Protokoll der Sitzung vom 11.05.2005

Die in der jüngsten Vergangenheit häufi g vernehmbare Behauptung, die Kosten einer Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland würden steuerlich begünstigt, verfälscht und verkürzt die tatsächliche Rechtslage.

Dem folgt eine Reihe rechtlicher Anmerkungen. Weiter heißt es an einer interessanten Stelle zum Beispiel:

Die Umsetzung dieses Abzugsverbots scheitert aber regelmäßig daran, dass es praktisch nicht möglich war, die nicht abziehbaren Betriebsausgaben direkt den Beteiligungsbeträgen zuzuordnen. Das führt zu den Umgehungsgestaltungen … usw.

Das wird genau ausgeführt. Das heißt, Sie können das, was Frau Scheel erhofft, nicht machen, weil entsprechende Umgehungen Platz greifen werden, zumal weiter unten ausgeführt wird:

Das pauschale Abzugsgebot gilt seit dem Jahr 2004 aus EU-rechtlichen Gründen auch für

Inlandsbeteiligungen. Zukünftig wäre dann wieder mit einem erheblichen Streitpotenzial zwischen Unternehmen und Finanzämtern zu rechnen und zu befürchten, dass sich die Unternehmen dem Abzugsverbot durch Umgehungsgestaltungen entziehen können. Ein verschärftes Betriebsausgabenabzugsverbot hätte zudem nachteilige standortpolitische Wirkungen.

Ich schließe mich dem Inhalt dieses Papiers der Bundesregierung und des Bundesfi nanzministeriums voll an. Die Ausführungen meines Hauses sind weit umfänglicher und detaillierter.

Was in diesem Schreiben steht, ist völlig richtig. Das heißt, der in diesem Land grassierende Vorschlag von Frau Scheel ist rundum eine Verdummung und ein Rohrkrepierer. Sagen Sie das der Frau Kollegin.

Nicht zuletzt will ich, wie angekündigt, zu unserer Erbschaftsteuerinitiative noch etwas sagen:

Erstens. Es gibt mittlerweile Leute, die sagen, das werde kaum Bedeutung erlangen. Das ist eine völlige Fehlinformation. Wir schätzen, dass in den nächsten Jahren bundesweit einige 10 000 Erbschaften erbschaftsteuerrelevant werden. Die Unternehmen sagen, die Standortbedingungen sind eh schwierig, auch meine Kinder interessieren sich nicht ohne Weiteres für das Unternehmertum, ich muss noch eine Menge Erbschaftsteuer zahlen, ich wandere entweder aus – siehe Müller – oder schließe meinen Laden. Dies ist wirklich arbeitsplatzschädlich. Deshalb ist eine Regelung notwendig.

Ich halte es parteiübergreifend für vernünftig, dass die Bundesregierung unsere Regelung übernommen hat. Die Bundesregierung hat unsere Regelung nicht nur deshalb übernommen, weil sie gewissermaßen eine taktische Beute machen wollte, sondern weil sie gesehen hat, dass diese Regelung im Sinne des Jobgipfels Arbeitsplätze rettet.

Was wir hier durch den Erhalt bestehender Arbeitsplätze für dieses Land tun können, können wir durch alle möglichen Fördermaßnahmen gar nicht bewirken. Man kann sicherlich einige Regelungen fachlich diskutieren. Ich habe diesen Entwurf weit gestreut und vielen Finanzministern und der Bundesregierung geschickt, aber keinen einzigen konkreten Verbesserungsvorschlag bekommen. Ich bin da für Vorschläge offen, das Ganze ist jetzt im Verfahren. Also diskutieren Sie hierüber wirklich vernünftig. Das gilt auch für die Grenze in Höhe von 100 Millionen Euro für das begünstigte Betriebsvermögen. Auch darüber, wie man das machen will, kann man diskutieren.

Lieber Kollege Mütze, liebe Kollegin Dr. Kronawitter, zur Gegenfi nanzierung, einer ernsten Frage: Wir sagen zur Bundesregierung, wir erwarten von Ihren Vorschlägen zur Senkung der Körperschaftssteuer konkrete Gegenfi nanzierungsmaßnahmen; denn sie hat bisher keine Vorschläge gemacht. Diesen Vorwurf will ich mir nicht machen lassen. Ich mache keinen allgemeinen Vorschlag, sondern einen konkreten Gesetzesvorschlag und liefere gleichzeitig einen Finanzierungsvorschlag. Was ist dies für

eine Finanzierung? Diese Finanzierung ist eine Anpassung der Dividendenbesteuerung an die Situation der Absenkung der Körperschaftsteuer.

Ich habe meinen Freund Solms in der Öffentlichkeit sagen hören, das sei eine Erhöhung der Dividendenbesteuerung. Das ist schlichter Unsinn. Wenn die Körperschaftsteuer abgesenkt wird, fi ndet insgesamt eine Entlastung von Unternehmensgewinnen statt. Dadurch werden natürlich die Dividendenbezieher bevorzugt. Wir haben gesagt: Um das anzugleichen, müssen wir die Dividendenbesteuerung anpassen, das heißt das so genannte Halbeinkünfteverfahren anpassen. Man kann aber nicht das Halbeinkünfteverfahren so anpassen, als hätten wir 19 % Körperschaftsteuer, sondern nur bis zu dem Punkt, dessen Gegenfi nanzierung wir anerkennen, nämlich bis zu 22 %. Wenn ich die 22 % auf die Anpassung des Halbeinkünfteverfahrens umrechne, komme ich ziemlich genau auf 57 %. Das ist sehr exakt gerechnet und eine belastbare Gegenfi nanzierung.

Ein Pressesprecher von Herrn Eichel – Sie haben es zitiert – sagte, das wäre ein Panoptikum Bayern. Dazu kann ich nur sagen: Er soll seine Presserotzlöffel zurückrufen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wenn Herr Eichel so etwas sagt, dann akzeptiere ich das und weiß darauf zu antworten. Wenn aber Beamte derartig unfl ätig in der Öffentlichkeit herumschreien, ist das unangenehm.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Dr. Heinz Kaiser (SPD): Macht das erst einmal bei euch in der Pressestelle!)

Ich komme auf die 22 % zurück. Das ist nicht unsere Zielvorstellung. Wir sind nach dem Jobgipfel mit den 19 % einverstanden. Ich kann aber bis jetzt nur Gegenfi nanzierungsmaßnahmen anbieten, zum Beispiel für unser Erbschaftsteuerkonzept, die den 22 % adäquat sind. Das ist der Vorschlag, den wir gemacht haben. Für weitere Vorschläge sind wir offen; Eichel muss sie nur machen. Ich kann aber nicht Gegenfi nanzierungsvorschläge nach dem Prinzip Hoffnung machen – so genannte Repatriierungsgewinne –, sondern da muss noch etwas kommen. Es wird nicht funktionieren, wenn nichts kommt.

Meine Damen und Herren von der Opposition, ich bin weit davon entfernt, aus irgendwelchen taktischen Gründen hin- und herzudiskutieren.

(Lachen bei der SPD)

Es muss aber wirklich ein seriöser Vorschlag auf den Tisch. Unser Vorschlag der Gegenfi nanzierung der Erbschaftsteuer ist seriös. Daher hat die Bundestagsfraktion gestern diesen Vorschlag einstimmig gebilligt und wird ihn einstimmig mit der entsprechenden Gegenfi nanzierung einbringen.

Ich stelle abschließend fest: Die Union ist sich einig und hat ein geschlossenes Konzept. Wir haben keinen Nach

diskussionsbedarf. Die Mehrheitsfraktion im Bundestag ist sich aber nicht einig und hat deshalb den Tagesordnungspunkt abgesetzt. Ich bedanke mich ausdrücklich bei den GRÜNEN dafür, dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben, wenigstens hier an diesem „rostrum“ unsere Position darzulegen.

(Lebhafter Beifall und Bravo-Rufe bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache abgeschlossen. Ich lasse zunächst über diesen Antrag abstimmen und anschließend namentlich über den vorhergehenden Antrag.

Wer dem soeben beratenen Antrag betreffend „Die Ergebnisse des Jobgipfels zügig umsetzen – für solide Gegenfi nanzierung sorgen – keine Blockade im Bundesrat“ auf Drucksache 15/3350 zustimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Das ist die Mehrheit. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Antrag mit der Mehrheit der CSU-Fraktion abgelehnt.

Ich komme nun zur namentlichen Abstimmung über den vorher beratenen Antrag der Abgeordneten Franz Maget, Marianne Schieder, Karin Pranghofer und anderer betreffend „Maximaler Flurschaden für minimalen Geldeinsatz – Streichung der Mittel für nebenberufl iche Lehrkräfte zurücknehmen – Unterrichtsausfall verhindern“ auf Drucksache 15/3349. Die Urnen für die Stimmabgabe sind bereitgestellt. Jetzt kann mit der Stimmabgabe begonnen werden. Dafür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 16.34 bis 16.39 Uhr)

Die fünf Minuten sind vorbei. Damit ist die Abstimmung geschlossen. Ausgezählt wird außerhalb des Plenarsaals. Das Ergebnis wird später bekannt gegeben.

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Joachim Herrmann, Dr. Otmar Bernhard, Markus Sackmann u. a. u. Frakt. (CSU) Bund vernachlässigt Schienenverkehrsinfrastruktur in Bayern (Drs. 15/3351)

Erste Wortmeldung: Herr Kollege Rotter.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine zukunftsträchtige, leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist ein Schlüsselfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung und für mehr Beschäftigung in unserem Land. Verkehrswege sind Lebensadern für unser Land und unsere Wirtschaft. Die Bundesverkehrswegeplanung geht von einem jährlichen Investitionsbedarf für die Schiene von 4,2 Milliarden Euro aus. Davon entfallen 2,5 Milliarden Euro auf die Bestandsnetzsanierung.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

1,7 Milliarden Euro sollten für Aus- und Neubaumaßnahmen jedes Jahr zur Verfügung stehen.

Soweit, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Plan. Tatsache ist, dass die Bundesregierung, obwohl dieser Plan noch gar nicht sonderlich alt ist, die Haushaltsmittel für die Schiene wiederholt massiv gekürzt hat. Sie will inzwischen den jährlichen Bundesetat für die Schienenverkehrsinfrastruktur bis zum Jahr 2008 auf nur mehr 2 Milliarden Euro verringern und damit diesen im Vergleich zum Jahr 2003 geradezu halbieren. Dann werden natürlich keine Neu- und Ausbauprojekte mehr möglich sein. Ich erinnere daran, dass ich vorher gesagt habe: 2,5 Milliarden sind allein für die Bestandsnetzsanierung erforderlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Bundesverkehrswegeplan wird dadurch natürlich zur Makulatur. Dazu wird immer wieder behauptet, das liege an Kürzungen, die durch das Koch-Steinbrück-Papier erzwungen worden seien. Dies sind Ausreden, da es sich dabei nur um Absenkungen in Höhe von dreimal 4 % handelt. Hier handelt es sich um weniger als eine Halbierung.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Wir rechnen gleich zusammen!)

Am 17. März – vor gerade einmal zwei Monaten – haben wir eine Regierungserklärung des Bundeskanzlers erlebt. An diesem Tag hat auch der Job-Gipfel stattgefunden. In dieser Regierungserklärung hat der Bundeskanzler großzügig zusätzliche zwei Milliarden Euro für Infrastrukturmaßnahmen angekündigt. Werden damit die Kürzungen im regulären Haushalt ausgeglichen? – Fehlanzeige, liebe Kolleginnen und Kollegen. Diese Mittel sollen auf vier Jahre gestreckt werden. Pro Jahr werden also nur 500 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Für die Schiene werden von den genannten zwei Milliarden Euro gerade einmal 750 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das sind pro Jahr für die Schiene weniger als 200 Millionen Euro. Damit werden die Kürzungen in keiner Weise zurückgenommen. Fakt ist, für die Schiene wird deutlich weniger zur Verfügung stehen, als noch vor einem Jahr versprochen worden ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man könnte nun entgegenhalten, dass die Lkw-Maut-Mittel inzwischen fl ießen. Wir haben uns lange genug über das Maut-Chaos ärgern müssen. Allerdings werden diese Mittel nicht dem Infrastrukturausbau zur Verfügung stehen, wie das vorher versprochen worden ist. Die Bundesregierung kürzt nämlich parallel zu diesen zusätzlichen Einnahmen aus der Maut die regulären Haushaltsmittel. Dies ist ein glatter Wortbruch.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wollen Sie Schulden abbauen oder nicht?)

Jetzt ist er aufgewacht.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Sie haben halt so einschläfernd geredet!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Angebote des Freistaates Bayern und des Landes Baden-Württemberg zur Vorfi nanzierung werden nicht angenommen. Sogar Verpfl ichtungen aus internationalen Staatsverträgen werden nicht eingehalten. Die Bundesregierung konterkariert einen attraktiven Schienenverkehr und verhindert Verkehrsverlagerungen von der Straße auf die Schiene. Der Freistaat Bayern als Transitland und Verkehrsdrehscheibe kann dieses Verhalten der Bundesregierung natürlich nicht akzeptieren. Wir fordern daher mit unserem Antrag die Staatsregierung auf, auf die Bundesregierung einzuwirken, ihrer Aufgaben- und Finanzverantwortung für den Erhalt und den Ausbau der Schieneninfrastruktur gerecht zu werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was unter Rot-Grün passiert, ist paradox. Sie können sich doch daran erinnern, wie es vor 1998 war.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Ich sage es Ihnen gleich, Herr Rotter!)

Damals war die Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene das wichtigste Thema der Verkehrspolitik. Die derzeitige Realität sieht gänzlich anders aus. Die Schiene wird fi nanziell ausgeblutet. Aushöhlungen des Bundesverkehrsetats, im Besonderen Vorhaben der Bundesregierung, die Schienenverkehrsinfrastruktur in Bayern weiter zu vernachlässigen, soll die Staatsregierung entschieden entgegentreten. Wir fordern weiter, dass die Staatsregierung von der Bundesregierung weiterhin ein verstärktes Engagement für den Erhalt und die Verbesserung der Schieneninfrastruktur in Bayern einfordert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, außerdem geht es darum, dass der Freistaat Bayern die Vorfi nanzierungsangebote aufrechterhält. Das ist das Besondere an dieser Situation: Bayern wäre bereit, besonders wichtige Projekte vorzufi nanzieren. Der Freistaat erkennt an, dass der Bund womöglich im Moment nicht das Geld hat, um eine Strecke in diesem, im nächsten oder im übernächsten Jahr zu fi nanzieren. Deshalb hat der Freistaat Vorfi nanzierungsangebote gemacht, unter anderem für die Ausbaustrecke Ulm – Augsburg, die ein Herzstück des transeuropäischen Netzes, der Magistrale Paris – München – Wien – Budapest, ist. Der Ausbauabschnitt Augsburg – Ulm ist nicht in der 66er-Liste enthalten. Für die Modernisierung dieser Strecke gibt es keine zeitliche Perspektive, trotz der Aufrechterhaltung des Vorfi nanzierungsangebots und trotz der Priorität der Vorhaben im Zusammenhang mit den transeuropäischen Verkehrsnetzen.

Der Bund wird damit seinen Verpfl ichtungen gegenüber der Europäischen Union nicht gerecht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ähnliches gilt für die Strecke Nürnberg – Marktredwitz – Prag. Für diese Strecke ist im Bundesverkehrswegeplan die Elektrifi zierung vorgesehen. Aus fi nanziellen Gründen ist diese Strecke jedoch nicht in der 66erListe enthalten. Daher gibt es keine zeitliche Perspektive für diese sehr wichtige Strecke. Ähnliches gilt für die Strecke nach Prag über Furth im Wald.

Besonders paradox ist das Herumgeeiere der Bundesregierung und auch der DB AG bei der Elektrifi zierung der Strecke Geltendorf – Memmingen – Lindau. Dies ist eine wichtige Zulaufstrecke zur neuen Schweizerischen Alpen