Söder, gestern wurde nicht zu Unrecht gesagt, dass Sie ein arbeitsmarktpolitisch ahnungsloser Tunichtgut seien. Sie versuchen, auf dem Arbeitsmarkt einen Kahlschlag anzurichten, der die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihrer Rechte beraubt, weil Sie meinen, jetzt wäre der Zeitpunkt, sich das leisten zu können. Sie machen das mit unglaublicher Sinnlosigkeit.
Herr Dr. Söder, ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel zum Mitdenken, denn die Arbeitswelt ist Ihnen fremd. Nehmen Sie den Kündigungsschutz: Gehen Sie mit einem Arbeitsvertrag – so Sie wissen, was das ist –,
der keinen Kündigungsschutz vorsieht, zu einer Bank und beantragen einen Kredit für die Finanzierung eines Autos. Sie werden keinen Cent bekommen. Trotzdem sind Sie
Ein weiteres Beispiel: Versuchen Sie, in München mit einem Arbeitsvertrag ohne Kündigungsschutzklausel eine Wohnung zu finden. Sie werden keine Wohnung bekommen, geschweige denn ein Darlehen für ein Auto.
Sie wollen auf diese Weise die Konjunktur anheizen und die Menschen schützen. Das funktioniert aber nicht. Sie machen mit Ihren Vorschlägen den Sozialstaat kaputt. Das bescheinigt Ihnen auch die Union. Das „Managermagazin“ ist nicht unbedingt SPD- oder gewerkschaftsnahe. Selbst dort wurde geschrieben, Ihnen sei der Giftzahn Ihres Anschlags auf den Sozialstaat gezogen worden.
Herr Dr. Söder, Ihre Vorschläge zum Abbau des Personalvertretungs- und Betriebsverfassungsrechts ist nichts anderes als ein Manchester-Kapitalismus. In Bayern könnte man das als Loden-Kapitalismus bezeichnen. Sie wollen mit den Arbeitnehmerrechten in die Steinzeit zurück. Sie wollen hin zum Sklaventum, und Sie wollen für die Leute mehrere Jobs; denn Niedriglöhne bedeuten in Ballungsräumen schon heute, dass ein Job nicht reicht. Wie wollen Sie das den Menschen erklären? – Richtig ist, dass weniger Menschen mehr arbeiten müssen, weil sie zu überleben versuchen und deshalb zwei oder drei Jobs haben. In München ist das sogar bei den Beamten – zum Beispiel den Polizisten – schon gang und gäbe. Das wollen Sie angesichts der jetzigen schlechten Arbeitsmarktlage noch ausdehnen.
ist wirklich an der arbeitsmarktpolitischen Situation schuld, nämlich Manager und Unternehmensführer. Sie haben den Karren an die Wand gefahren.
Eine führende deutsche Wirtschaftszeitung schreibt zum Problem der Absatzkrise von VW nichts über die Lohnhöhe, über den Kündigungsschutz, flexible Tarifverträge oder zu hohe Lohnnebenkosten. Nein, sie schreibt von verfehlter Marktpolitik. Die deutsche Industrie wird durch Manager kaputtgemacht, nicht durch die Löhne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Die Vorschläge, die Sie vor Weihnachten in die Verhandlungen über die Hartz-gesetze eingebracht haben, waren K.O.-Vorschläge. Bei dem, was Sie vorgeschlagen haben, fragt man sich: In welcher Welt lebt die CSU eigentlich?