Protokoll der Sitzung vom 27.01.2005

Ich muss auf meine Kollegen Rücksicht nehmen.

Es gibt einen weiteren konkreten Grund, warum wir für die Konsolidierung des Haushalts und für immer weniger Schulden sind. Die Länder mit geringerer Verschuldung haben eine bessere wirtschaftliche Entwicklung, mehr

Wachstum und weniger Arbeitslose. Deshalb hat Bayern, das im Vergleich zu den anderen Bundesländern die wenigsten Schulden hat, das bessere Wachstum und niedrigere Arbeitslosenzahlen.

Wir lehnen ungedeckte Anträge ab, da diese nur zu einer weiteren Verschuldung in unserem Haushalt führen würden. Deshalb haben wir auch die Mehrforderungen der SPD-Fraktion und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, die sie mit ihren Änderungsanträgen erheben, bei den Beratungen des Haushaltsausschusses zurückgewiesen. Die Anträge der SPD würden allein für das Haushaltsjahr 2005 eine Erhöhung des Einzelplans um 20,325 Millionen Euro und im nächsten Jahr von 27,825 Millionen Euro nach sich ziehen. Die Änderungsanträge des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN würden in diesem Jahr eine Erhöhung des Einzelplans um 6,834 Millionen Euro und im Jahre 2006 von 7,130 Millionen Euro bedeuten.

Für alle Änderungsanträge der Opposition wurden keine oder inakzeptable Deckungsvorschläge gemacht. Letztlich würden alle diese Änderungsanträge auf eine unverantwortliche Ausweitung der Staatsverschuldung hinauslaufen.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben enorme Mittel für die Kinderbetreuung eingesetzt. Natürlich klingt es gut, wenn in den Änderungsanträgen noch mehr Mittel gefordert werden. Das ist aber unehrlich; denn die Kostenlasten einer Verschuldung müssten diejenigen tragen, denen kurzfristig eine Mittelerhöhung zugute käme.

Der Änderungsantrag auf Umschichtung des Landeserziehungsgeldes widerspricht dem Rechtsanspruch der Eltern auf das Landeserziehungsgeld.

Natürlich klingt es gut, wenn die SPD eine Aufstockung der Haushaltsmittel des Psychiatrieplans um das 2,6-fache fordert. Allerdings ist das unverantwortlich, wenn nicht gleichzeitig gesagt wird, wie das finanziert werden soll. Und es kann nicht Aufgabe des Freistaats sein, Einsparungen von gesetzlich geregelten Sozialleistungen auszugleichen.

Wir orientieren uns am Machbaren. Das Problem der Opposition ist, dass sie finanz- und wirtschaftspolitische Tatbestände ignoriert. Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie tun sich schwer, weil Sie genau wissen, dass Ihre Parteifreunde in Berlin für die verheerenden Fehlentwicklungen auf Bundesebene verantwortlich sind. Die Schuldenpolitik Ihrer Parteifreunde in Berlin ist eine Ursache dafür, dass die Menschen in Deutschland immer ärmer werden. Das ist Ihr Sozialstaat.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): In Bayern ist das wohl nicht so! – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Es werden auch einige reicher!)

Ist es da nicht geradezu grotesk, wenn Herr Kollege Dr. Dürr, nach einer dpa-Meldung, sagt, der Sparkurs von Ministerpräsident Stoiber führe zu einer Zwei-Drittel-Ge

sellschaft in Bayern, und die soziale Ungleichheit in Bayern würde durch diese Politik verschärft?

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Da geben Sie mir recht!)

Lieber Herr Kollege Dr. Dürr, Sie sollten Ihre Denkweise ändern, sonst glauben Sie irgendwann einmal selbst an diesen Blödsinn.

Nach unserer Meinung kann nur eine solide Haushaltspolitik den Sozialstaat sichern. Ich möchte meine Ausführungen zu diesem Haushalt nicht schließen, ohne all denen zu danken, die an der Erarbeitung dieses Einzelplans beteiligt waren, nämlich unserer Ministerin, dem Staatssekretär, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums und natürlich auch denen, die im Finanzministerium für diesen Einzelplan zuständig sind. Ich danke außerdem dem sozialpolitischen Arbeitskreis der CSU-Fraktion mit ihrem Vorsitzenden Joachim Unterländer; denn der Sozialetat trägt deutlich die Handschrift der CSU.

(Hans Joachim Werner (SPD): Da kann man uneingeschränkt zustimmen! Der trägt die Handschrift der CSU! Leider!)

Ich danke allen, die mit viel Einfühlungsvermögen, sozialem Verständnis und Haushaltsbewusstsein diesen Einzelplan zum Erhalt des Sozialstandorts Bayern ausgearbeitet haben.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächste hat Frau Kollegin Ackermann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Ministerin, meine Damen und Herren! Für das soziale Engagement der CSU-Fraktion ist es schon bezeichnend, dass sie an dieser Stelle einen Haushaltspolitiker und nicht einen Sozialpolitiker sprechen lässt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Qualität eines Gemeinwesens zeigt sich im Umgang mit seinen schwächsten Mitgliedern. Daran muss sich auch der Freistaat Bayern messen lassen. Wer sind nun die Schwächsten und wie gehen wir mit ihnen um? – Die Schwächsten sind diejenigen, die sich nicht mehr um sich selbst kümmern können und die nicht mehr oder noch nicht dazu in der Lage sind, ein eigenständiges Leben zu führen.

Die Schwächsten sind Menschen, die durch fremdes oder auch eigenes Handeln keinerlei Möglichkeiten mehr besitzen, an unserer Gesellschaft teilzunehmen. Das sind Alte, Kranke, Mittellose, Überschuldete, Asylbewerberinnen und Asylbewerber, behinderte Menschen, ausländische Mitbürger und – absurderweise – Kinder. Alle diese Menschen haben das grundsätzliche Recht auf Menschenwürde. Gewähren wir mit diesem Haushalt diese Würde? – Mit dem Nachtragshaushalt 2004 wurden be

reits tiefe Kerben in das soziale Bayern geschlagen. Mit dem Doppelhaushalt 2005/2006 bleiben diese Kerben zum größten Teil bestehen.

Asylbewerberinnen und Asylbewerber haben in Bayern kein Recht auf Wohnen, kein Recht auf selbst bestimmtes Leben und kein Recht darauf, sich in unserer Gesellschaft zurecht zu finden. Sie werden mit Essenspaketen „beglückt“; sie werden zwangsweise in Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen und sie werden nicht mehr ausreichend betreut. Bayern investiert lieber in Zwang, zum Beispiel in ein schwer bewachtes Ausreisezentrum in Fürth, statt in Beratung und soziale Betreuung durch Initiativen, Vereine und Wohlfahrtsverbände.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Verdacht, dass ein gewollt schlechteres Leben hier beabsichtigt ist, wird durch die Beibehaltung der Kürzungen bei der Beratung für Asylbewerber und Asylbewerberinnen verstärkt. Bayern hat mit der Mitverabschiedung des Zuwanderungsgesetzes anerkannt, dass die Bundesrepublik - und damit auch Bayern - ein Zuwanderungsland ist. Erst mit der Nachschubliste leistet Bayern dieser Anerkennung Folge und ermöglicht Maßnahmen zur sozialen Begleitung der durch den Bund finanzierten Sprachkurse. Dies erfolgt leider durch Kürzungen bei der Altenhilfe.

Dass Zuwanderung auch ohne das Gesetz stattgefunden hat und Mittel zur Integration der Menschen mit Migrationshintergrund, die schon länger unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger sind, Not tut, verschließt sich die Regierung. Mit der faulen Ausflucht, dass normale Sozialverwaltung diese Aufgabe komplett übernehmen könnte, werden wir den Aufgaben nicht gerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Unzureichende Schlüsselzuweisungen, eine miserable Finanzausstattung, eine Standardabsenkung, Investitionskostenzuschüsse und drohender Kostenvorbehalt, das ist die Zustandsbeschreibung der Situation behinderter Menschen. Nach langem Kampf sind wir auf dem Weg von einer reinen Aufbewahrung hin zu einer aktiven Teilhabe gekommen. Obwohl noch nicht am Ziel, droht der Rückschritt nicht nur, sondern er findet auch schon statt. Ein Beispiel dafür ist die offene Behindertenarbeit in einigen Bezirken, bei denen sich die Einsparungen schmerzlich auswirken. Ein anderes Beispiel ist die Personalausstattung in Heimen, wo teilweise über das Wochenende nur noch ein Mitarbeiter im Dienst ist, sodass die behinderten Menschen das ganze Wochenende in ihrer Wohngruppe sitzen müssen und nicht an die frische Luft kommen. Es ist schlicht nicht möglich, dass ein einzelner Betreuer mit drei Rollstühlen spazieren geht.

Das bedeutet den Wegfall aller Ferienmaßnahmen für Kinder. Das trifft nicht nur diese hart, sondern bringt auch die Eltern in enorme Schwierigkeiten, weil ihnen der Jahresurlaub nicht ausreicht, um ihre Kinder während der Ferien zu betreuen.

Wir wissen, dass die Belastung der Bezirke nicht nur durch die Erhöhung der Standards, sondern durch die Zunahme der Fallzahlen steigen wird. Dies auf dem Rücken der Betroffenen abladen zu wollen, ist der falsche Weg. Die Drohgebärde des jetzt leider nicht anwesenden Ministers Huber in Richtung Bezirke verfängt überhaupt nicht. Herr Minister, Sie werden damit zwar nichts einsparen, aber Sie wollen die Kommunen gegen die Bezirke aufhetzen, und Sie wollen das Land aus der Pflicht nehmen, die Bezirke zu unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zur Insolvenzberatung: Der Bankrott der Vernunft, der sich im Nachtragshaushalt mit der kompletten Streichung der Mittel anbahnte und der dann in der durch Sturheit bedingten Zahlungsunfähigkeit des bayerischen Staates im Juni 2004 seine Fortsetzung fand und zur Entlassung erfahrener Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und zur Schließung ganzer Beratungsstellen führte, löst sich jetzt in der Weiterführung des unzulänglichen Zustandes der Jahre 2003 und der Jahre davor auf. Die Fallzahlen werden weiter steigen. Sie haben sich in kurzer Zeit bereits verdoppelt. Die Wartezeiten und Schlangen wachsen unaufhörlich an. Bei der Insolvenzberatung wie auch bei der Asyl- und Integrationsberatung handelt es sich finanziell tatsächlich um Peanuts im Staatshaushalt. Dennoch werden hier – das wohl wissend – große Löcher in die Versorgung gerissen. Erfreuen kann daher nur, dass die CSU die Meinung aufgegeben hat, dass Insolvenzberatung allein durch Rechtsanwälte stattfinden könnte. Das war ein Gedanke, der in einer von uns beantragten Anhörung von allen Anwesenden, die nicht der Staatsregierung angehörten, ad absurdum geführt wurde. Sie waren auch dieses Mal wieder nicht dazu in der Lage, diese Pflichtaufgabe des Landes Bayern konsequent und konzeptionell durchdacht anzugehen.

Das Netzwerk Pflege, das ein wesentlicher Baustein einer in Zukunft noch mehr belasteten Struktur zur Unterstützung pflegender Angehöriger alter verwirrter Menschen sein kann, ist durch die leider beibehaltenen Kürzungen in Mitleidenschaft gezogen worden. Pflegende Angehörige sind die erste Säule bei der Umsetzung des Grundsatzes „Ambulant vor stationär“. Diese ehrenamtlich erbrachten, gesellschaftlich höchst anerkannten Leistungen sind nicht nur extrem kostengünstig, sondern erzielen auch große Effekte. Ihre Bedeutung wird für unser soziales System noch weiter steigen. Kürzungen sind hier völlig unverständlich.

Des gleichen Geistes Kind ist die Mundtotmachung der Anliegen alter Menschen, des Sprachrohres aller kommunalen Seniorenvertretungen, nämlich des Landesseniorenbeirates, und die Kürzung der Zuweisungen für Kommunen in der Altenhilfe. Dies ist angesichts der demographischen Entwicklung einerseits und des schlimmen Zustandes vieler Alten- und Pflegeheime andererseits und immer weiter verschleppter, dringend notwendiger Sanierungen ebenso unverantwortlich wie die Streichung eines Teils der Zuweisungen, welche die Bezirke für die Pflegesätze erhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Schon heute laufen viele Landräte dagegen Sturm, weil sie mit den zugewiesenen Mitteln hinten und vorne nicht auskommen, und drohen mit einer Senkung des Standards bzw. probieren die Senkung bereits unverhohlen aus.

Wir haben zum Einzelplan 10 exemplarisch Anträge eingebracht. Ich kann hier auch nur exemplarisch Themen anreißen. Das Feld des Handlungsbedarfs wäre aber viel weiter zu fassen: Blindengeld, Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes, Beratung für Opfer sexueller Gewalt, Jugendhilfe und noch vieles andere mehr. Unser Ziel war es darzustellen, dass Sparen um jeden Preis nicht nur menschlich für die Betroffenen entwürdigend ist, sondern auch finanztechnisch verfehlt, ja kontraproduktiv ist.

(Herbert Fischer (CSU): Wir müssen an die nächste Generation denken!)

Sie schwächen und zerschlagen Strukturen mit niederschwelligen und kostengünstigen Angeboten. Sie verschlechtern die Unterstützung der ehrenamtlichen Arbeit. Sie beachten nicht, dass diese Kürzungen teure Folgen haben werden,

(Beifall bei den GRÜNEN)

zum Beispiel die Erhöhung der stationären Aufnahme von alten Menschen und psychisch Kranken, zum Beispiel das Abrutschen verschuldeter Jugendlicher und Erwachsener in die Sozialhilfe, zum Beispiel auch eine gesellschaftliche Segregation und, dadurch möglicherweise ausgelöst, eine zunehmende Kriminalität. Es gilt, im Sozialbereich auch und gerade im Interesse des Staates klug und nachhaltig zu investieren. Das ist soziales Handeln im urchristlichen Sinn. Rudimente dieser Einstellung bei Ihnen findet man dann im KEG. Das ist ein Sozialgesetz mit bezeichnendem Namen. Es heißt „Kommunales Entlastungsgesetz“. Soziale Standards sollen generell unter die Beliebigkeit des Finanzgebarens gestellt werden. Soziale Rechte und Garantien können dann zum Opfer eines überdimensionierten und zu teuren Rathauses oder einer Straße werden.

Besonders verfehlt ist diese kurzsichtige Sparpolitik bei den Leistungen für Familien und Kinder.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun hören Sie gut zu: Kinder sind unsere Zukunft. Wir wollen mehr und bessere Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Oberster Grundsatz ist die Wahlfreiheit der Eltern. Was unserem Land in den nächsten Jahren und Jahrzehnten am meisten fehlen wird, sind Kinder und kreative, bestens ausgebildete junge Menschen. – Diese Einschätzungen, die wir teilen, stammen aus der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Dr. Stoiber. Die Konsequenzen, die sich daraus ergeben sollten, finden wir aber leider nicht im Haushalt. Das ist also nur scheinbar Ihre Politik. Es gilt: Früh investieren, statt spät reparieren. Wir wissen heute, dass Bildung und Erziehung schon im ersten Lebensjahr beginnt. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass Versäumnisse in den ersten Lebensjahren später entweder nur mit großer

Mühe und viel Geld oder gar nicht mehr ausgeglichen werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wissen auch, dass jeder hier investierte Euro später eine vielfache Rendite bringt. Jedes Kind hat das Recht auf Bildung. Jedes Kind hat das Recht auf optimale Chancen, auf seine eigene, individuelle Entwicklung, um als Erwachsener möglichst ein selbstbestimmtes, erfolgreiches Leben zu führen. Diese Chancengerechtigkeit muss bereits im Kleinkindalter beginnen. Die Versäumnisse in diesem Alter treffen nicht nur die späteren Erwachsenen, sondern die gesamte Gesellschaft. Es ist zu erwarten, dass in 15 bis 20 Jahren die Anforderungen für den Eintritt ins Berufsleben steigen werden. Für einen erfolgreichen Eintritt ins Berufsleben legen wir heute den Grundstein – oder eben nicht.

Der konsequente, schnelle Ausbau von Krippenplätzen zur flächendeckenden Versorgung wäre daher Pflicht und oberste Priorität. Es ist Zeit, in der Betreuung von Kleinkindern bis zu drei Jahren einen Paradigmenwechsel einzuleiten und diesen auch zu propagieren, etwa in der Form: Kinder in Krippen zu geben, ist gut; die Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Erziehungseinrichtungen ist toll. Das hier existierende Rabenelternimage gehört in die Mottenkiste.