Protokoll der Sitzung vom 30.06.2004

Frau Staatsministerin, habe ich Sie richtig verstandne, dass die Anbindung an die Somatik in Fürstenfeldbruck sozusagen eine conditio sine qua non für das Staatsministerium ist? Können Sie die Anbindung konkretisieren, also muss das im gleichen Gebäude sein oder geht das auch in einem dem jetzigen Krankenhaus nahe gelegenen Standort?

Frau Staatsministerin, bitte.

Frau Kollegin Sonnenholzner, wir wissen, dass Kapazitäten im Kreiskrankenhaus Fürstenfeldbruck frei werden. Gerade vor dem Hintergrund der DRGs werden Betten stillgelegt und deswegen haben der Landrat, Herr Kar

masin, und der Verwaltungsleiter, Herr Bauer, zugesagt, eine Umplanung im Kreiskrankenhaus vorzunehmen. Die Anbindung der Psychiatrie an die Somatik ist ein zentraler Planungsgrundsatz der Krankenhausplanung. Wir haben in diesem Punkt auch in Freilassing Diskussionen. Ich meine, dass wir in der heutigen Zeit, in der die Mittel immer knapper werden, flexibel unter Beachtung dieses Planungsgrundsatzes zu zukunftsfähigen Lösungen gelangen müssen.

Weitere Zusatzfrage, Frau Kollegin?

Sollte der Bezirk zum Juli für Fürstenfeldbruck ein tragfähiges Konzept vorlegen, wie würde dann die Realisierung in der zeitlichen Schiene aussehen?

Frau Staatsministerin, bitte.

Dazu kann ich Ihnen erst etwas sagen, wenn ich das tragfähige Konzept auf dem Schreibtisch habe.

Danke schön, Frau Staatsministerin.

Damit ist die Fragestunde beendet. Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 5 Eingabe betreffend Aufenthaltsgenehmigung (EB.0743.15)

Der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden hat sich mit dieser Eingabe in seiner Sitzung am 15. Juni 2004 befasst und beschlossen, sie gemäß § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt zu erklären.

(Unruhe)

Ich bitte um etwas mehr Ruhe.

Sowohl die Fraktion der GRÜNEN als auch die SPD-Fraktion haben gemäß Artikel 5 Absatz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingabe auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen.

Ich eröffne hierzu die Aussprache. Die Redezeit beträgt 5 Minuten pro Fraktion. Ich erteile zunächst das Wort für die Berichterstattung Herrn Kollegen Boutter. Sie haben 5 Minuten Redezeit, Herr Kollege.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Petition, die wir heute zu entscheiden haben, geht es um eine junge Frau, eine afrikanische Frau aus Eritrea. Sie flüchtete erstmals 1990 während des Unabhängigkeitskrieges aus Eritrea, um dem Wehrdienst und dem Kriegseinsatz dort zu entgehen. Sie lebte dann ca. zehn Jahre in Libyen bei einer Familie als Hausangestellte. Diese Familie verließ 2001

Libyen mit dem Ziel Schweiz. Wieder allein, versuchte sie in ihre Heimat, nach Eritrea zurückzukehren. Dort erhielt sie keine Arbeitserlaubnis mit der Begründung, sie hätte erst den Wehrdienst abzuleisten.

Aus Angst vor diesem Wehrdienst, vor dem sie schon einmal geflüchtet war, flüchtete sie abermals.

Um dies verstehen zu können, muss man die Berichte von Amnesty International kennen. Fakt ist demnach, dass ehemals ins Ausland geflohene Rückkehrer vor ein Militärgericht gestellt werden. Die Verhandlungen seien nicht öffentlich, heißt es; es würden langjährige Haftstrafen ausgesprochen. Vor allem Frauen würden sexuell missbraucht. Die Häftlinge würden teilweise in unterirdischen Gefängnissen wie Tiere gehalten, bestialisch gefoltert, und in vielen Fällen auch ermordet. Eritrea als Staat erlaubt noch nicht einmal dem Internationalen Roten Kreuz den Kontakt zu diesen Häftlingen.

So kam Frau Hayat Ahmed Mahmud auf dem Luftweg am 28.08.2001 nach Deutschland und wollte in die Schweiz weiterreisen, um dort die ehemaligen Arbeitgeber zu suchen. Dabei wurde an der Grenze festgestellt, dass ihr Visum verfälscht war und sie wurde an der Weiterreise gehindert. Während ihres Aufenthalts in Deutschland hat sie sich einer im Exil gegründeten Oppositionsgruppe angeschlossen, deren Mitglieder in Eritrea ebenfalls verfolgt werden. Dort werden grundsätzlich keine Oppositionsparteien zugelassen. Ihr Asylantrag in Deutschland wurde abgelehnt. Sie verweigerte die freiwillige Ausreise. Anfang April 2004 wurde Abschiebehaft angeordnet.

Abschiebeversuche scheiterten an ihrem Widerstand. Am 21.05.2004 stellte ihre Anwältin einen Asylfolgeantrag. Am selben Tag wollte sie sich in der Justizvollzugsanstalt Aschaffenburg aus Angst vor der Abschiebung das Leben nehmen. „Lieber sterbe ich hier freiwillig als in Eritrea nach Haft und Folter.“, sagte sie dort dem Anstaltsgeistlichen. Am 02. Juni dieses Jahres schrieb dieser, Pater Felix Kraus vom Kapuzinerkloster St. Elisabeth in Aschaffenburg, die heute hier zu behandelnde Petition an den Bayerischen Landtag. Er bittet uns eindringlich, dieser Frau in ihrer bedrohlichen Lage das Grundrecht auf Menschenwürde zu gewähren. Er verweist auf neue Erkenntnisse von Amnesty International und darauf, dass mittlerweile auch die UNHCR Abschiebungen nach Eritrea ablehnt. Umfangreiche Informationen hierzu sind allen Fraktionen zugegangen.

Pater Felix Kraus führt im Wesentlichen aus, dass wegen der Flucht vor dem Wehrdienst, der Zugehörigkeit zur exilpolitischen Organisation ELF und dem Asylgesuch in Deutschland mittlerweile eine dreifache Gefährdung für die Frau bestehe. Wörtlich schreibt er: „Ihr droht nun Willkür, Folter und sexuelle Gewalt.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kennen die rechtliche Konstellation. Die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebehindernisse ist ausschließlich die Aufgabe von Bundesbehörden. Genau deshalb beantrage ich hiermit für die SPD-Fraktion: Erstens. Berücksichtigung der Petition hinsichtlich einer zumindest befristeten Aufenthaltsduldung, bis die Sachlage aktuell bewertet ist. Wir bean

tragen also eine Aussetzung der Abschiebung und die fachärztliche Beurteilung der Suizidalität. Zweitens. Wir beantragen die sofortige Überweisung der Petition an den Deutschen Bundestag. Nur dieser ist für die zielstaatsbezogenen Fragen, die hier zu bewerten sind, zuständig. Ich bitte insbesondere die Kolleginnen und Kollegen der CSU um ihre Zustimmung. Pater Felix Kraus schreibt hierzu: „Gott vergelte Ihnen alle guten Entscheidungen.“ – Ich beantrage namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der SPD)

Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Scharfenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zur Eingabe des hochwürdigen Herrn Pater Felix Kraus vom Kapuzinerkloster St. Elisabeth in Aschaffenburg für Frau Hayat Ahmed Mahmud beantrage auch ich namentliche Abstimmung.

Im Ausschuss galt das Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. So wurde jedenfalls von der CSU-Fraktion verfahren, als man über die Lage in Eritrea sprach und seitens der Opposition einen Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Situation in Eritrea haben wollte. Man hätte diesen Bericht in nichtöffentlicher Sitzung besprechen können. Man hätte sich vom Innenministerium in einer solchen Sitzung alles sagen lassen können. Die CSU wollte das aber nicht, frei nach dem Motto: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Man wollte einfach nichts wissen, und so kamen wir nicht in den Genuss des Lageberichts.

In dieses Land wollen bayerische Behörden eine Frau abschieben, die sich vor lauter Angst vor dem, was auf sie zukommt, mit Händen und Füßen wehrte als man sie abschieben wollte. Sie droht, lieber hier bei uns ihrem Leben ein Ende zu setzen, als Folter und Vergewaltigung zu durchleiden. Frau Hayat Ahmed Mahmud ist 41 Jahre alt und hat, wenn sie aus Bayern abgeschoben wird, eine dreifache Gefährdung vor sich. Erstens. Sie hat sich dem Wehrdienst durch Flucht ins Ausland entzogen. Zweitens. Sie hat sich der exilpolitischen Organisation ELF angeschlossen. Das ist die eritreische Oppositionspartei. Drittens. Sie hat in Deutschland Asyl beantragt. Der Antrag ist abgelehnt worden. Allein dass sie den Antrag aber stellte, ist ein Grund, den sie in Eritrea fürchten muss.

All das hat das Flüchtlingsamt geprüft. Die neuesten Berichte des Auswärtigen Amtes und von Amnesty International sprechen aber eine ganz andere Sprache als vor ein bis zwei Jahren. Deswegen bringen wir die Petition heute vor Sie, damit Sie entscheiden können, vielleicht sogar anders, meine Damen und Herren von der CSU, als sie das im Petitionsausschuss damals getan haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Sie müssen wissen, Mann und Frau sind bis zum 40. Lebensjahr in Eritrea wehrdienstpflichtig. Amnesty International nennt als Hauptsorgen hinsichtlich des Militärdiens

tes in diesem Land die Nichtanerkennung des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung und die willkürliche Gefangenenhaltung von möglichen Kriegsdienstverweigerern und von Gefangenen, die den Kriegsdienst aus Gewissensgründen ablehnen unter härtesten Bedingungen. Sie sind ohne Anklage oder Gerichtsverhandlung inhaftiert. Die Anwendung von Folter als maßgebliche militärische Bestrafungsmethode ist usus. Sexuelle Gewalt gegen weibliche Wehrpflichtige sowie Wehrpflicht für Kinder ebenfalls. Darüber informiert der neueste Lagebericht des Auswärtigen Amtes. In dem einen Monat alten Bericht heißt es: Wehrdienst kann mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft werden. Im Lagebericht des Auswärtigen Amtes steht auch, dass Fahnenflüchtige mit Gefängnisstrafen rechnen müssen. Unter dem Titel „Menschenrechtsverletzungen und Folter“ schreibt unsere Regierung weiter, Todesstrafe kann bei Feigheit und Fahnenflucht ohne Gerichtsverfahren angeordnet werden. Militärdienstverweigerer erfahren lang andauernde Handfesselungen und werden ungeschützt bei großer Hitze der Sonne ausgesetzt. Das sagt unsere Regierung. Amnesty International schreibt: „Die gesetzliche Strafe, für diejenigen, die sich der Wehrpflicht entziehen, besteht aus mehreren Jahren Haft laut der staatlichen Wehrdienstordnung von 1995.“

In der Praxis werden Zuwiderhandlungen von örtlichen Befehlshabern ohne jede Form von Gerichtsverhandlung, ohne Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten oder Berufung einzulegen bestraft. Die Art der Bestrafung besteht aus Folter und willkürlicher Verhaftung für unbestimmte Zeit. – Da weiß man nicht, ob man ein oder drei Jahre im Gefängnis bleiben muss. Die Gefängnisse sind unter der Erde und völlig geheim. Obwohl diese Art von Bestrafung rechtswidrig ist und ein Missbrauch der Menschrechte ist sie bei der Regierung, beim Militär und bei der Bevölkerung nur allzu gut bekannt. Das weiß auch unsere Asylsuchende. Sie kam zu uns, um Asyl zu suchen. Wir wissen, was in Eritrea geschieht. Wir dürfen sie deshalb nicht abschieben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Aus dem Ausland zurückkehrende Eritreer riskieren Willkürhaft, wenn sie der Opposition verdächtigt werden, selbst wenn sie einen ausländischen Pass haben. So steht es in den Berichten. Wir haben es schwarz auf weiß.

Wir GRÜNEN fordern die Staatsregierung auf, nicht nur die Abschiebung von Frau Ahmed Mahmud, sondern alle Abschiebungen in dieses Land auszusetzen, solange die Verhältnisse dort so sind, wie sie eben in kurzer Form beschrieben wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alles andere könnten meine Kolleginnen und Kollegen und ich mit unserem Gewissen nicht vereinbaren. Es nützt nichts, darauf zu verweisen, man könne ja nicht anders, im Rahmen der Gesetze müsse man das tun, was die CSU beschlossen habe. Wir sind aber keine Unbeteiligten. Deshalb fordern wir die Befristung des Aufenthaltes bis zu dem Zeitpunkt, da die Situation klarer ist, und Über

weisung an den Bundestag, denn das ist auch eine Bundestagsangelegenheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Rüth.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Bei der heutigen Eingabe, die bereits am 15. Juni sehr ausführlich im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden behandelt wurde, geht es um die Gewährung eines Daueraufenthaltsrechtes für eine abgelehnte Ayslbewerberin aus Eritrea.

Gleich zu Beginn möchte ich, liebe Frau Kollegin Scharfenberg, Ihre Vorwürfe gegenüber der CSU, wir hätten uns mit diesem Fall nicht befasst, auf das Allerschärfste zurückweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Frau Ahmed Mahmud ist eritreische Staatsangehörige und reiste im August 2001 über den Flughafen Frankfurt unter Vorlage eines gefälschten Visums unter dem Aliasnamen Tewelde Melakeberhan in das Bundesgebiet ein. Der gestellte Erstantrag auf Asyl wurde vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Dezember 2002 abgelehnt. Alle angestrengten gerichtlichen Verfahren blieben erfolglos. Ein gestellter Asylfolgeantrag wurde vom Bundesamt am 24. Mai 2004 ebenfalls abgelehnt. Seit dem 22. Juli 2003 ist das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen und Frau Mahmud vollziehbar zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verpflichtet.

Derzeit befindet sich Frau Ahmed Mahmud in Abschiebehaft. Zwei bereits terminierte Abschiebeversuche scheiterten.

Am 4. Juni dieses Jahres ging beim Bayerischen Landtag die Petition des Paters Felix Kraus ein, der Frau Mahmud als Anstaltsseelsorger kennen lernte. Er macht geltend, die Betroffene sei hochgradig suizidgefährdet. Die Petition ist auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen und ein Bleiberecht für die Betroffene in Deutschland gerichtet.

Am 7. Juni 2004 lehnte das Verwaltungsgericht Würzburg mit unanfechtbarem Beschluss einen auf das Verbot der Abschiebung bis zur Entscheidung im Asylfolgeverfahren gerichteten Eilantrag aus prozessualen Gründen ab.

In seiner Sitzung am 15. Juni dieses Jahres erklärte der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden die Eingabe mit den Stimmen der CSU gegen die Stimmen der SPD und der GRÜNEN aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung für erledigt.