Protokoll der Sitzung vom 09.06.2005

Aber Sie sollten nicht abweichen von dem, was Sie fordern. Sie sagen, EU-weit sei der Verbrauch von Pfl anzenschutzmitteln angestiegen. Ich betone noch einmal, dass viele der Wirkstoffe, die Sie angesprochen haben, dort noch zugelassen sind, obwohl sie bei uns verboten sind.

Ziel muss es sein – darüber sind wir uns, glaube ich, einig –, nur so viel Pfl anzenschutzmittel auszubringen wie unbedingt nötig und so wenig wie möglich einzusetzen.

Dabei ist jetzt die Frage, was wir tun. Wir in Bayern tun eine ganze Menge. Unsere Maßnahmen werden zum Teil von anderen Bundesländern und von anderen Ländern der Europäischen Union angefordert und abgerufen. Wir haben mit Prognosemodellen dazu beigetragen, dass der Einsatz in vielen Bereichen in den letzten 10 bis 20 Jahren zum Teil um ein Viertel, in anderen Bereichen um die Hälfte zurückgegangen ist.

Unser Ziel ist es erstens, mit Prognosemodellen den Landwirten zu helfen, dass sie entscheiden können, ob ein Einsatz von Pfl anzenschutzmitteln überhaupt notwendig ist.

Das Zweite ist, dass die Pfl anzenschutzmittel termingerecht ausgebracht werden. Auch die Aufwandsmenge wird immer wieder mit modernen Informationsmitteln den Landwirten mitgeteilt. Wir haben eine Informationsoffensive gestartet. 50 % der Landwirte haben Zugang zum Internet. Sie können das heute täglich abfragen. Über 123 Wetterstationen wird das auf lokale Empfehlungen heruntergebrochen. Wir haben auch diejenigen, die das Internet nicht haben, durch Telefonansagedienst und Telefaxdienst in unserem Beratungsangebot. Die Zahl der Anfragen hat zugenommen. In den Monaten März und April 2004 waren es 43 000 Zugriffe, im gleichen Zeitraum dieses Jahres 164 000 Zugriffe.

Ich sage es noch einmal: Hier fehlt mir die Zeit, aber wir sind gerne bereit, Sie zu informieren. Die Prognosemodelle werden, wie gesagt, mit aktuellen Daten und mit rechnergestützten Maßnahmen dem Landwirt zur Verfügung gestellt, um ihm einen geringen Einsatz zu ermöglichen.

Sie haben in Ihrem Antrag die Pfl anzenschutzmittelverordnung angesprochen. Demnach müssen die Pfl anzenschutzgeräte alle 24 Monate überprüft werden. Dies erfolgt. Ich könnte Ihnen die Zahlen nennen.

Sie haben außerdem Reinigungseinrichtungen gefordert. Hierbei ist die Situation so, dass neue Geräte ab dem Jahr 1998 dies haben müssen. Darüber hinaus möchte ich anführen, dass es sich bei der Ausstattung der Geräte um Bundesvorgaben handelt. Dieser Antrag müsste sinnvollerweise an den Bund gestellt werden und die Veränderungen müssen über Vorschriften des Bundes vorgenommen werden.

Sie sprechen dann von der Ausbildung. Auch diesbezüglich sehe ich keine Differenz. Wir haben einen Sachkundenachweis. Er ist Voraussetzung für die Ausbringung von Pfl anzenschutzmitteln. Das ist im Pfl anzenschutzgesetz geregelt. Im bayerischen Bildungsprogramm fördern wir das. Es hat oft Diskussionen gegeben, warum wir das tun. Hier werden Kenntnisse über die Eigenschaften von Pfl anzenschutzmitteln vermittelt und Schulungen zu Verfahren und Techniken der Ausbringung der Pfl anzenschutzmittel und des Umgangs mit Pfl anzenschutzgeräten durchgeführt.

Wir bieten darüber hinaus in jedem Winter regelmäßig Fortbildungsveranstaltungen an. Wir informieren während des Jahres – ich habe das vorhin schon gesagt – über Pfl anzenbauversuche. Diese Veranstaltungen werden in hohem Maße angenommen. Die Bayerische Landesanstalt hat im Jahr 2002 ein Merkblatt dazu herausgegeben. Das wurde in der Praxis 49 500-mal angefragt.

Drittens sind die grundwasserintensiven Gebiete ein Schwerpunkt der Beratungsarbeit. Die Bauern werden immer wieder über mögliche Alternativen, also über den Einsatz weniger kritischer Präparate, aufgeklärt. In vielen

Bereichen ist der Einsatz des Maisherbizidwirkstoffes deutlich zurückgegangen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Paulig?

Vielen Dank. Herr Staatsminister, wenn Sie so viele Maßnahmen ergreifen, frage ich Sie: Wie erklären Sie es sich dann, dass über alle vergangenen Jahre die Pestizidbelastung des Trinkwassers nicht zurückgegangen ist?

Bei Atrazin wissen wir, dass es sich um Abbaustoffe handelt. Sie müssen schon unterscheiden, ob das frisch ausgebrachtes Atrazin ist oder ob es die Abbaustoffe sind. Die Abbaustoffe sind über längere Zeit nachweisbar. Ich betone noch einmal: Auch deshalb wurde Atrazin in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zugelassen, während sein Einsatz in anderen Ländern der Europäischen Union noch gestattet ist. Ich halte es für richtig, dass man Atrazin verboten hat. Das bedeutet allerdings höhere Produktionskosten für unsere Landwirte. Die Analysen sind heute so sensibel, dass kleinste Mengen nachgewiesen werden können.

Es dauert eine Zeit, bis das abgebaut ist. Es handelt sich dabei um schwer abbaubare Pfl anzenschutzmittel.

Wir haben auch ein Verdichtungsprogramm dort, Frau Paulig, wo in Bodenproben hohe Atrazinkonzentrationen aufgefallen sind, und wir gehen der Sache nach. Die Zuständigkeit liegt bei der Wasserwirtschaftsverwaltung, mit der wir aber hervorragend zusammenarbeiten. Was Sie in Ihrem Antrag fordern, wird bereits gemacht, das hat auch die SPD-Fraktion festgestellt. Sie rennen offene Türen ein. Wir sind dabei, mit modernen Methoden – ich sage es noch einmal – den Einsatz von Pfl anzenschutzmitteln weiter zu reduzieren. Wir wollen vorbildlich alles anbieten, weil sich hier die Interessen der Landwirte, der Verbraucher und der Natur decken. Ziel muss sein, den Einsatz noch weiter zu verringern – ich sage es ganz deutlich – und vor allem Rückstände zu vermeiden.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Aussprache geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz empfi ehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dagegen dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenprobe! – Die CSU-Fraktion. Enthaltungen? – Die Fraktion der SPD. Der Antrag ist damit abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach der Tagesordnung kommen jetzt die Dringlichkeitsanträge.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge

Als Ersten beraten wir:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Dr. Heinz Kaiser, Dr. Hildegard Kronawitter u. a. u. Frakt. (SPD) Für eine gerechte Lohn- und Einkommensteuer (Drs. 15/3505)

Als erster Redner hat sich Kollege Wörner gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Dringlichkeitsantrag begehren wir, dass die Debatte über die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertags- und Schichtzuschlägen sowie über die Entfernungspauschale sofort abgebrochen wird. Ich begründe dies wie folgt:

Wer da sagt, das seien Subventionen, der sollte gefälligst genau hinsehen. Ich halte es da mit den Landwirten: Das ist keine Subvention, sondern ein Ausgleich dafür, dass die meisten dieser Menschen sehr erfolgreich für diese Gesellschaft arbeiten, nämlich in Krankenhäusern, bei Polizei und Feuerwehr, im öffentlichen Nahverkehr, auf Pfl egestationen. Für diese Menschen, die soziale Leistungen für diese Gesellschaft erbringen, hat sich die Gesellschaft klugerweise einmal dafür ausgesprochen, ihnen einen Teil der Steuern für die Zulagen in den Stunden, in denen sie tatsächlich Soziales leisten, zu erlassen.

Wer diesen Menschen dies nun wegnimmt, zeigt ihnen, wie er soziale Leistungen schätzt, nämlich überhaupt nicht. Wer in die Taschen dieser Menschen greift, handelt zutiefst unsozial. Diesen Menschen, die durch ihren Schichtdienst aus dem Gesellschaftsleben ausgegrenzt werden, die dadurch erheblich höhere Scheidungsraten haben, die auch sonst im Gesellschaftsleben benachteiligt sind, wollen Sie auch noch in die Tasche greifen.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich halte es schlicht für eine Unverschämtheit, Menschen, die Leistungen für die Gesellschaft erbringen, dafür zu bestrafen, damit Sie nach oben umverteilen können – darum geht es doch gerade. Sie wollen mit dem Geld, das Sie dem kleinen Mann, von dem Sie ständig sagen, Sie seien für ihn da, aus der Tasche nehmen, eine Umverteilung nach oben betreiben. Im Grunde müssten Sie sich schämen. Mit dem „C“ in der Partei hat das gar nichts zu tun, aber das haben Sie längst aufgegeben, Sie haben es nur noch nicht gespannt.

Heute wird in der „Süddeutschen Zeitung“ darüber berichtet, dass man die neoliberalen Forderungen der FDP in die Schranken weisen müsste. Ja, meine Damen und Herren, was machen Sie denn gerade? Die Forderungen, die die FDP vor fünf bis sechs Jahren gestellt hat, nehmen Sie jetzt auf, wollen sie umsetzen. Das kann es doch wohl nicht sein. Sie sollten sich schämen, diesen Menschen in die Tasche zu greifen.

Ein Zweites ist die Entfernungspauschale. Sie wollen, dass Menschen immer fl exibler werden, dass Menschen immer weiter zur Arbeit fahren. Aber wenn sie es tun, wenn sie fl exibler werden, weg von ihren Heimatstandorten, irgendwohin, wo es Arbeit gibt, dann wollen Sie sie auch noch dafür bestrafen, dass sie fl exibler sind. Wieso soll ein Arbeitnehmer auch noch fl exibel werden, wenn Sie ihm dafür die Entfernungspauschale wegnehmen wollen? Das müssen Sie einmal erklären, wie Sie das auf die Reihe kriegen wollen. Noch einmal: Sie sind auf dem besten Wege, in die Fußstapfen einer neoliberalen FDP zu treten.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Zugleich behaupten Sie, Sie wollen sie bekämpfen. Das ist schon interessant.

Eines fällt mir auf: Warum ist eigentlich Kollege Kobler nicht da? Er als so genannter Vertreter der CSA, des Arbeitnehmerfl ügels, müsste doch lauthals schreien. Aber vielleicht ist er genau deshalb nicht da: weil er mir zustimmen müsste.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Kolleginnen und Kollegen! Sie schädigen die Volkswirtschaft dadurch,

(Dr. Otmar Bernhard (CSU): Die haben Sie schon zugrunde gerichtet!)

dass Sie den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Schichtdienst – es handelt sich um ungefähr 35 000 Betroffene – Einnahmen wegnehmen wollen, und es geht da um zwischen 300 und 500 Euro. Dadurch entziehen Sie dem Markt Kaufkraft. Da klagen Sie, dass die Binnenkonjunktur nicht mehr funktioniert. Ja, warum denn nicht? Weil Sie den Menschen immer mehr Geld wegnehmen wollen. Wie wollen Sie das in der Logik Ihrer Wirtschaftsphilosophie erklären? Das haut so nicht ganz hin, Kolleginnen und Kollegen. Wir fordern deshalb namentliche Abstimmung, weil wir schon sehr genau wissen wollen, wer diesem Antrag zustimmt, wer zutiefst arbeitnehmerfeindlich und unsozial ist und Menschen bestraft, die soziale Leistungen für diesen Staat über das normale Maß hinaus übernehmen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das ist doch Ihr Antrag!)

Wir wollen, dass Sie unserem Antrag zustimmen, und bitten Sie deshalb, dafür Sorge zu tragen, dass der Unfug, der in irgendwelchen Köpfen ausgegoren worden ist, endlich wieder beerdigt wird. Stimmen Sie mit uns für diesen Antrag, damit dieser Unfug unterbleibt!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Bernhard das Wort. Bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dieser Dringlichkeitsantrag der SPD zeigt

zunächst einmal, dass Sie Ihre Abwahl wohl schon realisiert haben, sonst bräuchten Sie keinen Antrag zu stellen, dass im Bundestag bestimmte Gesetze nicht beschlossen werden.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir sind hier nicht im Bundestag! Wir wollen wissen, was Sie wollen!)

Anscheinend richten Sie sich realistischerweise schon auf die Oppositionsrolle im Deutschen Bundestag ein.

Herr Kollege Wörner, wenn man beurteilen will, was gegenwärtig und in den kommenden Jahren, sage ich einmal, leider notwendig sein wird, dann muss man sich wenigstens kurz vergegenwärtigen, in welche Lage RotGrün die Bundesrepublik in sieben Jahren gebracht hat. Das ist der Hintergrund für das Ganze. Niemand kommt doch auf die Idee, irgendwelche Kürzungen vorzunehmen, wenn es nicht notwendig ist. Was haben Sie gemacht – Herr Kollege Wörner, das ist unsozial –: eine exorbitante Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik produziert.

(Beifall bei der CSU – Johanna Werner-Muggen- dorfer (SPD): Das ist doch nicht wahr! – Thomas Mütze (GRÜNE): Sie haben doch öfters mitgestimmt!)

Das ist viel schlimmer als die Kürzung irgendwelcher Zuschläge. Hartz IV, das Sie immer so angepriesen haben, ist heute zu einem Monster geworden, das Ihnen vollständig aus dem Ruder gelaufen ist. Wir haben eine anhaltende Wachstumsschwäche, und das ist der Kern unseres Problems. Wir werden in Zukunft unsere sozialen Fragen nicht vernünftig lösen können, wenn es nicht gelingt, endlich mehr Wachstum zu generieren. Da sind wir uns doch völlig einig. Das haben Sie in diesen sieben Jahren nicht fertig gebracht, sondern wir sind mit das wachstumsschwächste Land überhaupt geworden.