Kolleginnen und Kollegen, Sie vergessen, dass Sie die Kommunen, also die Sachaufwandsträger, nach wie vor in einer Art und Weise belasten, die nicht mehr akzeptabel ist. Auch darüber muss diskutiert werden, wenn über die bayerische Bildungspolitik gesprochen wird.
Trotz des Pisa-Ergebnisses bleibt es dabei, dass im Freistaat die stärkste Selektion betrieben wird, und zwar im zehnten Lebensjahr. Diese Selektion ist im Vergleich zu anderen Ländern höher als irgendwo sonst. Auch das kann keine gute Bildungspolitik sein.
Es kann auch nicht in Ordnung sein, wenn man Kinder im zehnten Lebensjahr selektiert, die Schullaufbahn festlegt, und zwar völlig unabhängig von ihrem entwicklungspsychologischen Stand.
Auch die soziale Herkunft ist nicht so toll, wie Sie das darstellen wollen. Nur 20 % aller Kinder aus Arbeiterfamilien, die die Übertrittsoption für das Gymnasium haben – ein Notendurchschnitt von 2,33 beim Übertrittszeugnis –, nutzen diese Möglichkeit. Wollen Sie die anderen 80 % abschreiben? Es ist ein Problem, dass noch immer viel zu wenige Kinder, obgleich sie das könnten, einen höheren Bildungsabschluss machen. Auch das vergessen Sie, wenn Sie hier die bayerische Bildungspolitik loben. Auf der anderen Seite nehmen 90 % aller Beamtenkinder
diese Übertrittsoption wahr. 90 %! Hier besteht doch ein politisches Problem, das Sie endlich zur Kenntnis nehmen müssen. Da hilft es auch nichts, wenn Sie hier lachen, wenn diese Probleme genannt werden. Das ist die Arroganz der Zweidrittelmehrheit. Das ist nichts anderes, was Sie hier machen.
Nach wie vor ist es auch so, dass Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängt. Das wurde von der Pisa-Studie auch nicht widerlegt. Nach wie vor haben die Kinder derjenigen, die gut verdienen, bessere Bildungschancen. Sie haben die bessere Schullaufbahn vor sich, da gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Zum Schluss möchte ich noch einmal etwas aufnehmen, was Sie, Herr Staatsminister, gesagt haben. Sie haben erklärt, Sie werden Ihren Weg konsequent fortsetzen. Das fasse ich eher als Drohung in der bayerischen Bildungspolitik auf.
Wollen Sie wirklich akzeptieren, dass ein großer Teil der Schülerinnen und Schüler in Bayern weiterhin keinen Schulabschluss hat, wenn Sie Ihre Bildungspolitik konsequent so fortführen?
Wollen Sie weiterhin akzeptieren, dass es auch in dem Landkreis, in dem Sie Abgeordneter sind, zu große Klassen gibt? Wollen Sie das weiter ignorieren?
(Ernst Weidenbusch (CSU): In meinem Landkreis? Sie wissen doch gar nicht, in welchem Landkreis ich Abgeordneter bin! Sie haben doch keinen einzigen Stimmkreis gewonnen! Bei Ihnen gibt es überhaupt nur noch Wahlkreise! – Heiterkeit bei der CSU – Allgemeine Unruhe – Glocke des Präsidenten)
Meine Damen und Herren, wollen Sie weiterhin akzeptieren, dass Bayern, wenn Sie den Weg so fortsetzen, wie Sie das hier angekündigt haben, im Vergleich zu den anderen Bundesländern die größte Selektion hat? Wollen Sie akzeptieren, dass Bildung vom Geldbeutel der Eltern
abhängt? Wollen Sie akzeptieren, dass wir einen Großteil der Schülerinnen und Schüler nicht erreichen?
Wenn Sie das nicht wollen, dann empfehle ich Ihnen, das Pisa-Ergebnis mit Demut zur Kenntnis zu nehmen und an der Stabilisierung zu arbeiten, indem Sie Ihre Bildungspolitik entsprechend anpassen: mehr Investitionen in die Bildung, größere Chancengleichheit, kleinere Klassen, mehr Lehrer, bessere Rahmenbedingungen für Eltern. Das ist das Gebot der Stunde, auch wenn die Pisa-Studie, zugegebenermaßen,
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Leider wird meine Zeit nicht reichen, auf jeden Unfug einzugehen, der gerade vom Kollegen Pfaffmann dem Parlament dargelegt wurde.
Ich möchte auch keine Bewertung im Stil einer Notengebung abgeben, denn Kollege Pfaffmann hat all diejenigen, die bei der Pisa-Studie nicht so erfolgreich wie Bayern abgeschnitten haben, vor allem auch die Eltern in Nordrhein-Westfalen, mit der Note 6 ausgezeichnet. Das fi nde ich schon äußerst bemerkenswert. Wir freuen uns in Bayern heute über das erfolgreiche Abschneiden unser Schülerinnen und Schüler und über die Rahmenbedingungen, die das ermöglicht haben. Wenn die „Süddeutsche Zeitung“ am 15. Juli 2005 berichtet: „Erfolgreiche Aufholjagd“, dann ist dem eigentlich nichts hinzuzufügen.
(Joachim Wahnschaffe (SPD): Dann hören Sie doch auf! – Margarete Bause (GRÜNE): Es wurde schon alles gesagt, aber nicht von jedem!)
Lieber Herr Kollege Wahnschaffe, es gibt ein paar Dinge, die noch gesagt werden müssen. Die Opposition hat es noch immer nicht verstanden. In einer GEW-Studie – also wahrlich nicht in einer Studie, die von einer CSU-nahen Organisation in Auftrag gegeben wurde – übrigens eine spannende Lektüre, wurde festgestellt, dass wir in Bayern günstige Rahmenbedingungen haben, und dass wir mit einer verlässlichen Bildungspolitik und einem effi zienten Einsatz der Finanzmittel vorangehen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist im Parlament schon mehrfach gesagt worden: Unsere Investitionen in die Bildung sind Investitionen auf hohem Niveau, sie münden in ein Mehr an Unterrichtsstunden. Dieses Mehr
an gutem, qualitativ hohem Unterricht mit Unterstützung der Eltern und mit gut ausgebildeten Lehrern, die das Ganze mit auf den Weg gebracht haben, führt dazu, dass wir heute sagen können: Wir sind an der Weltspitze angelangt. Das kann auch kein Schlechtreden der Opposition mehr ändern!
Das Motto ist: mehr Unterricht und bessere Leistung. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon bemerkenswert, wenn Kollege Maget am 13.05.2005 – vor Bekanntgabe der Pisa-Ergebnisse – Folgendes in einer Pressemitteilung von sich gibt: „Nirgendwo sonst spielt die Herkunft eine so große Rolle für den Schulabschluss wie in Bayern“. Das ist nicht nur eine gewagte These, das Gegenteil war der Fall. Die rot-grüne Bildungspolitik in den anderen Ländern ist auf der ganzen Linie gescheitert.
Der Minister hat es angesprochen, das Beispiel der Kopplung zwischen sozialer Herkunft und mathematischer Kompetenz im Ländervergleich. Die Ergebnisse zeigen mehr als deutlich, inwieweit Bildungspotenziale ausgeschöpft werden und ob es gelingt, gerechte Bildungschancen zu realisieren. Sie, Herr Kollege Pfaffmann, sind einfach auf dem Holzweg. Es gibt in Deutschland beträchtliche Unterschiede. Das ist im Bericht auch klar und deutlich nachzulesen. Es gibt in einigen Ländern relativ schwache Zusammenhänge zwischen dem Merkmal der sozialen Herkunft und der mathematischen Kompetenz. Das nennt man 14 bis 15 % der so genannten aufgeklärten Varianz. Varianz ist nichts anderes als die Standardabweichung, eine Abweichung vom Mittelwert, den man quadriert und der zu erklären gibt, ob Unterschiede zufällig oder nicht zufällig sind. Hier zeigt sich, dass in Brandenburg, Bayern, Thüringen und Sachsen niedrige, schwache Zusammenhänge zu fi nden sind. Das Schlusslicht aber ist immer noch das von der Opposition immer wieder zitierte Bremen. Dort sind starke Zusammenhänge vorhanden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn ich hergehe, und lobe Bremen für die höchste Abiturientenquote, für die höchste Zahl von Hochschulabschlüssen, dann muss ich fragen: Um welchen Preis, auf welchem Niveau? – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, darauf wollen wir unseren Kompass wirklich nicht einstellen. Der Kompass zeigt nach Bayern – sonst nirgendwohin!
Wenn ich schon bei den Beispielen bin, möchte ich auch aus dem Original des Vorberichts zitieren – ich habe ihn natürlich hier mitgebracht.
Ich verstehe eigentlich die Aufregung seitens der Opposition nicht, denn es hat doch geheißen, dass Sie die Freude teilen.
Ich möchte doch zu Ihrer Freude zur Kenntnis geben, dass ich die Kollegen Wahnschaffe und Pfaffmann beruhigen kann, die sagen, die Lesekompetenz sei in Bayern nicht so weit fortgeschritten. Im Vergleich mit OECD-Ländern und ausgewählten Ländern in der Welt sind wir in der Lesekompetenz – das ist zugegebenermaßen unser schlechtestes Ergebnis – weltweit auf dem sechsten Platz angelangt. Auch das ist ein weiter Sprung nach vorne.
Was liest man in diesem Bericht auf Seite 5? Liebe Kollegen von der Opposition, hören Sie doch zu, Sie ersparen sich das Nachlesen. Dort heißt es: „Auf nationaler Ebene bedeutet der Abstand in der Lesekompetenz zwischen Bremen mit 467 Punkten und Bayern mit 518 Punkten einen Abstand, der in Schulzeit umgerechnet mehr als ein Jahr betragen dürfte. Bei Pisa 2000 betrug dieser Abstand 62 Punkte.“ Auf hohem Niveau sind wir ein gutes Stück nach vorne gekommen. Deshalb frage ich mich, welche Chuzpe dazu gehört, dieses Ergebnis schlechtzureden, verehrte Kolleginnen und Kollegen. In diesem Zusammenhang wundert es mich fast nicht mehr, dass bei der Bekanntgabe der Pisa-Ergebnisse Frau Bulmahn die Spitzenergebnisse Bayerns – überall hat Bayern erste Plätze belegt – nicht mit einem lobenden Wort erwähnt. Die KMK-Vorsitzende, Frau Johanna Wanka, sagt, das sei nicht sehr fair. Ich kann nur sagen, die Vorsitzende hat Recht. Das ist nicht nur nicht fair, das ist in höchstem Maße unfair.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich darf noch einmal daran erinnern, dass der Minister die Abiturientenquote erwähnt hat. An einem kleinen Beispiel zeige ich Ihnen, wie sich schlechtreden auch auf andere Felder auswirken kann. Mit ihrer ständigen Forderung nach der höchsten Abiturientenquote liegen SPD und GRÜNE nicht nur auf dem Holzweg, sondern sie diskriminieren damit auch andere hochwertige Ausbildungen in Bayern auf schlimmste Weise.