Protokoll der Sitzung vom 07.03.2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bildung in einem umfassenden Sinn erfordert auch das Einwirken

auf das Verhalten im schulischen und außerschulischen Bereich durch Überzeugungsarbeit. Ich bitte Sie, den Gesetzentwurf zur Beratung an die zuständigen Ausschüsse weiterzuleiten, damit das Gesetz rechtzeitig im August in Kraft treten kann.

(Beifall bei der CSU)

Wir kommen zur Aussprache. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Sonnenholzner.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Dass das Rauchen bei Jugendlichen und sogar schon bei Kindern ein Riesenproblem ist, ist inzwischen allseits bekannt. Darauf hat auch der Gesundheitsminister hingewiesen. Die Zahlen sind erschreckend: 16 500 Todesfälle gibt es pro Jahr allein in Bayern durch tabakassoziierte Erkrankungen. Alle diese Erkrankungen sind vermeidbar. Deshalb ist der Nichtraucherschutz so wichtig. Und weil wir gerade am Vorabend des Weltfrauentages sind: Besonders erschreckend ist, dass die Mädchen, was das Rauchen angeht, aufholen. Ich denke, es gäbe andere Bereiche, in denen die Gleichstellung erreicht werden sollte. Auf diesem Gebiet wäre sie eher verzichtbar gewesen.

Richtig und wichtig sind alle Maßnahmen, die der Aufklärung und Prävention dienen, die auch den Ausstieg aus der Sucht fördern und Hilfestellung geben. Wir als SPDFraktion fordern strikte Nichtraucherschutzregelungen für öffentliche Räume. Wir stimmen diesem Gesetzentwurf zu, wenngleich wir darauf hinweisen, dass es Probleme bei der Durchführung, insbesondere an den Berufsschulen gibt. In den Anhörungen ist von Schulleitern und Lehrern darauf hingewiesen worden, dass sie diejenigen sind, die das Verbot disziplinarisch durchsetzen müssen. Probleme gibt es auch deswegen, weil Sie, Kolleginnen und Kollegen von der Mehrheitsfraktion, von den Lehrerinnen und Lehrern sowie den Schülerinnen und Schülern Dinge verlangen, die Sie – zumindest die Raucherinnen und Raucher in Ihrer Fraktion – nicht selbst zu tun bereit sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke schon, dass die Vorbildfunktion und die Überzeugungsarbeit, die Sie, Herr Minister, gerade eingefordert haben, durchaus auch von diesem Hause ausgehen könnten. Wir haben aber gerade in eindrücklicher Weise erlebt, dass Sie hierzu nicht bereit sind. Ich denke, hier wäre Überzeugungsarbeit im eigenen Laden zu leisten, damit wir Vorbildfunktion ausüben können.

Der andere Punkt ist, dass beim Rauchen die Wirksamkeit von Verboten hinsichtlich der Prävention und der Hilfe zum Ausstieg fraglich ist. Es gibt eine Studie aus Frankfurt, die von anderen Studien bestätigt wird und in deren Rahmen 80 Jugendliche gefragt wurden, warum sie nicht rauchen. 75 von ihnen haben angegeben, dass das Rauchen ungesund sei, und nur fünf von ihnen haben gesagt, dass sie deswegen nicht rauchen, weil es verboten ist. Von daher denke ich, dass die effi ziente Suchtprävention unter dem Strich wichtiger ist. Wenn man die Experten fragt, steht hier an erster Stelle der Umgang mit

Gefühlen, Stress, Angst und Enttäuschung. In diesem Zusammenhang fällt einem spontan der Leistungsdruck an Bayerns Schulen ein, der eher dazu angetan ist, das Suchtverhalten der Kinder und Jugendlichen zu verstärken, als es abzubauen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister und Kolleginnen und Kollegen der Mehrheitsfraktion, hier gäbe es an bayerischen Schulen breite Betätigungsfelder, um die man sich kümmern könnte, damit die Neigung zum Rauchen abnimmt bzw. gar nicht erst der Einstieg erfolgt.

Noch einmal: Auch wenn wir die Probleme nicht verkennen, werden wir dem Gesetzentwurf zustimmen, weil in unseren Augen alle Maßnahmen richtig sind, die zu weniger Rauchen führen und vor allem die Nichtraucherinnen und Nichtraucher in Bayern schützen, so wie das in anderen Ländern deutlich mehr geschieht als bei uns.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Eisenreich.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Zahlen sind eingangs genannt worden. Sie sind erschreckend. Eine Zahl fehlt noch, und zwar, dass inzwischen das Einstiegsalter für den Zigarettenkonsum bei 13,5 Jahren liegt. Die Tendenz ist weiter fallend. Es liegt auf der Hand, dass hier Handlungsbedarf besteht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein klares Signal in dieser Richtung gesetzt.

Es ist eine klare Wertentscheidung, die hier zugunsten der Gesundheit und zugunsten der Suchtprävention getroffen wird. Deswegen wollen wir ein striktes Rauchverbot gesetzlich verankern. Schon bisher ist ein Rauchverbot möglich, aber es gab immer wieder Ausnahmeregelungen, sodass nicht alle Bereiche in der Schule und auch nicht alle Personen betroffen waren. Deswegen ist es notwendig, ein striktes Rauchverbot gesetzlich zu verankern. Wie man auf die Idee kommt, die Leistungsanforderungen in der Schule als Ursache für das Rauchen darzustellen, bleibt der Rednerin überlassen. Das ist natürlich ein Schmarr’n. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Rütting.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sie erinnern sich vielleicht, dass wir vor einiger Zeit den Antrag auf ein Rauchverbot an Schulen gestellt haben. Dieser Antrag wurde von Ihnen abgelehnt. Jetzt kommt er als Gesetzentwurf der Staatsregierung zurück. Ich bin wirklich begeistert.

Ich will nicht alle Gründe, die uns als Gründe gegen das Rauchen genannt worden sind, wiederholen. Heute

Morgen war eine Veranstaltung von Papilio. Vielleicht waren einige dabei und haben sich das angehört. Zum Schutz der Kinder ist Prävention wichtig. Wir wollen eine suchtfreie Gesellschaft. Ich will nicht alles wiederholen, was Sie schon von Frau Sonnenholzner gehört haben. Natürlich gibt es Probleme, aber die sind dazu da, gelöst zu werden.

Ich möchte nur kurz auf die Alternativen hinweisen. In Ihrem Gesetzentwurf steht unter Punkt C, Alternativen: Keine. Unter Punkt D, Kosten, heißt es unter der Überschrift „Allgemeines“, die Aschenbecher müssten entfernt und Rauchverbotsschilder aufgestellt werden. Das müsste doch zu schaffen sein. Kosten für den Staat: Keine. Kosten für die Kommunen: Keine. Kosten für die Wirtschaft und den Bürger: Keine. Wir stimmen dem Gesetzentwurf zu. Noch einmal: Ich bin wirklich hingerissen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Abstimmung über Anträge, die gemäß § 59 Absatz 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. a. Anlage)

Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen verweise ich auf die Ihnen vorliegende Liste. Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. dem jeweiligen Abstimmungsverhalten seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit übernimmt der Landtag diese Voten.

(siehe Anlage)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Antrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Ulrike Gote u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Entwicklung der Schülerzahlen in Bayern und ihre Auswirkungen auf das 3-gliedrige Schulsystem (Drs. 15/4373)

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion vereinbart. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Tolle.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Ihnen nochmals den Antragstext zum Besten geben. Darin steht: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, dem Aus

schuss für Bildung, Jugend und Sport über die Entwicklung der Schülerzahlen in Bayern bis 2020 und die Schlussfolgerungen, die sich für das Schulsystem im Freistaat ergeben, zu berichten.“

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist ein Berichtsantrag. Und in diesem Hause ist es guter Brauch gewesen, solchen Anträgen zuzustimmen. Ihre Ablehnung kann nun zwei Gründe haben: Erstens, Sie wollen planlos oder verplant bleiben; das merkt man immer bei der Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer. – Herr Wägemann und Herr Minister Schneider, ich bitte Sie zuzuhören, weil mir dieser Antrag sehr wichtig ist.

Der zweite Grund ist: Sie haben Angst, die Folgen zu diskutieren, die sich daraus ergeben, wenn wir uns mit der Entwicklung der Schülerzahlen beschäftigen. Wir müssen uns aber damit beschäftigen; denn die so genannte Schülerprognose zwingt uns dazu: In Bayern sinkt die Anzahl der Schülerinnen und Schüler bis 2020 um insgesamt 17 %. Die Zahl der Grundschülerinnen und Grundschüler sinkt ebenfalls um 17 %. Die Anzahl der Hauptschülerinnen und Hauptschüler geht um 25 % zurück. Auch die Kommunen beschäftigen sich mittlerweile mit dem, was wir „demographischen Wandel“ nennen.

Die GRÜNEN werden den demographischen Wandel auch in den Landesentwicklungsplan einbringen. Hierzu zwei Beispiele aus meinem Landkreis: Wir haben eine Schülerprognose gemacht und festgestellt, dass in den nächsten Jahren die Zahl der Geburten um 30 % zurückgeht. In einer Kommune geht die Anzahl der Schülerinnen und Schüler um 19 % zurück.

Herr Minister Schneider, Sie haben im „Nordbayerischen Kurier“ am 3. Februar selbst von einem Rückgang von 40 % an den Hauptschulen geredet. Dies hat für die Schullandschaft Folgen. Mir wird, ehrlich gesagt, wenn Sie sich einer Debatte über diese Entwicklung verweigern, bang um die Schule, vor allem, Herr Kollege Stahl, bang um die Schule auf dem Land.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Schneider hat am 3. Februar im eben genannten „Nordbayerischen Kurier“ gesagt: „Ich kann aber nicht garantieren, dass jeder Hauptschulstandort, vor allem im ländlichen Bereich, erhalten wird.“

Herr Kollege Stahl, Sie haben am 8. Dezember im Bildungsausschuss gesagt, die Hauptschule werde nur dann eine Zukunft haben, wenn mehrere Schulen zusammengelegt würden. Einzügigen Hauptschulen gäben Sie keine Chance mehr. Des Weiteren haben Sie gesagt, dass man, wenn das dreigliedrige Schulsystem dauerhaft Bestand haben solle, an einer Zusammenlegung der Hauptschulen nicht vorbeikomme. – Sie nicken, und das deute ich dahin gehend, dass Sie die Hauptschulen knüppelhart konzentrieren werden.

Auch der Amtschef im Kultusministerium hat in der besagten Ausschusssitzung von der Notwendigkeit, die Hauptschulen zu konzentrieren, gesprochen und Gebiete genannt, etwa Oberfranken, Nordschwaben, südliches

Mittelfranken oder den Untermain; dort gebe es einen dramatischen Bevölkerungsrückgang, der sich noch verstärken werde.

Auch Herr Kollege Dr. Schnappauf hat sich im Dezember mit diesem Problem beschäftigt und eine Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen in die Presselandschaft geworfen. Ihr Fraktionsvorsitzender Herrmann hat insofern zwar nicht von einer Zusammenlegung, aber von einer Zusammenarbeit gesprochen.

Ich möchte die Debatte nicht denjenigen überlassen, denen es gerade mal einfällt, wieder etwas in die Presse zu streuen, damit sich das halbe Land ängstigt und besorgt zeigt.

(Zuruf des Abgeordneten Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU))

Herr Kollege Waschler, nein, ich habe Ihnen ganz sachliche Fakten genannt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich fordere aufgrund der Fakten genau über diesen Umstand eine Debatte, und genau diese Debatte wollen Sie verweigern.

Ich wage aber jetzt die Prognose, dass im kommenden Schuljahr auch bei uns in Unterfranken, Herr Kollege Ach, die Grundschule das Dorf verlassen wird. Auch an Ihnen, Kolleginnen und Kollegen der CSU, wird der Protest nicht spurlos vorüberziehen, wie wir jetzt dort schon merken, wo Sie Teilhauptschulen schließen, oder wie wir auch an der einen oder anderen Grundschule sehen.

Ich möchte über den demographischen Wandel und frühzeitig auch darüber reden, welche Konzepte es geben kann, damit die Schule im Dorf bleibt.