Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Bundesverfassungsgericht weist in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2000 und in einigen folgenden Urteilen darauf hin, dass die Verbürgung des informationellen Selbstbestimmungsrechts nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden darf.

Das Bundesverfassungsgericht nimmt sehr wohl Eingriffe hin, gerade auch bei der Verbrechensbekämpfung, erwartet aber auch die Erfüllung einer Reihe von Kriterien, wie zum Beispiel die Rechtsgüterabwägung und die Einhaltung der Verhältnismäßigkeit. Dies bedeutet natürlich, dass bei Fragen des Einsatzes der DNA-Analyse dem Gesetzgeber eine besondere Sorgfaltspflicht zukommt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Alle Fragen, die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben, müssen dabei zumindest sachgerecht gewürdigt werden. Ich hätte erwartet, dass im Zusammenhang mit diesen Fragen einige Punkte diskutiert werden, die bei einer Ausweitung der DNA-Analyse von entscheidender Bedeutung sind. Beim Bericht der Staatsregierung, der gestern im Innenausschuss gegeben wurde, haben wir allerdings ein ziemlich buntes Durcheinander von verschiedenen Positionen gehört. Das Innenministerium sagt, bei einer Ausweitung sollten Bagatelldelikte nicht berücksichtigt werden. Daraufhin sagte ein Vertreter der CSU-Fraktion, er fordere die Ausweitung der DNA-Analyse als normale erkennungsdienstliche Maßnahme, die noch nicht einmal ein konkretes Delikt vorsehe, sondern bei einer bloßen allgemeinen Verdächtigkeit der Person oder des Ortes angewendet werden sollte.

Nachdem mir eine solche Position nicht unbedingt besonders ausgegoren erschien, habe ich einmal nachgefragt: Wie soll bei einer möglichen Anwendung als herkömmliche erkennungsdienstliche Maßnahme – also wenn es nicht nur um Täter, noch nicht einmal um konkret Tatverdächtige geht – eine Kontrolle der Sicherstellung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und eine Kontrolle der Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs gewährleistet werden?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was kam? Sendepause. Meine Damen und Herren, Sie wissen, keine Antwort ist auch eine Antwort. Ich frage mich, ob Sie sich das unter der Sorgfaltspflicht bei der Gesetzgebung vorstellen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Innenministerium sagt: Bei einer Ausweitung der DNA-Analyse solle weiterhin eine qualifizierte Einzelfallbeurteilung stattfinden, unter Berücksichtigung von Sachlagen wie Rückfallgeschwindigkeit, Verhalten des Betroffenen, Motivationslage, Prognose und anderen Punkten. Dies ist aber laut dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nur möglich, ich zitiere: „insbesondere durch Beiziehung der verfügbaren Straf- und Vollstreckungsakten, des Bewährungsheftes und zeitnaher Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, bei der in den Entscheidungsgründen die bedeutsamen Umstände abgewogen werden“. Gleichzeitig wollen Sie jedoch den richterlichen Beschluss abschaffen. Nachdem auch diese Position verhältnismäßig unausgegoren erscheint, habe ich einmal nachgefragt: Wie soll denn der einzelne Polizist in seiner täglichen Praxis so etwas umsetzen?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Hinzu kommt noch, dass die bayerische Polizei – gegen den Widerstand der SPD-Fraktion – von einem massiven Personalabbau und von einer Mittelkürzung betroffen ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die Antwort: Sendepause. Meine Damen und Herren, Sie wissen, keine Antwort ist auch eine Antwort. Noch eine Randbemerkung: Auch die Fragen der Trennung zwischen

Exekutive und Legislative sind zu berücksichtigen. Die bayerischen Polizistinnen und Polizisten gehören vor Ort um Kriminalität zu bekämpfen, und nicht in die Aktenkeller der Polizeipräsidien.

Stellen Sie sich das unter der Sorgfaltspflicht bei der Gesetzgebung vor?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Alle Rednerinnen und Redner der CSU-Fraktion begrüßen die Initiative der Staatsregierung im Bundesrat. Sie haben angemerkt, die verfassungsmäßigen Rechte auf Verhältnismäßigkeit wären garantiert. Ich persönlich finde es ganz schön mutig, so etwas zu behaupten, obwohl noch keine Vorlagen für diese Bundesratsinitiative den Landtag erreicht haben und diese Unterlagen selbst auf informellem Wege nicht zu bekommen sind.

Meine Damen und Herren, ich bin mir persönlich nicht sicher, ob sensible Fragen, bei denen Grundrechtsgesichtspunkte – Datenschutz oder Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit – eine entscheidende Rolle spielen, bei der Mehrheitsfraktion in guten Händen sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Dann werde ich abschließen. Das ist tatsächlich ein sinnvolles Schlusswort.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege König das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Maget begann vorhin damit, dass er sagte, die CSU und die Bayerische Staatsregierung hätten den Mordfall Moshammer zum Anlass genommen, den Vorschlag zu unterbreiten, die DNA-Analyse auszuweiten.

Herr Kollege Maget, ich würde Ihnen dringend raten, einmal die Pressemitteilungen der letzten Jahre zu lesen: 31. März 2003 – Beckstein: Gentest muss Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden. 7. April 2003 – Beckstein: Gentest muss Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden. 27. August 2003: Beckstein widerspricht Zypries, Gentest muss Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts werden.

(Franz Maget (SPD): Das waren keine Bundesratsinitiativen!)

14. März 2004 – Beckstein: DNA-Analyse muss Standard bei erkennungsdienstlicher Behandlung von Straftätern werden. 1. April 2004 – Beckstein: Verbesserungen immer noch nicht ausreichend. 24. August 2004 – Beckstein: DNA-Analyse muss Standard bei erkennungsdienstlicher

Behandlung von Straftätern werden. Herr Maget, damit ist mehr als deutlich ausgeführt, dass keineswegs der bedauerliche Mordfall Moshammer zum Anlass für diesen Vorschlag gemacht wurde, sondern dass die Bayerische Staatsregierung im Allgemeinen und Staatsminister Dr. Beckstein im Besonderen seit Jahr und Tag darauf hinweisen, wie dringend erforderlich es ist, hier die rechtlichen Instrumentarien auszuweiten und die DNA-Analyse in größerem Umfang zur Verbrechensbekämpfung zuzulassen.

Herr Maget, Sie haben in Ihren weiteren Ausführungen angedeutet, Sie könnten sich schon vorstellen, dass man ein bisschen etwas macht. Sie konnten uns aber leider nicht konkret sagen, wie denn eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen zum Einsatz der DNAAnalyse nach Ihrer Meinung erfolgen sollte. Sie sagten, es solle keine vorschnelle Entscheidung getroffen werden; man müsse die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beachten; man müsse natürlich den Datenschutz beachten;

(Zuruf von den GRÜNEN)

Sie seien grundsätzlich dafür, den Richtervorbehalt beizubehalten, aber Sie könnten sich im Einzelfall schon vorstellen, dass man davon auch abweiche. Herr Maget, Sie haben es aber leider unterlassen, hier eine konkrete Position zu beziehen und klar zu sagen, was Sie denn eigentlich wollen. Das ist völlig offen geblieben. Von Ihnen gibt es keinen Vorschlag. Sie sagen ein bisschen Ja und ein bisschen Nein, aber was Sie konkret möchten, sagen Sie nicht.

Anders macht es die Staatsregierung, Herr Maget. Die Staatsregierung macht konkrete Vorschläge, sie handelt und steht in ihrer Aktivität mit einem konkreten Gesetzentwurf an der Spitze der Bundesländer, einem Gesetzentwurf, über den bereits mit den anderen Bundesländern verhandelt wird. Die Staatsregierung hat einen konkreten Plan für ihr Handeln, während Sie, Herr Maget, und die SPD sich wieder einmal darauf beschränken, ein bisschen Ja und ein bisschen Nein zu sagen, aber nicht sagen, was Sie konkret wollen.

Frau Kollegin Stahl, Sie haben mich heute nicht überrascht. Sie haben wie immer versucht, ein Bild des Freistaates Bayern im Allgemeinen und unserer Sicherheitsorgane im Besonderen zu zeichnen, das überhaupt nicht zutreffend ist.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Stahl (GRÜ- NE))

Sie haben davon gesprochen, dass es keine Notwendigkeit gäbe, „eine schrankenlose“ DNA-Analyse einzuführen, obwohl Sie so gut wie ich wissen, dass es nicht darum geht, eine schrankenlose DNA-Analyse zuzulassen, sondern dass selbstverständlich auch der CSU-Vorschlag zur Ausweitung der DNA-Analyse zur Verbrechensbekämpfung vorsieht, auch in Zukunft – wie schon bisher – selbstverständlich den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzelfall zu beachten. Geradezu lächerlich ist das Bild, das Sie hier malen: Schleierfahndung, Ausweitung der

DNA-Analyse und so weiter. Sie tun so, als wolle die Staatsregierung die Bürgerinnen und Bürger wie potenzielle Straftäter behandeln. Das geht an der Sache völlig vorbei. Frau Stahl, Tatsache ist – das ist heute früh schon einmal gesagt worden –, dass es bundesweit 380 000 DNA-Datensätze gibt, wovon 73 000 aus Bayern stammen, dass in Bayern die bisherigen rechtlichen Möglichkeiten der DNA-Analyse bereits in großem Umfang – so weit es eben möglich ist – angewendet werden und dass daraus auch die Erfolge der bayerischen Ermittlungsbehörden in der Verbrechensbekämpfung resultieren.

Sie suchen also krampfhaft nach Argumenten dagegen, ohne sich mit dem konkreten Vorschlag auseinander zu setzen. Die GRÜNEN verweigern damit im Ergebnis unseren Bürgerinnen und Bürgern die letztlich bereits zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten der Verbrechensbekämpfung. Frau Stahl, damit werden Sie ebenso wie die Kollegin der SPD dem Sicherheitsbedürfnis unserer Bürgerinnen und Bürger in keiner Weise gerecht.

Was Kollege Schuster ausgeführt hat – dass es bisher schon Möglichkeiten gäbe und darauf auch die Erfolge beruhen würden –, ist alles schön und gut. Sie sprechen davon, dass man abwarten müsse, dass das Thema zu ernst sei, um schon jetzt Entscheidungen zu treffen, dass man nicht populistisch handeln dürfe, dass es beschämend sei, bereits jetzt einen konkreten Vorschlag in den Raum zu stellen. Herr Schuster und Herr Ritter, ich sage Ihnen: Wir haben konkrete Vorschläge. Wir vertrauen auch darauf, dass unsere Polizei willens und selbstverständlich auch in der Lage ist, mit den Mitteln der DNA-Analyse unter dem Lichte einer Ausweitung der DNA-Analyse vertrauensvoll umzugehen und damit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch in Zukunft in jedem Einzelfall gerecht zu werden. Wir wollen die DNA-Analyse als den Fingerabdruck des 21. Jahrhunderts, und wir werden weiterhin dafür kämpfen, dafür eine Mehrheit auf Bundesebene zu finden.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Schindler. – Wir müssen am neuen Pult doch noch ein etwas stärkeres Licht einbauen, weil die Redner das Signal regelmäßig ignorieren.

(Allgemeine Heiterkeit)

Obwohl das allermeiste schon gesagt wurde, gestatten Sie mir doch noch einige wenige Anmerkungen zu diesem Thema.

Erstens will ich versuchen, das Thema wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen, weil hier so getan wird, als müsste man die Möglichkeit von DNA-Analysen erst schaffen. So ist es ja weiß Gott nicht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es gibt nachgerade schrankenlos Möglichkeiten, in anhängigen Strafverfahren Analysen vorzunehmen, und es gibt seit 1998 aufgrund des DNA-Identifizierungsgesetzes

die Möglichkeit, das auch zur Vorbeugung künftiger Straftaten in einem bestimmten Umfang zu tun.

Zweitens: Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Fall Moshammer ist auf der Grundlage des geltenden Rechts gelöst worden, weil man diese Speichelprobe hatte. Der Fall ist auch aufgrund anderer kriminalistischer Ergebnisse und durch die kluge Vorgehensweise der Polizei gelöst worden. Dieser Fall kann nicht als Begründung dafür herangezogen werden, jetzt mehr zu fordern, als man ohnehin schon hat.

(Beifall bei der SPD)

Man muss allerdings einräumen – insofern bin ich dem Kollegen Peterke dafür dankbar, dass er darauf hingewiesen hat –, dass die DNA-Analyse natürlich keine technische Wunderwaffe ist, sondern dass sie ein Beweismittel neben anderen ist, um einen Täter schneller überführen zu können, als das bislang der Fall war. Sie ist ein Beweismittel unter anderen, und wir wissen auch, dass die DNAAnalyse ebenso wie der Fingerabdruck allein nicht ausreicht, um jemanden zu überführen. Dafür ist schon mehr notwendig. Wer also sagt, das sei ein Quantensprung und eine Revolution in der Verbrechensbekämpfung, verkennt dabei – oder fügt nicht hinzu –, dass wir selbstverständlich auch weiterhin die anderen ermittlungstechnischen Maßnahmen brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist eigentlich kein kriminaltechnisches Problem. Ich sehe in der geforderten Ausweitung – ob nun schrankenlos oder nicht; da ist man sich offensichtlich noch nicht ganz einig – nicht in erster Linie ein kriminaltechnisches Problem. Ich sehe darin auch nicht in erster Linie ein Problem der Rechtstaatlichkeit. Ich bin mir sicher, dass man das so konstruieren kann, dass es unter rechtstaatlichen Gesichtspunkten einwandfrei ist. Meines Erachtens geht es um etwas anderes, nämlich wieder ein kleines Mosaiksteinchen in einer Fülle von Maßnahmen, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten schon ergriffen worden sind.