Protokoll der Sitzung vom 30.11.2004

(Zuruf der Abgeordneten Ruth Paulig (GRÜNE))

Ich habe bisher die Position der GRÜNEN auf Bundesebene so verstanden, dass sie dieses wollen. Dass es eini

ge gibt, die darüber hinausgehen wollen, akzeptiere ich. Die bisherige Position der Bundesregierung dieses zu tun, halte ich für richtig. Ich möchte eine faire, ehrliche Wahlmöglichkeit. Ich möchte nicht, dass die Wahlmöglichkeit durch die Politik unterlaufen wird.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Da musst du dich an die CSU wenden!)

Wir möchten eine faire Chance haben. Das ist die Position der Bundesregierung und der EU, und das war auch die Position des Kollegen Wörner.

(Beifall bei der SPD und der CSU)

Ich habe keine weitere Wortmeldung vorliegen. Die Aussprache ist geschlossen.

(Allgemeine Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte nach diesem besonderen Ereignis wieder um Aufmerksamkeit.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN zur Änderung des Bayerischen Naturschutzgesetzes auf Drucksache 15/1183 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfiehlt auf Drucksache 15/2144 die Ablehnung des Gesetzentwurfes. Wer der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der CSU. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Die Fraktion der SPD. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 12 c Gesetzentwurf der Staatsregierung eines Bayerischen Eliteförderungsgesetzes (Druck- sache 15/2097)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Staatsregierung begründet. Das Wort hat Herr Staatsminister Dr. Goppel.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir machen moderne Hochschulpolitik. Sie setzt durchgängig auf Eigenverantwortung, auf Wettbewerb und Leistung. Wir sind es unseren jungen Hochbegabten schuldig, alles dafür zu tun, dass sie die Potenziale für sich und für die Gesellschaft optimal entfalten können. Mit dem Entwurf eines Bayerischen Eliteförderungsgesetzes legen wir ein zentrales Reformvorhaben in dieser Legislaturperiode vor. Die Reform der Bayerischen Hochbegabtenförderung komplettiert das Angebot des erfolgreich gestarteten Elitenetzwerkes Bayern und unterstreicht unsere Vorreiterrolle in der bundesdeutschen Hochschulpolitik.

Kern des Konzepts ist die umfassende Betrachtung der Hochbegabtenförderung. Daher schlägt die Bayerische Staatsregierung vor, das Bayerische Begabtenförderungsgesetz und das Gesetz zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses aufzuheben. An ihre Stelle soll ein neues Gesetz treten, das die Begabtenförderung einheitlich regelt. Damit schaffen wir eine gezieltere, eine flexiblere und eine an den individuellen Bedürfnissen ausgerichtete Förderung. Neben hochbegabten Studenten und Doktoranden kann die Förderung in Zukunft auch Postgraduierte einbeziehen. Die Aufnahme in die Studienförderung ist flexibler und offener als bisher. Die einseitige Orientierung ausschließlich an der Abiturnote gehört der Vergangenheit an. 50 % eines Aufnahmejahrganges werden zwar weiterhin die herausragenden bayerischen Abiturienten stellen, die zweite Hälfte der Neuaufnahmen kommt aber aus dem Kreis der Studenten, deren außergewöhnliche Begabung sich erst im Studium voll entfaltet. Bei der Graduierten- und Postgraduiertenförderung sind für die Auswahl die Expertisen der Universitäten maßgeblich. Die Graduiertenförderung wird keinesfalls auf eine themenzentrierte Förderung reduziert. Sie wird unabhängig vom Fachbereich allen offen stehen, die exzellente Doktorarbeiten in Angriff nehmen, solange eine ausreichende Betreuung gewährleistet ist.

Die neue Eliteförderung verlangt kontinuierliche Leistung. Die Aufnahme der Studenten erfolgt zunächst befristet für die Dauer von höchstens vier Semestern. Dadurch kann vor der Entscheidung über die endgültige Förderung eine nochmalige individuelle Begutachtung erfolgen. Die neue Förderung ist maßgeschneidert. Hier liegt der Kern der Modernisierung. Wir hören auf, unsere begabten Studenten mit einem Stipendium zu alimentieren. Wir fördern nicht mehr den Lebensunterhalt. Das ist Sache des BAföG. Stattdessen setzen wir auf die inhaltliche Förderung unserer jungen Spitzenleute. Sie sollen eine individuelle Beratung und Betreuung erfahren. Dazu ermöglichen wir die Vernetzung mit Exzellenzprogrammen wie dem Elitenetzwerk Bayern. Außerdem fördern wir die Internationalität sowie die Teilnahme an interdisziplinären persönlichkeitsbildenden und berufsbezogenen Veranstaltungen. Geldleistungen dürfen trotzdem nicht völlig fehlen.

Der Gesetzentwurf sieht Leistungen für ein Auslandssemester und die Unterstützung eigenständiger bildungsbezogener Aktivitäten vor – Anmeldung zu besonderen Veranstaltungen. Für die Graduierten und Postgraduierten ist neben der programmatischen Förderung ein Stipendium vorgesehen. So können sie sich voll auf ihre wissenschaftliche Arbeit konzentrieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, moderne Eliteförderung muss eine Bestenförderung sein. Deshalb erfolgt die Förderung unabhängig von der Finanzkraft der Eltern oder des Ehegatten. Allein die Leistung entscheidet.

Mit dem neuen Bayerischen Eliteförderungsgesetz schaffen wir eine zeitgemäßere, flexiblere und zielorientiertere Förderung.

Sie ist die dritte tragende Säule im Konzept des Elitenetzwerks Bayern. Wir wollen Bayern für die Besten der Besten noch attraktiver machen. Das heißt also: Wir wollen

durchaus auch den einen oder anderen dazu einladen. Dafür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung im parlamentarischen Verfahren.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne damit die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Vogel.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Goppel, ich hoffe, Sie an Leidenschaft etwas zu übertreffen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Christa Stei- ger (SPD): Das schaffst du locker!)

Bei der Mehrheit des Hauses sind geradezu idealtypische pawlowsche Reflexe festzustellen, wenn die Opposition zur Eliteförderung spricht. Lassen Sie mich deshalb erstens festhalten: Die SPD will, dass alle Studierenden an Bayerns Hochschulen ihrer Begabung nach gefördert werden. Sie hat also weder etwas gegen die Förderung herausragender Leistungen noch gegen die Förderung aller anderen Studierenden. Sie hat aber etwas dagegen, wenn die einen gegen die anderen ausgespielt werden, und das befürchten wir bei diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Für uns steht die auf individuelle Bedürfnisse abgestellte Förderung von allen in einem engen kausalen Zusammenhang mit einer Reduzierung von Studienabbrüchen und zügigen Studienerfolgen für ebenfalls alle Studierenden. Dazu zeigen Sie mit Ihrer Politik keine Perspektiven auf.

Drittens. Wenn im Zusammenhang mit herausragenden Leistungen und ihrer individuellen Förderung dann noch von Eliten die Rede ist, die – und diesen Weg bestreitet der Gesetzentwurf – allein und vor allen anderen zu fördern sind, dann entlarvt sich die CSU-Begabtenförderung als das, was sie im Kern oft ist, als nämlich als individuelle Bevorzugung von Einzelnen, die Sie als Eliten bezeichnen, statt breiter Förderung der vielen. Meine Damen und Herren, das ist Ausdruck eines marktgängigen Verständnisses von Bildung und Wissenschaft, sowie sie eine typisch neoliberal deregulierte Gesellschaft, die die CSU oft anstrebt, tatsächlich braucht. Nach Pisa 2 wird dabei weiterhin deutlich – aber das wissen und wollen Sie auch –: Die von Ihnen so definierten Eliten reproduzieren sich selbst. Das ist das exakte Gegenteil einer demokratischen Bildungsgesellschaft, und deswegen wenden wir uns auch gegen Ihre im Gesetz bewusst undifferenzierte Verwendung von Begriffen wie „Elite“, „Hochbegabung“ und „Leistung“.

Hier, Herr Goppel, kommen mir auch Ihre Äußerungen von letzter Woche in den Sinn: Solch ein einseitiges, gesellschaftlich selektierendes Denken schlägt sich auch in Gedankengängen nieder, in denen an den Hochschulen allein den Kindern aus gesellschaftlichen und intellektuellen Eliten die Leistungsbereitschaft zugestanden wird, während angeblich die anderen, nämlich die sozial Schwächeren, die Universitäten als Wärmestuben miss

brauchen. Das ist in meinen Augen ein beschämendes Armutszeugnis für Ihr Verständnis von Hochschulpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Zurück zum Gesetzentwurf. – Die drei Punkte vorweg machen für uns in dieser Ersten Lesung deutlich, dass gegenwärtig eigentlich ganz andere hochschulpolitische Offensiven erforderlich wären. Aber es ist schon allenthalben ein auffälliges Phänomen: Immer wenn im Bildungsbereich die Mittel nicht ausreichen, um die hehren Ansprüche von Sonntagsreden zu erfüllen, wird eine breite, integrative Bildungsförderung, die ja finanzaufwändig wäre, durch Selektion ersetzt. Durchlässigkeit und Chancengleichheit, die semantisch geschickt, aber inhaltlich falsch mit negativ besetzten Begriffen wie Masse und leistungssenkender Gleichmacherei verknüpft werden, haben ausgedient. An ihre Stelle treten so schöne Begriffe wie Begabungsauslese und Eliteförderung, die dann wieder sprachlich verbunden mit positiven Begriffen wie Individualität und Leistungsstärke verbunden werden. Damit verschließen Sie bewusst die Augen vor dem engen, in Bayern leider allzu engen Zusammenhang zwischen der ungleichen Verteilung von Einkommen und Vermögen einerseits und Bildung andererseits.

Sie vergessen, dass Begabung auch immer begaben heißt. Im Rahmen einer ehrlichen Diskussion müsste der Begabungsbegriff also immer in engem Zusammenhang mit dem Förderbegriff versehen sein. Dieses Verständnis von Förderung müsste aber schon sehr viel früher ansetzen. Deswegen frage ich Sie, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Warum verweigern Sie seit Jahren die offensive politische Auseinandersetzung um Begriffe wie Begabung und Hochbegabung? Vielleicht auch, weil Sie befürchten, dass Sie an der einen oder anderen Stelle etwas korrigieren müssen.

Ihr Gesetzentwurf ist Zeugnis dieses inhaltlichen Defizits. Es gibt sicher auch eine Reihe von Punkten wie die vorgeschlagenen Fördermaßnahmen, die uns insgesamt sehr sinnvoll erscheinen. Aber wenn wir sie uns für alle wünschen könnten, wären wir einen Schritt weiter. Die Umstellung der Finanzleistungen auf inhaltliche Betreuung ist ebenfalls diskussionswürdig. Die beiden Punkte zeigen, dass wir natürlich zu einer inhaltlichen Würdigung der einzelnen Maßnahmen bereit sind. Darunter fällt auch die kritische Nachfrage, ob die im Gesetz festgelegten Verfahrensabläufe die Autonomie der Hochschulen nicht weiter beschränken, anstatt sie tatsächlich zu erweitern.

Die zentrale Frage aber bleibt: Woran machen Sie Hochbegabung fest? Ich stelle fest, der Notendurchschnitt wird von 1,3 in der Gesamtqualifikation und 1,5 im Abitur jetzt insgesamt auf 1,3 reduziert. Begabungskriterium bleibt also allein die benotete Leistung. All diese Fragen müssen wir weiter klären. Wir haben aber die Hoffnung, dass wir bei der Beratung in den Köpfen, meine Damen und Herren von der CSU, durch Begaben noch einiges ändern können. Das ist ja der Sinn unserer Bildungsförderung hier im Landtag. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Nadler.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Vogel, dass wir das, was im Gesetz steht, in die Köpfe bringen, liegt bei uns. Allerdings trifft sicherlich nicht zu, dass wir alle gegeneinander ausspielen wollen.

Zum Gesetzentwurf selbst: Die Förderung hoch begabter Studierender und Nachwuchswissenschaftler ist derzeit in zwei Gesetzen geregelt: im Bayerischen Begabtenförderungsgesetz und im Gesetz zur Förderung des wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchses. Es handelt sich um eine rein finanzielle Förderung ohne Begleitung durch Förderprogramme, Tutorien und so weiter. Die CSU-Landtagsfraktion hat in einer Entschließung, die noch nicht allzu alt ist, zum Qualitätspakt Hochschule vom Anfang dieses Jahres eine Neuordnung der Begabtenförderung gefordert.

Der nun vorliegende Gesetzentwurf ist ein wichtiges Element dieses Prozesses. Die Begabtenförderung wird auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt und dann in das Elitenetzwerk Bayern integriert. Was ist der wesentliche Inhalt des Gesetzentwurfes? Im neuen Bayerischen Eliteförderungsgesetz wird die Hochbegabtenförderung in einem modernen Gesetz aus einem Guss neu geregelt. Sie wird in zwei Bereiche gegliedert werden: die Studienförderung und die Graduierten- und Postgraduierten-Förderung.

Wichtige Neuerungen sind darüber hinaus, dass die Förderung künftig nicht auf eine finanzielle Förderung beschränkt sein wird. Sie umfasst vielmehr auch die individuelle Betreuung durch Mentoren und Tutoren, die Anbindung an Exzellenzbereiche, die frühzeitige Einbeziehung in die Forschung, das Angebot persönlichkeitsfördernder Programme und die Vorgabe, dass von jedem geförderten Studierenden – der Minister hat es ausgeführt – ein Auslandssemester zu absolvieren ist.

Dies, meine Damen und Herren, entspricht dem modernen Standard einer Hochbegabtenförderung, die individuell angelegt ist und mit einem Programmangebot die Leistungsfähigkeit – da unterscheiden wir uns, Kollege Vogel – besonders begabter Studierender und Nachwuchswissenschaftler fördert. Solche Programme erreichen nicht nur, dass das vorhandene Begabungspotenzial besser ausgeschöpft wird, sondern können vor allem auch der Abwanderung hervorragender Nachwuchswissenschaftler entgegenwirken. Das möchte ich besonders unterstreichen. Im Bereich der Graduierten- und Postgraduiertenförderung wird eine Bindung an strukturierte Doktorandenprogramme und die Einbindung in Exzellenzprogramme Förderungsvoraussetzung.

Das Gesetz soll am 1. Januar 2005 in Kraft treten. In Übergangsregelungen wird eine Doppelförderung nach altem und nach neuem Recht vermieden. Der Erlass dieses Gesetzes, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, stellt außerdem einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur Verwaltungsvereinfachung und zur Deregulierung dar. Ich sagte eingangs, dass wir es mit zwei Gesetzen zu tun

hatten, an deren Stelle künftig ein einziges Gesetz tritt, das sich noch dazu auf die Regelung der Grundsätze beschränkt. Auch die beiden teilweise sehr detaillierten Durchführungsverordnungen werden durch eine einzige Verordnung ersetzt. Ich meine, auch damit sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Gote.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Verbesserung der Förderung begabter junger Menschen in Bayern ist dringend notwendig, ja sie ist überfällig.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜ- NE))

Die Reform der Elitenförderung – Sie sprechen immer noch von Eliteförderung; allem, was ich bisher von Ihrer Seite gehört habe, habe ich entnommen, dass Sie das immer noch nicht verstehen – für Studierende und Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissen