Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Vorredner Peterke, wir befi nden uns in engem Austausch mit der Polizei, nicht nur bei den Besuchen des Innenausschusses, sondern auch bei eigenen Besuchen vor Ort. Wir konnten uns davon überzeugen, dass die mangelhafte Sachmittelausstattung bei der bayerischen Polizei nicht nur in den Spezialabteilungen verbessert werden muss, sondern insbesondere natürlich auch in der Fläche und bei den Inspektionen vor Ort.
Herr Kollege, ich sage Ihnen eines: Fehlendes Geld und fehlende Sachmittelausstattung kann man nicht durch eine Ausweitung der Rechte ausgleichen. Wir wollen eine gut ausgestattete Polizei mit klaren Rechten und Befugnissen, und keine Amerikanisierung unserer bayerischen Polizei.
Wir hören überall die Klagen der Polizei, dass es bei der Sachmittelausstattung erhebliche Mängel gebe, dass im Jahr 2003 die Budgets empfi ndlich gekürzt und seither nicht erhöht worden seien und dass dadurch die Inspektionen immer mehr in Schwierigkeiten gebracht würden. Es sind immer mehr Polizeiwagen mit über 300 000 Kilometern unterwegs, immer mehr PCs sind fünf Jahre alt und älter.
Eine Betriebsbeeinträchtigung stellt das Innenministerium noch nicht fest. Fakt ist aber, dass die Möglichkeiten der modernen Kommunikation nicht genutzt werden.
Ein effektiver Polizeieinsatz, von dem Herr Kreidl zu Beginn dieser Debatte sprach, ist vielfach in Frage gestellt.
Außerdem ist geplant, zwischen 2005 und 2010 1040 Stellen für Polizeibeamte abzubauen und damit mehr Stellen zu streichen, als nach dem Attentat im September in New York im Rahmen dieses Sicherheitspakets geschaffen wurden. In dieser Situation beabsichtigen Sie die Ausweitung neuer und teurer Videoüberwachungen, zusätzliches Kennzeichen-Scanning und die Anschaffung neuer und fragwürdiger Waffen.
Die technischen Überwachungsmöglichkeiten schreiten rapide fort. Mit diesem Gesetzentwurf eröffnen Sie diesen Möglichkeiten ein sehr breites Tor. Wenn über Monate hinweg nachvollzogen werden kann, wer wo im Internet gesurft hat, wer wann und wo mit Handy, Telefon oder EMail kommuniziert hat, wer wann und wo gefahren ist und wer sich wo im öffentlichen Raum aufgehalten hat, dann befi nden wir uns nicht mehr in einer freiheitlichen Gesellschaft, wie wir sie uns alle wünschen, sondern in einem Überwachungsstaat, den wir alle nicht wollen.
Meine Kollegin Christine Stahl hat schon ausgeführt: Die Regelungen in diesem Gesetzentwurf zur Telekommunikationsüberwachung sind unverhältnismäßig, die Ausweitung des Katalogs der Straftaten, bei denen abgehört werden kann, ist unverhältnismäßig, die Regelungen zur Kennzeichenerfassung, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausweitung der Mautstellen, sind außerordentlich problematisch.
Problematisch, Herr Kollege Peterke, ist ein weiteres bayerisches Novum in diesem Gesetzentwurf, nämlich die Möglichkeit, bereits im präventiven Bereich bei Telekommunikationsunternehmen Telefonverbindungen sperren und unterbrechen zu können, wohlgemerkt im präventiven Bereich, also nicht, Herr Kollege Peterke, bei einem Bombenanschlag in Madrid oder bei Geiselnahmen oder anderen dramatischen Vorfällen, sondern bereits im Vorfeld sollen, wenn Verdacht besteht, dass irgendwo etwas verabredet werden könnte, Kommunikationsverbindungen unterbrochen oder verhindert werden können. In Ihrer Regelung ist nicht einmal spezifi ziert, wie lange, in welchem Zeitraum, bei wem, in welchem räumlichen Umfeld – vielleicht in einem ganzen Stadtviertel, vielleicht in einer ganzen Behörde, man weiß es nicht – Telefonleitungen gesperrt werden können.
Unverhältnismäßig ist auch die von Ihnen angestrebte Regelung, dass Mobilfunkunternehmen Daten, die diese bislang gar nicht erheben, den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellen müssen, und das Ganze ohne Entschädigung der entsprechenden Telekommunikationsunternehmen, sondern natürlich zulasten der telefonierenden Allgemeinheit. Und das Ganze, obwohl die Straftaten, bei denen die Kommunikationsdaten abgerufen werden können, sehr ungenau und unklar defi niert sind. Das ist kein guter Gesetzentwurf, dieser Gesetzentwurf ist ein Problem.
Wir fi nden in diesem Gesetzentwurf noch ein weiteres, speziell bayerisches Novum. Sie wollen Elektroimpulsge
räte und vergleichbare Waffen – was immer das ist – einführen und Sie wollen zusätzlich Waffen auf Anordnung des Staatsministeriums des Innern zeitlich befristet als Einsatzmittel erproben. Herr Beckstein, liebe Kolleginnen und Kollegen, konzentrieren wir uns auf die wirklichen Aufgaben der Polizei. Schießübungen, Waffentests sind nicht eine Aufgabe der Polizei. Unsere Polizei sollte mit erprobten und getesteten Waffen ausgestattet werden und nicht Waffen erproben.
Ich spreche mich auch gegen die Anschaffung der so genannten Taser aus. Diese haben laut Auskunft von Amnesty International in den Vereinigten Staaten bereits zu über 70 Todesfällen geführt. Wir sprechen uns erst recht gegen den Einsatz von vergleichbaren Waffen aus.
Sie wollen mit diesen Waffen nicht Schusswaffeneinsätze verhindern und ersetzen, sondern in Ihrem Gesetzentwurf lassen Sie den Einsatz von Elektroimpulsgeräten zu in Bereichen, wo Schusswaffen dezidiert nicht eingesetzt werden dürfen. Das heißt, Sie wollen das Anwendungsfeld für diese Waffen ausweiten, also über die Bereiche hinaus, wo Schusswaffen möglich sind, und Bereiche einbeziehen, wo vielleicht ein Selbstmörder droht, sich selbst umzubringen, aber keine anderen Menschen gefährdet; auch da wollen Sie Elektroimpulswaffen einsetzen. Ich halte das für unverhältnismäßig.
Die Einführung von Elektroimpulswaffen ist polizeitaktisch nicht erforderlich, und auch, wenn andere Bundesländer diese bereits eingeführt haben, werden sie dort kaum eingesetzt bzw. in Situationen eingesetzt, die anders ebenfalls hätten bewältigt werden können.
Ich appelliere an Sie: Konzentrieren wir uns darauf, die Polizei für ihre Aufgaben richtig auszustatten, gut auszustatten. Verzichten wir auf unnütze und gefährliche Waffenspiele und konzentrieren wir uns darauf, eine Sicherheitspolitik zu machen, wie sie die Bevölkerung in Bayern sich auch wünscht.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Herr Kollege Peterke, Sie scheinen Ihren eigenen Gesetzentwurf nicht zu kennen. Ich kann Ihnen das sehr gerne zitieren. Zuerst rufen Sie mir zu, eine automatisierte Erhebung sei nicht zulässig. – Das steht hier aber drin.
Sie schränken das zwar ein, aber vom Verfassungsgerichtsurteil her gesehen ist eine automatisierte Aufzeich
Zu Seite 11. Sie sagen, es wäre nicht zulässig, Daten zur Strafverfolgung zu verwenden. Lesen Sie doch Ihren Gesetzentwurf. In Art. 34 Abs. 5 steht ganz klar drin:
Die durch eine Maßnahme nach Abs. 1 Satz 1 erlangten personenbezogenen Daten sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen nur verwendet werden …zu Zwecken der Strafverfolgung …
Dies zwar auch mit Einschränkung, und zwar dann, wenn es um Straftaten im Sinne des § 100 a geht, aber zum Zwecke der Strafverfolgung. Also machen Sie uns hier doch nicht weis, dass man tatsächlich eine Telekommunikationsüberwachung und Wohnraumüberwachung will, die allen Kriterien, die wir angesetzt haben, gerecht wird, damit es verfassungsgerecht wird. Das ist schlicht und einfach nicht zutreffend.
Ein Satz zur SPD. Mit dem, was Sie gesagt haben, wollten Sie mich genau zu dieser Erwiderung provozieren. Sie fi nden zwar am Gesetzentwurf der Staatsregierung so vieles falsch. Dennoch laborieren Sie an diesem Gesetzentwurf mit herum. Die Änderungsanträge werden abgelehnt, und Sie enthalten sich dann der Stimme. Bei gleicher Bewertung unseres Gesetzentwurfes und nachdem Sie gesagt haben, es wäre sehr wohl in Ordnung, eine präventive TKÜ zu regeln – in welcher Form auch immer – ,lehnen Sie unseren Gesetzentwurf aber ab. Das nenne ich eine Sesselrevolution. Entweder man hat den Mut, hier klar zu sagen, man will das, und sagt, wie man sich das vorstellt, oder man lässt es und stimmt dann auch dagegen.
(Thomas Kreuzer (CSU): Ihrer ist ja klar verfassungswidrig – Gegenruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))
Nein, Herr Kreuzer, er ist es nicht. Wir haben im Innenausschuss darüber entsprechend diskutiert. Entweder man hat den Mut, klar zu sagen, was man will – – Aber nach der Auseinandersetzung, die wir im Innenausschuss und im Rechts- und Verfassungsausschuss gehabt haben, verstehe ich den Spagat der SPD nicht. Das muss ich Ihnen sagen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst beim Bayerischen Landtag bedanken, dass wir mit der Beratung dieses Entwurfs zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes eine wichtige sicherheitspolitische Maßnahme vornehmen. Es war auch
richtig – ich will das durchaus offen ansprechen –, dass wir auf Anregung der SPD-Fraktion die Beratungen unterbrochen hatten, um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen Gesetz abzuwarten.
Ich bedanke mich sehr herzlich für die gute Zusammenarbeit mit der CSU-Fraktion, insbesondere im Innenpolitischen Arbeitskreis, wo wir in enger Abstimmung miteinander Änderungsanträge erarbeitet haben, um die Novelle auch im Lichte der neuesten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts absolut wasserdicht zu machen.
Ich hebe hervor, wir waren uns darüber einig, dass wir lieber vorsichtig Änderungen vornehmen, weil wir selbstverständlich davon ausgehen, dass auch dieses Gesetz in Karlsruhe überprüft werden wird. Ich denke, dass wir ein Gesetz vorgelegt haben, das absolut wasserdicht ist.
Herr Kollege Schindler ist wieder hier, und deswegen kann ich sagen: Lieber Herr Kollege Schindler, Ihre Rede wäre vor 1998 typisch für die SPD gewesen. Für die Zeit nach 1998 ist sie eher untypisch. Sie ist völlig skurril, wenn man bedenkt, wie sich die SPD zum Thema in den Koalitionsverhandlungen geäußert hat. Die SPD in Deutschland will sogar eine Grundgesetzänderung, um auch eine präventivpolizeiliche Befugnis für das BKA zu schaffen. Ich nehme an, Sie werden allen Parteitagsbeschlüssen selbst zugestimmt haben. Der Koalitionsvereinbarung haben Sie, wenn die Informationen richtig sind, auch zugestimmt. Damit haben Sie die Notwendigkeit, dass das BKA präventivpolizeiliche Befugnisse z. B. bei der Wohnraumüberwachung erhält, ausdrücklich anerkannt.
Die Ausdehnung auf das BKA halten Sie also für notwendig, aber die unmittelbare Gefahrenabwehr wollen Sie den Länderpolizeien nicht ermöglichen. Dabei ist unstrittig, dass die Gefahrenabwehr Länderaufgabe ist. Mit Ausnahme von Herrn Schily haben das bei den Koalitionsgesprächen alle für notwendig gehalten. Ich sage Ihnen, mir kann kein Mensch glaubhaft machen, dass die hier diskutierten Befugnisse für die Strafverfolgung bzw. das Strafbedürfnis des Staates möglich, aber für die Gefahrenabwehr nicht möglich sein sollen. Ich meine, die Repression, zum Beispiel gegenüber einem Attentäter, ist sekundär. Dass man Anschläge verhindern kann, ist wichtiger als die Bestrafung desjenigen, der den Anschlag begangen hat.
Selbstverständlich haben wir Probleme mit den Budgets. Ich habe mir die Ausführungen von Frau Kamm und Herrn Schindler natürlich angehört. 2005 werden wir mit dem Budget der Polizei zurande kommen. Es klemmt zwar an allen möglichen Ecken und Enden, aber wir werden damit zurande kommen. Ich habe bei den Gesprächen mit den Polizeipräsidenten ausdrücklich gefragt, ob jemand Probleme sehe. Heuer werden wir zurande kommen. Nächstes Jahr werden wir Schwierigkeiten haben.
Ich bitte um Nachsicht, wenn ich sage, natürlich wollen wir möglichst gute Fahrzeuge haben, aber ich verstehe nicht, warum es unmöglich sein soll, mit einem Auto, das 250 000 Kilometer gefahren ist, Streife zu fahren. Ich
selbst habe immer wieder Dienstfahrzeuge gehabt, die über 300 000 Kilometer gefahren sind. Wir werden verstärkt auf Leasing umzusteigen haben. Die Polizei will das nicht, weil man auch die bisherigen Fahrzeuge behält. Das Budget ist knapp, aber wir werden damit einigermaßen zurande kommen.
Entgegen all den öffentlichen Klagen sage ich, wir haben zur Fußball-Weltmeisterschaft den höchsten Stand beim Personal, den die bayerische Polizei jemals hatte. Wir nutzen dabei auch die 42-Stunden-Woche, die notwenig ist. Bei den Koalitionsgesprächen hat die SPD für die Beamten der Bundespolizei immerhin die 41-StundenWoche zugestanden. Ich bitte um Verständnis, wir wollen auch Sie an die neue Rolle gewöhnen, die die CSU erleidet. Bisher war es so, dass für das Gute wir zuständig waren und für die Fehler Berlin. Jetzt kann man das nicht mehr so eindeutig sagen.