Protokoll der Sitzung vom 30.06.2004

In seiner Sitzung am 15. Juni dieses Jahres erklärte der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden die Eingabe mit den Stimmen der CSU gegen die Stimmen der SPD und der GRÜNEN aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt.

Am 22. Juni 2004, also vor wenigen Tagen, wurde Frau Ahmed Mahmud durch die Anstaltsärztin der JVA Bamberg untersucht. Mit ärztlichem Attest wurde aufgrund der Untersuchung die Flug- bzw. Reisetauglichkeit positiv bestätigt. Psychiatrische Auffälligkeiten seien nicht be

kannt. Die Betroffene sei derzeit psychisch stabil. Es gebe keinen Hinweis auf Suizidalität.

Am 25. Juni wurde Frau Mahmud vor dem Landgericht Bamberg zur Fortdauer der Abschiebungshaft angehört. Ihre Beschwerde gegen die Fortdauer der Abschiebungshaft wies das Landgericht Bamberg zurück.

Zur rechtlichen Lage im vorliegenden Fall, meine sehr geehrten Damen und Herren: Aufgrund des rechtskräftig am 22. Juli 2003 abgeschlossenen Asylerstverfahrens von Frau Mahmud ist diese gemäß § 42 des Ausländergesetzes vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet. Frau Ahmed Mahmud ist deshalb abzuschieben, da sie die freiwillige Ausreise verweigert. Das Gesetz eröffnet der Ausländerbehörde kein Ermessen hinsichtlich des Ob oder des Zeitpunktes der Abschiebung. Die Ausländerbehörde ist deshalb gesetzlich verpflichtet, den Aufenthalt im Inland zu beenden, wie auch im Petitionsausschuss beschlossen.

Ich beantrage daher für die CSU-Fraktion, den Beschluss des Petitionsausschusses gemäß § 80 Absatz 4 der Geschäftsordnung aufrechtzuerhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Pranghofer.

Herr Präsident, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich glaube nicht, Herr Rüth, dass es uns sehr viel weiterhilft, wenn Sie seitenlang aus den Stellungnahmen des Innenministeriums zitieren und sich sozusagen auf die Verfahrensabläufe zurückziehen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir als Parlamentarier haben die besondere Situation dieser Frau zu beurteilen und deswegen möchte ich noch einmal auf die besondere Situation dieser jungen Frau eingehen.

Da ist zunächst die persönliche Verfassung dieser Frau. Die Abschiebung, die schon zweimal vollzogen werden sollte, konnte nicht durchgeführt werden. Die Frau hatte in der JVA Aschaffenburg einen Selbstmordversuch unternommen, dessen Erfolg nur durch ein Spezialkommando der Polizei verhindert werden konnte. Der Pilot hat diese Frau beim zweiten Abschiebeversuch nicht mitgenommen, weil sich diese Frau, die 45 Kilogramm wiegt, also keine kräftige Frau ist, mit Händen und Füßen gegen die Abschiebung gewehrt hat. Der Pilot hat sie deshalb nicht ausgeflogen.

So stabil, wie das in den Stellungnahmen des Innenministeriums gesagt wird, ist diese Frau auch nicht; denn warum – so frage ich mich – hat denn dann am 21. Juni 2004, also vor wenigen Tagen, der Anstaltsleiter der JVA verfügt, dass Kapuzinerpater Felix Kraus einen Besuch nur machen kann, wenn er sich vorher mit ihm persönlich abstimmt? Also, die aktuelle Suizidgefährdung ist offensichtlich immer noch gegeben.

Aber es gibt auch einen zweiten Grund. Das ist die Unsicherheit der Lage in Eritrea, die ja schon beschrieben worden ist. Mit den Erkenntnissen, die wir heute haben, also Stand Juni 2004, kann diese Abschiebung nicht einfach so vollstreckt werden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir haben Berichte von Amnesty International vom 19. Mai 2004. Darin ist sehr wohl von menschenrechtswidriger Behandlung in Eritrea die Rede. Es ist auch schon darauf hingewiesen worden, dass es besonders gefährdete Gruppen gibt, die in Willkürhaft genommen werden. In diese Gruppen lässt sich auch diese junge Frau einordnen.

Sie hat sich – ich will das noch einmal wiederholen – dem Wehrdienst entzogen. Wehrdienstflüchtige werden in Eritrea in Haft genommen und möglicherweise gefoltert und misshandelt. Die junge Frau hat sich der exilpolitischen Organisation ELF angeschlossen. Auch das ist Fakt. Es ist nicht erforderlich, dass sie eine herausragende Funktion in dieser Organisation ausübt, sondern sie muss auch als Mitläuferin Willkürhaft befürchten.

Die junge Frau hat Asyl beantragt. Hierzu wird von Amnesty International gesagt, dass schon das Stellen eines Asylantrages im Ausland als Beweis für die Illoyalität angesehen und als Grund für Haft und Folter von Personen, die nach Ablehnung des Asyls nach Eritrea zurückkommen, herangezogen wird.

Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, das nicht überzeugt, dann verstehe ich die Welt nicht mehr. Das Schicksal dieser jungen Frau können wir nicht einfach mit Erklärungen der Staatsregierung für erledigt erklären.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Wir können in diesem Fall aus dem Verständnis unserer Parlamentsarbeit und aus dem Verständnis, wie wir mit Eingaben umzugehen haben, hier nicht formale Gründe vorschieben, sondern Sie sollten wirklich Ihr Gewissen prüfen und von dieser Abschiebung absehen. Lassen Sie doch wenigstens zu, dass sich der Bundestag damit noch einmal auseinander setzt und sozusagen die zielstaatsbezogenen Abschiebehindernisse noch einmal prüft.

Das sollten Sie dieser jungen Frau wenigstens noch ermöglichen. Ansonsten, denke ich, ist alles gesagt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Dr. Beckstein.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte gleich vorab um Nachsicht, dass ich die fünf Minuten Redezeit möglicherweise nicht einhalte, was Diskussionsfolgen hat. Aber mir ist es wichtiger, in einem solchen Fall exemplarisch darzustellen, dass unsere Politik in diesen Bereichen durchaus verantwortungsbewusst und richtig

ist. Ich will drei Bereiche darstellen: erstens Eritrea, zweitens Aussetzung und Verweisung an den Bundestag und drittens Möglichkeit der Abschiebung.

Erstens: Die Situation in Eritrea wird nicht von Landesbehörden des Freistaats Bayern beurteilt, sondern von Bundesbehörden. Es ist die Verantwortung der Bundesregierung mit Bundesaußenminister Joschka Fischer und Bundesinnenminister Otto Schily, dass ein Abschiebestopp nach Eritrea nicht besteht. Auch heute besteht kein Abschiebestopp. Die Abschiebung wird von Beamten des Bundesgrenzschutzes durchgeführt. Das heißt, alles, was in Eritrea ist, weiß die Bundesregierung. Eines will ich deutlich sagen: Es geht nicht an, dass Sie sagen, wie es in Eritrea ist, aber nicht sagen, dass Ihr eigener Bundesaußenminister nach Ihrer Überzeugung eine menschenrechtsverachtende Politik betreibt.

(Beifall bei der CSU)

Ich hebe hervor: Nach Eritrea besteht kein Abschiebehindernis und kein Abschiebestopp. Die Bundesregierung wäre jederzeit in der Lage, ohne irgendwelche Rückfrage bei den Ländern anzuordnen, dass nicht abgeschoben wird, und hat das nicht getan.

Zweitens: Die Asylentscheidung über zielstaatsbezogene Fragen liegt beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge. Den Präsidenten kennen Sie besser als ich. Herr Präsident Schmid war Ihr Fraktionsvorsitzender. Er ist für die ordnungsgemäße Durchführung der Asylentscheidungen verantwortlich, nicht bayerische Landesbehörden.

(Beifall bei der CSU)

Es ist in diesem Verfahren Folgendes dargelegt worden – und ich bitte um Nachsicht, wenn ich das auch darstelle. Die junge Frau ist in Frankfurt angekommen. Dort hat die Polizei erkannt, dass das Visum gefälscht ist. Das ist unstrittig. Im Verfahren ist behauptet worden, dass auch der Pass unrichtig sei, insbesondere bezüglich des Geburtsdatums. Im Pass ist nämlich der 01.05.1963 angegeben, während sie in Wirklichkeit am 20. Januar 1977 geboren sei. Das hat deswegen erhebliche Bedeutung, weil die ursprüngliche Angabe des Geburtsdatums dazu führen würde, dass eine Wehrpflicht in Eritrea nicht mehr besteht,

(Ulrike Gote (GRÜNE): Aber wenn sie hat, gilt das noch!)

weil sie nur bis zum 40. Lebensjahr abzuleisten ist. Im Mitgliedsausweis der Eritreischen Befreiungsfront, der in Deutschland aufgenommen worden ist, ist wiederum das ursprüngliche Datum 01.05.1963 enthalten. Da hat die junge Frau also das andere Datum angegeben.

Es ist nicht meine Entscheidung und nicht die Entscheidung bayerischer Behörden zu sagen: Es gibt keine Bedrohung für diese Frau in Eritrea. Das liegt in der Verantwortung des Bundesamtes mit seinem Präsidenten Herrn Schmid und nicht in unserer Verantwortung. Deswegen ist es auch richtig, dass gesagt wird, man solle das Ganze

möglicherweise an den Bundestag überweisen. Das würde von mir auch durchaus für sinnvoll gehalten werden, wenn nicht jeder und jede in diesem Raum wüsste, dass sich der Bundestag in diesen Fragen mit der Sache auch nicht beschäftigt, sondern sagt: Wir haben für die Einzelfälle das Bundesamt für die Entscheidung in Asylfällen gemacht und wir haben unabhängige Gerichte. Es weiß also jeder, dass der Bundestag das im Einzelfall gar nicht prüft, weil diese Einzelfallprüfung an unabhängige Stellen überwiesen worden ist. Wenn also jeder von Ihnen weiß, dass der Bundestagsausschuss diese Frage genauso wenig behandelt wie wir die Urteilsfindung der Gerichte, dann ist doch die Frage, ob es richtig ist, die Frau monatelang in Abschiebehaft zu belassen. Die Frau ist in Abschiebehaft. Ich halte es für völlig ausgeschlossen, dann die Abschiebehaftanordnung fortdauern zu lassen, wenn man genau weiß, dass dies auf eine längere Freiheitsentziehung hinausläuft. Damit soll nicht etwa gesagt werden, der einzelne Asylbescheid und die Gerichtsentscheidungen seien falsch.

Darum, muss ich sagen, wäre die natürlichste Folge zu sagen: Die Frau wird aus der Haft entlassen. Jeder von Ihnen weiß aber, was dann die natürlichste Folge ist: Die Frau würde untertauchen. Darum muss ich sagen, das kann auch nicht richtig sein. Das wäre auch nicht das erste Mal, sondern wir haben mehrere solcher Fälle. Ich verkenne nicht, dass das alles erschütternde Fälle sind, und ich weiß, dass diese junge Frau – das sage ich knallhart – nicht Wirtschaftsflüchtling ist, sondern Armutsflüchtling. Das soll man nicht oberflächlich abtun, sondern das sind alles ganz entsetzlich schwierige Fragen. Das Ganze ist ziemlich perspektivlos. Die Frau wäre nur kurze Zeit in Eritrea, wenige Wochen oder Monate. Sie hat im Sudan gelebt, sie hat in Libyen gelebt. Sie hätte wie viele andere auch in Drittländer ausreisen können, zum Beispiel in den Sudan oder nach Libyen. Sie kann auch zu einem kurzen Aufenthalt nach Eritrea. Dort sind die Grenzkontrollen nicht so wie bei uns, zum Beispiel in Richtung Tschechien, sondern dort existiert eine größere Freizügigkeit. Aber das kann sie nicht und will sie nicht. Bei der Abschiebung können wir nur die Rückführung in das Herkunftsland vornehmen. Diese Rückführung ist nur möglich bei Abklärung der Personalien, wobei festzuhalten ist, dass bei der Ungewissheit über die Personalien, wobei Rückführung unmöglich ist. Das hat viel Arbeit gemacht, denn es ist ein Unterschied, ob jemand 1963 oder 1977 geboren ist. Die Identität war damit nicht völlig eindeutig geklärt. Das ist ermöglicht worden.

Das wäre der dritte Abschiebungsversuch. Beim ersten Versuch hat sie sich schlichtweg geweigert, sich zu bewegen. Im zweiten Fall hat sie massive Widerstandshandlungen gemacht, sodass auch eine BGS-Beamtin verletzt wurde. Ich bestreite nicht, dass sie wenig Gewicht hat, aber sie hat trotzdem einen massiven Willen. Eigentlich wäre vor wenigen Tagen die Abschiebung vom BGS vorgenommen worden, wenn der BGS nicht mitgeteilt hätte, dass diese Maßnahme wegen Personalmangels um 14 Tage verschoben wird.

In der Gesamtschau ist das ein typischer Fall, bei dem wir sagen, wenn wir schon das Recht machen, müssen wir uns auch an das Recht halten. Die zuständigen Stellen des Bundes sagen, Abschiebungen nach Eritrea sind zu

lässig. Ich berufe mich auf Bundesaußenminister Fischer und Bundesinnenminister Schily, die für keinen Abschiebestopp nach Eritrea sind. Wer sagt, bayerische Behörden seien unchristlich, dem sage ich in aller Klarheit, diese Scheinheiligkeit lasse ich nicht durchgehen.

(Beifall bei der CSU)

Dann müssen Sie diesen Konflikt schon aushalten, dass Herr Fischer in der Botschaft in Eritrea natürlich nicht sagt: Das, was Amnesty International sagt, ist die Wahrheit – sonst würde er nämlich nicht mehr so arg gut mit den afrikanischen Staatsleuten verhandeln können -, sondern dass er sich auf die eigenen Berichte der Diplomatischen Vertretung verlässt, die sagen: Es gibt Schwierigkeiten, aber sie sind nicht so schwierig, dass Abschiebungen von Bundesstellen nicht durchgeführt werden würden. Was außer Landes ist, wird vom BGS gemacht und vom Auswärtigen Amt betreut. Ich sage, da müssen Sie schon den Mut haben zu sagen, dass es in Ihrer Verantwortung liegt, Einschätzungen der Lage zu begründen.

In unserem Bereich haben wir jede nur mögliche menschliche Überprüfung vornehmen lassen. Vor wenigen Tagen ist die Frau erneut auf eine Suizidgefährdung untersucht worden. Diese Untersuchung hat ergeben, dass es unter allen gesundheitlichen Aspekten möglich ist, auch eine zwangsweise Rückführung durchzuführen.

Die Aufgabenverteilung im Land ist so.

Alles, was mit Eritrea zu tun hat, wird von Bundesbehörden gemacht; die Abschiebung, alles was sich hinter der Passkontrolle abspielt, macht der BGS. Der ausländerrechtliche Vollzug liegt bei uns. Das haben wir mit Perfektion gemacht. Obwohl ich nicht zuständig bin, kann ich die Entscheidungen der unabhängigen Stellen nachvollziehen. Die Frau hat im Asylverfahren ein falsches Geburtsdatum angegeben, um der Wehrpflicht in Eritrea wegen. Eine eventuelle Mitgliedschaft in der Eritreischen Befreiungsfront hat erst in Deutschland Relevanz erlangt. Die Frage der Verfolgung stellt sich dann nicht so, dass man den Rechtsstaat beiseite wischen müsste. Es gibt Fälle, in denen das Gewissen höherrangig ist, als der Staat. Es kann aber nicht sein, dass solchen Fällen stattgegeben wird, in denen sorgfältig geprüft wurde. Die Mitarbeiter des Bundesamtes unter Präsident Dr. Schmid und die Gerichte haben die Akten gelesen. Diese entscheiden mit gutem Gewissen, dass dieser Fall abgewiesen werden muss. Die letzte Entscheidung des Verwaltungsgerichts stammt vom Juni dieses Jahres. In diesen Fällen müssen wir als Parlamentarier zum Rechtsstaat stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich mache mir die Sache nicht leicht. Man kann in diesem Fall nicht sagen, man schiebt das pro forma an den Bundestag. Jeder weiß - gerade die Mitglieder des Petitionsausschusses -, dass dort gar nichts passiert, sondern dass derartige Fälle dort formularmäßig behandelt werden. Die Frau bleibt monatelang in Abschiebehaft, oder man riskiert, dass sie aus der Haft entlassen wird und dann andere Behörden sagen: Wenn die nicht bereit sind,

das Recht zu vollziehen, für uns ist es sehr viel schwieriger.

Wir wollen Menschen in wirklicher Not helfen; das tun wir mehr als andere Länder.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Die Frau hat versucht, das Recht zu missbrauchen, und hat sich ihrer Abschiebung mit Gewalt widersetzt - wenn sie keine Gewalt angewandt hätte, dann wäre sie längst in Eritrea. Ich muss auch in einem solchen Fall hinter den Behörden stehen, sonst ist ein normaler Vollzug nicht mehr möglich.