Protokoll der Sitzung vom 20.07.2005

(Susann Biedefeld (SPD): Zulasten von Natur und Umwelt!)

Meine Damen und Herren, wenn ich Ihre Vorschläge höre, Frau Paulig und Herr Wörner, dann fällt mir ihre Tendenz auf: Es gibt nur Ge- und Verbote, und zwar bis zum Exzess. Sie glauben, nur so könnten wir Naturschutz erlangen. Wir haben eine andere Auffassung. Wir wissen, dass mit solchen Vorgaben alles andere, aber kein besserer Naturschutz zu erreichen ist. Für uns ist der Mensch in der Natur entscheidend, der Mensch, der die Landschaft nutzt und sich mit ihr identifi ziert. Der Mensch, der sich mit seiner Heimat identifi ziert und mit den Flächen, auf denen er arbeitet. Wir geben dem Menschen dabei Unterstützung und Richtlinien, wie auch die Natur zu berücksichtigen und weiter zu entwickeln ist.

Sie, meine Damen und Herren, sagen, Sie haben viele Vorschläge gemacht. Wenn diese Vorschläge substanziell gut und wesentlich gewesen wären, dann wären wir durchaus bereit gewesen, darauf einzugehen.

(Susann Biedefeld (SPD): Sie haben keine einzige inhaltliche Aussage im Umweltausschuss gemacht! Lesen Sie das Protokoll! – Unruhe bei den GRÜNEN)

Wenn Ihre ganze Vorschlagskraft darin besteht, dass andere Fachrechte im Extrakt und durch Querverweise ins Gesetz aufgenommen werden oder, dass Ausführungen, die im Bundesgesetz geregelt werden, noch einmal zu nennen sind, dann ist das doch sehr dürftig.

(Susann Biedefeld (SPD): Dürftig waren Ihre Argumente im Umweltausschuss! Ich kann nur jedem empfehlen, das Protokoll zu lesen!)

Einige Punkte stimmen einfach nicht. Man kann nicht auf alles eingehen. Einiges, was mir wichtig erscheint, möchte ich aber anschneiden. Ich möchte Regelungen nennen, die bei der Novellierung eingearbeitet wurden. Ich betrachte die Novellierung auch als gelungen.

Ein Thema war, das haben Sie gar nicht erwähnt, der Begriff, der eingeführt wurde und der unserem Sprachgebrauch gerecht wird. Es geht dabei auch um den Sinn der Begriffe. Ich möchte sie im Hohen Haus noch einmal erwähnen, weil jeder sich in seinem Sprachgebrauch darauf einstellen sollte. Wir haben den Begriff der Nachhaltigkeit immer sehr leichtfertig verwendet. Nachhaltigkeit ist seit Rio für uns alle positiv besetzt. Deshalb war auch manche Regelung im Gesetz nicht konsequent und logisch.

(Susann Biedefeld (SPD): Was die Nachhaltigkeit betrifft, werden wir den Umweltminister daran erinnern!)

Im Gesetz sprechen wir künftig von der „nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter“ in den Zielen, und in den Grundsätzen auch von den „nachhaltigen Landnutzungssystemen“, die anzustreben sind. Wir sprechen beim Schutzzweck von der „nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter“. Im Zusammenhang mit Veränderungen, mit negativen Veränderungen, sprechen wir von „erheblichen Landschaftsveränderungen“ und von „erheblichen Störungen“ usw. Meine Damen und Herren, es ist mir wichtig, dass uns das allen bewusst wird und, dass wir in Zukunft auch entsprechend damit umgehen.

Ein Thema, das Sie in meinen Augen bewusst überstrapazieren, ist der Einsatz der Grabenfräse. Wir waren uns 1998 einig, dass der Gebrauch der Grabenfräse geregelt werden muss.

(Susann Biedefeld (SPD): Da waren Sie doch noch gar nicht da!)

Ich darf Ihnen sagen, dass ich mein ganzes Berufsleben als Landschaftspfl eger in der Verwaltung mit dem Naturschutzgesetz zu tun hatte. Von daher weiß ich sehr wohl, worüber ich spreche.

(Beifall bei der CSU)

Die Grabenfräse war in der Tat auch für mich als Landschaftsökologe ein Thema. Sie wurde zur Recht ins Gesetz aufgenommen. Inzwischen hat sich aber Einiges getan. Auch wenn Sie es nicht wahrhaben wollen, die Landwirte – und das zeugt wieder von ihrer Kreativität – haben zusammen mit den maßgeblichen Stellen dieses Gerät weiterentwickelt. Das Landesamt für Umweltschutz, das Landesamt für Wasserwirtschaft und die Landesanstalt für Bodenkultur und Pfl anzenbau haben diese Weiterentwicklung begleitet und gehen davon aus, dass diese Grabenräumgeräte Auswirkungen haben, die mit der Arbeitsweise von Baggerlöffeln vergleichbar sind, wenn die schneidenden Elemente dieser Fräsen weg sind und wenn sie mit geringeren Touren laufen. Wenn sie alles das, was wissenschaftlich ausgewertet ist, anzweifeln wollen, kann ich Sie nicht verstehen. Wenn Sie hinausgehen und die Gräben mit Spaten und Schaufel räumen würden, könnte ich das alles verstehen.

(Beifall bei der CSU)

Es gibt leider auch Situationen, in denen es nicht möglich ist, mit dem Bagger über die Flächen zu fahren und mit dem LKW das Material abzufahren. Es gibt sehr sensible Bereiche, in denen solche Maschinen einbrechen würden, sodass diese Gräben nicht geräumt werden könnten. Deshalb ist eine etwas fl exiblere Handhabung bei der Grabenräumung doch angebracht.

(Henning Kaul (CSU): Die Grabenfräse ist wohl ein Symbol der GRÜNEN!)

Seit vielen Jahren stehe ich in engem Kontakt mit den Vertretern der unteren und der höheren Naturschutzbehörden. Ich habe dabei wirklich die Erfahrung gemacht, dass sie es sich nicht so leicht machen, sondern dass sie solche Möglichkeiten eher zurückhaltend zulassen. Ich bin mir sicher, dass das auch weiterhin der Fall sein wird.

(Zuruf von den GRÜNEN: Gilt das auch für die Landräte?)

Wissen Sie, was passiert, wenn ein Landrat eine ganz eklatante Verletzung begehen würde? Sie wären morgen die Ersten, die das groß anprangern und in die Medien bringen würden. Das kann sich ein Landrat gar nicht so ohne weiteres leisten.

(Beifall bei der CSU)

Ich will noch als weiteren Punkt die Eingriffsregelung ansprechen. Die Eingriffsregelung, die am Ende, wenn nichts anderes mehr hilft, eine Geldzahlung zulässt, haben wir seit vielen Jahren schon im Bundesgesetz. Bayern hat nie oder nur in den seltensten Fällen davon Gebrauch gemacht. Auch künftig wird es die Ultima ratio sein, mit Geldzahlungen Eingriffe zu kompensieren, soweit kein Ausgleich oder kein Ersatz geleistet werden kann. Wenn Sie draußen in der Praxis manchmal die Not sehen würden, Ausgleich und Ersatz in manchen Situationen noch zustande zu bringen, hätten Sie eher Verständnis. Ich habe einige Beispiele in Erinnerung. Da gibt es eine viel gegliederte Landschaft. Man kann nicht noch mehr hineinbringen. Ich denke zum Beispiel an eine Weinberganlage in Wörth am Main. Dort habe ich fast eine Parklandschaft und weiß gar nicht, wie ich dort Ersatz- oder Ausgleichsmaßnahmen unterbringen kann. Dort muss ich etwas mehr Möglichkeiten zulassen. Diese werden aber nicht überstrapaziert und ausgenutzt, sondern damit wird sorgfältig umgegangen.

Zum Thema Natura 2000-Flächen. Wir wollen nicht, dass alle diese Flächen mit Verordnungen und Festlegungen rechtlicher Art so stark belastet werden, dass wiederum unsere Bauern die Gelackmeierten sind.

(Beifall bei der CSU)

Ein typisches Beispiel – Henning Kaul hat es angeschnitten – ist die Wiesenweihe. Dabei kommen mir verschiedene Aspekte und verschiedene Gedanken in den Sinn, die ich mit diesem Beispiel anbringen kann. Bei uns in Franken gab es von der Wiesenweihe 1994 zwei Brutpaare. Im letzten Jahr hatten wir 85, in diesem Jahr sind

es 120. Herr Sothmann hat vorgestern gesagt, es wird schon problematisch, diese zu betreuen.

(Widerspruch des Abgeordneten Dr. Christian Magerl (GRÜNE))

Man kann sich nicht nur die Beispiele herauspicken, die einem selber passen. Sie müssen es sich auch gefallen lassen, dass wir einmal andere Beispiele herausholen.

(Beifall bei der CSU)

Die Wiesenweihe hat mit den Bauern aufgrund freiwilliger Verträge diese Populationsstärke erreicht. Auch wenn der eine oder andere Landwirt im letzten Jahr vielleicht brüskiert oder verschreckt war, die Landwirte haben heuer wieder mitgemacht. Das fi nde ich anerkennenswert, und das ist ein Beispiel dafür, dass diese Menschen für den Naturschutz etwas übrig haben, und dass sie ihn als Bestandteil ihrer Arbeit in der Landschaft sehen. Das müssen Sie ganz deutlich sehen.

(Beifall bei der CSU)

Ich will noch einen Punkt ansprechen, der heute von Ihnen nicht so angesprochen worden ist. Ich meine die Ausstattung der Landschaft mit Strukturen. Ich war im Bereich Prosselsheim, Euerfeld berufl ich tätig. Vor einigen Jahren wurde dort erwähnt, dass Strukturen fehlen. Wie relativ solche grundsätzlichen Forderungen sein können, will ich an dem Beispiel deutlich machen. Würden Hecken, Obstbaumreihen und weiß Gott was in stärkerem Maße in die Landschaft gepfl anzt, könnte die Wiesenweihe nicht die Population in dieser Stärke wie heute erreichen. Wir müssen eben differenzieren. Es gibt Landschaften, in denen mehr Strukturen angebracht und aufgrund der Nutzung auch sinnvoll sind. Es gibt Landschaften, in denen die Landwirtschaft Vorrang hat. Wenn dann noch eine so exotische Art wie die Wiesenweihe sich so explosionsartig vermehren kann, dass sie für ganz Europa Lieferbiotop sein kann, dann muss das auch einmal deutlich erwähnt werden.

(Beifall bei der CSU)

Wir wollen nicht, dass für diese Flächen vertraglich schutzgebietsartige Festlegungen erfolgen, sondern dass die Stärkung der Arten weiter auf freiwilliger Basis erreicht wird.

Frau Paulig, ich wollte auch noch einmal das Thema Gründlandumbruch anschneiden. Sie hatten in einer Pressemitteilung formuliert, dass Moore umgebrochen werden können.

(Ruth Paulig (GRÜNE): So ist es auch!)

Das ist natürlich sehr populistisch für den Part, den Sie vertreten. Wer bricht heute Moore um? Ich glaube, dafür gibt es entsprechende Mechanismen und Korrekturen. Es wird niemand daran gehen, ein Moor einfach umzubrechen – und das auch nicht in Überschwemmungsge

bieten. Wir sind alle um eine Nutzung bemüht, die dem Hochwasserschutz gerecht wird.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Warum schreiben Sie es dann nicht ins Gesetz hinein?)

Sie wissen doch, wie es im Bundesgesetz steht. Sie haben die Diskussion miterlebt. Ob es jetzt „sind zu unterlassen“ oder „Grünland soll beibehalten werden“ heißt, sind Nuancen, die nicht so grundsätzlich sind,

(Ruth Paulig (GRÜNE): Aber rechtlich doch relevant!)

dass es heißt, Grünland könne in solchen Bereichen umgebrochen werden. Das ist sehr konstruiert und weit hergeholt.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Die Praxis spricht aber etwas anderes! – Susann Biedefeld (SPD): Das sehen die Naturschutzverbände anders!)

Meine Damen und Herren, es liegt ein Stück weit auch an unserem Menschenbild, wie wir den Naturschutz sehen. Mir fällt gerade das Stichwort „landschaftsprägende Bäume und Baumgruppen“ ein. Frau Paulig, ich weiß, Sie hätten diese Begriffe gern noch im Gesetz untergebracht. Landschaftsprägende Bäume oder Baumgruppen sehen wir deswegen, weil in den zurückliegenden Jahrzehnten Menschen diese Bäume geduldet und gepfl egt haben und als Landwirte darum herumgefahren sind.

(Beifall bei der CSU – Ruth Paulig (GRÜNE): Heute macht man es aber genau andersherum!)

Diese Bäume sind den Menschen auch wichtig. Wenn heute ein Baum gepfl anzt wird und sich so entwickeln kann, dass er einen Durchmesser von 30 Zentimetern erreicht und damit landschaftsprägend wird, dann hat er einen Standort, wo er auch passt.

(Ruth Paulig (GRÜNE): Dann können Sie es doch hineinschreiben!)

Wir schreiben nicht alles ins Gesetz, was für uns selbstverständlich ist. Sonst könnten wir ein recht dickes Buch schreiben.

(Beifall bei der CSU – Ruth Paulig (GRÜNE): Ich bringe Ihnen Fotos!)

Ich weiß, dass es da einige Fotos gibt, aber das ist nicht der Normalfall. Ich weiß auch, wo wirklich solche Situationen zustande kommen, dass ein Baum gefährdet sein kann. Bei Flurneuordnungsverfahren ist es immer eine kritische Situation, wenn Grundstücke verändert werden. Aber ich weiß aus 15 Jahren Erfahrung, dass wir solche Bäume immer sichern, dass sie ausgemessen werden, dass die Zuteilung der Flächen so gewählt wird, dass die Bäume erhalten werden können. Darum kann ich nicht, nur um Ihnen einen Gefallen zu tun, dafür stimmen, dass das so mit aufgenommen wird.