Herr Staatssekretär, Ihr Ministerium hat in der Öffentlichkeit gesagt, es gäbe zusätzliche Gelder, nämlich 4 Millionen Euro, für das G 8. Umgerechnet macht das diese Zahl an Stellen aus. Warum haben Sie nicht gleich gesagt, dass Sie dieses Geld den Berufsschulen wegnehmen und es an die Gymnasien verlagern?
Frau Abgeordnete Schieder, wir haben sowohl das eine wie auch das andere gemacht. Einerseits sind den Gymnasien die entsprechenden Stellen zugewiesen worden, andererseits haben wir noch einmal 4 Millionen Euro für Aushilfsverträge dazugeben können, damit wir den Unterricht an den Gymnasien vollständig abdecken können. Ich betone noch einmal: Im Prinzip sehen wir in dieser Entwicklung eine Bestätigung der Richtigkeit unserer Entscheidung zur Einführung des G 8. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass uns im Januar/Februar dieses Jahres von Ihrer Seite angekündigt wurde, das Gymnasium würde erheblich an Attraktivität verlieren und wir würden mit der Einführung des G 8 das Gymnasium kaputt machen.
Das Gegenteil ist passiert. Wir hatten eine Steigerung der Schülerzahlen bei den Fünftklässlern, also bei den Schulanfängern, von etwa 1000 Schülern. Einen deutlicheren Beweis dafür, dass das G 8 bei der Bevölkerung Zustim
mung erfährt, kann man nicht liefern. In diesem Fall hat sich die gute Tat gerächt, weil wir bei den Lehrerstellen noch einmal nachlegen mussten. Wir haben das aber gern getan.
Herr Staatssekretär, wie kann ein Berufschuldirektor behaupten, in seiner Schule falle Pflichtunterricht aus, wenn Sie sagen, dass das nicht stimmt?
Frau Abgeordnete Schieder, ich kann hier keine Einzelfälle kommentieren. Da müsste ich konkret nachfragen. Möglicherweise ist da und dort eine Lehrkraft nicht angetreten oder krankheitsbedingt ausgefallen. Das ist nie auszuschließen. Ich kann auch nicht von vornherein garantieren, dass eine Unterrichtsversorgung immer zu 100 % erfolgt. Ich betone aber noch einmal, dass wir die Planstellenzuweisung in diesem Jahr ausgeglichen bewerkstelligt haben und dass die Unterrichtsversorgung an den beruflichen Schulen sichergestellt ist. Ich bitte Sie, mir diesen Einzelfall zu schildern. Ich bin dann gern bereit zu klären, was die Ursache war, dass dort die Stunden nicht abgedeckt werden konnten.
Herr Staatssekretär, kann das nicht daran liegen, dass Sie bislang schon eine Budgetlücke hatten, die umgerechnet zu einem Fehlen von 450 Lehrerinnen und Lehrern an beruflichen Schulen geführt hat? Diese Lücke wurde nicht durch Neueinstellungen ausgeglichen. Die Neueinstellungen konnten gerade einmal den Bedarf durch die zusätzlichen Schülerinnen und Schüler ausgleichen. Deshalb ist es unverantwortlich, Lehrer abzuziehen und an die Gymnasien zu verlagern.
Frau Abgeordnete Schieder, ich habe kürzlich den schönen Spruch gehört: „Fünfzigjährige stören schon dadurch, dass sie sich erinnern“. Ich bin zwar noch nicht fünfzig, erinnere mich aber sehr wohl, dass wir bei der Einführung der Budgetierung für die Berufsschulen ein höchst erfreuliches Lehrer-Schüler-Verhältnis hatten. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Messlatte eingezogen. Im Nachhinein betrachtet war dies insofern problematisch, dass immer an einer optimalen Zahl gemessen wurde und wir in den nächsten Jahren an diese optimale Zahl nicht mehr herankommen werden. Das waren Jahre, in denen einfach noch mehr möglich war. An den Berufsschulen sind damals noch nicht die großen Schülerströme angekommen und wir hatten eine hohe Zahl von Lehrereinstellungen.
Derzeit wird immer nachgerechnet, wie hoch der Abstand zu dieser optimalen Messlatte ist. Das bedeutet, wir werden lange brauchen, bis wir im Plus liegen werden. Die von Ihnen genannte Zahl ist nicht abzustreiten. Diese Zahl hilft uns aber letztlich nicht. Vielmehr müssen wir von der
konkreten Unterrichtsversorgung ausgehen. Den Berufsschulen wurde nichts genommen, sondern sie haben zusätzliche Stellen erhalten. Von 380 neu ausgewiesenen Stellen sind 120 an die beruflichen Schulen gegangen. Das ist ein Drittel und ein Erfolg für das berufliche Schulwesen.
Dass sich die beruflichen Schulen mehr erhofft haben, kann ich verstehen. Erfreulicherweise haben wir in Bayern – anders als in anderen Ländern - zusätzliche Lehrer eingestellt. Diese müssen wir so verteilen, dass wir den Bedürfnissen der jeweiligen Schulen gerecht werden.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Die Fragestunde ist beendet. Ich unterbreche die Sitzung bis 13.15 Uhr.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Franz Maget, Marianne Schieder, Hans-Ulrich Pfaffmann und anderer und Fraktion (SPD) Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Chancengleichheit sichern – Lernmittelfreiheit erhalten (Drucksache 15/1692)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin, ich entschuldige mich für heute Morgen. Aber es war nicht mein Versehen; denn ich war bei einer Besuchergruppe, die sich räumlich und zeitlich verschoben hatte, sodass der Besucherdienst nicht wusste, wo er mich finden konnte. Im Übrigen war ich als einzige Abgeordnete dort. Und es war gut, dass das Parlament bei den Besuchern zumindest durch eine Anwesenheit glänzte. Ich denke, deswegen können wir heute Mittag auch den Dringlichkeitsantrag noch besprechen. Nach der Debatte heute Morgen ist es zunächst einmal angebracht, aufzuräumen.
Herr Kollege Schneider, Herr Kollege Waschler, einer von Ihnen behauptete, Bayern gäbe 5000 Euro pro Schulkind aus. Mit Verlaub, das ist von der Realität weit entfernt. Ich habe hier die Antwort des Kultusministeriums auf unsere Anfrage bezüglich dieses Umstandes vorliegen. Danach
geben wir für einen Hauptschüler 3000, für den Realschüler 3100, für den Gymnasiasten 4300 und für den Berufsschüler 2200 Euro aus. Herr Kollege Schneider, da müssen Sie nicht mit den Kopf schütteln, denn das würde bedeuten, die Angaben des Kultusministeriums sind nicht wahr. Doch daran wollen wir beide nicht glauben. Unsere Anfrage zeigt im Übrigen den weiteren Umstand, dass die Ausgaben für die bayerischen Schülerinnen und Schüler zurückgehen.
Ich komme jetzt zu Ihrem Büchergeld, das Sie als gemeinschaftliche Anstrengung von Staat, Kommune und Eltern bezeichnen. Herr Kollege Schneider, ich habe mir die derzeitigen Kosten für eine Schule mit 847 Schülern mit folgendem Ergebnis ausrechnen lassen: Die Kosten für Bücher im Jahr 2003 in Höhe von 15 000 Euro plus Kopiergeld – damit ich auf der sicheren Seite bin – in Höhe von 8000 Euro ergeben insgesamt 23 000 Euro. Dies macht bei 847 Schülern pro Schüler 27 Euro. Ich gebe dieser Schule ein Plus von 10 000 Euro.
Herr Kollege, Sie glauben doch nicht im Ernst daran, dass der Finanzminister diese 10 000 Euro bei der Schule belässt. Ich prophezeie Ihnen schon heute, dass Sie den diffusen, so genannten sozialen Ausgleich – darüber, wie er stattfinden wird, sind Sie sich noch nicht klar – aus diesen Zahlen finanzieren werden. Ich kann Ihnen schon heute sagen, dass auf die Schulen erneut Kosten zukommen werden. Dann wird man sagen, nehmt doch das Büchergeld. Ich bin sicher, dass ich Recht habe. Das heißt, Sie haben damit nicht nur die Lernmittelfreiheit abgeschafft, sondern die Eltern abgezockt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wie in keinem anderen Bundesland ist in Bayern die Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängig. Da stehen wir, Herr Kollege Herrmann, fürwahr an erster Stelle.
Ich lüge nicht, Herr Kollege Herrmann. Ich täusche mich manchmal nur. Aber ich bereite mich sehr geflissentlich auf meine Reden vor. – An Ihre so genannte soziale Abfederung glaube ich noch nicht; was sie verwaltungstechnisch kosten wird, haben Sie noch nicht dargelegt. Im kleinen Stadtstaat Hamburg werden die Verwaltungskosten mit 2 Millionen Euro angegeben. Ihre so genannte Reform führt dazu, dass Sie über die soziale Abfederung den Eltern mit schmaler Geldbörse und ihren Kindern einmal im Jahr auch noch ihre Armut bescheinigen. Verehrter Herr Kollege, vielleicht wissen Sie nicht – ich schon –, dass Armut nicht selbstbewusst macht. Gerade im Bildungsbereich gilt: Man soll niemanden beschämen.
Ich will mich nicht damit aufhalten, Ihren Zick-Zack-Kurs, den Sie seit Dezember auf diesem Gebiet fahren, noch einmal aufzuzählen. Herr Kollege Herrmann, vielleicht ist er Ihnen noch gegenwärtig. Am 5. Januar hat der Ministerpräsident höchstpersönlich auf eine Streichung der Lernmittelfreiheit verzichtet. Aber Frau Hohlmeier hat schon einmal vorsorglich mit den Elternverbänden verhandelt. Ende April hatte man sich auf ein Büchergeld geeinigt. Herr Kollege Herrmann, dass in Bayern auch die CSU nicht regiert, wurde anlässlich der Herbstklausur Ihrer Fraktion wieder einmal sehr deutlich; denn Herr Stoiber schafft noch auf dem Weg zu Ihrer Fraktionssitzung über die Presse die Lernmittelfreiheit ab. Dass Sie jetzt zurückrudern müssen, ist nicht der CSU, sondern einem Aufschrei der bayerischen Bevölkerung zu verdanken, die nicht mehr bereit ist, alles der Sparwut eines Mannes zu opfern, der schon lange nicht mehr weiß, was unter dem weiß-blauen Himmel los ist, weil er seine Augen ständig nach Berlin richtet.
Der Ursprung der Lernmittelfreiheit lag einst in dem Bestreben, Bildung vom Einkommen der Eltern unabhängig zu machen. Materielle Lasten sollten auch auf diejenigen verteilt werden, die keine Kinder haben. Dem lag einmal die Einsicht zugrunde, dass Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, die von allen bezahlt werden müsse. Ich darf Ihnen in Erinnerung rufen, dass sich der finanzielle Aufwand einer Familie für ein Kind bis zum 18. Lebensjahr schon jetzt auf 341 900 Euro beläuft. Frau Walter vom Bayerischen Elternverband hat vorgerechnet, dass Gymnasiasten jetzt bereits mit 960 Euro belastet werden, Hauptschüler in M-Zügen bringen es auf 530 Euro. Lernmittelfreiheit sorgt unter anderem für Chancengleichheit bei Familien mit geringem Einkommen und für eine finanzielle Entlastung der Familien, die sich für Kinder entscheiden. Ihre Abschaffung erhöht die ökonomischen Kosten für Bildung und erschwert damit den Zugang. Außerdem richten Sie eine Zwei-Klassen-Elternschaft ein und Sie treffen einmal mehr diejenigen, die mit ihren Kindern den Grundstein für die Zukunft unserer Gesellschaft legen.
Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit spart auch nicht wirklich viel Geld. Herr Schneider, Sie können mir jetzt vielleicht sagen, welchen Verwaltungsaufwand Sie dafür ausgerechnet haben. Die Abschaffung der Lernmittelfreiheit ist ein Signal in zwei Richtungen. Erstens sagt sie etwas darüber aus, was der CSU Bildung eigentlich wert ist, zweitens welchen Stellenwert Kinder bei Ihnen einnehmen.
Eigentlich widerstrebt es mir auch ein wenig, mich mit Ihren unausgegorenen Plänen zu befassen, die Sie gestern vorgestellt haben. Es widerstrebt mir vor allem deshalb, weil die Halbwertszeiten Ihrer Entscheidungen recht kurz sind und ich gar nicht weiß, ob das, was Sie heute verkünden, nächste Woche noch gilt. Aber ich will es Ihnen noch einmal für die Realschulen vorrechnen und Ihr Büchergeld auch mit dem Bundesdurchschnitt vergleichen. Sie wollen eine Eigenbeteiligung in Höhe von 20 Euro für die Grundschulen und 40 Euro für die Schulen, die nach der Grundschule kommen. Im Bundesdurchschnitt kosten die Bü
cher 20 Euro pro Schüler – nur um Ihnen die Zahlen noch einmal klarzumachen. Ich habe mir auch noch die Bücherkosten für die 5. Klasse Realschule besorgt. Das waren letztes Jahr 148,30 Euro. Wenn ich eine Nutzungsdauer von vier Jahren zugrunde lege, obwohl der derzeitige Zyklus zehn Jahre beträgt, dann macht das 37,08 Euro aus. Das heißt auch für diesen Fall, dass man bei einer Kostenbeteiligung von 40 Euro sogar noch etwas einnimmt.
Ich gebe auch gerne zu, dass dies ein Einzelbeispiel ist. Aber Sie müssen uns Zahlen vorlegen, die begründen, warum Sie gerade auf 40 Euro kommen, und die klar darlegen, dass Sie den Eltern nicht für irgendwelche anderen Aufgaben, die Sie jetzt meinen nicht finanzieren zu können, Geld aus der Tasche ziehen.
Es wäre auch eine professionelle Angelegenheit, wenn Sie andere fundierte Zahlen vorlegen würden. Das halte ich für das Mindeste als Grundlage, wenn man professionelle Entscheidungen trifft und sie auch transparent macht.
Schuldig bleiben Sie eigentlich auch die Antwort auf die Frage, wie Sie den sozialen Ausgleich regeln wollen. Denn es gibt aus meiner Sicht einen Unterschied zwischen Schulen am Hasenbergl oder in Starnberg. Ich vermute auch mal, Sie wissen das selbst noch nicht. Ihre Rechnung halte ich für diffus. Sie lassen jede betriebswirtschaftliche Fundierung vermissen und legen den Verdacht nahe, dass, wenn das Geld erst mal aus dem Geldbeutel der Eltern weg ist, der Finanzminister seine Klauen ratzfatz drauf hat. Dass das ganz schnell geht, sieht man immer wieder daran, wie Herr Stoiber mit der CSU-Fraktion umspringt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wir haben unseren Antrag weit gefasst, damit auch Sie zustimmen können. Denn mit der Zustimmung zu unserem Antrag beweisen sie Weitsicht und dass Ihnen Bildung und unsere Kinder etwas wert sind. Mit einer Ablehnung geben Sie diese Errungenschaft preis, ohne zu wissen, was danach kommt. Sie machen die Tür weit auf für einen Finanzminister, der jede Gelegenheit nutzen wird, sich auf Kosten unserer Kinder seinen Säckel zu füllen und das Geld an anderer Stelle mit vollen Händen auszugeben – ich erinnere nur wieder einmal an das Darlehen für die Münchner Flughafen-GmbH. Sie machen den Weg frei für weitere Kahlschläge, denn wenn Sie ehrlich sind, müssen Sie zugeben, dass Sie auch nicht genau wissen, was danach kommen wird.
Eine Frage müssen Sie sich selbst auch ganz ehrlich beantworten, und das ist die, ob Sie wirklich ganz sicher sind, dass danach das Feld ruhig sein wird. Die Erfahrung lehrt doch, dass Sie eigentlich vor jeder Fraktionssitzung damit rechnen müssen, dass der Ministerpräsident Sie wieder übergeht und damit den Bürgern und Bürgerinnen in Bayern eine neue bildungspolitische Grausamkeit zumutet, die lediglich eines zementiert, und das ist die soziale Ungerechtigkeit des bayerischen Bildungssystems.
Ich darf noch darauf aufmerksam machen, dass nach dem Schluss der Aussprache eine namentliche Abstimmung erfolgen wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute Morgen in der Aktuellen Stunde schon sehr ausführlich über die Lernmittelfreiheit diskutiert. Deshalb möchte ich nicht alle Argumente wiederholen, die dort schon gefallen sind.
Zwei Dinge möchte ich aber schon klarstellen, zum einen: Es ist doch Unsinn, wenn Sie sich hier herstellen und darstellen wollen, dass ein Büchergeld notwendig ist, damit die Kinder einen sorgfältigeren Umgang mit ihren Büchern lernen.