Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Äußerung des Fraktionsvorsitzenden Herrmann zu Bayerns Schülerinnen und Schülern in Europa kann ich natürlich nicht unkommentiert lassen. Herr Herrmann hat die Verdienste Bayerns beim Pisa-Test gerühmt, aber mir fällt hierzu – das habe ich schon oft gesagt – nur der Spruch ein: Unter Blinden ist der Einäugige König. Nicht mehr und nicht weniger können wir in Bayern aus dem Pisa-Test lernen.
Meine Damen und Herren, ich orientiere mich aber nicht daran, dass ich vielleicht der Einäugige unter den Blinden bin; ich orientiere mich an der Spitze und denke, es gilt hier, Bayerns Schülerinnen und Schüler für Europa fit zu machen, was sich nicht auf die handstreichartige Einführung eines achtjährigen Gymnasiums beschränken kann. Eine kürzere Schulzeit ist ein Stück eines Kuchens, den wir die Lehren aus der Pisa-Studie nennen können. Sie können sich davon aber nicht immer das aussuchen, was Ihnen in den Kram passt. Wenn Sie die Erkenntnisse aus der Pisa-Studie ernst nehmen, dann müssen Sie Benchmarking betreiben mit den Ländern, die beim Pisa-Test erfolgreich abgeschnitten haben und die drei wichtige Elemente aufweisen. Das erste Element ist: Das Kind steht im Mittelpunkt und nicht die Sozialversicherung und die Globalisierung. Das zweite Element ist: Die frühe Auslese nimmt uns die Chance, unentdeckte Talente zu erkennen; also brauchen wir eine längere gemeinsame Schulzeit. Das dritte Element ist: Wirklich erfolgreich beim Pisa-Test sind nur die Ganztagsschulen gewesen.
Wort und Tat klaffen bei der Bayerischen Staatsregierung auseinander. Um Bayerns Schülerinnen und Schüler fit zu machen für Europa, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass es drei Erfolgselemente gibt, und diese ernst nehmen. Alles andere ist Augenwischerei. Aus meiner Sicht hätten Sie schon vorgestern damit beginnen müssen, aus der Pisa-Studie Lehren zu ziehen. Es würde mir aber auch reichen, wenn wir morgen damit anfangen.
In der Aussprache liegt mir noch eine Wortmeldung vor. Das Wort hat Herr Kollege Dr. Döhler für die CSU-Fraktion. Bitte, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte nimmt wieder einmal den erwarteten Verlauf. Obwohl ich in diesem Parlament ein neuer Abgeordneter bin und erst seit einiger Zeit in der Politik tätig bin, habe ich sehr aufmerksam zugehört.
Sie von der Opposition haben Ihre Rolle wieder einmal sehr gut gespielt, obwohl es natürlich eine undankbare Rolle ist. Ich muss aber dazu sagen: Ich meine das natürlich nicht inhaltlich. Nachdem gerade viel über die große
Politik gesprochen worden ist, möchte ich Sie in die Niederungen der kleinen und praktischen Politik zurückholen. Wer zum Beispiel den Beitrag von Herrn Dr. Runge gehört hat, könnte meinen, man darf zur Regierungserklärung alles sagen, was einem gerade einfällt. Wie gesagt, als naiver neuer Abgeordneter möchte ich das natürlich auch tun.
Herr Maget, wenn man Ihnen zuhört und nicht besonders selbstbewusst wäre, könnte man als Bewohner einer bayerischen Grenzregion fast in eine Weltuntergangsstimmung verfallen. Sie haben sehr viel über die Probleme gesprochen, und Sie haben auch sehr viel geschrieben in den letzten Tagen. Zum Beispiel haben Sie unter der Überschrift „Die Grenzregionen entvölkern sich“ in der „Frankenpost“ vom 6. Mai einige Aussagen gemacht, auf die ich im Laufe meiner Ausführungen näher eingehen möchte. Sie haben zum Beispiel gesagt, obwohl der Erweiterungstermin seit Jahren bekannt gewesen sei, habe die Staatsregierung die regional- und strukturpolitische Entwicklung verschlafen. Heute haben Sie das noch einmal bekräftigt. Sie haben von systematischer Vernachlässigung gesprochen. Ich bin erst vor zweieinhalb Jahren aus Brüssel in meine Heimat zurückgekehrt; folglich kann ich mir kein Urteil über die Aussage erlauben, was die Zeit davor anbelangt. Aber für die letzten zweieinhalb Jahre kann ich Ihnen sagen: Ihre Aussage ist nicht zutreffend.
Ich möchte mich an dem Spiel mit nur einem Schwarzen Peter nicht beteiligen. Für mich gibt es immer mehrere, die an einer Entwicklung teilhaben. Wenn es um die Entwicklung der Grenzlandregionen in Bayern geht, gibt es mindestens vier Ebenen, die man sich genauer ansehen sollte. Die erste Ebene ist die europäische. Sie haben in Ihrem Dringlichkeitsantrag vom 22. April auf Drucksache 15/799 ausgeführt:
Die EU leistet mit einem Gemeinschaftsprogramm … bislang einen finanziell nicht ausreichenden Beitrag. Nur 15 Millionen Euro sind dabei zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der von der Osterweiterung besonders betroffenen Grenzregionen und Wirtschaftszweige ausgewiesen, was absolut unzureichend ist.
Am 5. Mai haben Sie davon gesprochen – und das haben Sie heute bekräftigt –, dass Sie EU-Förderungen eigentlich ablehnen. Mich würde schon interessieren, wie es zu diesem Wandel kam und welche Gründe dafür sprechen.
Natürlich hat Ihre Aussage, eine weitere, höhere EU-Förderung vor dem Hintergrund einer Deckelung des deutschen Beitrags abzulehnen, einen gewissen logischen Charme. Aber es ist zumindest aus der Sicht eines bayerischen Abgeordneten strategisch falsch, jemanden schon aus seiner Verantwortung zu entlassen, bevor man sich sicher ist, dass man bei dem Nächsten auch wirklich in die Verantwortung kommt. Der Nächste ist für mich die zweite Ebene, nämlich der Bund.
Da können wir noch Hoffnung haben. Ich kann mich gut erinnern an den Besuch des derzeitigen Bundeskanzlers vor einiger Zeit in Marktredwitz. Er sagte: Ich war auch einmal Porzelliner, ich verstehe eure Sorgen und Nöte,
und ich werde euch helfen. – Nun, wir warten immer noch auf den Durchbruch aus Berlin, und vielleicht warten wir da noch etwas länger, aber wir im Grenzland sind geduldige Leute.
Was uns aber schon etwas irritiert, ist, wie diese Hilfe bisher aussieht. Wir haben heute schon gehört, was aus Berlin kommt. Die Mittel der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ wurden gekürzt und sollen bald ganz abgeschafft werden. Dies ist nicht gerade sehr aufbauend für die Menschen in unserer Grenzlandregion. In diesem Zusammenhang, Herr Maget, habe ich mit großem Interesse von Ihnen vernommen, dass der Ausbau der Schienenstrecke Nürnberg – Prag über Marktredwitz und Schirnding alsbald von der Bundesregierung angepackt werden wird. Ich werde Sie sicherlich zu gegebener Zeit daran erinnern.
Aber kommen wir zur dritten Ebene, dem Freistaat, dem Sie von der Opposition, wenn vielleicht nicht die gesamte, so doch die meiste Schuld an der Situation in Nordostbayern zuschreiben. Die Überschrift dazu im „Fränkischen Tag“: „Grenzregionen sind schlecht gerüstet“. Als Beispiel entnehme ich der Presse – Sie haben es heute noch einmal wiederholt – die schlechte Qualität der Schulabschlüsse. Herr Kollege Maget, daran muss ich etwas schlucken, denn ich habe auch eine Schule im Grenzland besucht.
Ich bin sehr stolz darauf, dass ich dort meine Ausbildung genießen durfte, und ich kann Ihnen auch sagen, dass alle Schulabgänger in unserer Region – ob von der Hauptschule oder vom Gymnasium – in ganz Deutschland gute Jobs finden. Vielleicht liegt das Problem aber woanders, und vielleicht haben Sie auch das gemeint: Es ist natürlich bedauerlich, dass viele unserer Schulabgänger zurzeit aus der Region weggehen müssen, weil sie keine adäquaten Arbeitsplätze finden. Ich kann Ihnen versichern, intensiv daran zu arbeiten, dass unsere guten Leute auch bei uns wieder Arbeitsplätze finden werden. In diesem Punkt können Sie mich auch beim Wort nehmen.
Allerdings werden wir es nicht dadurch schaffen, dass wir uns Ihrem ständigen Nörgeln anschließen. Das ständige Jammern aus der zweiten Reihe hilft uns dabei nicht weiter, denn damit hat man noch nie ein Problem gelöst. Sie haben sicher davon gelesen, dass sich vor kurzem einige ostbayerische Abgeordnete auf dem Großen Arber getroffen haben. Wir haben uns dabei über die Situation der Grenzregionen in Bayern unterhalten und eine Resolution verabschiedet. Wir haben dabei klare Forderungen aufgestellt, und diese werden wir konzentriert und zielgerichtet verfolgen. Wir brauchen keine allgemeinen Floskeln dazu, was für die Grenzregionen alles schön wäre, sondern wir brauchen zielgerichtete Unterstützung, die sich uns auf unsere geographischen und natürlichen sowie gesellschaftsstrukturellen Potenziale in den Grenzregionen konzentriert. Diese authentische Hilfe wird dann einen nachhaltigen Erfolg bringen. Daran werden die ostbayerischen
Wenn ich die heutige Presse lese, kann ich es mir nicht verkneifen, der Staatsregierung dafür zu danken, dass sie darüber nachdenkt, zum Beispiel ein Landesamt nach Hof zu verlegen.
Ich denke, diese Überlegungen sollten auch Ihre Wünsche treffen. Aber um das zu schaffen, brauchen wir natürlich auch die Mitarbeiter der vierten Ebene; das sind die der Regionen und der Landkreise. Herr Kollege Hoderlein hat es im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten angesprochen und insbesondere den Landkreis Wunsiedel im Fichtelgebirge als Beispiel für das Versagen der Bayerischen Staatsregierung angeführt. Dass dieser Landkreis mit seinen letzten Plätzen in Bayern bei fast allen wirtschaftlichen Parametern als ein gutes Beispiel dient, steht außer Frage. Aber als Beispiel wofür? Haben Sie sich schon einmal gefragt, welche Auswirkungen es haben könnte, wenn ein Landkreis 50 Jahre lang mit SPDLandräten gesegnet ist?
Haben Sie sich einmal gefragt, welche Auswirkungen es haben muss, wenn ein Landkreis – übrigens in bester Gesellschaft mit dem SPD-geführten Landkreis Hof – seit Jahren bei den Personalkosten pro Einwohner einsame Spitze ist?
Wenn dann der Wirtschaftsförderer des Landkreises in einer öffentlichen Sitzung des Wirtschaftsausschusses auf die Frage, wie viele Firmen er denn im Landkreis besucht, erklärt: „Ich besuche zwei bis vier Firmen pro Jahr“ – Sie haben richtig gehört, er hat gesagt, er besuche zwei bis vier Firmen pro Jahr –, dann sagen Sie mir bitte, Herr Maget: Wie kann die Bayerische Staatsregierung einem solchen Landkreis eigentlich helfen? Ich denke, dass auch ein gehöriger Bedarf an Eigeninitiative erforderlich ist, das heißt, die vierte Ebene muss auch mitarbeiten. Gott sei Dank ist es aber nicht überall so.
Zum Abschluss möchte ich Ihnen, Herr Maget, aber auch dem Kollegen Hoderlein noch eine Begebenheit als ein Beispiel von vielen ins Stammbuch schreiben: Vor einigen Wochen war ich in der Außenstelle des Geologischen Landesamtes in Marktredwitz eingeladen. Das wurde 1999 verlagert, und dabei wurden ungefähr 40 Mitarbeiter von Bamberg nach Marktredwitz versetzt. Nach den Aussagen des Personalratsvorsitzenden war es eine größere Aktion, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, nach Marktredwitz zu gehen, in eine Region, die sehr unbeliebt ist. Zu verdanken haben wir diese Probleme natürlich auch solchen Leuten wie Ihnen, die unsere Region immer schlecht reden.
Jetzt haben mich die Mitarbeiter ausdrücklich gebeten, alles dafür zu tun, dass sie in Marktredwitz bleiben können, denn nach vier Jahren haben sie das Leben in unserer Region schätzen gelernt. Die Lebensqualität bei uns ist hoch. Es ist zwar ein Leben im ländlichen Raum – Marktredwitz ist keine Großstadt –, aber das heißt noch lange nicht, dass dort die Lebensqualität schlecht sein muss.
Natürlich wissen wir, dass in den Grenzregionen noch große Entwicklungsmöglichkeiten bestehen, aber wir wollen das konstruktiv angehen. Deshalb bitte ich Sie um eins, Herr Maget – in den letzten Tagen ist in der Zeitung viel darüber geschrieben worden -: Unterlassen Sie es bitte, künftig von meiner Region schlecht zu reden.
Uns als Deppen und Hinterwäldler darzustellen, hilft uns wirklich nicht weiter. Im Gegenteil: Damit schaden Sie uns nur. Auf Ihr destruktives Gemaule können wir in Zukunft verzichten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme hat Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber das Wort. Bitte schön, Herr Ministerpräsident.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, zum Ersten kann man festhalten – das sollte man bei allen unterschiedlichen Positionen immer wieder tun –, dass Bayern, die Staatsregierung und alle Fraktionen in diesem Haus natürlich die Osterweiterung, die Wiedervereinigung Europas begrüßen. Ich will noch einmal deutlich machen, Herr Maget: Bayern hat immer diese Osterweiterung begrüßt und unterstützt. Es gab eine unterschiedliche Position zwischen der Regierung Kohl und der Regierung Schröder. Die Regierung Kohl hat damals sozusagen das Regattaprinzip bevorzugt – jedes Land einzeln und nicht im so genannten Big Bang –, während die Regierung Schröder anderer Auffassung war. Das ist zwar Schnee von gestern, ich muss das aber richtig stellen: Ich bin der Meinung, dass das Regattaprinzip das bessere gewesen wäre, nämlich eines nach dem anderen. Wer die Kriterien erfüllt, kommt dazu. Man hätte dann auch einen stärkeren Wert auf die einzelnen Kriterien legen können. Dass die Regierung Kohl das vertreten hat, war richtig. Die Regierung Schröder hat dann aus dem so genannten Regattaprinzip den Big Bang gemacht und alle zehn auf einmal beitreten lassen, was einerseits politisch sicherlich Sinn macht, auf der anderen Seite allerdings von der Angleichung her ganz erhebliche Erschwernisse bedeutet; denn Slowenien ist in einer anderen Situation als zum Beispiel das wesentlich größere Polen usw.
Deswegen will ich Ihre Äußerungen in aller Entschiedenheit zurückweisen: Bayern hat immer die Wiedervereinigung Europas, die Osterweiterung der Europäischen Union, befürwortet, begrüßt und unterstützt, allerdings zunächst in der Position: eines nach dem anderen.
Zum Zweiten: Ich halte es für Ihr gutes Recht, immer wieder zu sagen, was die Staatsregierung Ihres Erachtens nicht richtig oder falsch gemacht hat. Das gehört zur parlamentarischen Demokratie. Ich will das Schlusswort auch nicht dazu gebrauchen, um Ihnen nachzuweisen, wo Sie meines Erachtens eine völlig falsche Behauptung aufstellen.
Ich will nur eines deutlich machen, Herr Maget, und davon müssen Sie ausgehen. Wir haben drei Kreise. Wir haben zunächst eine Verpflichtung zur Schaffung der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in allen Landesteilen Bayerns. Wir haben dann die verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Schaffung von Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in Deutschland, und wir haben jetzt im EU-Vertrag auch eine Verpflichtung zur Schaffung von Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in den europäischen Mitgliedstaaten. Diese drei Verpflichtungen überlagern sich in gewisser Weise. Das heißt, aus europäischer Sicht ist natürlich das Grenzland in Bayern kein besonderes Problemgebiet, gemessen an bestimmten Problemgebieten in Osteuropa oder auch in Spanien oder Griechenland. Natürlich tun wir in Bayern alles, um die peripheren Räume in Bayern, soweit es geht, gleichwertig zu entwickeln. Ich habe ja bereits deutlich gemacht – Sie haben es bestritten –, was wir alles zur Erschließung und Entwicklung der peripheren Räume getan haben.
Ich verstehe eines nicht, nämlich dass Sie nicht bereit sind, die Bundesregierung sachlich zu kritisieren, dass es in Bayern das einzige Gebiet Deutschlands gibt, das sozusagen als ein nicht gefördertes Gebiet an ein Ziel-1-Gebiet in Europa anstößt. Die Lage in Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen ist eine andere. Mecklenburg-Vorpommern stößt an Polen an; beide sind Ziel-1-Gebiete und erhalten die gleiche Förderung. Sachsen stößt an Tschechien an, und beide sind Ziel-1-Gebiete mit einer gleichen Förderung.
Bayern schließt ebenfalls an Tschechien an, hat dort aber kein Fördergebiet, sondern wird in der Förderung vielmehr noch weiter zurückgeführt. Wir haben dort dadurch ein enormes Gefälle. Wenn wir aber in Berlin über diese Position reden, ernten wir dort nur höhnische Bemerkungen gegenüber Bayern, so nach dem Motto: Die sollen sich doch selbst helfen. Da hätte ich eigentlich Unterstützung von Ihnen erwartet. Das könnten Sie doch tun, unabhängig davon, dass Sie Ihre Bundesregierung stärker verteidigen als andere. Das sehe ich Ihnen nach, aber wenn Sie die fachliche Seite nicht sehen wollen und die eigene Regierung nicht mahnen, etwas zu verändern, dann kann ich das nicht akzeptieren. Damit werden Sie Ihrer Aufgabe nicht gerecht.
Ich komme zu einem weiteren Punkt. In diesem Punkt bin ich zu jeder Unterstützung bereit, weil die Europäische
Union ab dem Jahre 2006 überhaupt keine regionale Förderung mehr praktiziert. Sie haben das angesprochen, Herr Runge. Das heißt also, das, was Sie einklagten, was zu tun wäre, ist von der Europäischen Union im Ministerrat im Hinblick auf die Planung der Jahre 2007 bis 2013 längst entschieden. Ich will das nicht weiter vertiefen. Die größere Europäische Union – da komme ich wieder zu den Gemeinsamkeiten zurück – muss ein Erfolg werden. Deswegen brauchen wir Reformen in der Europäischen Union selbst, und diese müssen massiv angemahnt werden.
Ich sage Ihnen ganz offen: Ich bedauere es, dass der Bundesaußenminister und der Bundeskanzler sich in dem Verfassungsvertrag – wie Reinhold Bocklet es gesagt hat – nur darauf konzentriert haben, die doppelte Mehrheit zu sichern. Alle anderen Dinge wollen Sie nicht anpacken. Das halte ich für falsch, weil der Verfassungsvertrag grundlegende Weichenstellungen für unser Land bringt. Leider wissen das viele Menschen noch gar nicht, weil es noch nicht richtig an die Menschen herangebracht werden konnte, dass man als verantwortliche Bundesregierung einige Punkte einfach anmahnen muss und versuchen muss, sich mit den Engländern und Franzosen zusammen durchzusetzen.
Ich sage noch einmal: Wir brauchen Reformen innerhalb der Europäische Union und natürlich auch bei uns selbst. Es kann niemand bestreiten, dass Deutschland in den letzten Jahren einen Reformstau hatte und auch noch hat und dass wir bei Veränderungen mit vielen Ländern in Europa nicht mehr konkurrieren können. Ich spreche häufig mit Leuten aus dem osteuropäischen Raum und werde dies auch in den nächsten Wochen wieder tun. Dabei höre ich immer: Ihr redet ständig von Besitzstandswahrung. Das sagen mir die Polen oder auch die Tschechen. Und sie fügen hinzu: Wir haben keinen Besitz und nichts zu bewahren. Wir wollen nach vorn schauen. Hier stoßen Mentalitäten aufeinander, die es für uns schwierig machen. Wir brauchen einen stärkeren Veränderungswillen.