Protokoll der Sitzung vom 29.06.2004

repressiven Bereich, also zur Strafverfolgung, erschwert, dann müssen wir im Bereich der Prävention, wenn also noch keine Straftat begangen ist, aufholen und dort die Möglichkeiten stärker als bisher nutzen.

Diese Argumentation ist meines Erachtens falsch. Genau umgekehrt gibt es einen Sinn. Wenn der Einsatz technischer Mittel zum Lauschangriff dann, wenn eine Straftat schon begangen ist und es darum geht, Ermittlungen anzustellen und den oder die Täter zu finden, nur unter sehr strengen Voraussetzungen zulässig sein soll, muss das, meine ich, umso mehr gelten, wenn überhaupt noch keine Straftat begangen ist, sondern wenn man nur den Verdacht hat, dass eine Straftat verabredet oder vorbereitet werden könnte.

Das heißt: Selbstverständlich sind die Wertungen, die in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

enthalten sind, nun auch auf den präventiven Bereich umzusetzen. Hierbei geht es insbesondere um den Artikel 34 des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hat ein sehr unterschiedliches Echo gefunden. Es gibt die Polizeipraktiker, die natürlich sagen, dadurch werde ihre Arbeit erschwert. Es gibt aber auch die anderen, die sagen, dass das Bundesverfassungsgericht mit dieser Entscheidung

endlich wieder einmal eine Selbst-verständlichkeit

ausgesprochen hat, nämlich die Selbstverständlichkeit, dass in der Wertordnung unseres Grundgesetzes nicht jeder automatisch ein Verdächtiger sein kann und dass es einen Kernbereich privater Lebensgestaltung geben muss, der dem Zugriff des Staates entzogen bleiben muss, sonst wäre es nämlich ein anderer Staat.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Meine Damen und Herren, ich weiß, dass man sich mit dieser Argumentation wider den Zeitgeist stellt, weil in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren die Idee, man könne absolute Sicherheit dadurch herbeiführen, dass immer mehr Bürgerrechte eingeschränkt werden, salonfähig geworden ist. Diese These hat sich jedoch als falsch herausgestellt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, deswegen kann man die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht hoch genug schätzen. Hier wurde eine Selbst

verständlichkeit gesagt, die leider wieder einmal gesagt werden musste. Weil das so ist, ist uns als SPD-Fraktion jeder Versuch – auch der der GRÜNEN – dieses Urteil im Landesrecht umzusetzen, sehr recht. Wir werden die Vorschläge natürlich im Einzelnen prüfen müssen, insbesondere das Problem der Berufsgeheimnisträger, das bereits angesprochen worden ist. Ich möchte aber in der ersten Lesung unsere grundsätzliche Sympathie zu diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck bringen und hoffe, dass es uns in den Ausschussberatungen gelingen wird, ihn so zu verändern, dass er schließlich unsere volle Zustimmung bekommen wird.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nur ganz kurz – ohne auf den Gesetzentwurf einzugehen – sagen, dass die Staatsregierung einen Referentenentwurf zur Änderung des Polizeiauf

gabengesetzes erarbeitet und mit den Ressorts

abgestimmt hat. Wir sind in der Innenministerkonferenz dabei, die Grundgedanken des Entwurfs mit anderen Ländern abzustimmen, sowohl im Arbeitskreis II als auch im Arbeitskreis IV. Zum Teil haben wir bei diesen Gesprächen die Federführung. Auf der Ebene der Innenministerkonferenz ist auch das Bundesinnenministerium beteiligt, um die notwendigen Konsequenzen analog zu ziehen.

Die Thematik betrifft alle Polizeien des Bundes und der Länder und den Zoll. Die notwendigen Abstimmungen zwischen Bund und Ländern sind noch nicht

abgeschlossen. Sie werden auf unseren Entwurf möglicherweise Einfluss haben. Dies wird jedoch im Einzelnen in den Beratungen im Landtag und in den Ausschüssen zu diskutieren sein.

Die Haltung des Kollegen Kreidl, die er zum Gesetzentwurf der GRÜNEN zum Ausdruck gebracht hat, ist, dass dieser Gesetzentwurf einerseits zu weitgehend und andererseits nicht weitgehend genug sei. Meine Bewertung: Dies ist ein gut gemeinter Entwurf, das heißt aber noch lange nicht, dass er gut ist. Das wird sich in den Beratungen in den Ausschüssen zeigen.

(Beifall bei der CSU)

Verehrte

Kolleginnen und Kollegen, damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit als

federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Es ist so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2b Gesetzentwurf der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Parlamentarischen Kontrollgremium-Gesetzes (Drucksache 15/1073) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Frau Kollegin Stahl, ich darf Ihnen das Wort er-teilen.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Ich möchte mich noch einmal bei den Kolleginnen und Kollegen für das Verständnis bedanken, dass wir die Beratung dieser beiden Gesetzentwürfe getrennt haben. Bei dem jetzt zur Debatte stehenden Gesetzentwurf geht es um eine Gesetzesinitiative, die sich zwar aus einer Bemerkung des bayerischen Innenministers zu einer durchgeführten Abhörmaßnahme ergab. Er hat diese Bemerkung am Rande einer Regierungserklärung zur inneren Sicherheit gemacht. Diese Bemerkung hat jedoch etwas mit der Berichterstattung im Parlamentarischen Kontrollgremium zu tun.

Ich stelle mit Befriedigung fest, dass die GRÜNENLandtagsfraktion seit dieser Legislaturperiode nicht mehr als Gefahrentatbestand betrachtet wird, sondern uns ein Sitz im Kontrollgremium zugestanden wurde. Das ist die erfreuliche Entwicklung. Betrübt hat uns jedoch – ich hoffe, das gilt auch für die Kolleginnen und Kollegen aus dem Kontrollgremium –, dass wir feststellen mussten, dass die Berichterstattung doch nicht in der Breite erfolgt, wie wir uns das wünschen würden. Ich gehe zumindest davon aus, dass alle Abgeordneten dieses Gremiums gleich behandelt werden und genauso viel bzw. genauso wenig Informationen erhalten.

Nach unserer Meinung wurden wir nicht über bestimmte Vorgänge informiert, weil – so wurde es in sehr unterschiedlichen Ausführungen mitgeteilt – höhere

Interessen dagegen gestanden hätten. Anders als Herr Dr. Beckstein möchte ich jedoch nicht in schutzwürdige Details gehen, weil ich nicht sicher bin, ob diese nicht noch Gegenstand von Beratungen werden könnten. In unserem Gesetzentwurf geht es nicht um den konkreten Fall, sondern um die Ausgestaltung parlamentarischer Kontrolle, sobald bayerische Landesbehörden in

irgendeiner Form tätig geworden sind.

Wir sind der Auffassung, dass das Parlamentarische Kontrollgremium-Gesetz hinsichtlich der Berichtspflichten der Staatsregierung deutlicher gefasst sein muss. Wir verdeutlichen deshalb die Fallgruppen, zu denen das Staatsministerium der Justiz und das Staatsministerium des Innern Bericht erstatten müssen. Gerade weil mit technischen Mitteln in Grundrechte eingegriffen werden darf, muss es als rechtstaatliches Pendant – auch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung heraus – eine

parlamentarische Kontrolle geben. Meine Herren und Damen, dagegen können Sie eigentlich nichts haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die Redezeit pro Fraktion beträgt fünf Minuten. Für die CSU-Fraktion darf ich Herrn Kollegen Ettengruber das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion der GRÜNEN nimmt den Bericht des Staatsministeriums des Innern im

Parlamentarischen Kontrollgremium – PKG – zum Anlass, eine Ergänzung des Gesetzes zu fordern. Wir sehen dazu keinen Anlass. Das Innenministerium hat über den Einsatz eines V-Mannes berichtet. Es hat nicht über den Einsatz der akustischen Wohnraumüberwachung berichtet und sich damit an die bestehende Rechtslage gehalten.

Frau Kollegin Stahl, Sie wissen, dass nach der Strafprozessordnung das Justizministerium für repressive Maßnahmen zuständig ist und nicht das Innenministerium. Das bedeutet, übermorgen wird darüber in unserer jährlichen Sitzung berichtet. Das Gesetz berücksichtigt den Artikel 13 des Grundgesetzes und ist danach ausgestaltet, sodass in erster Linie fortlaufend über die Tätigkeit des Verfassungsschutzes und jährlich über Maßnahmen berichtet wird, die durch das Gesetz von 1998 im Grundgesetz neu eingeführt worden sind.

Das PKG wurde damit beauftragt, weil man die Einführung eines weiteren Gremiums vermeiden wollte. Für das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, sind die Ausschüsse des Landtags ohnehin zuständig. Diese Materie gehört nicht in das PKG. Deswegen sehen wir keine Notwendigkeit, dieses Gesetz zu ändern. Wir werden uns darüber im zuständigen Ausschuss unterhalten.

(Beifall bei der CSU)

Das Wort hat Herr Kollege Schuster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Aufgaben des

Parlamentarischen Kontrollgremiums sind im Grundgesetz festgelegt und im Bayerischen Parlamentarischen

Kontrollgremium-Gesetz konkretisiert worden. Dort sind auch die Aufgaben im Einzelnen definiert. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, vonseiten des Parlaments zu kontrollieren, ob die gesetzlichen Vorgaben eingehalten sind, wenn durch die Exekutive in bestimmte Grundrechte wie die Unverletzlichkeit der Wohnung oder in das Brief- und Fernmeldegeheimnis eingegriffen wird.

Es besteht deshalb eine regelmäßige Berichtspflicht des Verfassungsschutzes, des Staatsministeriums des Innern und des Justizministeriums gegenüber dem Parlamentarischen Kontrollgremium. Dieser Berichtspflicht kommen die zuvor genannten Ministerien und das Landesamt für Verfassungsschutz regelmäßig in den Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums nach. Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, mich im Namen der SPD-Fraktion bei den Beteiligten, Herrn Dr. Remmele, Herrn Dr. Weber und beim Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz, Herrn Gold, für die Berichte zu bedanken.

Jetzt hat sich aber gezeigt, dass das Parlamentarische Kontrollgremiums-Gesetz Lücken aufweist, was die Berichtspflicht des Staatsministeriums des Innern gegenüber dem Parlament bzw. gegenüber dem

Parlamentarischen Kontrollgremium betrifft. Ich kann mich noch genau an die Debatte über die Regierungserklärung zur inneren Sicherheit erinnern. Damals hat der Innenminister aus seiner Emotion heraus – er hat sich auch noch einmal zu den Mitarbeitern des Landesamtes für Verfassungsschutz umgedreht – gesagt: „Das wird Ihnen jetzt nicht gefallen, aber ich sage es trotzdem: Die ganze Sache mit der Kameradschaft Süd und die Pläne gegen das jüdische Zentrum, hier einen Sprengstoffanschlag zu verüben, konnte nur durch eine Wohnraumüberwachung mit technischen Mitteln geklärt werden.“ Das zweite Mal war dann beim Verfassungsschutzbericht 2003 die Rede davon. In den vorhergehenden Sitzungen des Parlamentarischen

Kontrollgremiums wurde mehrfach über die Kameradschaft Süd gesprochen und auch über die Pläne der Gruppe, bei der Grundsteinlegung einen Anschlag auf das jüdische Zentrum zu verüben. Dass das Verhindern des Anschlags aber unter anderem auf eine Wohnraumüberwachung zurückzuführen ist, davon war in den Sitzungen nie die Rede.

Hier setzt der Gesetzentwurf an. Es kann gerade bei Fällen von außergewöhnlicher Bedeutung nicht sein, dass das Parlamentarische Kontrollgremium nicht zeitnah über den Lauschangriff informiert wird. Ich betone hier zeitnah, das bedeutet für uns, dass wir nach Abschluss des Lauschangriffs und nicht erst nach Abschluss der gesamten Ermittlungen informiert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)