Protokoll der Sitzung vom 21.07.2005

Einen Augenblick, Kollege Dr. Dürr. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte: Es ist wirklich wie in einer Kaffeeveranstaltung. Wir sind hier im Plenum. Ich bitte Sie, die Privatgespräche einzustellen.

Der Punkt ist: Die CSU hat keine Argumente, und darum will Sie auch keine Argumente hören.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU)

Ich bin wirklich gespannt, wie Sie meine Argumente, die ich jetzt vorgetragen habe, aufnehmen werden. Sie haben Sie doch gar nicht gehört, sonst würden Sie jetzt nicht so dumm „warum“ fragen. Ich bin wirklich gespannt, wie Sie diese Argumente widerlegen.

(Zurufe von der CSU)

Aber wie gesagt: Es geht Ihnen nicht um Argumente, es geht Ihnen ungeniert um Ihre Macht.

(Anhaltende Zurufe von der CSU)

Es ist so: Wenn es um Pöstchen geht, dann ist der CSU der Parlamentarismus wurscht. Er ist dann völlig egal.

(Beifall bei den GRÜNEN – Unruhe)

Sie interessiert die Stärkung der Landesparlamente offensichtlich nur dann, wenn sie gleichzeitig eine Stärkung der CSU bedeutet.

(Thomas Kreuzer (CSU): So wie Sie in Berlin! – Weitere Zurufe von der CSU)

So phantasielos sind Sie.

(Thomas Kreuzer (CSU): Und Sie in Berlin auch!)

Wie Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU, schon im Vorfeld auf unseren Vorschlag reagiert haben und wie Sie jetzt reagieren, zeigt, dass Sie mit Ihrer Zweidrittelmehrheit immer noch nicht umgehen können.

(Beifall bei den GRÜNEN – Widerspruch und Zu- rufe von der CSU)

Sie demonstrieren hier nichts anderes als die Arroganz der Macht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CSU: Buh!)

Gleichzeitig demonstrieren Sie auch momentan Ihre absolute Ignoranz, was Aufgaben, Bedeutung und Funktion der Opposition angeht. Davon haben Sie null Ahnung.

(Beifall bei den GRÜNEN – Thomas Kreuzer (CSU): Der größte Ignorant sind Sie! – Weitere Zurufe von der CSU – Gegenrufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Insbesondere der Kollege Herrmann offenbarte ein äußerst fragwürdiges Demokratieverständnis, als er in seiner Pressemitteilung vom 7. Juli erklärte, die CSU würde die bayerischen Interessen in Brüssel vertreten, nicht aber Rot-Grün. Das ist eine ziemliche Banalität, eine Blödheit eigentlich.

(Beifall bei den GRÜNEN – Manfred Ach (CSU): He, he! – Weitere Zurufe von der CSU)

Herr Kollege Dürr, das Wort würde ich nicht als parlamentarisch bezeichnen.

(Anhaltende Zurufe von der CSU)

Ich rede, solange ich will, und Blödheit ist in dem Sinn zu verstehen, dass es politisch nicht gerade geistreich ist, was Sie da tun. Es schadet den Interessen des Landtags und ist deswegen falsch.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Manfred Weiß (CSU), Manfred Ach (CSU) und Henning Kaul (CSU) – Gegenruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE): Sie sollten ganz ruhig sein, Herr Kaul, nach dem, was gestern war! – Anhaltende allgemeine Unruhe)

Ich rede weiter, aber Herr Präsident, diese vielen Zwischenrufe, das ist ja wohl ein Witz. Sorgen Sie bitte für Ordnung.

(Glocke des Präsidenten)

Kollege Herrmann hat außerdem behauptet, die CSU und die Staatsregierung seien die gewählten und legitimen Wahrer bayerischer Anliegen in der Europäischen Union.

(Joachim Herrmann (CSU): Bravo!)

Solche Äußerungen sind hanebüchen und tollkühn; denn, Kollege Herrmann, auch wir von der Opposition sind gewählte und legitime Wahrer bayerischer Interessen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lesen Sie ruhig mal wieder in der Bayerischen Verfassung nach. Dort steht in Artikel 13: „Die Abgeordneten sind Vertreter des Volkes.“ Sie sind es nicht nur für eine Partei. Das gilt für uns, aber das gilt auch für die CSU. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, während Sie, Kolleginnen und Kollegen der CSU, es offenbar erst wieder lernen müssen. Es gibt einen Unterschied zwischen Volk und Partei. Die Interessen Ihrer Partei, der CSU, sind nicht automatisch die Interessen des Volkes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber darum geht es Ihnen auch gar nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Herrmann hat im Jahre 2003 die demokratische Sensibilität der CSU gelobt wegen angeblicher Zugeständnisse an die Opposition. Das war damals schon falsch; denn Sie haben uns nichts zugestanden, und es ist auch heute falsch. Aber immerhin haben Sie damals in Ihrer Pressemittelung gleichzeitig auch zugestanden: Die CSU übt fairen Umgang mit der Opposition. Heute haben Sie nun die Chance, den fairen Umgang zu üben. Stimmen Sie unserem Wahlvorschlag zu.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Dr. Förster das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Emotionalität, mit der diese Debatte hier geführt wird, zeigt, dass die Bedeutung Europas und des Ausschusses der Regionen als ein Element der Europapolitik in diesem Hohen Hause angekommen ist. Das ist vielleicht das gute Zeichen, das man vorweg sehen kann.

Lassen Sie mich nun ein wenig zur Versachlichung der Debatte beitragen. Ich war zwar nicht sonderlich gut in Latein in der Schule, habe aber gelernt, dass Föderalismus auf das lateinische Wort „foedus“ zurückgeht, was soviel heißt wie Bündnis oder Verbindung.

(Prof. Dr. Walter Eykmann (CSU): Sehr richtig!)

Heute ist die dringende Reformbedürftigkeit des Föderalismus nicht nur im Deutschen Bundestag, sondern meiner Meinung nach auch in diesem Hohen Hause angekommen. Ich habe zu meiner Freude und Zufriedenheit

feststellen können, dass nahezu alle Mitglieder dieses Parlaments überzeugte Anhänger des föderalen Systems der Bundesrepublik Deutschland sind und nachhaltig dafür eintreten, dass gerade die Landtage in ihren Zuständigkeiten und Kompetenzen gestärkt werden.

Was in Deutschland lange und gute Tradition hat, war im EU-Europa bei weitem nicht so selbstverständlich und gefestigt wie bei uns. Erst in den letzten zehn Jahren hat sich der Grundsatz der Subsidiarität in der EU durchgesetzt und wurde sukzessive in den Verträgen verankert.

Die Folge dieser Entwicklung ab dem Jahre 1994 war die Errichtung eines Ausschusses der Regionen, über dessen weitere Besetzung wir hier heute reden. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Wir wissen alle, dass nach wie vor hart darum gekämpft werden muss, den Regionen die erforderlichen Mitspracherechte bei der europäischen Gesetzgebung einzuräumen und dies, obwohl drei Viertel der europäischen Richtlinien und Verordnungen in den Regionen und Kommunen umgesetzt werden müssen.

Durch das Stocken des Ratifi zierungsprozesses des EUVerfassungsvertrages, der eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips vorsieht, kommt dem Ausschuss der Regionen aus meiner Sicht nun eine doppelt wichtige Stellung zu, wenn es darum geht, die Interessen der Regionen und insbesondere natürlich Bayerns erfolgreich zu vertreten.

Doch gerade diese so bedeutende Angelegenheit der Interessenvertretung Bayerns in Europa kann nur gelingen, wenn Bayern von außen und gerade in Brüssel als Fötus, als ein in sich geschlossener Bund wahrgenommen wird. Dies kann nur erricht werden, wenn zum einen die Vertreter der Exekutive und Legislative, zum anderen aber vor allem auch Angehörige der Opposition im Bayerischen Landtag als gewählte Repräsentanten der bayerischen Bevölkerung diese Interessenvertretung mit ausfüllen können; denn die gesamte bayerische Bevölkerung hat das Recht auf eine angemessene und kompetente Repräsentation in der EU.

Um hier gleich etwas vorweg aufzugreifen: Mir ist es schnurzegal, wie es in anderen Ländern aussieht. Ich bin vom bayerischen Wähler gewählt worden, um jetzt in meiner Zuständigkeit die Interessen Bayerns in Europa zu vertreten, und darum rede ich heute hier.

Dass wir von der SPD-Fraktion dieses Anliegen ernst nehmen, haben Sie unter anderem auch daran gesehen, dass wir den Antrag zur EU-Verfassung des Kollegen Bocklet, weil er gut und richtig war, einstimmig unterstützt haben, während einige Kollegen der CSU dem nicht folgen wollten.

(Zuruf von der SPD)

Ich wiederhole: Die gesamte bayerische Bevölkerung hat das Anrecht auf eine angemessene und kompetente Repräsentanz in der EU, nicht nur weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten, die eine bestimmte Partei gewählt haben.