Protokoll der Sitzung vom 16.12.2004

Die Reaktion von Frau Hohlmeier auf all diese Vorwürfe war immer die gleiche. Mit einer Mischung aus Dreistigkeit, Unverschämtheit und Selbstherrlichkeit hat sie immer alles geleugnet, abgestritten und versucht, die Schuld auf andere abzuwälzen. Nur sie selbst hat offenbar niemals gefehlt. Das waren immer die anderen. Frau Hohlmeier verfährt nach dem Motto: Recht ist, was mir recht ist. Das ist in einem Rechtsstaat unerträglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nur unter Druck hat sie in der Vergangenheit zugegeben, was irgendwann nicht mehr zu leugnen war. Das war bei den ausufernden Nebentätigkeitsgenehmigungen im Kultusministerium der Fall, die es zuerst angeblich nie gegeben hat und die dann auf Druck der Staatskanzlei abgestellt werden mussten. Das war bei den eigenwilligen Beförderungen der Fall, die zuerst angeblich völlig einwandfrei waren, und die dann von Gerichten gestoppt wurden. Das war der Fall bei CSU-Sitzungen im Ministerium, die zuerst angeblich gar nicht stattgefunden haben, und hinterher schnell die Praxis geändert wurde. Das war auch bei den Dossiers über Parteikollegen der Fall, die es angeblich auch nicht gegeben hat, und für die sich die Kultusministerin nach einigen Tagen hochnotpeinlich öffentlich entschuldigen musste.

Offensichtlich gibt es noch einen weiteren Fall in dieser Kette von Unwahrheiten. Es geht um den Brief des Elternbeirats aus Miesbach, der im Kultusministerium angeblich nie angekommenen ist. Frau Hohlmeier hat sich vor zwei Tagen noch hierher gestellt und gesagt, dieser Brief sei im Kultusministerium nicht angekommen. Mittlerweile hat mir die Elternbeiratsvorsitzende den Einschreibebeleg für diesen Brief übermittelt, aus dem zweifelsfrei hervorgeht, dass dieses Einschreiben an das Kultusministerium geschickt wurde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das lässt nur die Schlussfolgerung zu: Entweder hat Frau Hohlmeier ihr Ministerium nicht im Griff. Diese Einschätzung scheinen Sie in den Reihen des Kabinetts und der CSU weitgehend zu teilen. So reden zum Beispiel die eigenen Leute von einer „Sauerei im Ministerium“. Es heißt, Frau Hohlmeier sei eine Chaotin und hätte fachliche Mängel. Die Berechnungen, die sie vorlege, stimmten nicht. Sie scheinen inzwischen sehr überzeugt zu sein, was die Mängel ihrer Ministerin angeht.

Entweder hat also Frau Hohlmeier ihr Ministerium nicht im Griff, dann wäre sie unfähig. Oder sie hat zum wiederholten Male die Unwahrheit gesagt. Dann wäre sie unerträglich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ob nun unfähig, unerträglich oder untragbar, alles läuft auf das Gleiche hinaus: Frau Hohlmeier hat gestern noch einmal mitteilen lassen, dass sie sehr gerne Ministerin ist. Im Gegensatz zu Vielem, was sie sonst sagt, glaube ich ihr das aufs Wort. Es stellt sich aber die Frage, ob es außer Frau Hohlmeier noch irgendjemanden in diesem Hause oder im Kabinett gibt, der davon überzeugt ist, dass sie auch weiterhin Ministerin bleiben sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich habe mir einmal angesehen, was in den Zeitungen aus Ihrem Munde über Frau Hohlmeier zu lesen ist. In der „Süddeutschen Zeitung“ von gestern steht: „Sie hat einen totalen Realitätsverlust“, sagte ein Mitglied der Fraktionsführung. Die politische Spitze sei sich inzwischen einig,

dass ihr Rücktritt das Beste wäre. Nach allgemeiner Einschätzung kann Hohlmeier den Untersuchungsausschuss politisch nicht überleben. Das ist ihr Todesurteil.

Im „Münchner Merkur“ von gestern ist zu lesen: Das Ergebnis steht heute schon fest. Es wird sich alles bestätigen, was Hohlmeier jetzt bestreitet, so ein Münchner CSU-Vorstand.

Ein weiteres Zitat des Münchner CSU-Vorstands: Sie soll nach Vaterstetten gehen und als Ministerin zurücktreten.

In den „Nürnberger Nachrichten“ von gestern war zu lesen: In der Fraktion – damit ist die CSU-Fraktion gemeint – hat auch der Letzte begriffen, dass es mit der Hohlmeier so nicht mehr geht, sagt ein führender ChristSozialer. Mit Genugtuung registrieren die Strategen, dass Monika Hohlmeier sich allmählich selbst erledigt.

Auch im „Donau-Kurier“ heißt es: Die hat keinen Sensor für die tatsächliche Stimmung, stichelte ein Abgeordneter. Das liege wohl an der Bunker-Mentalität, die die Moni von zu Hause aus kennt. Damit die Monika im Amt bleibt, so ein Münchner CSU-Präside, lügt keiner von uns. - Usw. usw.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Das sind schon Ankündigungen!)

Das ist an Deutlichkeit kaum mehr zu überbieten. Kolleginnen und Kollegen, Frau Hohlmeier benimmt sich – das bekommen wir alle im Hause mit – zunehmend wie eine Geisterfahrerin, die felsenfest davon überzeugt ist, dass sie allein auf der richtigen Spur fährt und alle anderen in die verkehrte Richtung fahren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich kann Frau Hohlmeier nur raten: Nehmen Sie schnellstmöglich die nächste Ausfahrt, um weiteren Schaden von sich selbst und von der bayerischen Schulpolitik abzuwenden. Das wäre die beste Konsequenz.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, eines kann ich Ihnen nicht ersparen. Den Schaden in der Münchner CSU und den Schaden für die bayerische Schulpolitik können Sie nicht allein auf das Konto von Frau Hohlmeier abschieben. Das geht nicht. Sie würden es sich gerne so einfach machen, aber Sie können es nicht. Was die Münchner CSU angeht, gibt es viele Beteiligte. Die haben sich gerade weggeduckt.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): In Deckung gebracht!)

Sie haben sich in Deckung gebracht oder in die Furche gelegt, wie man das zum Beispiel von dem Minister, der gerade hier stand, kennt. Er war auch an einer Affäre beteiligt, die um die Jahreswende spielte, und hat sich dann in die Furche gelegt.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aber in die Ackerfurche!)

Er konnte dadurch den Zorn auf jemand anderen ableiten. Das scheint eine beliebte Verhaltensweise zu sein. Hier gibt es einige Beteiligte, die auch Mitglieder dieses Parlaments sind und die jetzt so tun, als seien sie die Unschuld vom Lande. Ich nenne ganz konkret Herrn Haedke und Herrn Zimmermann. Beide haben es vorgezogen, hier nicht zu erscheinen. Herr Haedke ist vom Gericht als Drahtzieher dieser ganzen Affäre bezeichnet worden. Deshalb wäre es dringend erforderlich gewesen, auch dies im Untersuchungsausschuss zur Sprache zu bringen und zu versuchen, der Wahrheit auf die Sprünge zu helfen. Das hat die CSU leider verhindert. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich weiß nicht, ob Sie sich damit einen Gefallen getan haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich habe gehört, dass es in der Münchner CSU Gespräche gibt, mögliche Zeugen für den Untersuchungsausschuss in der Art und Weise zu beeinflussen, wie Sie schon einmal versucht haben, das Berufungsverfahren der Wahlfälscher Graber und Baretti unter den Tisch zu kehren. Sie haben die beiden auch mit wer weiß welchen Versprechen dazu gebracht, dieses Berufungsverfahren zurückzuziehen. Wenn ich jetzt höre, dass offenbar die gleichen Methoden angewandt werden sollen, um Zeugen zu beeinflussen, sie mögen doch ein gnädiges Gedächtnis vortäuschen und sich eine kleine Amnestie bestätigen lassen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Sie meinen Amnesie!)

Amnesie, selbstverständlich. Die Amnestie hätten Sie gerne; die können wir leider nicht gewähren.

(Thomas Kreuzer (CSU): Sie behaupten eine Anstiftung zur Falschaussage, belegen Sie das mal, das ist unerhört!)

Ich sage: Wenn ich höre, dass es offenbar derartige Gespräche gibt, dann kann ich Sie nur warnen: Unterlassen Sie das, und sagen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen, sie sollen das bleiben lassen; denn das würde den größtmöglichen Schaden für Sie bedeuten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Chaos in der bayerischen Schulpolitik geht zwar zum großen Teil, aber nicht nur auf das Konto der Kultusministerin. Es geht zu einem zumindest genauso großen Teil auf das Konto des Ministerpräsidenten. Frau Radermacher hat schon darauf hingewiesen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Ministerpräsident ist es, der das Chaos angerichtet hat – durch das G 8, durch die Abschaffung der Lernmittelfreiheit, durch die Erhöhung der Lehrerarbeitszeit, durch die Streichung bei den Lehrerstellen. Dann kann er nicht

so tun, als hätte er erst gestern erfahren, welches Chaos an unseren Schulen herrscht. Das ist unredlich.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Der Rücktritt oder die Entlassung der Ministerin ist längst überfällig. Es wäre gut gewesen, Frau Hohlmeier hätte im Sommer, als diese Affäre zum ersten Mal zur Sprache kam, als die Dossieraffäre ans Tageslicht kam, ihren Hut genommen. Ich habe ihr hier geraten, sie soll uns doch einen quälenden Ablösungsprozess ersparen und gleich zurücktreten. Sie hat es vorgezogen, bis zum bitteren Ende durchzuhalten, und das scheint nicht mehr weit entfernt zu sein.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ein Rücktritt oder die Entlassung der Ministerin allein, so notwendig das ist, reicht aber nicht aus. Allein mit einem Rücktritt der Ministerin kommen Sie nicht aus dem Schneider, Herr Schneider.

(Zurufe von der CSU)

Ein Schneider macht noch keine neue Kollektion.

(Lachen bei der CSU)

Der Untersuchungsausschuss ist deshalb auch Anlass, um die Weichen für die Einhaltung demokratischer Regeln und für eine Neuausrichtung der bayerischen Bildungspolitik zu stellen. Erst wenn Sie diese Konsequenz ziehen, haben Sie alle erforderlichen Konsequenzen gezogen.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter König.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit die beiden Vorrednerinnen Vorverurteilungen, Verdächtigungen und Beleidigungen in den Raum stellen.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zuruf von den GRÜNEN: Das war die Wahrheit!)

Sie sind auf den eigentlichen Fragenkatalog des Untersuchungsausschusses gar nicht eingegangen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das können Sie jetzt machen! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN – Unruhe)