Aus diesem Grunde bleiben wir in diesem Punkt auch bei unserer Ablehnung. Weil wir aber insgesamt das Gesetz nicht aufhalten wollen, werden wir uns wie im Ausschuss auch heute der Stimme enthalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatssekretär, Sie haben mir eben versichert, Sie seien der Einzige, der mir immer zuhört. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Wir haben Folgendes zu diesem Gesetzentwurf zu sagen: Wir begrüßen die „Schülerinnen“ im Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz. Die Regelung zu den beweglichen Feiertagen ist in der Praxis leider gescheitert. Das bedauern wir sehr. Allerdings ist sie deshalb gescheitert, weil es in Bayern nur sehr wenig Angebote der Kinderbetreuung gibt.
Ich komme nun zu Artikel 86 neuer Absatz 10, Herr Kollege Eisenreich. Darüber sollte man durchaus ein paar Worte verlieren. Es ist wichtig, eine gute Prävention zu haben, damit diese Gewalttaten, ich meine die richtig schlimmen Gewalttaten, erst gar nicht passieren. Da fehlt es unserer Auffassung nach an Sozialarbeitern. Das hat die Kollegin Pranghofer schon sehr deutlich ausgeführt. An dieser Stelle ist anzumerken, dass die erfolgreichen Streitschlichterprojekte, die es in vielen Schulen gibt, heute langsam „den Bach runtergehen“, weil die fi nanzielle Ausstattung und Unterstützung nicht mehr im gleichen Maße vorhanden sind. Es gibt unserer Meinung nach also Hebel, mit denen man frühzeitig tätig werden könnte.
Herr Eisenreich, Sie haben bezüglich der Nummern 1 und 2 des Artikels 86 eine gewisse Kompromissbereitschaft
gezeigt. Dafür danke ich Ihnen. Ich habe mich allerdings deshalb im Ausschuss der Stimme enthalten, weil der Gesetzentwurf relativ kurzfristig kam und wir noch nicht die Möglichkeit hatten, Alternativen zu prüfen.
Das haben wir inzwischen getan. Dazu ist zu sagen, dass für uns natürlich auch der Opferschutz sehr wichtig ist. Der Opferschutz muss jedoch der Verkürzung der Rechte der Betroffenen gegenüber gestellt werden. Hier ist die Frage zu stellen – das haben wir schon diskutiert – ob nicht die bisherigen Mittel ausreichen. Es ist verständlich, dass Sie im Falle von Gewalt Ordnungsmaßnahmen sofort vollziehen möchten. Diesem Anliegen muss Rechnung getragen werden. Dies ist jedoch bereits nach geltender Rechtslage kein unlösbares Problem.
Herr Kollege Eisenreich, ich würde an Ihrer Stelle nicht sagen, dass wir keine Ahnung hätten. Vielleicht bestehen in dieser Frage unterschiedliche juristische Auffassungen. Ich habe mich kundig gemacht und nenne Ihnen einige Fundstellen: Die erste ist Schmitt „§ 80, Randnummer 3“ in Eyermann: „Verwaltungsgerichtsordnung“. Außerdem nenne ich das Buch von Kiesl/Stahl: „Das Schulrecht in Bayern“. Dort steht: Außerdem sind neben Ordnungsmaßnahmen Maßnahmen des Hausrechts möglich. Ein gewalttätiger Schüler kann somit unter Umständen bereits kraft Hausrecht aus dem Unterrichtsraum oder der Schule verwiesen werden. Ich zitiere Juristen, die wirklich Ahnung haben.
Die Schulen haben also über das Hausrecht sofort die Möglichkeit, Opfer zu schützen. Die zweite Möglichkeit wäre, dass der Schulleiter die sofortige Vollziehbarkeit anordnet. Die sofortige Vollziehbarkeit ist möglich, wenn es ein eigenes Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit gibt. In der Regel ist dies bei schweren Verstößen gegen die Schulordnung, etwa bei Gewalttaten, der Fall. Daneben gibt es Maßnahmen des Hausrechts. Unser Jurist hat mir, nachdem er dies geprüft hat, gesagt: Die richtige Maßnahme wäre eine rechtliche Fortbildung der Schulleiter oder ein entsprechendes Schreiben, das über die Möglichkeiten aufklärt.
Herr Kollege, ich gebe hier eine Juristenmeinung wieder. Ich denke, angesichts der Zahl von 30 Fällen ist es nicht unstatthaft, wenn ich bei einer juristischen Stelle im Kultusministerium anrufe und mich darüber beraten lasse, wie die richtige juristische Formulierung lauten sollte.
Herr Kollege Weidenbusch, Sie haben heute Morgen eine Zwischenfrage gestellt, wo Sie nach der Zahl der kriminellen Fälle gefragt haben. Hier geht es nur um 30 Fälle. Deshalb müssen Sie das Argument, das Sie uns heute Morgen entgegengehalten haben, auch hier gelten lassen.
Herr Kollege Weidenbusch, da die Schulleitungen in begründeten Fällen die sofortige Vollziehbarkeit anordnen und sich Rechtsbeistand beim Kultusministerium holen können, ohne es übermäßig zu belasten, können wir einer aufschiebenden Wirkung nicht zustimmen.
Mit Ihrem Vorhaben wird eine Maus mit einem Elefanten totgeschlagen. Das muss nicht unbedingt sein. Für uns wiegt der neue Absatz 10 in Artikel 86 so schwer, dass wir den Gesetzentwurf zur Gänze ablehnen.
Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf auf Drucksache 15/3621 und die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses auf Drucksache 15/3826 zugrunde. Der federführende Ausschuss empfi ehlt Zustimmung mit der Maßgabe verschiedener Änderungen. Ich verweise insoweit auf die Drucksache 15/3826. Wer dem Gesetzentwurf mit diesen Änderungen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist die Fraktion der SPD. Es ist so beschlossen.
Da ein Antrag auf Dritte Lesung nicht gestellt wurde, können wir gemäß § 56 der Geschäftsordnung sofort die Schlussabstimmung durchführen. Ich schlage vor, sie in einfacher Form durchzuführen. Widerspruch erhebt sich nicht. Wer dem Gesetzentwurf in dieser Fassung zustimmen will, den bitte ich, sich vom Platz zu erheben. – Das ist die CSU-Fraktion. Gegenprobe? – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist die SPD-Fraktion.
Damit ist das Gesetz angenommen. Es hat den Titel „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen“.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulweges (Drs. 15/3619) – Zweite Lesung –
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Im Ältestenrat wurde hierzu eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion vereinbart. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Eisenreich.
Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum ersten Absatz verweise ich auf das, was ich vorhin gesagt habe.
Bei diesem Gesetz geht es nicht um die Kostenfreiheit des Schulwegs im Allgemeinen. Die vorliegende Regelung ist auf Schüler bestimmter Schularten beschränkt, zum Beispiel auf Gymnasiasten, Wirtschaftsschüler und Berufschüler ab der 11. Jahrgangsstufe. Diese Schüler haben bisher schon keinen Anspruch auf Kostenfreiheit für die Beförderung zwischen Wohnung und Schule. Stattdessen haben sie einen Fahrtkostenerstattungsanspruch, soweit die festgelegte Familienbelastungsgrenze von derzeit 340 Euro überschritten wird.
Hier gibt es eine starke soziale Komponente; denn für kinderreiche Familien und für Sozialhilfeempfänger entfällt diese Familienbelastungsgrenze unter bestimmten Voraussetzungen. Das bedeutet, die notwendigen Fahrtkosten werden in diesen Fällen in voller Höhe erstattet.
Warum diese Änderung? – Der Grund ist Hartz IV. Da nach dem Wortlaut des Gesetzes die Befreiung von der Eigenbeteiligung an den Schulwegkosten nur für Sozialhilfeempfänger gilt, ist es das Ziel des Gesetzentwurfs, auch die Empfänger von Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld in diese Vergünstigung einzubeziehen.
Das bedeutet im Ergebnis eine Ausdehnung der sozialen Komponente. Dies wiederum ist ein Beleg für das Ziel, dass in Bayern die Bildung nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen darf.
Zur Gegenfi nanzierung dieser Ausdehnung der sozialen Komponente muss die Familienbelastungsgrenze um 9 Euro erhöht werden. Unabhängig davon ist aufgrund der allgemeinen Kostenentwicklung eine Erhöhung der Familienbelastungsgrenze von derzeit 340 Euro um 21 Euro unumgänglich. Bei diesen Beträgen handelt es sich keinesfalls – wie dies von der Opposition kritisiert wird – um willkürliche Festlegungen, denen jegliche klare Berechnungsgrundlage fehle; denn der Anhebung aufgrund der Kostenentwicklung liegt der Lebenshaltungskostenindex zugrunde.
Die Anhebung zum Einbezug der Arbeitslosengeld-IIEmpfänger und der Sozialgeldempfänger ist auf der Grundlage der vorhandenen Daten ermittelt worden, soweit Daten vorlagen. Soweit keine Daten vorlagen, ist eine Prognose die Grundlage. Mehr kann derzeit nicht verlangt werden. Wir können uns nicht den Abbau von Bürokratie und Verwaltungshandeln auf die Fahnen schreiben und dann in einem solchen – eher kleinen – Fall eine empirische Erhebung einfordern.
Der richtige Weg ist das Angebot des Kultusministeriums, die Prognose zu überprüfen, sobald exakte Zahlen vorliegen. Der Grundsatz der Kostenfreiheit des Schulweges bleibt durch diese Änderung unangetastet. Die Anhebung der Familienbelastungsgrenze ist klar begründet. Die soziale Komponente wird durch diesen Gesetzentwurf auf Empfänger von Arbeitslosengeld II und Sozialgeld ausgedehnt und ist damit ein Solidarbeitrag für die fi nanziell Schwächeren in unserer Gesellschaft. Ich bitte um Zustimmung.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! In Ergänzung der Ausführungen des Kollegen Eisenreich noch ein paar Worte zum Sachverhalt.
Fakt ist, dass mit diesem Gesetzentwurf die Belastung von Familien, die nicht unter die Sozialkomponente fallen, erhöht wird. Das ist schlicht und einfach Fakt. Klar ist: Es gibt diese Sozialkomponente; Familien, die wenig Einkommen haben, sind ausgenommen. Die so genannten Normalfamilien – so will ich sie einmal nennen – fallen nicht unter die Sozialkomponente, und deren Belastung hinsichtlich der Bildung ihrer Kinder wird mit diesem Gesetzentwurf schlicht und einfach erhöht.
Sie wird schlicht und einfach dadurch erhöht, dass es, wie von Kollege Eisenreich richtig dargestellt wurde, einen Kostenerstattungsanspruch an den Staat gibt. Dieser wird zunächst an die Kommune gerichtet und dann über den Staat bei der Kostenerstattung zwischen Land und Kommune abgewickelt. Mit diesem Gesetzentwurf wird die Grenze von 340 auf 370 Euro erhöht. Das heißt: Die Familien in Bayern werden mit diesem Gesetzentwurf bei den Kosten für die Schulwegbeförderung für die auch richtig genannte Schülergruppe mit 30 Euro pro Jahr mehr belastet.
Folgerichtig heißt das – ich erinnere an die Diskussion von heute Morgen –, dass wir Ihr Konto der Belastungen der Eltern in Bezug auf Ausbildung und Bildung ihrer Kinder ein bisschen aufmachen können. Das Konto von 3,33 Euro bzw. 1,66 Euro monatlich, je nach Schulart – wobei sich der Gesetzentwurf nur auf jene bezieht, die 3,33 Euro bezahlen müssen, da die Grundschüler nicht erfasst sind –, müssen Sie um diese zusätzlichen 30 Euro pro Jahr erhöhen. In der Summe mag das immer noch lächerlich erscheinen – das ist aber ein weiterer Beitrag zur Eigenbelastung der Eltern in Bezug auf Bildung und Ausbildung ihrer Kinder. Deshalb ist das nach unserer Überzeugung ein weiterer Beitrag dazu, dass Bildung und Ausbildung in Bayern immer mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängig werden.
Kollege Eisenreich hat gesagt: Es muss gemacht werden. Natürlich muss es das nicht. Man könnte die Beträge, die sich an zusätzlicher Belastung für den Freistaat ergeben – das streite ich ja gar nicht ab –, nämlich aufgrund der Erhöhung der Kosten des öffentlichen Nahverkehrs wegen der unterschiedlichsten Faktoren und aufgrund der zusätzlichen Belastung wegen der Ausweitung der Gruppe der Familien mit so genannter Sozialkomponente, schlicht auch aus den Haushaltsmitteln des Freistaates Bayern fi nanzieren.
Ich erwähne in diesem Zusammenhang die Stellungnahmen, die nach dem Konnexitätsprinzip von den Städten und Gemeinden abgegeben wurden. Diese sagen dazu eindeutig, dass das durchaus durch eine Ausweitung des Haushaltes des Staates aufgefangen werden kann, da es sich im Grunde genommen nicht um Riesenbeträge handelt. Ich meine also, dass ein Muss zur Umlegung keinesfalls gegeben ist.
Kollege Eisenreich, Sie sind darauf eingegangen, dass hier nur mit Hochrechnungen gearbeitet werden kann. Der Städtetag und der Gemeindetag haben in der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf massiv kritisiert, dass nur mit Hochrechnungen gearbeitet wird und dass es auch ein sehr großes Ungleichgewicht beispielsweise zwischen den ländlichen Regionen und den großen Städten gibt. In den ländlichen Regionen sind die Schulwege – das Gleiche gilt für die Schulstandorte, die, das füge ich in Klammern ein, auch durch ihre Politik im Freistaat Bayern mehr und mehr gefährdet werden –, länger, weiter und damit teurer sind als in der Großstadt. Darüber sind wir uns vielleicht einig.
Sie legen die Belastung, derer sich der Freistaat Bayern in fi nanzieller Hinsicht entledigt, schlicht und einfach auf die Eltern um. Ich halte das Prinzip, dass man bei Kostensteigerungen Hochrechnungen macht, einfach umlegt und jeder den gleichen Anteil bezahlen soll, doch schlicht und einfach für sehr, sehr fragwürdig. Ich halte das Argument, das dazu vom Städtetag vorgebracht wurde, dass man so nicht verfahren kann, weil man es sich damit relativ einfach macht, sehr wohl für nachvollziehbar.
Die SPD-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf ablehnen. Er beinhaltet zusammengefasst eine weitere zusätzliche Belastung der Eltern, die ihre Beträge für die Ausbildung und Bildung ihrer Kinder monatlich erhöhen müssen. Das ist auch nicht gerecht, weil die Hochrechnungen eben nicht auf tatsächlichen Kosten beruhen oder eine wirklich betriebswirtschaftliche Rechnung zugrunde liegt. Auch der Gemeindetag hat kritisiert – letztlich geht dies auch aus Ihrem Gesetzentwurf hervor –, dass man die Grenzen nicht so eng gezogen hat. Man hat gesagt: Dann legt man lieber zwei oder drei Euro mehr um, dann ist der Staat auf der sicheren Seite; er muss nämlich wirklich nichts draufzahlen; zahlen müssen es die Eltern im Land Bayern. Die SPD wird diesen Gesetzentwurf aus den von mir dargelegten Gründen ablehnen.