Unser Ansatz ist also: Vereinfachung statt zusätzliche Bürokratie. Deswegen werden wir Ihren Antrag ablehnen. Ich bitte aber um Zustimmung zu unserem Antrag. Wir hoffen, dass dadurch die Schlupflöcher geschlossen und neue Wege gegangen werden können. Nicht zuletzt brauchen wir dazu die EU. Das ist ein langer Weg, der noch einige Zeit dauern wird. Dabei sollten wir unsere Unterstützung signalisieren.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Sackmann, ich schicke voraus, dass wir dem CSU-Antrag zustimmen werden, weil wir jedwede Initiative unterstützen, die möglicherweise geeignet erscheint, dem massiven Umsatzsteuerbetrug – wozu ich später noch ein paar Worte sagen werde – zu bekämpfen. Daher haben wir da kein Problem. Ich muss aber andererseits sagen, der Antrag ist an sich eigentlich überflüssig, weil er nichts Neues bringt.
Es ist nicht so, wie Sie vielleicht den Eindruck erwecken wollen – aber Sie haben den Eindruck nicht einmal erweckt, darauf komme ich gleich zu sprechen –, dass jetzt die CSU-Fraktion einen neuen Vorstoß bringt, damit in diesem Bereich endlich etwas geschieht, sondern wir wissen schon lange, dass die Staatsregierung dieses vorhat und daran arbeitet.
Herr Kollege Sackmann, Sie haben selber gesagt, die Staatsregierung habe sich entschlossen, dieses Modell jetzt als Praxisspiel zu machen. Doch wenn sich die Staatsregierung dazu schon entschlossen hat, brauchen wir sie nicht erneut dazu auffordern.
Es ist ein bisserl seltsam, wie Sie hier im Parlament politische Initiativen verstehen: Die Staatsregierung macht irgendetwas, und dann kommen Sie ein paar Monate später und sagen, wir sind jetzt der Meinung, die Staatsregierung sollte das – was schon längst geschieht – machen. Das ist ein etwas seltsames Vorgehen.
Meine Damen und Herren, Herr Kollege Sackmann, das eigentliche Motiv für diesen Antrag liegt an anderer Stelle. Wir hatten beispielsweise vor zwei Wochen bei der Beratung des Haushalts des Finanzministers eine intensive Debatte. Dabei habe ich Ihnen am Rednerpult vorgeworfen, Sie tragen eine erhebliche Verantwortung dafür, dass in Bayern im Staatshaushalt jährlich ein einstelliger Milliardenbetrag bei den Einnahmen fehlt. Wir haben dieses Thema im Ausschuss ausgiebig behandelt. Offenbar haben Sie an dieser Stelle ein schlechtes Gewissen und wollen Sie jetzt den Eindruck von Aktivitäten erwecken, damit die Leute meinen, Sie täten hier etwas Entscheidendes. Das ist die eigentliche Motivation.
Ich muss Ihnen heute nochmals deutlich sagen, in der Tat gibt es – das wissen wir aus den Berichten der Rechnungshöfe, vor allem aus dem umfassenden Sonderbericht des Bundesrechnungshofes – in diesem Bereich massive Steuerausfälle und davon entfallen auf Bayern allein im Bereich der Umsatzsteuer im Haushalt mindestens eine oder zwei Milliarden Euro. Auf diesem Gebiet tut die Staatsregierung nichts Entscheidendes, um ihren Haushalt auf der Einnahmenseite so zu gestalten, wie es die Steuergesetze vorschreiben und wie man es von einer geordnet geleiteten Steuerverwaltung erwarten kann. Deswegen tragen diese Staatsregierung, dieser Finanzminister und sein Staatssekretär, der da ist, die politische Verantwortung dafür, dass in Bayern einstellige Milliardenbeträge bei den Einnahmen fehlen. Diese Verantwortung haben sie.
Diese Verantwortung berührt sie vor allem deswegen, weil es eine Tatsache ist, dass sie bei der Steuerverwaltung zunächst die alleinige Zuständigkeit und Verantwortung tragen. Sie sollten nicht immer – was sie auch mit dem Antrag tun – über alle möglichen Ebenen – Europa, Bundesregierung oder andere Bundesländer – reden. Sie lassen sich sechs Tage in der Woche darüber aus, was diese alles falsch machen, aber kommen die ganze Woche nicht dazu, mit Entschiedenheit über den Bereich zu reden, wofür Sie selber die Verantwortung tragen.
Was die Sonderprüfung betrifft, sagen Ihnen die Rechnungshöfe schon lange Zeit, dass in dem Bereich durch Prüfungsintensität mehr geschehen muss.
Nicht nur. Ich komme noch darauf zu sprechen, dass auf diesem Gebiet auch gesetzliche Änderungen vernünftig sind. Aber das Entscheidende ist die Prüfungsintensität – das wird Ihnen jeder Praktiker sagen –, und da passiert nichts.
Herr Staatssekretär, ich muss Sie daran erinnern, dass Sie schon im Haushaltsausschuss – auch der Minister hat es vor zwei Wochen getan – gesagt haben, Sie hätten die Umsatzsteuersonderprüfungen in den letzten Jahren etwas aufgestockt. Ich nenne Ihnen jetzt eines von mehreren Beispielen, und Sie geben mir darauf eine Antwort: Beim Finanzamt Weiden gab es bisher drei Sonderprüfer. Jetzt wurde das so genannte Zuteilungssoll, also die Personalzuteilung für die Ämter in diesem Bereich von drei auf vier erhöht.
Das sieht man an diesem Papier. Eigentlich wunderbar. Auf den ersten Blick meint man, Sie hätten etwas getan. Aber wenn man genauer hinschaut, stellt man fest, dass auf dieser Stelle niemand tätig ist. Es sind nach wie vor drei Mitarbeiter. Es ist kein weiterer da. Deswegen ist das nur Schaumschlägerei, was Sie rhetorisch hier verbreiten.
Ich wiederhole: Man kann nicht hinnehmen, dass hier Milliardenbeträge – für Bayern ist es eine Milliarde oder mehr – durch Steuerbetrügerei massivster Art den Haushalten vorenthalten werden. Und Sie schauen tatenlos zu. Das geht nicht.
Ich rege mich auch deshalb darüber auf, weil der bayerische Innenminister am liebsten alle Straßen und Plätze mit Kameras ausleuchten würde, um den letzten Kleinkriminellen zu erwischen, während sich da, wo es um wirklich große Kriminalität mit schwerem finanziellen Schaden für die öffentliche Hand geht, die Staatsregierung und dieser Finanzminister tatenlos zuschauen. Ich verstehe das nicht, meine Damen und Herren.
Deswegen bestehen wir auch darauf, dass an dieser Stelle etwas getan wird, und deshalb haben wir auch unseren Antrag eingebracht. Herr Sackmann, Sie wissen selbst, dass das von Ihnen vorgeschlagene Verfahren, das wir unterstützen, Jahre dauern wird, bis es überhaupt kommen kann. Denn man muss sich zunächst mit dem Bund verständigen und es gibt in der Bundesrepublik auch noch andere Modelle, die sozusagen gleichberechtigt als Möglichkeit diskutiert und erprobt werden müssen. Darüber hinaus ist eine Änderung der Sechsten Umsatzsteuerrichtlinie auf EU-Ebene erforderlich. Das alles dauert.
Ich meine, das können wir alles machen, auch wenn es dauert; es ist richtig, diesen Weg zu gehen. Aber tun Sie doch einen ersten Schritt vor einem zweiten oder dritten und tun Sie sofort etwas gegen die Steuerkriminalität im Umsatzsteuerbereich. Ein Prüfer in diesem Bereich bringt im Jahr 2 Millionen Euro mehr. Das macht sich bezahlt und hat präventive Wirkung; denn wenn diese kriminellen Betrüger wissen, dass man ihnen schnell hinterher ist, sind sie abgeschreckt. Somit ist eine präventive Wirkung in diesem Bereich sicherlich gegeben. In diesem Bereich können Sie also etwas tun.
Als Nächstes möchte ich gerne wissen – das ist auch Inhalt des Punktes 1 unseres Antrages –, wann sich der Finanzminister, der Innenminister und die Justizministerin in diesem Bereich zusammensetzen oder zusammengesetzt haben oder ob es eine Kabinettsvorlage oder ähnliches gibt, in der festgelegt worden ist, wie man zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und den Prüfungs- bzw. Fahndungsstellen der Steuerverwaltung besser zusammenarbeiten könnte. Darüber habe ich bisher noch nichts gehört und nichts gelesen. Für diesen Bereich sind Sie alleine zuständig. Das können Sie hier in Bayern ohne andere Bundesländer oder den Bund oder die EU organisieren, wenn Sie wollen. Aber Sie wollen es gar nicht. Sie wollen über diese Dinge nicht gern reden. Da haben Sie eine selektive Wahrnehmung. Sie wollen das immer wegdrängen. Sie „beglücken“ uns hier im Hohen Haus mit Streichkonzerten und Kürzungen, anstatt etwas zu tun, um die Einnahmeseite des Haushalts zu steigern. Das kann man so nicht hinnehmen.
Tun Sie doch endlich einmal etwas und sagen Sie, Herr Staatssekretär, doch einmal, was Sie tun wollen, um die Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaften, Polizei und Steuerfahndung zu verbessern und ob es eventuell Überlegungen gibt, Sonderstellen bei der Staatsanwaltschaft einzurichten mit Fachleuten, die sich auskennen. Man könnte eine Menge tun. Das sollten Sie angehen. Das wäre unser erstes Anliegen in unserem Antrag.
Zum zweiten Punkt möchte ich ausführen, dass es in diesem Bereich jenseits der vielleicht notwendigen gesetzlichen Änderungen unverzichtbar ist und schon lange ansteht, in einer gewissen Weise einem zunehmenden Separatismus in den Steuerverwaltungen der 16 Bundesländer durch vereinheitlichende Tendenzen entgegenzuwirken.
Es handelt sich hier schließlich um Kriminalität, die über die Grenzen der Bundesländer und auch die nationalen Grenzen hinausgeht. Deshalb ist die Zusammenarbeit zwischen den Bundesländern und mit dem Bund dringend geboten. Der Bund hat Ihnen schon mehrmals Vorschläge unterbreitet, wie man das besser organisieren kann und wie man Betriebsprüfungen und Fahndungen in diesem Bereich, von dem wir gerade sprechen, durch Bundesbetriebsprüfer und Fachleute besser in die Hand bekommen und koordinieren könnte, damit sich der Erfolg einstellt, den man braucht. Es geht ja hier nicht um etwas, von dem man nicht weiß, was man tun könnte. Man weiß ja, welche Instrumente notwendig sind und was wirksam wäre. Aber so etwas kommt nicht zustande, weil Sie sich in Ihrem falschen Verständnis von Föderalismus immer auf eine Art Separatismus zurückziehen und sich einer vernünftigen Zusammenarbeit mit dem Bund verweigern. Deswegen tragen Sie auch in diesem Punkt eine entscheidende Verantwortung dafür, dass im Bereich der Umsatzsteuerbetrügereien nichts geschieht.
Im dritten Punkt unseres Antrages geht es um die Frage nach gesetzlichen Änderungen bei der Form der Steuererhebung. Wir halten es für ganz in Ordnung, dass Sie einen Vorschlag des rheinland-pfälzischen Finanzministers Mittler mittragen, der mit dem so genannten Reverse-ChargeModell einen Vorschlag vorgelegt hat, der möglicherweise geeignet ist, der Problematik zu begegnen. Wir finden es in Ordnung, dass sich Bayern diesen Überlegungen anschließt und zusammen mit Rheinland-Pfalz und einigen anderen Bundesländern einen Praxistest durchführt, damit man sehen kann, ob sich in diesem Bereich eine gesetzliche Änderung praktisch bewährt. Das unterstützen wir. Gleichzeitig möchte ich aber noch einmal darauf hinweisen – das soll keine Einschränkung meinerseits sein –, dass dazu allerdings auch eine Änderung im EU-Recht erforderlich ist. Dass dies einen bestimmten Zeithorizont bedeutet, darüber sind wir uns sicherlich einig.
Eine letzte Bemerkung. Herr Kollege Sackmann, Sie haben es bereits angesprochen. Es gibt bundesweit eine
zweite erörterte Möglichkeit, wie man mit gesetzlichen Systemänderungen diesem Problem zu Leibe rücken könnte. Ich meine die so genannte Ist-Versteuerung mit Cross-Check-Prüfung. Auch das ist eine erwägenswerte Alternative, die man ernstlich weiterverfolgen muss, um zu sehen, ob sich das in der Praxis bewährt. Deshalb unterstützen wir auch solche Überlegungen, dieses Modell zu einer Praxiserprobung zu bringen.
Alles in allem bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag; denn ich glaube, dass unser Antrag einfach mit viel größerer Klarheit deutlich macht, welche Maßnahmen zielführend sind. Damit können wir vorankommen. Aber unabhängig vom Umstand, dass der CSU-Antrag nichts Neues enthält, weil er nur bestätigt, was die Staatsregierung schon macht, werden wir auch diesem Antrag zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unstrittig, dass der Umsatzsteuerbetrug effektiver bekämpft werden muss. Die Steuerausfälle bewegen sich je nach Schätzung zwischen 16 und 21 Milliarden Euro jährlich in Deutschland; Tendenz steigend. In Bayern sind es etwa 1,5 Milliarden Euro. Und wenn wir sehen, um welche Peanuts wir bei den Streichungen im Haushalt diskutieren, wird klar, dass das nicht nur eine Belastung aller steuerehrlichen Menschen ist, die mehr Steuern zahlen müssen, weil sich die unehrlichen drücken, sondern dass auch der Staat das mit Einsparungen und mit einer höheren Verschuldung massiv bezahlen muss.
Die rot-grüne Bundesregierung – und das ist sehr erfreulich wie vieles, das aus Berlin kommt – geht diese Probleme an. Deshalb sind in letzter Zeit verschiedene gesetzliche Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, um die Umsatzsteuerkontrolle besser in den Griff zu bekommen. Als wohl wichtigste Maßnahme nenne ich die Umsatzsteuernachschau nach § 27 b des Umsatzsteuergesetzes, die es den Finanzbeamten erlaubt, unangemeldet die Geschäftsräume eines Unternehmens zu betreten und die vorhandenen Unterlagen zu prüfen, dies im Unterschied zu den bisherigen Umsatzsteuersonderprüfungen, wo betrügerische Firmen nach der Anmeldung genügend Zeit hatten, das Feld entweder aufzuräumen oder es gleich ganz zu räumen.
In der Diskussion ist zudem – auch das sehr erfreulich, ebenfalls von Rot-Grün angestoßen –, die Erstattung der Vorsteuer künftig restriktiver zu handhaben. Als Vorbilder können einige EU-Staaten dienen, in denen Vorsteuer nicht erstattet wird, sondern nur zur Verrechnung mit künftigen Umsatzsteuerschulden gegenüber dem Finanzamt zugelassen ist.
Überlegt wird auch ein automatisiertes Kontrollsystem, das so genannte Cross-Check-Verfahren, bei dem vor der Erstattung erst abgeprüft wird, ob die Umsatzsteuer beim Finanzamt auch eingegangen ist.
Was in mehren EU-Staaten längst Usus ist, hakt in Deutschland an der von Ihnen, lieber Herr Meyer, mit nicht nachvollziehbarer Vehemenz hochgehaltenen föderalen Struktur der Finanzverwaltung in Deutschland, die das Umsetzen oft sehr behindert.
Neben diesen gesetzlichen Maßnahmen im bestehenden System werden als Modell zum Systemwechsel bei der Umsatzsteuer derzeit die so genannte Ist-Besteuerung mit Cross-Check-Verfahren und das Reverse-ChargeModell diskutiert. Das Reverse-Charge-Modell, auf das sich Ihr Antrag bezieht, sieht den Übergang der Umsatzsteuerpflicht vom Lieferanten auf den Abnehmer bis hin zur letzten Unternehmensebene vor dem Endverbraucher vor. Dazu gibt es bereits dieses Planspiel vom Bund, Rheinland-Pfalz und Bayern angeleiert und durchgeführt. Mit den Ergebnissen ist bis Mitte nächsten Jahres zu rechnen.
Erstens. Der Anreiz zur Steuerhinterziehung auf der letzten Stufe gegenüber dem Endkunden ist besonders hoch.
Zweitens. Vertreter des Handwerks lehnen dieses System ab, denn der Lieferant muss immer erst herausfinden, ob der Letzte, dem er es verkauft – oder eigentlich jeder, dem er es verkauft –, der Endverbraucher ist oder ob er einen Unternehmer vor sich hat. Er muss das also doppelt durchchecken.
Drittens. Der Endverbraucher hat einen hohen Anreiz, sich als Unternehmer darzustellen und dadurch Steuern zu sparen.
Viertens. Ein Systemwechsel bei der Umsatzsteuer setzt voraus, so jedenfalls wurde mir von Experten gemeldet, dass die 6. EU-Richtlinie zur Mehrwertsteuer geändert wird, wozu wiederum Einstimmigkeit notwendig ist. Angesichts der Tatsache, dass auch die EU-Kommission sagt, sie sei sehr skeptisch gegenüber Systemänderungen, und alle Länder – nicht nur Deutschland – auffordert, sie sollten eine stärkere Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs im jeweiligen bestehenden System durchführen, ist auch die Umsetzung sehr fraglich.