Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Ablehnung des Verfassungsvertrages in Frankreich und den Niederlanden hat gezeigt: Die EU hat Akzeptanzprobleme. Wir hatten in Deutschland keine Volksabstimmung. Aber wenn wir uns daran erinnern, wie die Wahlbeteiligung bei den letzten Europawahlen war, muss man feststellen, dass das Unbehagen gegenüber Europa durch Wahlenthaltung ausgedrückt wurde, und das müssen wir sehr, sehr ernst nehmen. Die Abstimmungen haben offenbart, dass Europa längst in der Krise ist aus Sicht der Bürger. Das ist ein Warnschuss. Die Europäische Union muss offener und demokratischer werden und die Bürger stärker einbeziehen.
Wir können uns gerne darüber unterhalten, was die Forderung der CSU war. Die Forderung der CSU war in den letzten Jahren immer, dass die Europäische Union mehr Kompetenzen und Aufgaben wieder auf die Mitgliedstaaten überträgt, zurückverlagert und
dass die Überregulierung abgebaut wird. Wir haben im Verfassungsvertrag einiges erreicht, Herr Kollege, aber das ist noch lange nicht zufriedenstellend, und der Verfassungsvertrag gibt durchaus auch die Möglichkeit, dass sich die Europäische Union in die Daseinsvorsorge in den Bereichen Sport, Tourismus, Energieversorgung insgesamt einmischt.
(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Deswegen haben wir ja im letzten Plenum nicht zugestimmt, unter anderem natürlich!)
Das ist durchaus möglich. Ich glaube, dass die Analyse des Abstimmungsverhaltens in Frankreich und den Niederlanden zeigt: Wir brauchen auch eine Pause in der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten. Die CSU ist dafür immer als europafeindlich kritisiert worden. Wie weit weg die SPD und die GRÜNEN vom Volk sind, haben, glaube ich, die Wahlergebnisse bei den letzten Europawahlen bestätigt.
Und dass die Bundesregierung weit weg vom Volk ist, zeigt auch das Verhalten des Bundeskanzlers. Frau Dr. Kronawitter, halten Sie es politisch wirklich für klug, dass in dieser sensiblen Zeit der Bundeskanzler seine Bereitschaft erklärt, insgesamt mehr zu bezahlen,
Ich glaube, eines können Sie Schröder lassen: Er hat in Frankreich gepunktet, allerdings bei den Neinstimmen. Mehrere Kommentatoren haben festgestellt, dass die Franzosen einen ausgeprägten Nationalstolz haben und sich nicht vom Ausland, schon gar nicht von einem deutschen Bundeskanzler, sagen lassen, was sie zu wählen haben, von einem deutschen Bundeskanzler, der in Deutschland erklärt hat: Ich bin gescheitert und der ruft: Ich bin Kanzler, holt mich hier raus.
Das ist Thema. Schröder hat in Frankreich mit dazu beigetragen, dass sich die Zahl der Neinstimmen erhöht hat. Lesen Sie die Berichte und Kommentare der französischen Zeitungen.
Die zentrale Reformforderung der CSU ist und bleibt die Konzentration auf Kernaufgaben. Die Europäische Union muss sich auf Aufgaben konzentrieren, die nur auf europäischer Ebene gelöst werden können, und die Europäische Union muss mehr Einigkeit bei der Sicherheits- und
Außenpolitik zustande bringen, die gemeinsame Agrarpolitik reformieren und die Fragen der fi nanziellen Regelungen ab 2006 und 2007 klären. Es ist an der Zeit, dass die Zentralisierungsdynamik der Europäischen Union zurückgeschraubt wird. Europa braucht mehr Transparenz, das heißt auch, die Regelungsdichte ist viel zu stark und vertreibt Arbeitsplätze aus Deutschland und aus Europa.
Es ist kaum zu erwarten, dass die Europäische Union mit der jetzigen Regelungsdichte und mit dem jetzigen bürokratischen Aufwand ihr Lissabon-Ziel erreicht, bis zum Jahr 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden.
Erfolg verlangt Zustimmung. Eine Krise ist immer auch eine Chance. Europa ist wesentlich mehr als eine bloße Wirtschaftsgemeinschaft, Europa ist eine Wertegemeinschaft. Ich bin der festen Überzeugung, dass im Herbst die Bundestagswahl die große Chance dafür bietet, dass in Europa deutsche Interessen wieder mehr vertreten werden und damit die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern für die Vision und das gemeinsame Haus Europa steigt.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Deml, ich bin bei Ihren letzten Sätzen wieder froh gewesen, dass Sie zur Thematik Ihrer Aktuellen Stunde zurückgekehrt sind; denn bei den bisherigen Beiträgen der CSU hatte ich den Eindruck, dass es eigentlich völlig gleichgültig ist, welches Thema Sie gewählt haben, weil es Ihnen eigentlich nur darum ging, sich mit der Bundespolitik auseinander zu setzen.
Das kann ich verstehen. Aber wir sollten, wenn wir unsere eigene Thematik und das, was Sie selber hier einbringen, ernst nehmen, diesen Weg nicht gehen. Die Frage, ob Schröder hier zu Neinstimmen beigetragen hat oder nicht, will ich da nicht weiter bewerten. Aber Tatsache ist – das hat von Ihnen niemand kritisiert –, dass Bundestag und Bundesrat versucht haben, in Frankreich eine positive Einfl ussnahme herbeizuführen, und auch da waren Sie dabei. Ich fi nde es aber schäbig, wenn Sie hinterher sagen, aber das alles waren nicht wir, das waren nur die anderen.
Herr Kollege Sackmann hat also damit begonnen, wir nähmen die Ängste der Bevölkerung nicht ernst. – Wo ist er denn?
Vielleicht richten Sie es Herrn Sackmann später aus, er kann aber auch das Protokoll nachlesen. Ich fi nde es aber einen sehr schlechten Stil, der erste Redner seiner Fraktion zu sein, aber sich noch während der Debatte aus dem Staub zu machen.
Ihr Selbstbewusstsein in Ehren, aber wenn man vor so viel Kraft nicht mehr gehen kann, sollte man hier zumindest die Regularien respektieren.
Herr Sackmann hat also gesagt, wir nähmen die Ängste der Bevölkerung nicht ernst. Dazu möchte ich Ihnen nur eine Gegenfrage stellen – beurteilen Sie das einmal möglichst kritisch für sich selbst: Welchen Beitrag haben Sie in der Vergangenheit geleistet und welchen Beitrag sind Sie jetzt zu leisten bereit, um Ängste vor Fremden in der Bevölkerung, die natürlich bestehen und die immer bestanden haben, abzubauen? Welche Beiträge haben Sie geleistet, solche Ängste zu vertiefen und zu schüren?
Herr Sackmann hat eine Reihe weiterer Dinge gebracht, Menschenrechtsverletzungen genannt und etwa gesagt, wir wollten keine multikulturelle Gesellschaft, der Islam sei intolerant. Ich will hier gar nicht auf Einzelheiten eingehen. Meine Damen und Herren, ob Sie es wollen oder nicht, ich muss Ihnen sagen: Wir haben in Teilen unserer Großstädte eine multikulturelle Zusammensetzung der Bevölkerung. Wir haben in München, Nürnberg und in anderen Städten Schulklassen, in denen mehr ausländische als einheimische Kinder sind. Dies ist eine multikulturelle Zusammensetzung. Ich möchte Sie wirklich bitten, diese Realität endlich wahrzunehmen und den Leuten nicht immer zu sagen: Um Gottes willen, wir sind aber kein Einwanderungsland. Nehmen Sie diese Realität wahr und fügen Sie ebenso wie wir noch hinzu, dass es keine multikulturelle Rechtsordnung gibt; denn die Rechtsordnung ist die der Bundesrepublik Deutschland und – im Rahmen – natürlich auch die Europas. Das ist die Rechtsordnung, und um die geht es.
Sie, wie Herr Sackmann, der aber jetzt nicht da ist, werfen uns alle diese Dinge – Menschenrechtsverletzung usw. – vor. Nein, meine Damen und Herren, Sie brauchen doch nur die letzten vier bis fünf Jahre zu beobachten. Was ist in der Türkei geschehen, nachdem Europa klargemacht hat, dass sie Beitrittskandidat sei? In der Türkei hat ein Reformprozess ohnegleichen stattgefunden. Sie müssen auch einmal den Zusammenhang damit sehen, müssen sehen, welch positive Auswirkung das nicht nur in der Türkei, sondern auch in der weiteren Umgebung hat, wenn sich dort die Stellung der Frauen verändert, wenn Menschenrechte beachtet werden und Folter und dergleichen eingeschränkt und abgeschafft werden. Solche
Fortschritte sollten Sie nicht kleinreden, sondern herbeireden. Sie sollten auch hierzu einen Beitrag leisten, anstatt nur dagegen zu hetzen.
Sie müssen sich einmal vorstellen, was in den letzten vier bis fünf Jahren geschehen wäre, wenn die Position, die Sie heute vertreten, die Position der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union gewesen wäre. Dann hätte dieser gesamte Prozess innerhalb der Türkei mit Sicherheit nicht stattgefunden und wäre die Gleichberechtigung von Frauen, die Sie so herbeisehnen, in dem Maß nicht annähernd Tatsache geworden, wie es der Fall gewesen ist.
Ich versuche immer, möglichst wenig an Schärfe hineinzubringen, wenn ich die Dinge auch klar darlegen möchte. Ich meine das ganz ernst. Ich messe das, was ich sage, daran, ob es wahr ist. Ich sage Ihnen nun noch etwas, was nicht nur objektive Wahrheit ist, sondern auch eine Bewertung enthält: Nach meinem Eindruck – da bin ich nicht alleine – haben Sie in der Vergangenheit das ganze Thema „Ausländerpolitik“ vor allen Dingen an dem Thema „Türkei“ gemessen und immer für innenpolitische Zwecke instrumentalisiert.
Sie waren gar nicht im Raum, Sie wissen nicht, was vorhin Ihre Kollegen alles verzapft haben, was nur mit dem Wahlkampf, aber überhaupt nicht mit dem heutigen Thema zu tun hat. Herr Dr. Kreuzer, wenn man so spät hereinkommt wie Sie, sollte man erst einmal ruhig sein; das ist das Allererste.
Nochmals abschließend folgender Satz: Sie haben das Thema „Ausländerpolitik“ innenpolitisch immer instrumentalisiert und missbraucht. Ich möchte Sie dringend bitten, einmal das Gesamte zu sehen und nicht nach dem Motto zu handeln: Wenn es uns, der CSU, nützt, machen wir es – auch dann, wenn es in Deutschland der Bevölkerung und auch den hier lebenden Ausländern schadet. Ich bitte Sie, das in Zukunft anders zu machen.
Herr Kollege Volkmann, vielen Dank, auch für Ihre Handbewegung, dass Sie zur Kenntnis genommen haben, ich habe auf die
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bei Ihnen, Herr Kollege Volkmann, kann man immer so herrlich beobachten, wie Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung auseinander klaffen.