Herr Kollege Stockinger, es wäre sehr schön, wenn Sie den Vorsitzenden des Bildungsausschusses nicht davon abhalten würden, meiner Rede zuzuhören.
Solange es in Bayern noch Kinder gibt, Herr Kollege Waschler, denen aufgrund ihrer Herkunft der Weg zum Abitur versperrt ist,
so lange haben Sie kein Recht, über vermeintliche Erfolgsmodelle zu jubeln. Machen Sie Ihre Hausaufgaben!
In der vergangenen Woche haben wir im Bildungsausschuss meinen Antrag hinsichtlich der Schlüsse, die aus Pisa zu ziehen sind, behandelt. Erstaunlich war, Herr Kollege Nöth, dass Sie die meisten Schritte begrüßt haben. Leider mangelt es Ihnen am Willen zur Umsetzung.
Machen wir weiter mit Ihrem Erfolgsmodell: Jährlich verlassen 8 bis 10 % der Schülerinnen die Schule ohne Abschluss. Halten Sie das für erfolgreich? Pro Schuljahr müssen etwas 58 000 Schülerinnen eine Klasse wiederholen. Ein Fünftel der unter 15-Jährigen bricht den Besuch
Ich kann gern fortfahren: 15 bis 20 % der Jugendlichen erreichen keinen berufl ichen Abschluss. Das ist doch nicht beispielhaft. Oder: In Bayern gibt es ein massives regionales Gefälle im Bildungssystem. Beispielsweise ist die Quote des Übertritts ins Gymnasium in Oberbayern mit 38 % am höchsten, während in Niederbayern nur 28 % den Sprung ins Gymnasium schaffen.
Machen wir weiter: Bildung in Bayern kostet. Die Eltern werden abgezockt. Beispiele hierfür sind erstens das Büchergeld, zweitens Ihr Ansinnen, Studiengebühren einzuführen.
Kommen wir zu einem weiteren Thema. Ich nenne es „offene Baustellen in den Gymnasien“. In den Gymnasien haben wir mit 28 Schülerinnen die höchste Klassenstärke seit 25 Jahren. Die Realschulen platzen aus allen Nähten. Sie tun nichts, obwohl Sie den Realschulen bei ihrer Einführung etwas anderes versprochen haben. 34 % der Realschülerinnen arbeiten in Klassen, die größer als 30 sind.
Durch die bayerische Bildungspolitik zieht sich sehr wohl ein roter Faden, nämlich ein offenkundiger Mangel an Lehrerinnen, den Sie deshalb nicht abstellen können, weil der Ministerpräsident auf Abruf vom Sparwahn verfolgt wird und nicht die nötigen Lehrerinnen und Lehrer bereitstellt.
das mit einem Biss mal schnell die Haupt- und die Realschule auffrisst und sie so vereint, weil der „Bildungsschnappi“, der Experte aus dem Off, meint, dass man damit die Hauptschule retten könnte.
Ich glaube, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist die vornehmste Aufgabe der Opposition, die bayerische Bevölkerung vor diesem aus der Hüfte geschossenen Aktionismus zu bewahren. Es ist die vornehmste Aufgabe der Opposition, langfristig durchdachte Konzepte einzufordern. Ihr Erfolgsmodell, Herr Kollege Dr. Waschler, besteht einzig und allein darin – dazu können Sie nichts; Sie müssen es anscheinend immer verteidigen –, ständig aus der Hüfte zu schießen. Ich meine, so etwas haben unsere Kinder nicht verdient.
Herr Minister Schneider, Sie hatten am Wochenende einen Kongress zur Qualitätssicherung an Bayerns Schulen. Dieser Kongress ist gelungen. Dort habe ich aber auch gehört – das hört man allerdings nicht nur dort, sondern allerorten –, dass die Schulen am Ende eines Evaluationsprozesses Zielvereinbarungen formulieren müssen, an denen sie gemessen werden. Was den Schulen recht ist, sehr geehrte Damen und Herren und sehr geehrter Herr Minister, müsste Ihnen billig sein.
Deshalb fordere ich Sie auf, meine Kritikpunkte aufzugreifen und mit dem Landtag konkrete Zielvereinbarungen hinsichtlich der erwähnten Missstände zu treffen. Wenn Sie Ihre Ziele dann erreicht haben, Kollege Waschler, können Sie in einer weiteren Aktuellen Stunde Ihre Erfolge gern bejubeln. Dann spende ich Ihnen Applaus. Im Moment jedoch besteht dazu überhaupt kein Anlass. Ebenso wenig besteht Anlass, wegen Pisa zu jubeln; denn wenn Sie mit internationalen Top-Leistungen lediglich eine Abiturientenquote von 19 % hinbekommen, ist das alles andere als Klasse.
Es ist auch alles andere als Klasse, dass an den Grundschulen ein unwahrscheinlicher Druck herrscht; denn nach der 4. Klasse werden die Lebenschancen verteilt. Dieser Druck muss weichen, damit unsere Kinder wieder gerne lernen und gerne zur Schule gehen.
Ich bin auch der Meinung, dass ein Herumdoktern am System nicht weiterhilft. Wenn wir ein System wollen, das – wie ich bereits eingangs gesagt habe – zwei Voraussetzungen erfüllt, nämlich erstens Leistungsorientierung und zweitens Gerechtigkeit, dann, Herr Minister Schneider, brauchen wir eine Schulstrukturdebatte. Denn im internationalen Vergleich werden diese Vorgaben nur in Systemen erreicht, die eine längere gemeinsame Schulzeit haben. In dieser Forderung fühle ich mich auch durch das ifo-Institut bestätigt, das letzte Woche veröffentlicht hat, dass mehrgliedrige Schulsysteme die Ungerechtigkeit befördern. Deswegen, Herr Minister Schneider, brauchen wir eine Schulstrukturdebatte.
Ich bin immer froh, wenn jemand eine solche Debatte vom Zaun bricht, auch wenn es der Herr Schnappauf aus Oberfranken ist. Den Mut zu einer solchen Schulstrukturdebatte haben die GRÜNEN, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Wir wollen die Schule verändern. Wir wollen ein System, das leistungsorientiert und sozial gerecht ist. Wir wollen das Kind in den Mittelpunkt stellen. Wir wollen eine Schule, an der unsere Lehrer und Lehrerinnen die Chance haben, durch andere Unterrichtsmethoden zu zeigen, was sie können. Wir wollen, dass die Schule Raum lässt, die Talente unserer Kinder zu fördern und zu fordern. Dabei gilt die Prämisse: Erfolg und nicht Druck spornt an. Hierfür brauchen wir unter anderem ein fl ächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen und eine größere Selbständigkeit der Schulen, die auch Raum lässt, die Region einzubeziehen. Das ist der Auftrag, den es zu erfüllen gilt. Und dies sollte Ihr Ziel sein. Dieses Ziel haben Sie aus meiner Sicht nicht erreicht. Das habe ich begründet. Ich meine deshalb, dass der bayerische Bildungsweg ins vergangene Jahrtausend und in die Industriegesellschaft gehört. Wir befi nden uns aber in der Wissensgesellschaft, und da, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen und Herr Minister, sehen Erfolgsmodelle anders aus.
Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Sem. – Bei nun etwas größerer Anwesenheit der Kolleginnen und Kollegen darf ich Ihnen jetzt zum heutigen Geburtstag gratulieren.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herzlichen Dank für die Geburtstagsglückwünsche. Ich werde sie im Herzen tragen.
„Sein, was wir sind, und werden, was wir werden können, das ist das Ziel des Lebens.“ Dies formulierte der niederländische Philosoph Spinoza Mitte des 17. Jahrhunderts.
Sein, was wir sind, und werden, was wir werden können, das ist für mich auch eine sehr ansprechende und treffende Zielformulierung und Charakterisierung für die frühkindliche Bildung.
Ab seiner Geburt durchläuft der Mensch verschiedene Lern- und Entwicklungsphasen. Wissenschaftliche Studien der vergangenen Jahre haben dies eingehend untersucht und bei Kindern eine beeindruckende Lernfähigkeit festgestellt. Wir wissen heute, dass die frühe Kindheit die lernintensivste und prägendste Phase im menschlichen Leben ist. Versäumnisse in diesem Lebensabschnitt können durch spätere Bemühungen nur schwer ausgeglichen werden.
Vielleicht sollte man, wenn man von Erfolgsmodellen spricht, auch dieses Fenster ganz klar beleuchten. Vor diesem Hintergrund hat das Staatsinstitut für Frühpädagogik den Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplan erarbeitet, der die bisherigen Bildungs- und Erziehungsziele nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen fortschreibt. Auch die Pisa-Studie hat gezeigt, dass die Spitzenländer der frühkindlichen Bildung einen besonderen Stellenwert einräumen.
Mit dem Bildungs- und Erziehungsplan liegt erstmals ein konkreter Leitfaden zur Bildungs- und Entwicklungsförderung von Kindern bis zur Einschulung vor. Konkrete Schwerpunkte sind die Stärkung der naturwissenschaftlichen, musikalischen Bildung, eine Neuakzentuierung der Spracherziehung, die Vermittlung von Lernkompetenzen, Sozialkompetenzen, mathematische Bildung sowie Verstärkung der Bewegungserziehung.
Es erfolgt hier aber keineswegs eine Verschulung. Die Kinder wollen sich mit dem Einsatz der Gesamtperson Wissen aneignen, die Welt entdecken. Leistungen können auch positiv gesehen werden. Sie müssen aber auch frühzeitig gefördert und gefordert werden. Beiden Aspekten wird durch diese alters- und kindgerechten pädagogischen Erziehungsmaßnahmen Rechnung getragen.
Die Bildungs- und Erziehungsziele des in der Praxis erprobten, bundesweit beispielhaften Bildungs- und Erziehungsplanes werden derzeit in einer Ausführungsverordnung zum Bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetz festgeschrieben. Dadurch wird die im Gesetz vorgesehene Vermittlung von Basiskompetenzen für alle Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen konkretisiert. Seit dem Jahre 2004 werden alle rund 7000 Leitungskräfte von Kindertageseinrichtungen in Bayern im Rahmen einer dreijährigen Fortbildungskampagne „Startchance Bildung“ über die Inhalte des Plans informiert und geschult.
Der Bildungs- und Erziehungsplan sieht auch eine verstärkte Zusammenarbeit von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen vor. Der Übergang der Kinder an die Schule soll dadurch erleichtert werden. Hierzu plant das bayerische Staatsministerium im nächsten Jahr gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen für Erzieherinnen und Grundschullehrkräfte. Der Intensivierung der Zusammenarbeit von Kindergärten und Grundschulen dient auch das an drei Standorten durchgeführte Modellprojekt KiDZ – Kindergarten der Zukunft – in Bayern. Dieses Kooperationsprojekt von Sozial- und Kultusministerium hat zum Ziel, während des regulären dreijährigen Kindergartenbesuchs Schlüsselkompetenzen und zugleich in spielerischer Form den Lernstoff der ersten Klasse zu vermitteln.
Ein fl ießender Übergang vom lernenden Spiel zum spielenden Lernen wird ermöglicht. Wir wollen mit diesem Projekt die individuelle Förderung von Kindern beim Übergang vom Kindergarten zur Schule noch stärker in den Mittelpunkt stellen. Bei „KiDZ“ werden die Kinder vom pädagogischen Fachpersonal der Kindertagesstätte und von einer Grundschullehrkraft im Team betreut, das durch die intensive Arbeit mit den Kindern ein verlässliches Bild über den Entwicklungsstand des Kindes erhält. Als ehemalige Erzieherin plädiere ich bei diesem Thema aber auch dafür, nicht nur auf die Erhöhung der schulischen Änderungen zu setzen sowie Programme und Gesetze auszuarbeiten, sondern auch die Elternhäuser anzuhalten, den Kindern weniger PC- und TV-Konsum zu gönnen. Wir wissen, dass gerade im ländlichen Bereich 25 bis 30 % der Kinder mit einem Fernsehprogramm im Kopf, aber ohne Frühstück im Bauch in der Schule sind.
Da wir wollen, dass Bildung möglichst frühzeitig anerkannt wird, haben wir fl eißig daran gearbeitet. Ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende ist und dass der Präsident wahrscheinlich nicht die Güte hat, mir noch mehr Minuten zu schenken. Ich kann Ihnen daher meinen Redebeitrag gerne schriftlich zukommen lassen.
Einen kleinen Geburtstagszuschlag hätte ich sogar noch gegeben. Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu drei Punkten kurz einige Anmerkungen machen, weil man sie nicht so stehen lassen kann, wie sie von der Opposition, von Herrn Pfaffmann und Frau Tolle, vorgetragen worden sind.
Herr Pfaffmann, die guten Pisa-Ergebnisse, die Bayern bestätigt bekommen hat, sind in erster Linie ein Verdienst
Das sage ich heute genauso deutlich wie bei der Vorstellung der Pisa-Ergebnisse. Ich habe da nicht gesagt, dass nur die Politik entscheidend sei; aber es ist auch die Politik entscheidend. Ich kann mir schon vorstellen, wie hier ein Herr Pfaffmann an das Pult getreten wäre, wenn Bayern nur in einem Teilbereich etwas zurückgefallen wäre. Herr Pfaffmann, dann hätten Sie gesagt, schuld seien nicht die Schüler, die Eltern und Lehrer, schuld sei ganz allein die bayerische Bildungspolitik – nichts anderes hätten Sie gesagt.