Protokoll der Sitzung vom 11.05.2005

Wenn über Europa diskutiert wird, manchmal auch kontrovers diskutiert wird, dann ist dies weiß Gott kein Zeichen von Europafeindlichkeit, sondern dann ist das eine Auseinandersetzung mit der europäischen Sachpolitik. Europapolitik ist Innenpolitik, nicht Außenpolitik. Wir müssen darüber reden: Was sind die besten Lösungen für Europa? Wenn es ab und zu abweichende Meinungen gibt, dann muss man das als große Volkspartei auch ertragen können, meine Damen und Herren.

Herr Kollege Maget, die Diskussion um Europa war durchaus differenziert. Auch die SPD musste einen langen Weg nach Europa zurücklegen. Kurt Schumacher hatte natürlich Probleme mit dem Petersberger Abkommen, mit dem Beitritt Deutschlands zum Europarat, mit dem Beitritt Deutschlands zur Montanunion, mit dem Beitritt Deutschlands zur europäischen Verteidigungsgemeinschaft.

(Zuruf des Abgeordneten Franz Maget (SPD))

Ich nenne dies nur und bin froh, dass sich die Situation heute geändert hat. Wir sollten aber das Ringen um Lösungen nicht von vornherein als Europafeindlichkeit bezeichnen.

Die Union steht in einer großen europäischen Tradition. Ich erinnere an den ersten Kommissionspräsidenten, Walter Hallstein; ich erinnere an Konrad Adenauer; ich erinnere an Helmut Kohl, die man mit Recht als die Architekten des europäischen Einigungswerkes bezeichnen kann. Wir befi nden uns noch im unmittelbaren Umfeld des 9. Mai, des Europatages. Der 9. Mai ist deshalb der Europatag, weil an diesem Tage im Jahre 1950 Robert Schumann seine große Rede gehalten hat. Er hat die Vereinigung Europas sozusagen als Vision dargestellt, als Antwort auf den 8. Mai, den Tag des Endes der größten Katastrophe Deutschlands und Europas. Das ist das, was Europa darstellt – ein Raum des Friedens, der Freiheit und des Rechtes. Wenn man sieht, was aus dieser Vision geworden ist, dann kann man, glaube ich, mit gutem Recht sagen: Das, was Schumann damals als Vision entwickelt hat, ist das größte weltweit zu besichtigende politische Erfolgsprojekt, meine Damen und Herren, und darauf können wir stolz sein.

Wir debattieren heute über den Verfassungsvertrag. Aufseiten der GRÜNEN gibt es Probleme, den Gottesbezug anzuerkennen, der natürlich zur Tradition Europas gehört. Ich möchte Europa als Wertegemeinschaft in einem Bild zusammenfassen: Es gibt drei Hügel, von denen das Abendland seinen Ausgang genommen hat: „Golgatha, die Akropolis von Athen und das Capitol in Rom. Aus allen ist das Abendland geistig gewirkt, und man darf alle drei, man muss sie als Einheit verstehen.“ Meine Damen und Herren, dieses Zitat

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Demnach fehlt ein Gottesbezug!)

stammt von unserem ersten Bundespräsidenten, Theodor Heuss. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Er hat in eindrücklicher Klarheit gesagt, dass Europa nicht nur eine Frage von – in Einheiten der heutigen Währung gesprochen – Euro und Cent ist, sondern dass Europa natürlich eine Gemeinschaft von Werten ist. Wenn wir diese Gemeinschaft von Werten haben, dann sollten wir uns auch zu dieser Gemeinschaft bekennen. Wenn das im Verfassungsvertrag nicht möglich war, weil die Einigung unter 25 Staaten sehr schwierig ist und es laizistische Staaten gibt, meine Damen und Herren, dann macht es sehr wohl Sinn, in einem Entschließungsantrag des Bayerischen Landtages auf diesen Gottesbezug hinzuweisen. Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass dieser Hinweis gegeben wird.

Meine Damen und Herren, bewerten wir diesen Verfassungsvertrag. Von Anfang an gab es immer den europäischen Spagat zwischen Zentralismus und Föderalismus, zwischen Zentralismus und Subsidiarität. Es ist selbstverständlich, dass wir Souveränität abgeben müssen. Für mich war letzten Endes aber etwas schockierend, dass ich vor 14 Tagen auf der ersten Seite der „Süddeutschen Zeitung“ einen Satz aus dem Munde des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, lesen

musste: Föderalismus ist das Problem Europas. Ich sehe das genau umgekehrt: Nicht Föderalismus ist das Problem Europas, sondern Zentralismus ist das Problem Europas. Mir ist ziemlich unverständlich, wie eine solche Äußerung aus dem Munde eines deutschen Ministerpräsidenten kommen kann.

(Zuruf von der CSU: Noch-Ministerpräsident!)

Wir haben im Verfassungsvertrag sehr viele Ansätze, um Subsidiarität und föderale Strukturen in Europa zu verwirklichen.

Herr Kollege Dr. Runge, Sie haben die Daseinsvorsorge erwähnt. Durch Bundeskanzler Schüssel ist noch sehr deutlich formuliert worden, dass die Daseinsvorsorge in der Ausgestaltung und in der Finanzierung bei den dafür Verantwortlichen liegt. Ich kann Sie beruhigen: Wenn der Deutsche Städtetag – Petra Roth sitzt als Präsidentin des Deutschen Städtetages im Ausschuss der Regionen – ausdrücklich sagt, wir stimmen diesem Verfassungsvertrag zu, dann brauchen Sie sich selbst nicht unbedingt so sehr den Kopf darüber zu zerbrechen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Wir haben einen eigenen Kopf!)

Zum ersten Mal ist die kommunale Selbstverwaltung anerkannt. Zum ersten Mal ist in einer Beschreibung der Subsidiarität anerkannt, dass nicht automatisch die zentralistische Lösung die bessere ist, wie es in Artikel 5 Absatz 2 EG-Vertrag stand. Jetzt haben wir eine Formulierung, die durchaus abwägt und sagt: Im Zweifel hat die kleinere Einheit den Vorrang. Deshalb sehen wir mit den Instrumenten, die mit der Subsidiaritätsrüge und der Subsidiaritätsklage angeboten werden, dass das Prinzip der Subsidiarität jetzt besser als in der Vergangenheit verwirklicht werden kann. Es hat sozusagen Zähne bekommen – aus der Sicht mancher vielleicht nur Milchzähne; immerhin ist das aber ein deutlicher Fortschritt gegenüber dem, was wir bisher hatten.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Dr. Runge, wenn wir die Europapolitik zum Feld zentraler Auseinandersetzung machen, bedeutet dies natürlich, dass wir als CSU und als CDU sagen: Die europäischen Spielregeln müssen eingehalten werden. Ich frage Sie: Ist es europafeindlich, wenn wir darauf hinweisen, dass durch den Volmer-Erlass jahrelang ein Zustrom von Migranten möglich war, den gestern Kommissar Frattini als mit dem Schengen-Übereinkommen absolut nicht vereinbar bezeichnet hat? Das ist doch nicht europafeindlich. Wir sagen: Die Bundesregierung muss sich an die europäischen Spielregeln halten.

Ist es im Interesse der Bürger verkehrt, wenn wir darauf hinweisen, dass der Euro als Ersatz der D-Mark nur dann akzeptiert wird, wenn er stabil bleibt, und dass wir jeder Aufweichung des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes entschieden entgegentreten? Wir sind doch die europäische Partei. Die Bundesregierung hat versucht, aus Verpfl ichtungen herauszukommen.

Wir verstehen Auseinandersetzungen nicht in dem Sinn, dass wir eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber Europa einnehmen, meine Damen und Herren.

Ich meine, wir müssen auch klar und deutlich machen, dass wir in der Frage der globalen Position Europas vielleicht einige Unterschiede haben, Herr Kollege Maget. Es ist nicht das Thema, in einer immer schnelleren und immer größeren Erweiterungsphase Europas die innere Architektur zu vergessen.

Ich meine, wir müssen konsolidieren und Europa innen ausbauen. Das ist auch das Ziel dieses Verfassungsvertrages. Solange wir unsere eigenen Hausaufgaben nicht gemacht haben – und das sind riesige Transformationsprozesse -, können wir nicht immer wieder neue Erweiterungsrunden bis hin zur Türkei eröffnen, welche die europäischen Institutionen, die Finanzen und die Bürger letzten Endes überfordern.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das hat der große Europäer Kohl anders gesehen! - - Franz Maget (SPD): Das haben Sie doch eingeleitet!)

Herr Kollege Maget, dieser neue Verfassungsvertrag liefert mit dem Artikel 57 durchaus einen Ansatzpunkt, um strategische Partnerschaften zu schließen und strategische Nachbarschaftspolitik zu betreiben.

Auch das ist ein Grund dafür, dass wir diesem Verfassungsvertrag zustimmen

(Franz Maget (SPD): Endlich! Aber das hätten Sie nie selbst zuwege gebracht!)

und dass wir nicht nur ständig weitere Erweiterungsrunden eröffnen.

Ein Wort noch zur Frage nach Rumänien und Bulgarien. Ich habe die Verantwortung für zwei Regierungskommissionen zwischen Bayern, Rumänien und Bulgarien. Wir unterstützen beide Länder. Wir müssen aber sehen, dass Bedingungen wichtiger sind als der Zeitplan. Das haben wir auch unseren Freunden in Bulgarien und in Rumänien deutlich gemacht. Ich habe mit Europaministerin Kunewa aus Bulgarien gesprochen. Auch bei der Erweiterung müssen die Bürger die Sicherheit haben, dass die europäischen Spielregeln und die Bedingungen gelten und dass Bedingungen wichtiger sind als der Zeitplan. Eine Verschiebung der Zeitachse wäre kein Unfall für Europa. Darauf kann man sich einigen. Die Österreicher haben in den Beitrittsverträgen Bedingungen ausgehandelt, die deutlich besser sind als das, was Deutschland ausgehandelt hat. Auf der Website des österreichischen Bundeskanzleramtes können Sie das nachlesen. Das gilt sowohl für die zehn bisherigen als auch für die zwei neuen Beitrittsländer.

(Franz Maget (SPD): Das ist auch ein Unterschied, das wissen Sie ganz genau!)

Natürlich besteht zwischen Österreich, Bulgarien und Rumänien nach wie vor ein bestes Verhältnis. Wenn das so ist, und wenn wir in Nachverhandlungen das Gleiche verlangen, was Österreich ausgehandelt hat, wird sich das Verhältnis zwischen Bayern und diesen Ländern nicht verschlechtern. Letzten Endes sollten wir auch im Bayerischen Landtag über Fragen der Europapolitik eine intensive Auseinandersetzung führen, weil Bayern an der Nahtstelle der Erweiterung mit der Vision eines zentraleuropäischen Wirtschaftsraumes, der sich seit dem Fall des eisernen Vorhangs entwickelt, eine unglaublich positive Zukunftsperspektive hat. Entscheidend ist allerdings das, was wir daraus machen und wie wir unsere Bürger und unsere Wirtschaft darauf einstellen. So wie Österreich diese Reform angepackt hat, hat sich Österreich wesentlich besser auf diese Situation eingestellt als wir. Österreich hat weniger als 5 % Arbeitslose, es hat ein Wirtschaftswachstum von 3 %, und es hat die gleichen Rahmenbedingungen wie auch Deutschland.

(Franz Maget (SPD): Und einen besseren Kündigungsschutz und mehr Mitbestimmung!)

Meine Damen und Herren, dieser Verfassungsvertrag ist ein Vertrag, der die Regionen stärkt, der die Transparenz fördert und der die demokratische Verantwortung der nationalen Parlamente stärkt. Er bringt die Mehrebenendemokratie Europas in einen Zusammenhang. Letztlich bringt er auch den Bundestag und den Bundesrat in eine selbständige Beziehung zur Europäischen Union. Ich habe mich vor einem Jahr bei einer Subsidiaritätstagung im Bundesrat mit den gesammelten Stellungnahmen des Bundesrates zu Wort gemeldet. Diese Stellungnahmen haben bisher nicht sehr viel bewirkt, weil sie zum großen Teil zu spät abgegeben wurden und zum großen Teil gar nicht angekommen sind. Das, was wir jetzt als Frühwarnsystem in der Europäischen Union auf der Grundlage des Vertrages entwickeln können, stellt die Zusammenarbeit auf eine völlig neue Ebene. Das heißt, Bundestag und Bundesrat werden in einer Frühphase der Gesetzgebung in die Formulierung dieser Gesetze eingebunden und können nicht erst dann darüber debattieren, wenn die Würfel in Brüssel schon gefallen sind. Das stellt uns vor eine Herausforderung. Wir von der Bayerischen Staatsregierung werden uns sehr frühzeitig in die Prozesse einschalten. Wir werden auch den Landtag frühzeitig und intensiv informieren, denn wir brauchen die Europäische Debatte nicht nur in Brüssel – dort geht sie zum großen Teil unter -, sondern hier im Bayerischen Landtag. Wir brauchen sie im Bundestag und im Bundesrat, um dieses Europa transparenter und bürgernäher zu machen.

Meine Damen und Herren, was wäre, wenn dieser Vertrag abgelehnt würde? In zehn Staaten muss ein Referendum stattfi nden. 15 Staaten müssen ihn im Parlament ratifi zieren. Österreich ratifi ziert ihn vielleicht heute, Deutschland am 12. Mai im Bundestag und am 27. Mai im Bundesrat. Ein französisches Nein würde Europa in eine ziemliche Krise stürzen. Deswegen ist das Signal, das von Deutschland ausgeht, wichtig. Frankreich als Gründungsnation ist sich – so meine ich – seiner Verantwortung bewusst, dass ein französisches Ja für den europäischen Prozess wichtig ist, vor allen Dingen auch für die französische Position in diesem Europa. Ich persönlich habe

großes Zutrauen. Umfragen ändern sich auch sehr schnell.

Was wäre die Folge eines Neins und einer Nichtratifi zierung dieses Vertrages? Ohne diese Verfassung bleibt der Vertrag von Nizza, über dessen zu geringe Bedeutung sich alle einig sind. Alle, die diesen Verfassungsvertrag aus welchen Gründen auch immer kritisieren, müssen sich überlegen, dass jede Kritik, die gegenüber diesem Vertrag geäußert wird, auch auf den Vertrag von Nizza in wesentlich größerem zutrifft, wenn sie mit ihrer Verantwortung dazu beitragen, dass der Vertrag von Nizza bleibt. Im Vertrag von Nizza lesen Sie nichts vom Gottesbezug. Im Vertrag von Nizza steht auch nichts von einer Grundrechtscharta. Im Vertrag von Nizza ist das deutsche Stimmengewicht niedriger als im neuen Vertrag. Im Vertrag von Nizza steht nichts von einem Frühwarnsystem. Wenn Papst Benedikt XVI. diesem Vertrag zustimmt, sollten manche, die mit dem Gottesbezug ein Problem haben, auch nicht päpstlicher sein als der Papst.

(Margarete Bause (GRÜNE): Gehört jetzt der Vatikan auch schon zur EU? – Franz Maget (SPD): Ihre Blickrichtung ist falsch!)

Das sage ich in aller Deutlichkeit. Wir stimmen diesem Verfassungsvertrag zu, im Bewusstsein, dass dieser Vertrag natürlich nicht das Ende, sondern eine Aufgabe ist, um in der Europapolitik um die besten Lösungen zu ringen. Die besten Lösungen werden immer strittig sein. Aber dieser Vertrag bietet ein gutes Instrumentarium, um mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Bürgernähe nach Europa zu bringen. Diesen Zielen fühlt sich die Bayerische Staatsregierung verpfl ichtet.

(Hans Joachim Werner (SPD): Die Bundesregierung hat auch gut verhandelt!)

Wir stimmen deshalb am 27. Mai im Bundesrat zu.

(Beifall bei der CSU)

Zu Wort hat sich noch einmal Kollege Dr. Runge gemeldet.

Herr Präsident, Herr Minister Sinner, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erlaube mir schon diesen Nachschlag, weil ich es so empfunden habe, dass Sie den Weg der Ausgewogenheit und der Ausdifferenziertheit verlassen haben, denn Sie müssen natürlich die Interessen der Staatsregierung vertreten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch einmal einige wenige Klarstellungen: Die eindeutige Botschaft in der Rede von mir war, dass meine Fraktion mehrheitlich die Position eines kritischen Jas zum Verfassungsvertrag vertritt. Wir stimmen aber jetzt nicht über den Verfassungsvertrag ab, sondern über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion. Darin gibt es reihenweise Punkte, die von uns geteilt werden.

Es gibt aber auch viele Punkte, die von uns nicht geteilt werden. Ich habe mehrere herausgegriffen, zum Beispiel die gemischte Zuständigkeit auf manchen von Ihnen kritisch betrachteten Feldern und die Formulierung zum Gottesbezug. Es geht gar nicht so sehr um den Gottesbezug an sich, wie Sie es darstellen wollten, sondern es geht um die Formulierung. Es gibt sehr viele, die darüber froh sind, dass der Gottesbezug nicht im Vertrag enthalten ist. Es gibt aber auch andere, die die Position unseres Außenministers teilen, der erreichen wollte, dass der Gottesbezug hineinkommt, der aber die Gründe dafür gut erklären konnte, dass es nicht möglich war, ihn aufzunehmen. Herr Minister Sinner, wenn Sie auf diesen Gottesbezug eingehen, geben Sie uns eine Steilvorlage, denn die Wurzeln des Christentums liegen auch in der Türkei. Das bitte ich bei Ihrer künftigen Erweiterungsdebatte auch zu berücksichtigen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE) – Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Flieg du erst einmal nach Ägypten!)

Zweiter Punkt: Daseinsvorsorge. Das sehen wir kritisch, genau wie Ihre Fraktion. Unser Antrag ist damals einstimmig durchs Plenum gegangen. Die Formulierung vom österreichischen Bundeskanzler Schüssel ist nichts anderes als eine Leerformel, die wenig hilfreich ist. Herr Minister Sinner, sehen Sie sich doch einmal die Praxis an: Was nützt denn die Beteuerung, die Neutralität ist gegeben? Was nützt die Neutralität auf Eigentümerschaft, auf Organisationsform und auf Finanzierung? Was hilft es, zu beteuern, dass der hohe Stellenwert für den territorialen und sozialen Zusammenhang anerkannt würde, wenn gleichzeitig über Rahmengesetze der Rahmen so stark verändert wird, dass den Kommunen häufi g nur die Flucht ins Privatrecht übrig bleibt, zur Organisationsprivatisierung, und anschließend bleibt nur noch die Flucht in die materielle Privatisierung.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Christ (CSU))

Deshalb sehen wir diesen Punkt sehr kritisch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum nächsten Punkt. Auch hier möchte ich Sie noch einmal korrigieren. Eigentlich wissen Sie es sehr wohl besser, Sie wollten hier nur etwas polemisieren. Sie haben geantwortet auf meine Forderung, der Landtag solle eingebunden werden. Sie sind der Souverän, Sie müssen das tun. Sie haben dann auf den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion verwiesen. Vielleicht ist Ihnen entgangen, dass die ersten Dringlichkeitsanträge zu diesem Thema von uns stammen. Diese Anträge sind schon weit über ein Jahr alt. Wir haben immer wieder zu europäischen Fragen Anträge eingebracht, sowohl Dringlichkeitsanträge als auch reguläre Anträge. Wir haben schon lange vor Ihnen einen Antrag zur Dienstleistungsrichtlinie eingebracht und eine Anhörung zum Thema Dienstleistungsrichtlinie durchgeführt. Es geht aber um etwas anderes. Ich unterstreiche Ihre Kritik zur Äußerung von Herrn Steinbrück, der fordert, die Länder sollen sich massiv zurückziehen. Schauen wir doch einmal an, was die Formulierungen zum Frühwarnsystem dann überhaupt taugen sollen. Wir

vermuten, der Bund hat nicht unbedingt ein großes Interesse daran, Subsidiaritätsverstöße zu monieren und schon gar nicht, gegen Sie vorzugehen. Hier sind deshalb die Länder gefordert. Allerdings sagen wir, solche Themen sollen nicht im Bundesrat verbleiben, denn der Bundesrat ist ganz klar ein Exekutivorgan. Nehmen Sie uns bitte mit. Ich gehe davon aus, dass Sie das auch tun werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)