Mit Ihrem Beschluss, die staatliche Förderung für den Neubau und die Sanierung auch für die Jahre 2005 und 2006 auszusetzen, sparen Sie nicht nur bei den Schwächsten, sondern Sie fördern indirekt auch Tendenzen, bei den Bezirken die Pflegestandards abzusenken.
Sie sprechen sich zwar lauthals dagegen aus, aber genau das ist die Zielrichtung: Es muss alles weniger kosten. Geradezu zynisch ist Ihre Entscheidung, den ohnehin schon zusammengestrichenen Landesplan für Altenhilfe in einer Nachschubliste noch einmal um 1,6 Millionen Euro pro Jahr zu kürzen, damit Sie Maßnahmen aus dem Zuwanderungsgesetz finanzieren können.
Drittes Beispiel: Menschen mit Behinderung. Unter dem Titel „Soziales Netz in Bayern empfindlich beschädigt“, schreibt der Landescaritasverband Bayern:
Die Kürzungen haben in erster Linie Familien, Menschen mit Behinderung, sozial Schwache, ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger, Kinder und Jugendliche und kranke Menschen getroffen, also gerade die Menschen, die in besonderer Weise auf die solidarische Hilfe des Staates und der Gesellschaft angewiesen sind. Soziale Arbeit und Pflege ist Hilfe von Mensch zu Mensch. Wer hier sparen muss, muss am Personal sparen. So mussten denn auch im Bereich der Behindertenhilfe allein bei der Caritas 120 Stellen gestrichen werden.
Die massiven Kürzungen beim Landesplan für Menschen mit Behinderung im Nachtragshaushalt 2004 wirken auch im Doppelhaushalt fort. Besonders beschämend ist in diesem Zusammenhang, dass für den Freistaat Bayern als Arbeitgeber 3,5 Millionen Euro als Ausgleichsabgabe – also dafür, dass er keine Menschen mit Behinderung einstellt – im Haushalt eingestellt sind. Allerdings sind in Bayern die privaten Arbeitgeber nicht besser; hierfür sind 100 Millionen Euro Ausgleichsabgabe eingeplant.
Viertes Beispiel: Insolvenz. In Bayern gibt es – mit dramatischem Anstieg – circa 285 000 überschuldete Haushalte. Wir reagiert die Staatsregierung auf diese Entwicklung, die mit tief greifenden wirtschaftlichen Folgen für die Schuldner und für die Gläubiger verbunden sind? Mit Gleichgültigkeit und Inkompetenz. Nach ständigem Bohren von SPD und Wohlfahrtsverbänden und nach einer Anhörung, die das Problem schonungslos offen legte, kam nach langem Gezerre im Herbst 2003 vor der Landtagswahl zwischen dem Sozialministerium und den Wohlfahrtsverbänden eine Vereinbarung zustande, die zumindest Ansätze für eine vernünftige Arbeitsgrundlage enthielt. Dafür wurden damals im Haushalt für 2004 noch 2,5 Millionen Euro eingestellt. Mit einer Zweidrittelmehrheit im Rücken wurden diese Mittel nach der Wahl zu
nächst auf Null gesenkt, also gänzlich gestrichen. Erst im letzten Augenblick kamen in den Haushalt knapp 1 Million Euro hinein. Für 2005 ergibt sich kein anderes Bild. Obwohl alle wissen, dass mit 100 Millionen Euro eine Insolvenzberatung, die diesen Namen verdient, nicht zu machen ist, wurde dieser Betrag zunächst in den Haushalt eingestellt. Erst im Haushaltsausschuss besann sich die CSU und legte 750 000 Euro nach. Frau Staatsministerin, dies ist eine sozialpolitische Achterbahn par excellence.
Fünftes Beispiel: Jugendhilfe. Die Erkenntnis, dass allgemein bildende Schulen heute mehr als Wissen und Schlüsselqualifikationen vermitteln müssen, dass sie auch soziale und erzieherische Dienste auszugleichen haben, ist nicht neu.
Frau Staatsministerin Stewens hat noch im Juni 2004 beim 12. Deutschen Jugendhilfetag in Osnabrück Folgendes erklärt: Durch die bundesweit beispielhafte staatliche Förderung der Jugendsozialarbeit an Schulen sollen in den nächsten zehn Jahren insgesamt 350 Stellen für Jugendsozialarbeiter an 500 bayerischen Haupt-, Förder- und Berufsschulen geschaffen werden. Das ist inzwischen Makulatur. Denn die Mittel für die Jugendsozialarbeit werden im Doppelhaushalt eingefroren und die Summe der Titelgruppe wird aufgrund – wie es so schön heißt – „finanzwirtschaftlicher Erfordernisse“ sogar gekürzt. Auch hier zeigt sich die Kurzsichtigkeit und Planlosigkeit bayerischer Sozialpolitik. Das Geld, das Sie jetzt einsparen, werden Sie an anderer Stelle in vielfacher Höhe wieder ausgeben müssen. Da wundern Sie sich, dass die Jugendhilfekosten so rasant steigen.
Dass ein demokratischer Sozialstaat sein Geld wert ist, dass nur Strukturreformen, die die soziale Gerechtigkeit nicht aus dem Blickfeld verlieren, weiterhelfen, ist Ihnen in Ihrem Kürzungswahn entgangen.
Wirtschaft und Soziales sind zwei Pfeiler einer Brücke, so steht es in einer Denkschrift beider Kirchen. Wenn ein Pfeiler seine Standfestigkeit verliert, gerät die ganze Konstruktion ins Wanken. Frau Staatsministerin, die Brücke, für die Sie in Bayern verantwortlich zeichnen, ist in ihrem sozialen Pfeiler akut einsturzgefährdet.
Wir werden alles tun, um dieser Standfestigkeit wieder Nachdruck zu verleihen. Das wäre eine nachhaltige Politik, die wir gemeinsam formulieren sollten. Dazu sind wir gerne bereit, nicht aber zu einer Abbruchpolitik, wie Sie sie heute wieder vorgetragen haben.
Herr Präsident, Hohes Haus! Zunächst zu Ihnen, Herr Kollege Wahnschaffe. Ich habe Sie viele Jahre im sozialpolitischen Ausschuss erlebt. Herr Kollege Wahnschaffe, Ihr Beitrag ist eigentlich erschreckend. Von Ihnen als Ausschussvorsitzenden könnte man eigentlich ein objektiveres Bild der bayerischen Sozialpolitik erwarten. Sie wissen ganz genau, dass vieles von dem, was Sie jetzt gesagt haben, inhaltlich völlig falsch ist. Sie erwähnen immer wieder das Blindengeld – Kollege Unterländer wird auf vieles eingehen. Sie wissen ganz genau, dass wir mit unseren Blindengeld-Leistungen an der Spitze liegen. Sie müssen sich einmal die Statistik ganz genau ansehen und betrachten, wie viel Blindengeld in anderen Ländern bezahlt wird.
Sie müssen sich langsam schon auch einmal die Frage stellen – dieser Beitrag von Ihnen ist eigentlich zynisch –, warum immer mehr Insolvenzberatungen notwendig werden. Warum werden immer mehr Insolvenzberatungen und Schuldnerberatungen notwendig?
Ich möchte mich auf ein paar haushaltspolitische Dinge beschränken und diese ansprechen. Unsere Sozialministerin hatte auf ihrer Jahrespressekonferenz davon gesprochen, dass eine zukunftssichere Sozialpolitik unter anderem auch von einem verantwortungsvollen Mitteleinsatz abhängt. Dies wird mit diesem Einzelplan praktiziert. Deswegen kann von einem soliden Sozialetat gesprochen werden, der, Herr Kollege Wahnschaffe, auch sozial ausgewogen ist. So kann die Sozialpolitik in Bayern auf einem hohen Niveau weitergeführt werden.
Ich weiß, dass die Sozialpolitiker meiner Fraktion in dem einen oder anderen Bereich gern mehr getan hätten,
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Der ausgeglichene Haushalt! – Joachim Wahnschaffe (SPD): Also habe ich doch Recht! Herr Faltlhauser bestimmt es!)
Sie wissen: Im November des vergangenen Jahres musste die Steuerschätzung zum achten Mal in Folge nach unten korrigiert werden. Die Wachstumsprognosen dämpfen alle Erwartungen auf eine bessere Zukunft. Darauf muss haushaltspolitisch reagiert werden.
Wir hatten konsequent, und zwar auch gegen den Widerstand der Opposition, mit dem Nachtragshaushalt 2004 mit der Konsolidierung des Haushaltes begonnen. Mit
dem Nachtragshaushalt 2004 wurde im Einzelplan 10 bereits eine Einsparquote von 9 % erzielt, sodass heuer – die Ministerin hat darauf hingewiesen – diesem Haushalt weitere größere Einsparmaßnahmen erspart blieben.
Dieser Einzelplan ist in den letzten 20 Jahren doppelt so stark gestiegen wie der Gesamthaushalt, nämlich von 600 Millionen Euro auf über 2,1 Milliarden Euro.
Weil Frau Kollegin Steiger laut einer Pressemitteilung geäußert hat, dass unter unserer Ministerin Christa Stewens der Sozialetat überproportional gekürzt worden wäre – wie sie dazu kommt, wissen wir nicht –, darf ich auch auf die Entwicklung der Haushaltsansätze von 2001 bis 2006 hinweisen.
Hätten Sie das mit Ihrem Vorsitzenden ausgemacht, dann hätten Sie sich nachher nochmals zu Wort melden können.
Der Gesamthaushalt erfährt 2006 gegenüber 2001 eine Steigerung um 3 %, der Einzelplan 10 – ausgehend vom bereinigten Haushalt – dagegen sogar um 5,1 %. Im Übrigen gibt es im Einzelplan auch rückläufige Ist-Entwicklungen, die Sie wahrscheinlich nicht berücksichtigt haben, zum Beispiel wegen eines geringeren Bedarfes, wegen rückläufiger Zahlungsfälle, wegen rückläufiger Antragszahlen oder wegen rückläufiger Geburtenzahlen, sodass da oder dort auch weniger angesetzt werden musste. Mehr als die Hälfte aller Einsparungen in diesem Einzelplan beruhen auf Anpassungen an zwangsläufige Entwicklungen.
Der Gesamthaushalt, ausgehend vom bereinigten Ausgabenvolumen, steigt in diesem Jahr gegenüber dem vergangenen Jahr um 1,9 % und im nächsten Jahr um weitere 0,9 % an. Der Einzelplan 10, auch ausgehend vom bereinigten Ausgabenvolumen – die durchlaufenden Bundesmittel für Hartz sind also berücksichtigt – steigt in diesem Jahr gegenüber 2004 um 1,2 % an, und im nächsten Jahr erfährt er eine weitere Steigerung um 0,1 %. Die gesetzlichen zwangsläufigen Ausgaben steigen in diesem Jahr um 0,9 % und verändern sich im Jahr 2006 um minus 1 %. Die gesetzlichen zwangsläufigen Ausgaben steigen also wenig. Die gesetzlich festgelegten Mehrausgaben betragen in diesem Jahr 49 Millionen Euro und im nächsten Jahr 61 Millionen Euro. Auf die zusätzlichen Mittel für die Kinderbetreuung hat die Ministerin schon hingewiesen. Ich unterstreiche, was die Frau Ministerin gesagt hat: Wir haben bei den freiwilligen Leistungen – freiwillige Leistungen in einem Sozialetat haben immer einen besonderen Stellenwert – in diesem Jahr gegenüber dem letzten Jahr eine Steigerung um 8,0 % und im Jahr 2006 eine weitere Steigerung um 1,1 %.
In diesem Doppelhaushalt wird ein zusätzlicher Konsolidierungsbeitrag von 8 Millionen Euro bzw. 16 Millionen Euro erreicht, sodass die Konsolidierungsquote in diesem Einzelplan 10 nun 11,8 % beträgt; im nächsten Jahr wird dann eine Konsolidierungsquote von 13,7 % erreicht. Die
se weitere Konsolidierung kommt beim Maßregelvollzug und beim Landeserziehungsgeld zustande. Beim Maßregelvollzug ermöglicht eine weitere Optimierung des Unterbringungskonzepts zusätzliche Einsparungen. Beim Landeserziehungsgeld sind rückläufige Ausgaben unter anderem durch rückläufige Geburtenzahlen zu erwarten.
Einen besonderen Stellenwert – das unterstreiche ich – im Einzelplan haben die familienpolitischen Leistungen, die für die beiden Haushaltsjahre einen Gesamtbetrag von 1,392 Milliarden Euro ausmachen. Ich darf jetzt einen Vergleich zu Berlin ziehen. Professor Kirchhof meinte im vergangenen Jahr bei einer Veranstaltung – das ist öfter niedergeschrieben worden –, man solle sich doch den Bundeshaushalt ansehen, dann könne man sehen, was dieser Staat – gemeint ist natürlich der Bund – in Wirklichkeit mit den Familien vorhat. Die größte Zuwachsrate verzeichnet dort der Bundesschulden-Zinsendienst und die größte Minusrate von allen Posten, Herr Wahnschaffe, das Bundesfamilienministerium. Der Zinsendienst entspricht, so Kirchhof, fast dem Zehnfachen dessen, was Berlin für Familien ausgibt.
(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Sie hören ja gar nicht zu, was ich sage! Ich habe gesagt: Sie haben Recht! Sie haben gar nicht aufgepasst, Herr Fischer; ich habe Ihnen Recht gegeben!)
Entschuldigung. Es ist ganz nett, dass Sie mir Recht geben. Sie müssen sich dann aber auch bei Ihren Parteifreunden in Berlin zu Wort melden.
Der Weg über neue Schulden anstelle von Einsparungen ist gegenüber der nachfolgenden Generation nicht zu vertreten und in höchstem Maße unmoralisch und auch unsozial.
Nein! Es sind noch einige Kolleginnen und Kollegen dran. Wir haben leider nicht so viel Zeit. Dazu bleibt jetzt keine Zeit.