Mit diesem Gedanken schließe ich und übergebe dem Hohen Haus den Entwurf des Doppelhaushalts 2005/2006. Ich bitte Sie in der Beratung um Unterstützung. Lassen Sie uns mit diesem Doppelhaushalt ein Zeichen der Nachhaltigkeit setzen und ein solides Fundament für Bayerns Zukunft legen.
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierfür eine Redezeit von 45 Minuten pro Fraktion vereinbart. Zunächst hat sich für die SPD-Fraktion Herr Dr. Kaiser zu Wort gemeldet. Bitte schön.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die „Tour d’horizon“ des Herrn Finanzministers unter dem Motto „Bayern, Deutschland und die Welt“ hat eines gezeigt: Die Zielsetzung dieses Doppelhaushalts steht unter einer Überschrift, nämlich der folgenden: Was nützt uns, der CSU, der Haushalt im Kampf um die Macht in der Union und im Bund?
Die Zielsetzung der SPD-Fraktion ist eine andere. Für uns steht die Frage im Raum: Wird dieser Haushalt den Herausforderungen für Bayerns Zukunft gerecht? Heribert Prantl schreibt in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 8. Oktober 2004:
Für Stoiber war und ist das Bundestagswahlergebnis von 2002 ein Irrtum der Geschichte und sein glänzendes Landtags-Wahlergebnis von 2003 der Versuch des Einstiegs in eine Geschichts-Korrektur; sein Ehrgeiz, als erster deutscher Ministerpräsident einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, ist dessen Fortsetzung. Stoiber brennt, er brennt auf Revanche.
Dieser Entwurf des Doppelhaushalts 2005/2006 steht, wie schon der Nachtrag 2004, ganz im Zeichen des Bundestags-Wahltermins im Herbst 2006. Die Landespolitik in Bayern, die Haushaltspolitik, hat sich dem Machtstreben und dem Ehrgeiz des Ministerpräsidenten unterzuordnen. Wir halten dies für eine verhängnisvolle Entwicklung in unserem Land.
Nach einer expansiven Haushaltspolitik in den Jahren 2002 und 2003 erfolgte im Nachtragshaushalt 2004 die radikale Kehrtwende. Mit einer Kürzung der Ausgaben um knapp 3 % in diesem Jahr, 2004, werden Wachstumschancen vergeben. Unabweisbare gesetzliche oder tarifrechtliche Mehrausgaben vergrößern zwar das Haushaltsvolumen, die bescheidenen Steigerungsraten in den nächsten beiden Jahren geben der schwächelnden Binnenkonjunktur aber keine nennenswerten Impulse.
Der Herr Finanzminister hat vorhin erwähnt, dass wir im ersten Halbjahr 2004 in Bayern ein beachtliches Wirtschaftswachstum von 2,3 % verzeichnen können. Auch der Herr Ministerpräsident hat das in einer Presseerklärung mitgeteilt. Herr Finanzminister, Sie führen das auf die Haushaltspolitik zurück, dabei weiß doch jeder in diesem Lande – der Wirtschaftsminister hat das auch verkündet –, dass das Wachstum allein auf die florierende Exportindustrie zurückzuführen ist, die ihre Ausfuhren in diesem halben Jahr um über 12 % steigern konnte.
Wer die Absatzerfolge von BMW und Audi in den USA und die Exportzuwächse bayerischer Maschinenbauer wie MAN in China auf niedrigere öffentliche Bauinvestitionen und weniger Zuschüsse für Wohlfahrtsorganisationen und Sportvereine zurückführt, der macht den dreisten Versuch, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen, meine Damen und Herren.
Die Investitionsplanungen der mittelständischen Unternehmen in Bayern geben Anlass zu Wachstumshoffnungen, meine Damen und Herren. So berichtet die Förderbank Bayern, die LfA, von einer Steigerung der Kreditzusagen gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um mehr als das Eineinhalbfache von 418 Millionen auf 1064 Millionen Euro.
Bei diesen hoffnungsvollen Aspekten ist es umso wichtiger, ein abgestimmtes, gleichgerichtetes Verhalten in der Finanzpolitik an den Tag zu legen. Für die unbestritten notwendige Haushaltskonsolidierung kommt es auf den richtigen Zeitpunkt und die mittelfristige Perspektive an, meine Damen und Herren.
Ein ausschließlich vom Export getragener Wirtschaftsaufschwung in Deutschland und in Bayern bleibt gefährdet. Unsicherheitsfaktoren sind nach wie vor die steigenden Rohstoffpreise, insbesondere bei Öl und Kokskohle, das Aufwertungsrisiko des Euro, die Immobilienspekulationsblase in den USA und Großbritannien. Für einen nachhaltigen Aufschwung in Bayern und in Deutschland brauchen wir deshalb verstärkte Unternehmensinvestitionen und einen höheren privaten Konsum.
Wir brauchen aber auch eine steigende Nachfrage der öffentlichen Hände. So stellt denn Ökonomie-Nobelpreisträger Robert Solow in einem „Wirtschaftswoche“-Interview am 19. September 2004 fest:
Das deutsche Budgetdefizit liegt zurzeit bei 3,7 % des Bruttoinlandsproduktes. Es wäre völlig verfehlt
(Zuruf von Staatsminister Prof. Dr. Kurt Faltlhauser – Franz Maget (SPD): Hört, hört! Dafür kriegt er nicht den Nobelpreis! Damit muss er jetzt leben! Herr Faltlhauser wird ohne Nobelpreis leben müssen!)
Öffentliche Haushalte können sich nicht in erster Linie aus einem Defizit „heraussparen“, weil es somit mit dem Wirtschaftswachstum weiter bergab geht, sie müssen aus der Verschuldung „herauswachsen“. Deshalb sollte sich die Konsolidierung der Ausgaben am Wachstum des nominalen Bruttosozialprodukts orientieren.
Die leicht steigende Investitionsquote im vorliegenden Haushaltsentwurf ist konjunkturpolitisch und wachstumspolitisch nach wie vor unzureichend, Herr Finanzminister.
Wenn der Staat nicht endlich massiv seine Ausgaben für Baumaßnahmen erhöht, wird die Bauwirtschaft in ihrem Abwärtstrend nicht gestoppt werden können,
stellt der Bayerische Bauindustrieverband fest, Zitat „Passauer Neue Presse“ vom 23. September 2004.
Deshalb hat die SPD-Fraktion schon vor der Sommerpause ein Investitionsprogramm von zwei Milliarden Euro für die beiden nächsten Doppelhaushalte, gespeist aus den Erlösen aus dem Eon-Aktienpaket, vorgeschlagen.
Noch im Juli – vor kurzer Zeit also – lehnte die CSU-Fraktion diesen Antrag vehement und strikt ab. Auf welche verrückten Ideen wir kämen, solches zu verlangen!
Jetzt machen Sie die Privatisierung auch, Herr Kollege Ach. Jetzt dämmert’s auch dem Kollegen Ach: „In dem Bewusstsein, dass wir nicht länger von der Substanz leben können“, kündigte er in der „Staatszeitung“ vom 1. Oktober 2004 ein Investitionsprogramm aus Eon-Erlösen in Höhe von 300 Millionen Euro für den Doppelhaushalt an. Immerhin, Herr Kollege Ach, Sie bewegen sich, wenn auch nur in Trippelschritten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, folgen Sie uns mutig auf dem richtigen Weg, von einem Doppelhaushalt der wirtschaftlichen Stagnation hin zu einem echten Gestaltungshaushalt, wie wir ihn wollen, meine Damen und Herren.
Im Nachtragshaushalt 2004, Herr Finanzminister, konnten die einzelnen Ressorts ihren – in Anführungszeichen – „Sparbeitrag“ auch durch eine Verbesserung der Einnahmen erbringen; im Klartext: Sparen im Freistaat Bayern heißt auch Abkassieren beim Bürger. Ich nenne als Beispiele die Erhöhung von Darlehenszinsen im sozialen Wohnungsbau, höhere Gerichtsgebühren, höhere Gebühren der Vermessungsverwaltung, Abschaffung der kostenlosen BSE-Tests und die Einführung von Verwaltungsgebühren für Studierende. Die Krönung dieser Abkassiererei soll jetzt die Einführung des Büchergeldes bringen. Dazu kommen noch kommunale Gebührenerhöhungen, die durch das Zusammenstreichen von staatlichen Zuschüssen, bei der Wasser- und Abwasserversorgung sowie beim ÖPNV, notwendig werden. Um satte 7,1 % verteuern sich zum Beispiel in Würzburg Bus- und Straßenbahnfahrten ab 1. Januar 2005. Völlig zu Recht macht die „Main-Post“ am 13. Oktober 2004 die Aussage unseres Kollegen Rainer Boutter zur Schlagzeile des Artikels über die beschlossene Preiserhöhung: „Stoiber ist schuld an der Erhöhung“ – eine richtige Aussage.
Das Abkassieren beim Bürger, genannt Sparen, ist nicht nur ungerecht, es beeinträchtigt die Konsumausgaben und damit auch die Konjunktur.
Herr Kollege Ach, zu Ihrem Zwischenruf: Es geht hier um die Kürzungen aus dem Kfz-Steuerverbund, die ganz massiv sind und auch den ÖPNV betreffen. Es geht nicht um die Regionalisierungsmittel, die Sie jetzt meinen.
(Manfred Ach (CSU): Das haben Sie gerade nicht gesagt! – Franz Maget (SPD): Aber jetzt hat er es erklärt!)
Meine Damen und Herren, ebenso abrupt und überfallartig wie die Kürzungen im Haushalt erfolgten nach der Landtagswahl die Planungen und Vorschläge zur Verwaltungsreform. Sie haben das auch angesprochen, Herr Finanzminister. Einzige Zielsetzung ist offensichtlich der Einzug von Stellen im öffentlichen Dienst, die Verschlankung des Staates ohne Rücksicht auf bewährte Strukturen und Leistungen für den Bürger. Wir fragen uns: Wo bleiben genaue Organisationsuntersuchungen in der Verwaltungsreform? – Fehlanzeige. Wo bleiben Kosten-/Nutzen-Analysen der geplanten Veränderungen? – Fehlanzeige. Wo bleiben Kalkulationen über notwendig werdende Investitionen, insbesondere für Neu- und Erweiterungsbauten? – Fehlanzeige! Wo bleiben Berechnungen über Folgekosten beim Perso
nal für Umzüge und Trennungsgeld? – Fehlanzeige. Wo bleiben Berechnungen über die Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung schwächerer Regionen, wenn Ämter aufgelöst werden? – Wir stellen fest: Fehlanzeige.
Ich denke, so kann man eine Verwaltungsreform nicht durchziehen: nur auf den Haushalt zu schauen, auf die Personalausgaben, und die anderen Zusatzausgaben einfach unter den Tisch zu kehren. Da wird noch ein böses Erwachen folgen.
Explosive Stimmung herrschte gestern beim Bayerischen Landkreistag in der Stadthalle von Gerolzhofen, Landkreis Schweinfurt, als die Landräte unisono ihrem Unmut über die Verwaltungsreform im Freistaat und das Vorgehen der Staatsregierung und der CSU-Mehrheitsfraktion freien Lauf ließen … Besonders erbost und frustriert sind die Landräte, dass „unsere Vorschläge samt und sonders die Papierkörbe der Ministerien in München gefüllt haben“.