Protokoll der Sitzung vom 29.06.2004

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kolleginnen und Kollegen der CSU, diese Forderung gefährdet aufgrund der Geheimhaltungspflicht der Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht den erfolgreichen Abschluss der Ermittlungen.

Wir, die SPD-Fraktion, werden deshalb dem Gesetzentwurf zustimmen, denn eine geeignete Kontrolle der Exekutive kann nur stattfinden, wenn wir als Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums stellvertretend für alle Parlamentarier bei besonderen und außerordentlichen Vorgängen zeitnah informiert werden. Darum kann ich auch Ihre Argumentation, Herr Kollege Ettengruber, nicht ganz verstehen. Wir machen dem Landesamt für Verfassungsschutz und dem Innenministerium keine Vorwürfe. Sie haben nach den gesetzlichen Vorgaben gehandelt. Wir möchten aber ganz einfach, dass die gesetzlichen Vorgaben etwas weiter gehen. Wenn ein Vorgang eine außergewöhnliche Bedeutung hat, wollen wir auch zeitnah darüber informiert werden.

Kolleginnen und Kollegen, so steht es auch in der Begründung des Gesetzentwurfs, aber ich will es doch noch einmal ausführen. Aus einer Ablehnung des Änderungsentwurfs durch das Parlament wäre die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sich das Parlament selbst nicht vertraut, und eine Ablehnung würde ein Misstrauen gegenüber dem Parlamentarischen

Kontrollgremium dokumentieren, welches nicht angebracht ist. Ich bitte Sie deshalb, Ihre Meinung noch einmal zu überdenken und dem Gesetzentwurf ebenfalls zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als

federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. Dann ist es so beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2 c Gesetzentwurf der Abgeordneten Dr. Sepp Dürr, Ruth Paulig, Eike Hallitzky und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes (Drucksache 15/1183) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von Seiten der Antragsteller begründet. Ich darf Ihnen, Frau Kollegin Paulig, hierfür das Wort geben.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf zur Novellierung des Bayerischen Naturschutzgesetzes greifen wir die

Verpflichtung auf, dass das Landesgesetz dem

Bundesnaturschutzgesetz angepasst werden muss,

welches am 25. März 2002 novelliert wurde. Wir haben diese Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes sehr begrüßt, weil es über Jahrzehnte nicht möglich war, hier endlich voranzukommen. An der Novelle des alten Naturschutzgesetzes sind der frühere Umweltminister Klaus Töpfer und seine Amtsnachfolgerin Angela Merkel gescheitert. Der Einfluss der Agrarlobby war jedes Mal so heftig, dass der Naturschutz einfach nicht vorangekommen ist. Jetzt haben wir endlich ein neues Bundesnaturschutzgesetz, an welches das Bayerische Naturschutzgesetz bis zum 4. April 2005 anzupassen ist.

Wir haben einen vernünftigen Vorschlag eingebracht, einen Gesetzentwurf, der die Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes umsetzt. Ich darf Ihnen an fünf Punkten aufzählen, was für uns entscheidend ist, ohne dabei aber ins Detail zu gehen.

Punkt eins. Naturschutz hat Vorrang. Auf 15 % der Landesfläche ist ein Biotopverbund zu schaffen. Gerade die zunehmende Zerschneidung unserer Landschaft durch Verkehrswege, Wohn- und Industriebebauung führt zu einer Verinselung und damit zu einem großen und hohen Artensterben. Wir wissen, dass die roten Listen in Bayern immer länger werden. Die Zahl der Tiere und Pflanzen, die auf diesen roten Listen stehen, wächst, obwohl wir das Vorkommen vieler dieser Tiere und

Pflanzen in Bayern immer als sicher erachtet haben. Tatsache ist, dass derzeit 40 bis 50 % der Tiere und Pflanzen Bayerns auf der roten Liste stehen. Hier ist dringend zu handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir fordern, gegen diese Verinselung von Lebensräumen einen Biotopverbund zu bilden, der sich aus Nationalparks, aus besonders geschützten Biotopen, aus Naturschutzgebieten, Biosphärenreservaten und wichtigen Flächen und Elementen in Landschaftsschutzgebieten und Naturparks zusammensetzt. Um diesen Biotopverbund dauerhaft sicherzustellen, brauchen wir natürlich die entsprechenden Finanzmittel und vertraglichen Bindungen.

Punkt zwei. Wir fordern eine neue Definition der guten fachlichen Praxis im Naturschutzrecht. Das neue Verhältnis zwischen Naturschutz und Landwirtschaft muss Eingang in die Praxis finden. Das heißt, die bisherige gute fachliche Praxis nach dem Prinzip „Augen zu und durch“, die immer als naturschutzfachgerecht bezeichnet wurde, hat keinen Bestand mehr. Wir müssen darauf achten, dass vorhandene Biotope durch die Landwirtschaft nicht beeinträchtigt werden, dass Vernetzung stattfindet, dass erosionsgefährdete Hänge und Überschwemmungsgebiete sachgerecht bearbeitet werden, dass dort der

Grünlandumbruch unterlassen wird und dass Moorstandorte geschützt werden. Das ist übrigens eine Forderung, die auch mit der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie überfällig ist.

Auch die forstliche Nutzung des Waldes hat das Ziel zu verfolgen, naturnahe Wälder zu erhalten und ohne Kahlschläge nachhaltig zu wirtschaften. Artenreichtum wird natürlich auch durch den Borkenkäfer vorangebracht, aber ich glaube, in diesem Sinne begrüßen wir den Artenreichtum alle nicht. Wir wollen wirklich eine sachgerechte nachhaltige Bewirtschaftung des Waldes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Punkt drei. Die Landschaftsplanung ist zu einem zentralen Instrument des Umwelt- und Naturschutzes auszubauen. Derzeit kann ein Landschaftsplan erstellt werden, er muss aber nicht erstellt werden. Er verschwindet in den Schubladen und hat keine Relevanz für die kommunale Planung. Hier fordern wird ganz klar, dass die Landschaftsplanung einen zentralen Stellenwert bekommt. Wir fordern, dass die Maßnahmen evaluiert und festgesetzt werden, die dazu dienen, dass die Landschaftselemente, die in der Landschaftsplanung vorhanden sind, berücksichtigt werden. Dazu brauchen wir Landschaftsprogramme, Landschaftsrahmenpläne und Landschaftspläne, um diese Vernetzung und Qualifizierung der bayerischen Landschaft sicherzustellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Beispiel müssen vorhandene Hochwasserrückhaltefl ächen in die Landschaftsplanung Eingang finden. Die Erholungsvorsorge muss berücksichtigt werden. Wie soll sich die Natur entwickeln? Welchen Artenreichtum wollen

wir? Wie soll das Netz Natura 2000 sichergestellt werden? Wie soll die Qualität von Böden, Gewässer, Luft und Klima Berücksichtigung finden?

Hierher gehört auch die Ausbringung fremder Arten. Gentechnisch veränderte Organismen wollen wir nicht in der Landschaft haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch der richtige Umgang mit dem Grundwasser gehört zu den Vorsorgemaßnahmen, die notwendig sind und im Bayerischen Naturschutzgesetz verankert werden

müssen.

Viertens. Die Natur soll Vorrang vor dem Bagger haben. Wir brauchen eine neue Eingriffsregelung und müssen endlich weg vom Reparaturbetrieb. Derzeit wird die Verpflichtung, Ausgleichsflächen zu schaffen und

Beeinträchtigungen zu unterlassen, so gehandhabt, als hätten wir eine zweite Erde im Nebenbetrieb zur Verfügung, als könnte man einfach versiegeln und zerstören und anschließend sagen, der Eingriff wird ausgeglichen. So geht es nicht. Die Eingriffe werden nicht in ihrer zerstörenden Relevanz erkannt. Wir müssen weg vom Reparaturbetrieb; denn die wertvollen Landschaftsbestandteile sind nur sehr schwer ersetzbar. Das heißt, erhebliche und dauerhafte Eingriffe in Natur und Landschaft müssen unterlassen werden. Auch dies wird das neue Naturschutzgesetz zu regeln haben.

Bei nicht vermeidbaren Beeinträchtigungen muss die Landschaft tatsächlich gleichartig, was die Funktion des Naturhaushalts und des Landschaftsbildes betrifft, wieder hergestellt werden. Das sind entscheidende Dinge, die leider bis jetzt in den so genannten Ausgleichsregelungen nicht ihren Niederschlag finden.

Ein fünfter Punkt, der uns sehr wichtig ist, um der Natur einen Anwalt zu geben, ist das neue Verbandsklagerecht. Wie Sie wissen, wurde inzwischen im Bundesnaturschutzgesetz das Verbandsklagerecht für Eingriffe, die bundesrelevante Maßnahmen betreffen, geschaffen. Wir brauchen aber ein Verbandsklagerecht auch im Bayerischen Naturschutzgesetz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie Sie wissen, ist die Verbandsklage bereits in 13 Lande snaturschutzgesetzen verankert. Ausnahmen bilden

bisher Baden-Württemberg – auch dort gibt es neue Vorstöße der GRÜNEN –, Bayern und MecklenburgVorpommern. Es ist auch nicht so, dass mit einem Verbandsklagerecht alle Maßnahmen verhindert würden oder Planungen nicht mehr möglich wären. Im Gegenteil: In den 13 Bundesländern hat sich gezeigt, dass sich die Regelung bewährt und Bestand hat und zu einer Qualifizierung der Naturschutzplanungen und der Eingriffe führt. Die Klageflut, die man fürchtet und die Bauprojekte verzögern würde, hat nicht stattgefunden. Stattdessen hat sich die Naturschutz- und Eingriffsregelung als vorbildlich erwiesen. Die Planungen wurden besser, und die Natur wurde besser geschützt.

Ich darf meine Rede mit einem Zitat des bayerischen Umweltministers Dr. Schnappauf beenden:

Es wird aber immer deutlicher: intakte Natur ist ein Standortvorteil Bayerns im Ansiedlungswettbewerb um moderne Hightech- und Dienstleistungsbetriebe. Umweltqualität bedeutet auch Lebensqualität und ist Urgrund unserer bayerischen Lebensqualität, die wir so schätzen und genießen. Naturschutz beginnt mit der Vorsorge für den Erhalt der wertvollen Landschaften.

So hieß es in der Regierungserklärung vom 3. April 2003.

(Margarete Bause (GRÜNE): Herr Schnappauf ist kein Standortvorteil für Bayern!)

Dieser Standortvorteil, den intakte Natur bietet, ist leider nicht in Ihrem Umweltminister personifiziert. Die

vorgetragenen Ausführungen sind leere Sprüche, deren Inhalt aber mit einer sachgerechten und angemessenen Novelle des Bayerischen Naturschutzgesetzes Eingang in die Landesplanung finden muss, um die Schönheiten und die Artenvielfalt der bayerischen Landschaft tatsächlich zu erhalten.

Also: Führen Sie eine sachgerechte Novelle des Bayerischen Naturschutzgesetzes durch – und wir haben ein Mehr an Lebensqualität für uns Menschen und ein Mehr an Lebensräumen und Lebensqualität für Tier und Pflanze.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Paulig, ich bedanke mich mit dem kurzen, dezenten Hinweis, dass es hier um die Begründung des Gesetzentwurfs gegangen ist. Vielleicht könnten wir uns alle daran halten, dass nur eine Begründung gefragt ist.

Ich darf die Aussprache eröffnen und für die CSU-Fraktion Herrn Dr. Hünnerkopf das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon gehört, das am 25. März beschlossene und am 4. April 2002 in Kraft getretene Bundesnaturschutzgesetz verpflichtet die Länder, ihre Landesnaturschutzgesetze bis zum 4. April 2005 anzupassen. Der Gesetzentwurf der GRÜNEN greift wesentliche Neuerungen des Bundesnaturschutzgesetzes auf. Der Eifer der Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN ist daher sicher lobenswert, aber die Staatsregierung ist unseres Wissens bei der Bearbeitung ihres Entwurfs ebenfalls durchaus im Soll.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Deshalb ist Herr Dr. Schnappauf nicht da!)