Protokoll der Sitzung vom 30.06.2004

(Beifall bei der CSU)

Aber Horst Seehofer wollte mir nicht glauben und hat gesagt: So pflichtvergessen gegenüber ihren eigenen Überzeugungen können die doch nicht sein!

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Bei der CSU ist das ganz anders, glaube ich!)

Insgesamt, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden wir leider damit die Debatte nicht abschließen können. Es wird nach wie vor Fälle wie den von heute Vormittag geben. Ich werde Herrn Schily gerade angesichts der heutigen Diskussion noch einmal bitten, eine der Maßnahmen auch in der weiteren Beratung herauszustellen, die wir in einer Protokollnotiz auch festgelegt haben, dass nämlich die Länder aufgefordert werden, das Ausländerrecht konsequent zu vollziehen. Wir werden das bei der Innenministerkonferenz selbstverständlich auch behandeln, und vielleicht können wir noch zu diesem Fall einige Bemerkungen machen.

Wir werden also nicht ohne Diskussionen bleiben. Das ist bei einem so umstrittenen Rechtsgebiet nicht abänderbar. Aber ich denke schon, dass ich vor jeden meiner Wähler, aber auch vor alle Bürger Bayerns hintreten und sagen kann: So kommen wir ein Stück weiter. Denn die Grundlage muss die Aussage sein: Wir wollen ein weltoffenes und tolerantes Land sein.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Ha, ha!)

Wir wollen aber auch deutlich machen, dass der Schutz der einheimischen Bevölkerung, zu der übrigens auch viele Ausländer gehören, die nicht so gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, Vorrang hat. Als Drittes wollen wir deutlich machen: Wer in unserem Land lebt, muss eigene Anstrengungen unternehmen, um sich zu integrieren. Wer diese Integrationsleistungen nicht erbringt, muss mit Nachteilen rechnen. Das ist die Botschaft, die vom Zuwanderungsgesetz ausgeht. Wenn wir es konsequent umsetzen, werden wir eine Besserung erreichen. Lösen werden wir die Probleme allerdings nicht, weil es viel mehr an Schwierigkeiten gibt, als dass man sie allein mit einem Gesetz beheben könnte. Aber das Gesetz ist ein Schritt nach vorn, und darum, glaube ich, dass ich den Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion sagen kann: Wir haben hier wirklich ein gutes Verhandlungsergebnis erzielt. Man kann besten Gewissens Zustimmung empfehlen.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Die beiden Anträge werden wieder getrennt.

Als Erstes lasse ich über den Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 15/1321 abstimmen. Wer diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktion der SPD und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wer dagegen ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Als Nächstes wird über den Dringlichkeitsantrag der CSUFraktion auf Drucksache 15/1289 abgestimmt. Hier wurde namentliche Abstimmung beantragt. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Die Nein-Urne steht zu meiner Linken, die Ja-Urne zu meiner Rechten, in der Mitte steht die Urne für die Stimmenthaltungen. Sie haben fünf Minuten Zeit für die Stimmabgabe.

(Namentliche Abstimmung von 14.13 bis 14.18 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Stimmabgabe ist damit abgeschlossen. Die Auszählung erfolgt außerhalb des Plenarsaals. Das Abstimmungsergebnis wird später bekannt gegeben.

Ich rufe den zweiten Dringlichkeitsantrag auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Dr. Heinz Kaiser und anderer und Fraktion (SPD) Privatisierungserlöse aus dem Verkauf der Staatsbeteiligung an der E.ON AG für mehr Investitionen im bayerischen Staatshaushalt verwenden (Drucksache 15/1290)

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat sich der Kollege Dr. Kaiser zu Wort gemeldet. – Ich bitte doch, etwas mehr Ruhe zu bewahren. Herr Eykmann, bitte! – Danke schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Vorschlag, das Eon-Aktienpaket zu verkaufen, den wir in der Aktuellen Stunde des Hohen Hauses am 17. Juni gemacht haben, ist auf breite Zustimmung gestoßen.

Die SPD-Fraktion freut sich, dass CSU und GRÜNE unsere Initiative im Grundsatz gutgeheißen und gebilligt haben. Differenzen gibt es hinsichtlich des Zeitpunktes des Verkaufs – Staatsregierung und CSU-Fraktion wollen offenbar warten – sowie hinsichtlich der Verwendung des Privatisierungserlöses. Die GRÜNEN wollen statt Investitionen eine Tilgung von Staatsschulden.

Die SPD-Fraktion schlägt im vorliegenden Antrag ein Investitionsprogramm für die Infrastruktur in Bayern vor. Investitionen in Wissenschaft, Forschung, Verkehrsinfrastruktur, in die regionale Entwicklung insbesondere Ostbayern sind das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der SPD)

Wir verzichten in unserem Antrag, den wir heute vorgelegt haben, auf Einzelheiten. Die Details des Investitionsprogramms sollen Gegenstand der Haushaltsberatungen für die beiden Doppelhaushalte 2005/2006 und 2007/2008 sein. Dort kann dies eingehend beraten werden. Wir wollten aber den anderen Fraktionen ihre Zustimmung dadurch erleichtern, dass wir noch nicht im Detail über die Verwendung diskutieren.

Wir gehen aber davon aus, dass die Investitionen eine grundstockkonforme Verwendung entsprechend Artikel 81 unserer Verfassung finden. Deshalb ist der Vorschlag der GRÜNEN, der in der Presse zu lesen war, nicht zielführend, er ist nicht in Übereinstimmung mit Artikel 81 unserer Verfassung. Die Umfinanzierung für andere Zwecke – das sage ich jetzt als Haushaltspolitiker; diejenigen, die sich damit beschäftigt haben, wissen das – ist durchaus möglich, nämlich dann, wenn Haushaltsmittel für andere Zwecke freiwerden, weil sie über das Investitionsprogramm laufen. In der Presse stand zu lesen, wir wollten einfach auf die jetzigen Haushaltsansätze draufsatteln. Das ist nicht richtig. Wir haben uns auch etwas gewundert, in der Presse zu lesen, wir, die CSU und die SPD gemeinsam, wären süchtig nach Wohltaten, die man im Volk verbreitet. Die gleiche Zeitung hat über Monate hinweg zu Recht jeden oder fast jeden Tag auf die verheerenden Folgen der Kürzungspolitik im Nachtragshaushalt 2004 hingewiesen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Der Verkaufserlös des Aktienpakets an Eon, dessen Anteil 4,9 % beträgt, würde jetzt schon bei über 2 Milliarden Euro liegen. Der Kurs steigt. Er lag gestern bei 59,63 Euro und nähert sich allmählich dem Höchststand von 64 Euro. Er ist seit dem Tiefstand in diesem Jahr schon um fast 50 % gestiegen. Ich meine, dass jetzt auch der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um zu verkaufen.

Die Programmlaufzeit – ich sagte es schon – beträgt vier Jahre, nämlich über die Doppelhaushalte 2005/2006 und 2007/2008. Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Programm ist unsere, ist die Alternative zur verheerenden Kürzungspolitik der Staatsregierung.

(Beifall bei der SPD)

Diese Kürzungspolitik wirft uns im internationalen und europäischen Wettbewerb zurück und gefährdet die Zukunftsfähigkeit Bayerns. Das Zusammenstreichen der Investitionen binnen eines Jahres ist wirklich ein verheerendes Signal und hat schlimme Auswirkungen für unseren Standort. Das kann man auch im Haushalt nachlesen. Ich verweise auf die Gruppierungsübersicht des Haushaltsplans, Nachtragshaushalt Band 1, Seite 43. Dort geht ganz eindeutig hervor: Quer über alle Einzelhaushalte sinken im Jahre 2004 die Baumaßnahmen des Staates um 200 Millionen Euro und die Investitionsfördermaßnahmen sinken um 1,12 Milliarden Euro. Das ist ein verheerender Einschnitt in die Bauinvestitionen.

Wir verstehen auch nicht die in der Presse geäußerten Sorgen des Fraktionsvorsitzenden der GRÜNEN, Herrn Dürr, dass wir keine Verwendungsmöglichkeiten für diese 2 Milliarden Euro hätten. Als ich das gelesen habe, dachte ich, ich bin im falschen Film. Ein Blick in den Haushalt genügt, um zu sehen, dass wir genügend Verwendungsmöglichkeiten hätten. Ich verweise beispielsweise auf den Einzelplan 15, Wissenschaft, Forschung und Kunst, und die Anlage HS – das ist das Programm für die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau von Bund und Ländern, also für Universitäten, Fachhochschulen und Universitätskliniken. Allein nach diesem Programm werden ab 2005 an unseren Universitäten noch 3,5 Milliarden Euro benötigt; davon entfallen 50 % auf Bayern. Allein aufgrund der beschlossenen Maßnahmen für den Hochschulbereich sind das 1,75 Milliarden Euro. Wie man da sagen kann, wir hätten keine Verwendungsmöglichkeiten, ist mir schleierhaft.

Herr Kollege Wörner hat eine schriftliche Anfrage zur Abfinanzierung von Wasser-, Klär- und Kleinkläranlagen gestellt. Aus dieser Anfrage geht hervor, dass allein die Zusagen des Umweltministeriums hinsichtlich Wasser- und Abwasseranlagen 630 Millionen Euro ausmachen. Das sind Beträge, die schon zugesagt sind. Hier wird aber behauptet, wir hätten keine Verwendungsmöglichkeiten. Ich meine, Herr Dürr sollte die Haushaltspolitik der GRÜNEN den Fachleuten im Ausschuss überlassen und nicht selbst hineinpfuschen.

(Beifall bei der SPD)

Unser Programm ist eine Kurskorrektur ohne zusätzliche Neuverschuldung. Es stärkt die Binnennachfrage und vermeidet, die gespaltene Konjunkturlage weiterzuführen. Herr Kollege Ach, Sie klagen ständig über die schwächelnde Binnenkonjunktur. Wo soll denn die Binnenkonjunktur herkommen, wenn Sie im Staatshaushalt kürzen?

(Beifall bei der SPD – Manfred Ach (CSU): Herr Kollege, Sie müssen mir doch nicht erklären, was Konsolidierung heißt!)

Das ist doch auch kein Signal an unsere Bürgerinnen und Bürger, die Konsumausgaben zu steigern. 500 Millionen Euro zusätzliche Investitionen pro Jahr bedeuten nach dem von uns in Auftrag gegebenen Gutachten des DIW in Berlin für Bayern ein Wachstum von 0,2 % pro Jahr aufgrund des Multiplikatoreffekts von 1,4. Das bedeutet auch Steuermehreinnahmen von 50 Millionen Euro pro Jahr. All dies kann man mit diesem Programm erreichen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, es gab auch von Ihrer Seite – wie sollte es auch anders sein – kritische und ein bisschen hämische Anmerkungen zu unserem Vorschlag: Wir hätten doch früher immer geklagt, dass das Tafelsilber verkauft wird,

(Manfred Ach (CSU): Selbstverständlich!)

und wir hätten jetzt eine Kurskorrektur vorgenommen.

(Manfred Ach (CSU): Auch dies ist richtig! Beides ist richtig!)

Herr Kollege Ach, ich muss Sie an Folgendes erinnern: Der Freistaat hatte an der Bayernwerk AG einmal einen Anteil von mehr als 75 %. Mit dem Teilverkauf und der Fusion mit der Viag ist der Anteil auf eine Sperrminorität von 25 % abgesackt. Herr Kollege, wenn Sie jetzt sagen „Na und!“, dann muss ich Ihnen entgegnen, mit diesen Anteilen konnte man noch Industrie- und Energiepolitik machen. Das kann man heute mit 4,9 % nicht mehr.

(Beifall bei der SPD – Manfred Ach (CSU): Warum waren Sie dann dagegen?)

Ich darf Sie auch daran erinnern, dass Sie damals, als die Fusion von Viag und Bayernwerk durchgeführt wurde, in diesem Hause als großartiges Ergebnis der Industriepolitik des Freistaates Bayern verkauft haben,

(Manfred Ach (CSU): War es das nicht?)

dass der Sitz der Viag von Bonn nach München verlagert wurde. Dann haben Sie versucht, die Viag mit der Alusuisse in der Schweiz zu fusionieren, um den Industriekonzern mit Sitz in München zu erhalten. Das ist dann an Christoph Blocher gescheitert, dem antieuropäischen Vorsitzenden der Schweizer Volkspartei. Dann haben Sie Panik bekommen. Sie haben dann der Fusion der Viag mit Veba zugestimmt. Daraus ist dann Eon entstanden. Heute hat München, hat der Sitz der Eon Energie AG überhaupt nichts mehr zu sagen. Der Sitz ist heute Düsseldorf. Ent

scheidungen fallen nicht mehr in Bayern, auch nicht über die Energiepolitik in Bayern – sie fallen in Düsseldorf.

Das Beispiel Bayernwerk – Viag – Eon ist leider ein hervorragendes Beispiel für das grandiose Scheitern der Industriepolitik des Freistaates Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Daran möchte ich Sie erinnern. In der „Süddeutschen Zeitung“ habe ich ein großes Interview mit Herrn Staatsminister Dr. Wiesheu gelesen, in dem er eine Industriepolitik nach französischem Vorbild fordert. Der Anlass war das Aufgehen von „Aventis“ in „Sanofi“ und Schwierigkeiten von „Siemens“ mit „Alstom“. Herr Dr. Wiesheu hat gar nicht gemerkt, dass diese französische Industriepolitik nichts anderes als ein vorgezogener Machtkampf zwischen Jacques Chirac und dem neuen Superminister für Wirtschaft und Finanzen, Nikolas Sarkozy, ist.

Herr Kollege Ach, unser Vorschlag, diese 4,9 % zu verkaufen, ist daher keine Kehrtwendung. Er ist vielmehr die konsequente Fortsetzung unserer Vorstellungen. Wenn eine Industriepolitik mit einer Beteiligung nicht mehr möglich ist, wenn es eine reine Finanzbeteiligung ist, sollte man sie verkaufen, weil die Dividende, die daraus zu erlösen ist, sehr niedrig ist. Das Wachstumspotenzial liegt in den Kursen.

Damit wir keinen Kursverlust erleiden, haben wir in unserem Antrag gefordert, das Aktienpaket bei der LfA-Förderbank-Bayern zu parken. In meinem Fach lag heute der Jahresbericht der LfA-Förderbank-Bayern für das Jahr 2003. In diesem Jahresbericht wird die Kooperation zwischen der KfW, also der Förderbank des Bundes, und der LfA gewürdigt. Diese Kooperation hat dazu geführt, dass die LfA ihr Geschäftsvolumen im Jahr 2003 um 14 % auf 15,7 Milliarden Euro im Jahr 2003 ausweiten konnte. Der Gewinn ist also um 10 % gestiegen.

Meine Damen und Herren von der CSU, wir sollten es mit der LfA ähnlich wie der Bund mit der KfW machen. Wir sollten unsere Beteiligung verkaufen. Die KfW könnte dies ohne weiteres zusammen mit der LfA schultern, um die entsprechende Finanzierung sicherzustellen. Die Haushaltsberatungen innerhalb der Staatsregierung laufen bereits auf vollen Touren. Am 30. September soll die erste Lesung des Doppelhaushalts 2005/2006 stattfinden. Wir brauchen also eine schnelle Entscheidung. Die Staatsregierung sollte deshalb möglichst schnell ein Bewertungsgutachten über Kurspotenzial und Paketaufschlag der Eon-Beteiligung einholen. Damit könnten wir das Kurspotenzial ausloten.

Wie gesagt, wir sollten die Eon-Beteiligung bei der LfAFörderbank Bayern parken. Die LfA ist eine gesunde Bank, braucht aber bei diesem Volumen eine Refinanzierung. Das muss vorbereitet sein. Deshalb sollten der Verwaltungsrat und der Vorstand die notwendigen Beschlüsse zur Finanzierung des Aktienpakets fassen. Anschließend sollte möglichst schnell – in Zusammenarbeit mit der LfA – eine Ausschreibung der Eon-Beteiligung vorbereitet werden. Diesen Beschluss sollten wir heute fassen,

damit unser Land in den Genuss dieser Investitionsmöglichkeiten kommt.