Erinnert sei zum Beispiel an die geradezu unsägliche Unterschriftenaktion zur Jahreswende 1998/99 gegen das Gesetz zur doppelten Staatsangehörigkeit, bei der Münchner in ihrem Rathaus ihren eigenen Oberbürgermeister wiederholt wörtlich gefragt haben: „Wo kann man denn hier gegen die Ausländer unterschreiben?“. Das war die Zielrichtung Ihrer Politik: Wo kann man hier gegen die Ausländer unterschreiben? – Das war geradezu unerträglich.
Herr König, das ist eine Tatsache, das ist so passiert und nicht erfunden. Das wissen Sie ganz genau. Das war die Zielrichtung Ihrer damaligen Unterschriftenaktion. Damit haben sie bewusst Stimmung gegen Ausländer erzeugt.
Integrations- und Migrationspolitik kann nur dann erfolgreich sein, meine Damen und Herren, wenn sie sich auf einen breiten gesellschaftlichen Konsens stützen kann. Sie kann in einer freiheitlichen, parlamentarischen Demokratie nicht gegen die einheimische Mehrheit durchgesetzt werden, wenn gefährliche Folgen nicht nur zu Lasten der zugewanderten Minderheiten vermieden werden sollen, sondern vor allem auch zu Lasten unseres gesamten politischen Systems. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass wir alle, insbesondere aber die CSU, Zuwanderung nicht als Belästigung oder gar als Gefahr verstehen, sondern darin auch eine Chance und insbesondere eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sehen. Deshalb kommt der politischen Entscheidung für das Zuwanderungsgesetz eine so hohe Bedeutung zu.
Ich sage ganz offen: Es ist erfreulich, dass die CSU nunmehr – ich muss leider sagen, nach einem unerträglich langen, quälenden Diskussionsprozess – diesem Gesetz zustimmt. Die wichtigsten Neuerungen, die damit verbunden sind, darf ich kurz aufführen.
Bisher hatten wir im Ausländerrecht fünf verschiedene Aufenthaltstitel. Die werden künftig auf zwei reduziert. Wir haben eine deutliche Stärkung der Integration von Ausländern und Spätaussiedlern. Das war von vornherein Ziel des Gesetzes. Ich würde Ihnen empfehlen, sich wenigstens einmal Paragraph 1 Absatz 1 zu Gemüte zu führen, indem dies ausdrücklich als Ziel formuliert ist. Die freiwillige Rückkehr wird stärker gefördert. Die Möglichkeiten für die Zuwanderung von Hochqualifizierten werden verbessert. Studenten mussten bisher, wenn sie ihr Studium erfolgreich abgeschlossen hatten, die Bundesrepublik verlassen. In Zukunft werden sie ein Jahr hier bleiben können. Die Folge der bisherigen Regelung war, dass diese Studenten häufig nicht in ihr Heimatland zurückgegangen sind, sondern etwa in die USA oder nach Großbritannien auswanderten. In Zukunft werden sie sich hier um einen Arbeitsplatz bemühen können, wenn sie dies wollen.
Der Flüchtlingsstatus kann künftig auch bei nichtstaatlicher und geschlechtsspezifischer Verfolgung gewährt werden, in Anlehnung an die EU-Richtlinie. Die Zuwanderung von Spätaussiedlern setzt künftig Grundkenntnisse in der deutschen Sprache voraus.
Meine Damen und Herren, ich möchte kurz etwas zu Ihrem Antrag sagen. Sie haben einen Antrag vorgelegt, in dem man zumindest zwei Halbsätze nachdrücklich befürworten kann. Im ersten Halbsatz begrüßt der Landtag den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf des Bundes. Im zweiten Halbsatz, wird die Staatsregierung aufgefordert, dem Gesetzentwurf im Bundesrat zuzustimmen. Insoweit haben wir Konsens. Trotzdem können wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, und zwar aus drei Gründen. Abgesehen von der überheblichen Schilderung – die Überheblichkeit liegt Ihnen wirklich sehr – dass das Ergebnis maßgeblich Handschrift der CSU sei, kommt die CDU darin nicht vor. Die gibt es wahrscheinlich gar nicht, weil es in Deutschland wahrscheinlich nur Bayern gibt und sonst nichts. Das ist uns aber völlig wurst.
Wir haben einen größeren Realitätssinn als Sie, nicht nur in dieser Frage. Ich sage Ihnen, Sie haben vor allem drei Punkte in Ihre Begründung geschrieben, die ein völlig falsches Licht auf den bisherigen Entwurf des Zuwanderungsgesetzes werfen.
Erstens. Sie schreiben: „Eine generelle Öffnung des Arbeitsmarktes für weniger qualifizierte Personen von außerhalb der EU konnte verhindert werden.“ Sie tun gerade so, als ob Sie das neu erfunden hätten. Das war nie Ziel dieses Gesetzes. Sie malen etwas an die Wand, was niemals Gegenstand der Erörterungen war.
Das Zweite ist ihr Punkt mit den Integrations-Kursen. „Neueinwanderer werden diesbezüglich einen Anspruch erhalten, sind aber auch zum Besuch der Kurse verpflichtet. Verletzen sie diese Pflicht, ist dies bei der Entscheidung über eine mögliche Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu berücksichtigen.“ Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, Herr Kollege König, den Paragraphen 9 Absatz 2 Nummer 7 und 8 zu lesen, schon im alten Entwurf, dann würden Sie wissen, dass Sie sich diesen Absatz hätten sparen können. Mit dieser Begründung erwecken Sie den völlig falschen Eindruck, die Frage sei nicht bereits erledigt gewesen.
Drittens sagen Sie im letzten Absatz Ihres Antrags: „In Zukunft müssen auch Ehegatten und Abkömmlinge von Spätaussiedlerbewerbern über Grundkenntnisse der deutschen Sprache verfügen.“ Das ist sehr gut, doch ich muss Ihnen sagen, meine Damen und Herren von der CSU, in diesem Punkt haben Sie den Gesetzentwurf bedauerlicherweise verschlechtert. Der Entwurf sah vor, dass man ausreichende Kenntnisse haben muss, wenn man hier einreisen will. „Ausreichende Kenntnisse“ war eindeutig definiert: Man musste 600 Stunden Deutschunterricht haben und diesen Kurs erfolgreich abschließen. Das war eine klare Definition. Sie aber haben diese Vorgabe aufgeweicht und sprechen stattdessen von „Grundkenntnissen“. Ich befürchte, dass Sie damit das bewirken, was Sie angeblich nicht wollen: Sie werden die Zuwanderung von Spätaussiedlern ohne beziehungsweise mit fast keinen Deutschkenntnissen verstärken. Das finden wir außerordentlich bedauerlich. Wir wollten, dass diese Menschen, wenn sie zu uns kommen, die deutsche Sprache beherrschen.
Abschließend habe ich an Sie die Bitte und die Aufforderung, auch in der Öffentlichkeit dieses Zuwanderungsgesetz positiv zu vertreten, um den Menschen klar zu machen, Zuwanderung ist nicht in erster Linie Bedrohung für uns, für die hier lebenden Menschen, sondern darin besteht eine Chance, teilweise sogar eine Notwendigkeit. Zuwanderung kann vielfach eine Bereicherung unserer eigenen Gesellschaft sein. Wenn Sie das tun, werden Sie auch einen Beitrag zur Sicherung des inneren Friedens in diesem Land leisten.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir sind froh, dass die leidige und phasenweise unwürdige Debatte über das Zuwanderungsgesetz endlich abgeschlossen ist.
Die Debatte, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU zeigt zum einen, dass Sie unfähig sind, moderne Gesellschaftspolitik mitzugestalten.
Sie zeigt zum anderen, dass Sie nicht stark genug sind, Ihre überholten ideologischen Positionen durchzusetzen.
Alles, wozu Sie gesellschaftspolitisch fähig sind, das ist zu bremsen. Sie können politische Entwicklungen aber nicht mehr aufhalten, und Sie können sie schon gar nicht gestalten.
Im Verfahren zum Zuwanderungsgesetz haben Sie nichts Wesentliches durchgesetzt. Sie haben aber ein modernes Zuwanderungsgesetz verhindert. Das ist jedoch kein Ruhmesblatt, wie Sie glauben.
Das zeigt sowohl die Debatte, die Sie geführt haben als auch die Ergebnisse. Die Debatte ist endlich zum Abschluss gekommen. Sie haben Ihr unwürdiges Spiel nicht weiter treiben können, dafür haben wir gesorgt.
Ihr Spiel auf dem Rücken vieler Menschen, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, aber auch auf Kosten unserer Bevölkerung, die Zuwanderung und offene Integrationspolitik existenziell braucht, dieses Spiel haben wir beendet.
Wir haben nämlich gesagt: Dann machen wir das eben alleine. Ab diesem Moment mussten Sie klein beigeben, von da ab sind Sie in die Gänge gekommen.
(Thomas Kreuzer (CSU): Sie sind vom Bundeskanzler doch von den Verhandlungen ausgeschlossen worden!)
Sie selbst wissen das, das verrät schon Ihr Antrag, mit dem Sie sich selbst versichern müssen, irgendwo in dem Gesetz sei die Handschrift der CSU versteckt. Das zeigt, wie groß der Druck und die Unzufriedenheit über die Verhandlungsergebnisse in der CSU sind.
Das Zuwanderungsgesetz ist gerade nicht zu einem Ausländerpolizeigesetz verkommen. Das wollten Sie immer, doch das ist es nicht geworden. Von der so genannten Restantenliste, die Sie am Schluss mit 22 Forderungen nachgeschoben haben, konnten Sie nichts mehr durchsetzen.
Überhaupt haben Sie sich mit nachgeschobenen Forderungen hervorgetan. Im Februar wollten Sie sogar noch
die Zuwanderung für Hochqualifizierte verhindern. Sie wollten auch die Anerkennung der nichtstaatlichen und geschlechtsspezifischen Verfolgung verhindern. Sie wollten die Kinder von Eingewanderten, wenn sie älter als 12 Jahre sind, nicht nachreisen lassen. Anstatt, wie die Bundestagsmehrheit, ein ausgewogenes System von Rechtsanspruch auf Integrationsmaßnahmen und von ausländerrechtlichen Sanktionen einzuführen, also auf fördern und fordern zu setzen, haben Sie einseitig ausländer- und sozialrechtliche Sanktionen gefordert. Ende April kam dann noch mehr von Becksteins Forderungen. Sie, Herr Beckstein, wollten die Staatsbürgerschaftsreform für die zweite Generation zurückdrehen und eine weitere Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes erreichen. In keinem dieser Punkte haben Sie sich durchgesetzt.
Wir beurteilen diesen Kompromiss nüchtern. Im Ergebnis ist er eine bescheide Verbesserung des Status quo. Wir schätzen das nicht gering, weil es damit tatsächlich für viele Menschen Verbesserungen gibt. Uns war immer besonders wichtig, das haben wir auch immer herausgestellt, dass die nichtstaatliche und insbesondere die geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgrund anerkannt werden, dass es ausreichende Integrationsangebote gibt und eine geregelte Zuwanderung für Hochqualifizierte. In all diesen Fragen, die uns wichtig waren, gibt es deutliche Verbesserungen.
Aber was wir nach wie vor brauchen und was nach wie vor fehlt, ist ein wirklich modernes, zeitgemäßes Zuwanderungsgesetz.
Prof. Dieter Oberndörfer, Politikwissenschaftler aus Freiburg und CDU-Mitglied, beurteilt das neue Gesetz so – ich zitiere –:
Man könnte sagen, es ist ein kleiner Riss in der sturen Ablehnungspolitik geschaffen. Gleichzeitig aber wird wieder mit der Bezeichnung „Zuwanderungsbegrenzungsgesetz“ das Signal gegeben, dass Zuwanderung per se ein Problem ist. Das ist falsch. Die Politiker müssen endlich anfangen,
von den großen Leistungen zu sprechen, die Zuwanderer in diesem Land erbracht haben. Als der Süssmuth-Bericht im Juli 2001 übergeben wurde, gab es einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber, dass wir Zuwanderung aus demografischen und ökonomischen Gründen brauchen.
Diesen Konsens haben Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU, zum Schaden unseres Landes aufgekündigt. Außerhalb Ihrer Partei gibt es längst einen breiten gesellschaftlichen Konsens. Von den Kirchen, den Wirtschaftsverbän