Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als dritten Schwerpunkt möchten wir die Elternrechte stärken. Der Elternwille muss bei der kommunalen Bedarfsplanung berücksichtigt werden. Es kann nicht sein, dass eine Kommune allein darüber bestimmt, ob ein Kindergarten notwendig ist oder nicht. Es muss möglich sein, dass Eltern, die den Bedarf für ihre Kinder erkennen, aber das Konzept dafür nicht vorfinden, ein Wort mitzureden haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir möchten die Elterninitiativen, von denen es sehr viele gibt, als eine eigenständige Trägerform anerkannt wissen und wir wollen die Eltern im Kindergarten als Erziehungspartner sehen.

Wir wollen eine Mitsprache der Eltern beim pädagogischen Konzept und wir wollen einen Austausch. Dazu ist es natürlich notwendig, dass sich die Verfügungszeiten der Erzieherinnen drastisch erhöhen. Denn mit den knapp bemessenen Verfügungszeiten, die sie jetzt haben, können sie nur Tür- und Angelgespräche führen, aber niemals mit Eltern gemeinsam Konzepte entwickeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen einen Rechtsanspruch auf einen sechsstündigen Kindergartenplatz und einen Anspruch auf einen Krippen- oder Hortplatz, wenn beide Elternteile oder der allein erziehende Elternteil erwerbstätig sind bzw. ist oder Schulung, Studium oder eine Fortbildung absolvieren, oder wenn erzieherische Gründe und familiäre Belastungen bestehen.

Wir wollen auch – das ist uns ganz wichtig – eine Gastkinderregelung, bei der das Elterninteresse und der Elternwunsch bezüglich der Länge der Betreuungszeit, des pädagogischen Konzeptes im Mittelpunkt stehen. Der

Bedarf, der sich aus der elterlichen Berufstätigkeit ergibt, ist dabei ebenfalls zu berücksichtigen, das heißt, wenn Eltern ihre Kinder in eine angrenzende Gemeinde schicken wollen, weil ihnen dort das Konzept besser gefällt, weil dort unter Umständen die Öffnungszeiten günstiger sind oder weil sie vielleicht in dem anderen Ort studieren oder arbeiten, dann muss dies möglich sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist im Moment noch behindert durch die Dominanz der Kommunen.

Um die noch fehlenden Kinderkrippenplätze zu gewährleisten, wollen wir das Landeserziehungsgeld umschichten. Wir glauben, dass eine adäquate Betreuung der Kinder in den Kinderkrippen notwendig ist, und wir glauben, dass dafür das Landeserziehungsgeld sehr gut verwendet werden kann.

Um ein modernes kindgerechtes Kindertagesstättengesetz umzusetzen, das für die frühkindliche Bildung und Erziehung auch geeignet ist, sind noch wesentliche Schritte notwendig. Die Anhörung, die vor einigen Wochen hier im Landtag durchgeführt wurde, hat dies eindrucksvoll unterstrichen. Fast alle Experten und fast alle Betroffenen, fast alle Mitarbeiter, die anwesend waren, haben unisono bestätigt, dass dieser Gesetzentwurf lückenhaft ist, dass er verbesserungswürdig ist und sie haben auch Verbesserungsvorschläge gemacht, die sich durchaus mit den unseren decken. Auch dies sollte ihnen zu denken geben: Es sind keine „roten“ oder „grünen Hirngespinste“, es sind Fakten, die sich von den Experten jederzeit wieder abfragen lassen.

Es geht um unsere Kinder, es geht um Familien. Bemühen Sie sich also um ein zukunftsweisendes Gesetz und unterstützen Sie unseren Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, vielen Dank. Als Nächster hat Herr Kollege Unterländer das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst, bevor ich zu den Dringlichkeitsanträgen im Detail komme, drei grundsätzliche Bemerkungen machen:

Erstens. Wir halten dieses Kindertagesstättengesetz für dringend erforderlich, weil es Verlässlichkeit schafft für alle Beteiligten, insbesondere für Träger, für Eltern und für die Kommunen und auch für die Mitarbeiterinnen. Wir meinen, dass mit diesem Gesetz auch Flexibilität geschaffen wird, die mit dem heutigen Dickicht von zehn verschiedenen Fördermodalitäten überhaupt nicht mehr zu bewältigen ist.

Wir meinen, dass es ein großes Ziel ist, dass alle Betreuungsformen in diesem Gesetz festgehalten sind. Ich sage das ausdrücklich so, weil ich hier auch eine Lanze für die Tagespflege brechen möchte.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die CSU-Landtagsfraktion lässt es nicht zu, dass die Tagespflege schlecht geredet wird. Sie ist eine der verschiedenen Angebote, sie ist familiennah und sie ist flexibel. Wir wissen, dass es in verschiedenen Kommunen eine bessere Alternative ist als andere Einrichtungen.

Deswegen sagen wir auch mit diesem Gesetz Ja zur Tagespflege.

Eine dritte Bemerkung: Sie sprechen davon, dass es Befürchtungen gebe, es werde zu Schließungen von Einrichtungen kommen. Ich glaube, hier müssen wir schon die Kirche im Dorf lassen,

(Zuruf der Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

weil in der Tat auf der Basis des heutigen Förderrechts verschiedene Ursachen vorhanden sind, die zu einer Schließung von Einrichtungen führen würden, und weil wir genau mit dem neuen Förderrecht diese Befürchtungen ausräumen können. Nehmen Sie das bitte einmal zur Kenntnis.

Eine grundsätzliche Bemerkung zu der Frage, wie wir mit einem Gesetzentwurf umgehen, der wohl in dieser Form zu Beginn des kommenden Jahres in den Ausschüssen behandelt wird, wo doch die Staatsregierung den endgültigen Entwurf noch gar nicht eingebracht und beschlossen hat. Macht es denn da Sinn,

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Ja!)

mit Dringlichkeitsanträgen diesen Gesetzesberatungen vorzugreifen? Ich halte das für falsch, weil wir im Parlament auf der vorhandenen Basis darüber beraten sollen.

(Beifall bei der CSU – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Euch hat doch die Regierung schon festgelegt!)

Deswegen werden die Anträge, die Sie hier stellen, als Schnellschüsse zu Rohrkrepierern. Davon können Sie ausgehen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist doch nicht ergebnisoffen, wie Ihr diskutiert!)

Erstens darf ich nochmals feststellen, dass frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung die entscheidende Weichenstellung für die Prägung und Entwicklung eines jeden Menschen sind. Deshalb wird von uns hier ein klarer politischer Schwerpunkt gesehen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wunderbar!)

Deshalb geht es der CSU-Landtagsfraktion darum, zunächst die Eltern zu stärken, für die Familien finanziell akzeptable Rahmenbedingungen zu schaffen und ein bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuung in unserem Land zu ermöglichen. Hören Sie deshalb bei diesem

Entwurf zum Kindertagesstättengesetz und dieser Diskussion mit dem Mehr eines Sparmodells auf.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist ein Sparmodell!)

Wenn man den Haushalt der Jahre 2003 bis zum Entwurf 2005/2006 betrachtet, stellt man eine enorme Steigerung fest: Im Jahr 2003 standen für die Kinderbetreuung 494 Millionen Euro zur Verfügung, auch 2004 ist eine deutliche Steigerung umgesetzt worden. Für 2006 sind im Entwurf 575 Millionen Euro vorgesehen. Wenn das keine Steigerungen sind! Völlig unabhängig davon haben wir zudem ein Ausbauprogramm mit 313 Millionen Euro auf den Weg gebracht, mit dem 20 000 neue Plätze geschaffen werden. Ich frage Sie, in welchem Bundesland, das unter Verantwortung Ihrer politischen Freunde geführt wird, gibt es solche Ausbaupläne?

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Weil es dort diese Plätze schon gibt, da braucht man sie nicht mehr!)

Sie können das nicht mit gutem Gewissen kritisieren, weil wir hier die bessere Alternative haben.

(Beifall bei der CSU – Marianne Schieder (SPD): Nein, das stimmt nicht!)

Das Kindertagesstättengesetz ist notwendig, um alle Fördermodalitäten zu bündeln, eine verlässliche Förderung zu erreichen, Ungerechtigkeiten abzubauen und eine qualitätsorientierte und flächendeckende Versorgung zu ermöglichen.

Frau Werner-Muggendorfer, ich gebe Ihnen in dem einen Punkt völlig Recht, wir müssen sehr genau aufpassen, dass wir nicht so tun, als fangen wir beim Nullpunkt an. Wir haben in den bestehenden Einrichtungen in vielen Fällen bereits eine hervorragende Arbeit geleistet. Im Übrigen wird dort der Bildungs- und Erziehungsplan bereits heute, also vor der Erprobung, umgesetzt. Auch das muss man in diesem Zusammenhang feststellen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Unter welchen Bedingungen?)

Die Philosophie des Gesetzentwurfs, über den diskutiert wird, lautet: Durch Deregulierung den Einrichtungen in der Förderung und Konzeption den notwendigen Freiraum zu geben. Wir wollen und können keinen landeseinheitlichen Kindergarten haben. Eine Kommune mit 1500 Einwohnern im Landkreis Weilheim hat von der Einrichtung und von der Konzeption her sicherlich einen anderen Bedarf als das Hasenbergl.

(Marianne Schieder (SPD): Die Qualität muss doch gleich sein!)

Aber die Ausrichtung muss eine andere sein können. Wenn in einem Gesetz völlig neue Mechanismen eingeführt werden, entsteht bei den Beteiligten zwangsläufig natürlich eine Unsicherheit. Deswegen ist es notwendig,

sich nicht zum Motor dieser Unsicherheiten zu machen und damit die Verunsicherung in die Einrichtungen zu tragen, sondern im Sinne unserer Kinder und der positiven Gestaltung der Einrichtungen konstruktiv weiterzuarbeiten.

Wir haben hier eine noch nie da gewesene Form der Entwicklung eines Gesetzentwurfs erlebt. Dieser gerade im Hinblick auf die Finanzierung, aber auch auf den Bildungs- und Erziehungsplan ergebnisoffene Modellprozess hat gezeigt, dass unter Einbindung aller Beteiligten und Betroffenen auf diesem Gebiet Veränderungen möglich sind. Wenn Sie das ISKA-Modell zu Beginn seiner Erprobungsphase ansehen und es dem Abschlussbericht gegenüberstellen, werden Sie viele Veränderungen auch aufgrund der parlamentarischen Diskussion, vor allen Dingen auch deshalb, weil Frau Staatsministerin Stewens intervenierte, feststellen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Die CSU-Fraktion hat in dieser Phase einen intensiven Dialogprozess gestartet, um auch das mitzunehmen, was von den Beteiligten an Anregungen kommt und gekommen ist. Etwaiger Änderungsbedarf wird sicher – ich sage das nochmals – in den Ausschüssen bei den Gesetzesberatungen zu diskutieren, zu vertiefen und umzusetzen sein. Dies ist in einem parlamentarisch demokratischen Prozess eine Selbstverständlichkeit, den wir nicht mit Dringlichkeitsanträgen präjudizieren müssen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das ist Teil des demokratischen Prozesses!)