Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Weder die medizinische Wissenschaft noch die visionärste der Gesundheitsreform haben es bisher geschafft, eine effiziente Therapie gegen grippale Infekte hinzubekommen, deshalb sehen Sie es mir bitte nach, dass ich etwas heiser und erkältet bin. Ich hoffe, Sie verstehen mich trotzdem.
Frau Stamm, ich sehe es Ihnen nach, dass Sie den Kanzler nicht richtig zitieren konnten. Ich darf das Zitat korrigieren. Er hat gesagt: Wir werden vieles besser machen. Und in der Tat hat diese rot-grüne Bundesregierung vieles besser gemacht.
Sie hätte noch vieles viel besser machen können, wenn Sie uns nicht unaufhörlich über den Bundesrat daran hindern würden, die Dinge noch besser zu machen.
Das gilt im Übrigen insbesondere auch für das GKV-Modernisierungsgesetz, wo die Praxisgebühr, die Zuzahlungen und die Verhinderung der Positivliste – um nur einige Dinge zu nennen – eben genau auf Ihrem Mist gewachsen sind und Sie verhindert haben, dass dieses Gesetz noch besser hätte wirksam werden können.
Bayern und die anderen 15 Bundesländer brauchen die solidarische Bürgerversicherung. Dieser Begriff „solidarisch“ ist keine leere Floskel, sondern der Akzent liegt bei dieser Versicherung genau auf dem Begriff, der für Gerechtigkeit steht, einer Gerechtigkeit, die Sie mit Ihrem Modell der Kopfpauschale für die breite Mehrheit der Bevölkerung aufkündigen wollen.
Nach den strukturellen Änderungen des GKV-Modernisierungsgesetzes brauchen wir jetzt eben die Bürgerversicherung, um die Einnahmenseite abzusichern und – ganz wichtig – um die paritätische Finanzierung, an der Sie auch nur sehr eingeschränkt festhalten wollten, beizubehalten. Das Prinzip ist sehr einfach. Es ist in drei Stichworten zu erklären. Ich hoffe, nachdem die übergroße Mehrheit der Bevölkerung das Ganze schon verstanden hat, dass es mir gelingt, das auch Ihnen plausibel zu machen
und Ihnen klarzumachen, Frau Stamm, nachdem Sie es offensichtlich nicht gelesen haben, dass alles das, was Sie hier gesagt haben, nur dafür spricht, dass Sie sich mit dem Thema nicht beschäftigt haben und nicht, dass das Konzept nicht vorläge, wie Sie sagen.
Das Prinzip heißt „von allen für alle und von allem“. Das „von allem“ ist das Dativ-Relikt aus früheren Zeiten der deutschen Sprache, das die Dame, die für die deutsche Telekom-Auskunft Reklame macht, leider abgeschafft hat.
Die Versicherungspflichtgrenze wird aufgehoben, und die Beitragsbemessungsgrenze wird angehoben. „Für alle“ – das ist das Prinzip der Solidarität und der Gerechtigkeit, das heißt eine ausgewogene Belastung für jeden Einzelnen nach seinen individuellen finanziellen Möglichkeiten.
Das ermöglicht, dass der gesetzliche Leistungskatalog so erhalten bleibt, wie er bisher war, das heißt, mit einem breiten Leistungsspektrum für die gesamte Bevölkerung auf hohem Niveau, anstatt einer Zweiklassenmedizin und Zuständen, wie zum Beispiel in den Niederlanden, wo Menschen sterben, die auf der Warteliste für Operationen standen, aber keinen Termin erhalten haben. Das wollen wir in Deutschland definitiv nicht.
„Von allem“ heißt, dass nicht nur der Arbeitslohn, sondern auch die Kapitaleinkünfte ab einer bestimmten Höhe miteinbezogen werden, weil das auch Gerechtigkeit schafft. Das hat mit Bürokratie nichts zu tun. Es gibt ganz einfache Verfahren. Ich kann Ihnen gerne eine ausführliche Mappe zur Verfügung stellen, in der Sie nachlesen können. Es sprengt leider meine fünf Minuten, Ihnen das in aller Ausführlichkeit zu erklären, aber ich werde Ihnen entsprechende Unterlagen zukommen lassen, Frau Stamm.
Nach ihrem Modell zahlt die Pflegekraft im Altenheim dieselbe Summe wie der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank. Das versteht vielleicht letzterer, aber mit Sicherheit nicht die Pflegekraft und auch nicht die Mehrheit der Bevölkerung.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass jede Krankenversicherung jeden Bürger und jede Bürgerin ohne Gesundheitsprüfung nehmen muss, das heißt, es ist endlich Schluss mit der Rosinenpickerei, so wie sie bisher die privaten Krankenversicherungen zulasten anderer machen können.
Unsere Bürgerversicherung garantiert Beitragssenkung und Beitragsstabilität und damit eben auch die Entlastung der Lohnnebenkosten. Ich weiß nicht, welche Zahlen Sie von den Gewerkschaften haben. Ich habe Zahlen, die durchgerechnet sind, wonach die Beiträge auf 12,3 bzw. 12,6 % sinken werden. Das ist eine deutliche Senkung und entlastet die Unternehmen. Der gut verdienende Facharbeiter, den Sie für sich reklamieren, spart in Zukunft nach unserem berechneten Modell 385 Euro im Jahr.
Wir wissen, dass Sie eigentlich unserer Meinung sind. Das ist doch Ihr Dilemma. Es helfen keine Maulkorberlasse für Herrn Seehofer; es helfen auch nicht die Reden, die Sie hier schwingen. Geben Sie Ihrem Herzen doch einen Ruck und stimmen Sie im Interesse der Bevölkerung vor dem Hintergrund dessen, was Sie eigentlich meinen, für das Modell einer solidarischen Gesundheitsversicherung.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das, was Sie, Frau Kollegin Sonnenholzner, vorgetragen haben, ist eine der zahlreichen Varianten der Bürgerversicherung, die Sie von RotGrün vorschlagen. Es gibt bei zehn Positionen rot-grüner Politiker zehn verschiedene Meinungen. Sie stellen das als Alternative zu einem gut durchgerechneten Konzept dar. Das nenne ich scheinheilig.
Während wir ein durchgerechnetes Konzept haben, halten SPD und GRÜNE ein Modell der Bürgerversicherung hoch, das an Unverbindlichkeit nicht zu übertreffen ist. Die Bürgerversicherung in ihrer Gesamtheit hat viele Probleme, die das Unionskonzept nicht hat. Mehr Versicherte bedeuten auch mehr Leistungen. Der Krankenversicherung ginge es nicht besser. Berechnungen – Frau Kollegin Stamm hat schon darauf hingewiesen, und ich möchte den Punkt betonen – der Gewerkschaften zeigen, dass die Beiträge zur Bürgerversicherung in den ersten zehn Jahren gar nicht sinken würden.
Die versprochene Entlastung – das ist doch eines der Ziele der Gesundheitsreform – würde nicht eintreten. Ihre Gesundheitsreform würde, soweit sie überhaupt konkretisiert wird, weitgehend ins Leere laufen. Und Sie sprechen von Alternativen.
Zu fragen wäre auch: Wollen Sie Zinsen und Mieten mit heranziehen oder nicht? Frau Kollegin Sonnenholzner sprach davon, aber der Bundeskanzler hat das, wie es in allen Presseorganen zu lesen war, vom Tisch gezogen. Was gilt nun? Es wird wohl so sein, dass Sie vor den Wahlen nichts sagen und nach den Wahlen – Sie kommen nicht mehr in die Gelegenheit, entsprechende Regelungen zu treffen – würden Sie etwas ganz anderes erklären.
Warum brauchen wir in den nächsten Jahren eine Gesundheitsreform? Die negativen Auswirkungen der reinen Lohnbezogenheit haben sich in den Kostenentwicklungen in unserem System gezeigt. Die Demographie und ihre Auswirkungen werden für die Zukunft eine Änderung im System erforderlich machen. Es gibt Gerechtigkeitsdefizite aufgrund des Lohnbezugs und der finanziellen Situation. Mit dem solidarischen Gesundheitsprämienmodell werden wichtige sozialpolitische Aspekte berücksichtigt. Der Arbeitgeberanteil bleibt erhalten.
Es gibt keinen Abschied von der Solidarität. Auch das ist ein Grund, warum sich die Arbeitgeberverbände entschieden dagegen wehren. Sprechen Sie doch nicht von mangelnder sozialer Ausgewogenheit. Die Höchstbegrenzung von 7 % des Arbeitnehmerbeitrages ist gerade für sozial Schwächere eine wichtige Ausgleichsfunktion. Für Kinder gibt es eine kostenlose Mitversicherung, und das über die beitragspflichtigen Familienangehörigen hinaus.
Das Modell entscheidet sich von anderen Politikansätzen vor allen Dingen dadurch, dass es in ein Gesamtkonzept der Sozialversicherung eingebettet wird. Wenn Sie davon sprechen, dass angeblich die Krankenschwester das Gleiche wie der Chefarzt zahlt, dann schauen Sie, wo die Einzelnen versichert sind, und schauen Sie, wie die Steuerbelastung ist. Lernen Sie, die sozialen Sicherungssysteme und die Steuersysteme im Zusammenhang zu sehen.
Dieses Modell, das die Strukturen der gesetzlichen Krankenversicherung bisheriger Prägung und die Konzeption des Prämienmodells miteinander verbindet, ist ein sozial gerechtes System, da kleine Einkommen auch in Zukunft weniger stark belastet werden als mittlere und größere Einkommen. Man muss es in der Gesamtschau betrachten. Lassen Sie mich zwei Beispiele nennen: Ein Alleinstehender mit einem Monatseinkommen von 1300 Euro wird entlastet, und auch ein Rentnerehepaar mit zusammen 1600 Euro wird im Monat über 24 Euro weniger zu zahlen haben. Das sind Entlastungswirkungen. Sprechen Sie bitte nicht von mangelnder sozialer Ausgewogenheit.
Wir brauchen aus der gesetzlichen Krankenversicherung heraus klare Signale für Wachstum und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Die Beitragssatzstabilität und die Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags sind ein nachhaltiger Stabilitätsfaktor. Das solidarische Prämienkonzept ist ein wichtiger Baustein für ein modernes, sozial ausgewogenes und zukunftsorientiertes Gesundheitssystem. Wir müssen in der Gesundheitspolitik bei allen Strukturfragen immer Folgendes als Ziel sehen: Im Vordergrund steht die Qualität des Gesundheitssystems; es darf keine Zweiklassenmedizin geben. Die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern ist notwendig, und schließlich ist die Umsetzung des Prinzips „kleine Einkommen – kleinere Beiträge, große Einkommen – höhere Beiträge“, gewährleistet.
Für die Sozialpolitik ist dieses Modell deshalb insgesamt zustimmungsfähig, und es ist eine Alternative, die wesentlich besser ist, als das, was Sie unverbindlich als so genannte Bürgerversicherung beschreiben.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Unterländer, auch Wiederholungen machen Unsoziales nicht sozial. Das müssen Sie sich einfach sagen lassen.
Wie Sie ihre inhaltlichen Probleme zu den persönlichen von Herrn Seehofer machen, ist schon bezeichnend. Aber das ist wiederum Ihr Problem.
Das, was Ihnen der renommierte Gesundheits- und Sozialpolitiker Horst Seehofer ins Stammbuch schreibt, macht mehr als deutlich, was Ihr Kompromissvorschlag zu bedeuten hat. Minister Huber sagt dazu, dieses Konzept gelte als vorbildliche Linie der Partei. Ich frage Sie: Was ist denn bitteschön vorbildlich? Gleichzeitig sagt nämlich Norbert Blüm: „Das ist Murks.“
Da hat er Recht, und wo der gute Mann Recht hat, hat er Recht. Ich will es Ihnen an zwei Beispielen zeigen.
Ein Beispiel ist das Krankengeld. Dazu gibt es die Position des Herrn Seehofer, der sagt, in der Gesundheitsprämie von 109 Euro sei das Krankengeld nicht enthalten. Frau Ministerin Stewens behauptet recht forsch, das Krankengeld werde in die Belastungsgrenze von 7 % mit eingerechnet. Wer hat denn jetzt Recht, meine Damen und Herren? Der Fachmann Seehofer oder die Ministerin? Ich sage Ihnen, Herr Seehofer hat Recht, denn nach Ihrem Kompromiss sollen Krankengeld und Zahnersatz nicht über die Prämie finanziert werden. Vollkommen unklar ist, wie diese Finanzierung dann tatsächlich erfolgen soll.
Das zweite Beispiel ist die Mitversicherung der Kinder. Sie ist heute schon mehrfach angesprochen worden. Alle Kinder sind beitragsfrei mitversichert. Das klingt erst einmal gut. Dagegen kann man nichts haben. Aber: Auch die Kinder von privat Versicherten sind beitragsfrei versichert. Diejenigen, die meistens sehr gut verdienen und aus der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung ausgetreten sind,
müssen künftig für ihre Kinder keine Beiträge mehr an die PKV bezahlen. Finanziert werden diese Beiträge aus dem Bundeshaushalt, also über die Steuern. Das heißt, die Beiträge für die privat versicherten Kinder von Herrn Söder und von Frau Hohlmeier zahlen über die Steuern die Verkäuferin bei Aldi oder der Hausmeister hier in diesem Hohen Hause. Das kann es doch nicht sein, meine Damen und Herren.