Protokoll der Sitzung vom 14.12.2005

Die vorgesehene neue Befugnis zur präventiven TKÜ führt also mit Ausnahme der Fälle, in denen es um das Auffi nden von Vermissten und sich in hilfl oser Lage befi ndlichen Personen geht, nicht zu einem Zugewinn an Sicherheit für den Einzelnen und die Allgemeinheit. Sie ist aus den genannten Gründen für die polizeiliche Praxis nicht erforderlich und schafft letzten Endes mehr Probleme, als sie lösen könnte, abgesehen davon, dass sie in der polizeilichen Praxis, so wie sie gefasst ist, auch kaum handhabbar wäre.

Meine Fraktion wird sich deshalb, weil sie einzelne Teile des Gesetzentwurfs für richtig hält, aber mehrheitlich keine Erforderlichkeit für die Schaffung einer Befugnis zur präventiven TKÜ sieht, bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf der Staatsregierung der Stimme enthalten.

Die Gesetzentwürfe der GRÜNEN lehnen wir ab. Der Gesetzentwurf zur Wohnraumüberwachung hat sich durch Zeitablauf und durch den Vorschlag der Staatsregierung in der Fassung des Änderungsantrags der CSUFraktion zur Wohnraumüberwachung überholt.

Bezüglich des Gesetzentwurfs zur präventiven TKÜ gilt die gleiche Kritik, die wir auch am Gesetzentwurf der Staatsregierung haben. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die GRÜNEN einerseits gegen die präventive TKÜ argumentieren, sie aber andererseits gleichzeitig mit einem eigenen Gesetzentwurf einführen wollen. Das verstehe, wer will, wir verstehen das nicht.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist mir ein Anliegen, am Schluss deutlich zu machen, dass unsere Haltung zur Änderung des PAG überhaupt nichts zu tun hat mit dem jetzt sicherlich gleich unterstellten angeblichen Misstrauen der SPD gegenüber der Polizei. Mitnichten!

(Beifall bei der SPD)

Diese SPD ist eine Volkspartei und hat in ihren Reihen – so schätze ich einmal – fast so viele Polizeibeamte als Mitglieder wie die CSU.

(Widerspruch bei der CU)

Wir kennen die Sorgen und Nöte der Polizeibeamten und wissen deshalb, dass der Polizeibeamte in Schwandorf, in Unterhaching und in Oberviechtach doch ganz andere Sorgen hat, als sie in diesem Gesetzentwurf zum Ausdruck kommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben kein Misstrauen gegen die Polizei. Wir haben die Sorge, dass mit diesem Gesetzentwurf von den eigentlichen Notwendigkeiten abgelenkt wird

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

und dass mit diesem Gesetzentwurf die Möglichkeit geschaffen wird, einerseits das bisher wohlaustarierte Verhältnis zwischen Staatsanwaltschaft als Teil der Justiz und der Polizei und andererseits das Verhältnis zwischen Verfassungsschutz und Polizei in einem Sinne zu verändern, der nicht im Sinne unseres Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung ist. Deswegen unsere Skepsis. Ich bedauere, dass in der großen Fraktion der CSU, wo es viele Fachleute gibt und viele, die Sensibilität zeigen, kein einziger ist, der nur ein wenig Skepsis und Skrupel hätte. Das ist verdächtig, nicht der Umstand, dass es in der SPD welche gibt, die skeptisch sind.

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat sich Kollege Peterke gemeldet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bedenken Sie, dass im neuen Plenarsaal die Wege zum Rednerpult etwas länger geworden sind. Vielleicht können Sie sich so setzen, dass Sie schneller am Rednerpult sind, wenn Sie zur Rede aufgerufen werden.

(Manfred Ach (CSU): Mit dem Skateboard fahren! – Heiterkeit bei der CSU)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst einige Anmerkungen zu den Ausführungen meiner Vorredner machen, insbesondere zu denen der Frau Kollegin Stahl und des Herrn Kollegen Schindler. Erste Anmerkung: Frau Kollegin Stahl, wenn sie kritisieren, dass mit dieser PAG-Novelle in unzulässiger Weise die Bürger- und Freiheitsrechte eingeschränkt werden, muss ich Ihnen entgegenhalten, dass genau mit dieser Novelle die Bürger- und Freiheitsrechte geschützt werden. Sie sind für uns immer ein hohes Gut, das wir stets beachtet haben und stärken, aber Sie wissen selbst ganz genau, dass ohne Sicherheit die Bürger- und Freiheitsrechte keinen Wert haben. Deswegen müssen wir mit diesem Vorhaben genau dort ansetzen, wo wir die Bürger- und Freiheitsrechte stärken und auf Dauer sichern können.

Zweite Anmerkung: Sie haben ausgeführt, dass die erhobenen Daten aus der präventiven TKÜ und aus anderen Informationsquellen wie der Wohnraumüberwachung auch zu Zwecken der Strafverfolgung eingesetzt werden

sollen. Das ist falsch. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir haben hier eine klare Trennung zwischen präventivem Einsatz und den Mitteln zur Strafverfolgung festgeschrieben.

Herr Kollege Schindler, wenn Sie wirklich mit Überzeugung – ich hatte den Eindruck, dass es so ist – feststellen, dass die vorhandenen Mittel der Polizei im PAG, in der Strafprozessordnung ausreichen, muss ich Ihnen bei aller sonstigen Wertschätzung schon sagen, entweder sind Sie blauäugig oder Sie haben wenig oder gar keine Praxiskenntnis. Ich hätte es Ihnen gewünscht und auch der Kollegin Stahl, dass Sie vergangene Woche mit beim Besuch im Bayerischen Landeskriminalamt gewesen wären. Gehen Sie einmal zu diesen Fachleuten.

(Zurufe von der SPD)

Nein, nein, da brauchen Sie nicht abzuwinken. Ich empfehle Ihnen nachhaltig diesen Besuch, auch jetzt nochmal.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Wir waren doch schon da!)

Lassen Sie sich einmal von den Fachleuten dort aufklären über die Entwicklung auf dem Mobilfunkmarkt, über das Explodieren des Marktes im Internetbereich, über die sonstigen schwerwiegenden Kriminalitätsformen und darüber, wie sie mit den Mitteln, die wir jetzt schaffen werden, wirksam bekämpft werden können. Kollege Schuster war bei diesem Besuch dabei; er sagt überhaupt nichts dazu, weil er weiß, wovon ich rede. Er versteht etwas von der Sache, wie viele andere aus Ihrer Partei auch.

Wenn Sie das alles zur Kenntnis nehmen, haben Sie einen anderen Informationshintergrund und andere Beurteilungsmöglichkeiten und kümmern sich in Ihren rechtlichen Ausführungen nicht immer nur darum, das Haar in der Suppe zu fi nden, das Sie aus Ihrer Sicht brauchen, um diese Diskussion führen zu können.

Ich weise ganz entschieden Ihre Feststellung zurück, „jeder Bürger werde potenziell verdächtigt“, liebe Kolleginnen und Kollegen. In den gesetzlichen Einzelheiten – darauf haben wir sehr viel Wert gelegt – ist auf der einen Seite ein sehr eng begrenzter Straftatkatalog festgeschrieben, und auf der anderen Seite ist der Aufwand dafür, solche Maßnahmen durchführen zu können, so erheblich, dass nur ganz, ganz begrenzt und nur in einem – ich will es einmal so sagen – sehr bedeutenden Kleinstbereich der Schwerstkriminalität, des organisierten Verbrechens, des Terrorismus, diese Mittel zur Anwendung kommen und auch nur dort zur Anwendung kommen können.

Letzte Bemerkung, lieber Herr Kollege Schindler. Wenn ich mir Ihre Sorgen über den Zustand unserer Polizei noch einmal vergegenwärtige, kommen mir fast die Krokodilstränen.

(Zuruf des Abgeordneten Franz Schindler (SPD))

Selbstverständlich werden wir – hier schließe ich unseren Innenminister und seine Polizeiabteilung ausdrücklich mit ein – alles tun, um die Polizei noch besser zu machen, um ihren Personalstand angepasst zu halten

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

und um auch in Zukunft – wir wissen im Moment nicht, wie es da aussehen wird – zumindest in den Spezialbereichen – das ist auch der Kernpunkt der Polizeireform – die Situation derer, die für diese Deliktsbekämpfung zuständig sind, zu verbessern.

(Franz Schindler (SPD): Folgenloses Gerede!)

Wir haben gegenwärtig den höchsten Personalstand seit Bestehen der bayerischen Polizei. Dass man alles besser machen kann, ist klar; da können wir übereinstimmen. Aber unter den gegebenen Möglichkeiten und Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, ist die Polizei voll auf der Höhe der Zeit und kann ihre Aufgaben korrekt erfüllen.

Ich möchte noch ein Bild von der Lage zeichnen; ich habe das auch in der Berichterstattung im Innenausschuss getan. Wir sehen uns heute einer Situation gegenüber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die jeder von Ihnen realistisch zur Kenntnis nehmen muss: organisiertes Verbrechen, Kapitalverbrechen, Terrorismus, Extremismus. Topgefährdungen und Toprechtsbrecher stehen einer Polizei gegenüber, die wir mit den gleichen Waffen ausstatten müssen, wie sie heute der professionelle und höchst konspirativ vorgehende internationale Rechtsbrecher mit den vielen technischen Möglichkeiten und seinen internationalen Vernetzungen hat.

Ein Weiteres kommt hinzu: Der organisierte Verbrecher hat zur Ausführung seiner Verbrechen Geld und Mittel zur Verfügung, die die Polizei mit anderen Möglichkeiten ausgleichen muss. Mit dieser PAG-Novelle und mit ihr Möglichkeiten – lieber Ludwig Wörner, aufpassen! – schließen wir genau diese Sicherheitslücken und tragen dazu bei, dass die Polizei in die Lage versetzt wird, auf der gleichen Ebene und auf gleicher Augenhöhe wirksam vorzugehen.

Ich möchte aus polizeifachlicher Sicht noch einmal einige Einzelheiten betonen. Wir sind uns darin einig, dass wir das Kennzeichen-Scanning und die automatisierte Abfrage zu Fahndungszwecken nunmehr endgültig installieren wollen. Der Probelauf war erfolgreich und hat uns entsprechende Ergebnisse gebracht. Diese Möglichkeiten werden wirksame Mittel sein, um Bayern als Transitland, insbesondere als Grenzland, bei der Rauschgiftbekämpfung, bei der Terrorismusbekämpfung und vor allem bei der Bandenkriminalität zu stärken.

Die präventive Telekommunikationsüberwachung hat viele Inhalte. Herr Kollege Kreidl hat hier die wesentlichen Einzelheiten schon genannt. Ich möchte nochmals betonen, mir kommt es auf die nunmehr gesetzlich festgeschriebene Mitwirkungspfl icht der Provider, der Anbieter der Dienste, an. Dies hat sich innerhalb von Beziehungen bewegt, die auf beiden Seiten nicht immer zufrieden stellend und effi zient waren. Wichtig ist einerseits eine Auskunftspfl icht, die nunmehr der Provider hat,

andererseits aber auch eine Mitwirkungspfl icht, zum Beispiel bei der Überwachung und bei der Aufzeichnung von Handy-Gesprächen.

Die so oft auch von Ihnen kritisierte Möglichkeit, im konkreten Einzelfall auf richterliche Anordnung hin HandyGespräche zu unterbrechen, ist jetzt festgeschrieben und ein wirksames Mittel im Einzelfall. Ich erinnere an die Handy-Zündung des Bombenattentats in Madrid. Wenn wir diese Möglichkeit nicht hätten, könnten wir so etwas nicht verhindern. Stellen Sie sich einmal eine solche Situation vor!

Lieber Herr Kollege Schindler, liebe Frau Kollegin Stahl, würden Sie so etwas ehrlich verantworten wollen? Ich will dazu nicht gehören. Die Standortpeilung bei Lebensgefahr sei hier noch einmal grundlegend erwähnt.

Wir haben die modifi zierte, präventive Wohnraumüberwachung; modifi ziert deswegen, weil es diese Möglichkeit bereits im bisherigen Polizeiaufgabengesetz gibt. Wir beachten hierbei die rechtlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes sowie die Vorgaben des Datenschutzes, die in Einklang mit diesen Möglichkeiten stehen.

Ich möchte insbesondere zu den Anwendungsmöglichkeiten noch Folgendes anmerken: Auch hier gilt: Die Entwicklung zum Einsatz solcher Mittel wird sich immer zunächst aus der Informationsbeschaffung heraus ergeben. Das heißt, vorausgehen werden immer Informanten- und V-Mann-Gespräche der einsatzverdeckten Ermittler. Und um diese Informationen sachgerecht abklären zu können, ist im Einzelfall auch die präventive Wohnraumüberwachung richtig und daher zu vertreten und anzusetzen. Ihre Vorbehalte dazu sind nicht nachvollziehbar und nicht sachdienlich.

Eine Feststellung zu dem künftigen Einsatz der Elektroimpulsgeräte oder vergleichbarer Waffen. Der Schusswaffeneinsatz der Polizei kann nicht immer die Ultima Ratio sein, davor muss es noch etwas geben. Wir sind gehalten, verantwortungsvoll zu prüfen und den Markt zu beobachten, welche Möglichkeiten es gibt, gegen Störer und Gefährder wirksam vorzugehen, ohne gleich zu schießen. Deswegen halte ich es für richtig, dass wir nun den Einsatz von Schusswaffen erlauben, richtigerweise natürlich zunächst bei den Sondereinsatzkommandos der Polizei. Aber wir werden auch überlegen müssen – und das ist meine persönliche Meinung –, ob wir es aus diesen Überlegungen heraus nicht jedem Streifenbeamten ermöglichen sollten, diese Waffe vor der Schusswaffe einzusetzen. Wir haben nun die Möglichkeit, durch Marktbeobachtungen auf neue Entwicklungen entsprechend zu reagieren. Wir prüfen die bisherigen Erfahrungsberichte, insbesondere aus den USA, sehr genau und sehr sorgfältig, wo diese Waffe bereits im Einsatz ist.

Abschließend begrüße ich es sehr, dass nunmehr der Datenaustausch mit ausländischen Behörden auf eine rechtlich einwandfreie Grundlage gestellt worden ist. Denn es ist ein Eckpfeiler in der Bekämpfung international organisierter Kriminalität, dass wir international auf einer sauberen rechtlichen Grundlage – nicht nur auf einer

Beziehungsgrundlage, weil man halt denjenigen in Trient oder in New York persönlich kennt – zusammenarbeiten können, um gegen diese Pestilenz wirksam vorzugehen.

Fazit: Diese PAG-Novelle ist dringend notwendig. Sie schließt eine wichtige Sicherheitslücke, erhöht die Sicherheitslage in unserem Land erheblich und steht in Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und mit den Vorgaben und Diskussionen, die wir mit dem Datenschutzbeauftragten geführt haben. Ich bitte ebenfalls um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Als Nächste hat Frau Kollegin Kamm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Vorredner Peterke, wir befi nden uns in engem Austausch mit der Polizei, nicht nur bei den Besuchen des Innenausschusses, sondern auch bei eigenen Besuchen vor Ort. Wir konnten uns davon überzeugen, dass die mangelhafte Sachmittelausstattung bei der bayerischen Polizei nicht nur in den Spezialabteilungen verbessert werden muss, sondern insbesondere natürlich auch in der Fläche und bei den Inspektionen vor Ort.