Ich möchte über den demographischen Wandel und frühzeitig auch darüber reden, welche Konzepte es geben kann, damit die Schule im Dorf bleibt.
Ich kann nicht verstehen, warum Sie sich mit einem Nein zu einem simplen Berichtsantrag genau diesem sachlichen Dialog verweigern, Herr Kollege Waschler.
Ich nenne Ihnen einen zweiten Grund, warum Sie den Menschen draußen sagen müssen, wie die Lage ist und welche Pläne Sie haben: Es gibt sehr viele Kommunen, die in Schulhäuser investieren. Bei Ihrer handstreichartigen Aufl ösung der Teilhauptschulen konnte man sehr gut sehen, dass Kommunen viele Investitionen in Gebäude quasi in den Sand gesetzt haben, weil Sie nicht frühzeitig sagen wollten, dass Schulen geschlossen oder zusammengelegt werden.
Herr Minister Schneider, das Problem liegt auf der Hand: Ihre eigenen Fraktionsmitglieder und Ihre eigenen Minister sprechen es öffentlich an. Herr Minister Huber sagte heute Mittag, nicht konzeptlos, sondern wohlüberlegt
müssten wir handeln. Wir bräuchten einen Plan, und genau das fordere ich von Ihnen. Ich möchte eine Bildungspolitik mit Weitsicht. Ich möchte heute über Herausforderungen von morgen reden. Deshalb fordere ich Zustimmung zu diesem Antrag.
Wir brauchen eine Debatte über den Rückgang der Schülerzahlen und ein Konzept, wie wir damit umgehen, dass die Grundschulen immer größere Probleme haben werden und dass die Hauptschulen zunehmend konzentriert werden sollen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben über diesen Berichtsantrag in zwei Ausschüssen des Landtags sehr ausführlich diskutiert, nämlich am 08.12.2005 im Ausschuss für Jugend, Bildung und Sport und am 24.01.2006 im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes. In beiden Ausschüssen haben wir diesen Antrag wohlbegründet abgelehnt. Wir werden dies auch heute tun.
Frau Kollegin Tolle, dies hat natürlich nichts damit zu tun, dass wir mit Ihnen nicht sprechen wollen, im Gegenteil. Wir unterhalten uns mit Ihnen stets sehr gerne, auch über Ihre Vorschläge. Ich glaube aber, das Ganze hat nicht, wie Sie vorhin verkündet haben, mit Angst, sondern damit zu tun, dass all das, was Sie in diesem Berichtsantrag fordern, bereits auf dem Tisch liegt. Alle Zahlen und Fakten sind vorhanden. Auch die Prognosen über die Schüler- und Absolventenzahlen liegen auf dem Tisch. Erst in den vergangenen Tagen ist Ihnen die aktualisierte Absolventen- und Schülerprognose unter dem Thema „Schule und Bildung in Bayern 2005“ zugegangen, wo sogar nachzulesen ist, welche Schülerzahlen bis zum Jahr 2030 auf uns zukommen.
Daneben wurde im Bildungsausschuss sowohl vom Minister als auch vom Amtschef, Herrn Ministerialdirektor Erhard, sehr ausführlich erläutert, welche Zahlen auf uns zukommen und wie das in unsere Landschaft passt.
Insofern vermute ich tatsächlich, Frau Kollegin Tolle, dass Sie mit diesem Antrag etwas anderes verfolgen. Sie haben es zwar ausgeschlossen, aber ich vermute trotzdem, dass Sie mit Ihrem Antrag weiterhin Unruhe in die bayerische Schullandschaft bringen wollen.
Meines Erachtens brauchen wir das im Moment absolut nicht, sondern wir brauchen Ruhe und Verlässlichkeit. Wir müssen die Schulen arbeiten lassen.
Frau Kollegin Tolle, Sie machen sich stets zur Wortführerin für den Abbau von Bürokratie. Solche Berichtsanträge verursachen auch ein hohes Maß an bürokratischem Aufwand.
Ich darf noch kurz vortragen, wie sich aus unserer Sicht die Dinge darstellen: Wir haben im Jahr 2005 an rund 1600 Hauptschulen 281 000 Schüler. An den Realschulen haben wir 221 000 Schüler an 342 Standorten, und wir haben an über 400 Gymnasien 357 100 Schüler. Selbst unter Einbeziehung der demographischen Entwicklung, die Sie genannt haben, unter Einbeziehung eines veränderten Bildungsverhaltens und der Binnenwanderung in unserem Land ergeben sich für das Jahr 2020 folgende Prognosewerte – Sie haben sicherlich die Zahlen des Statistischen Landesamtes gelesen –: An den Hauptschulen werden wir im Jahr 2020 voraussichtlich rund 200 000 Schüler haben, also minus 40 %. Bei den Realschulen werden wir minus 15 % haben und an den Gymnasien etwa 294 000 Schüler oder minus 20 %. Das heißt, dass diese Schularten überlebensfähig sein werden. Diese Zahlen beweisen, dass wir auch im Jahr 2020 drei starke Säulen im gegliederten Schulsystem haben werden. Damit lässt sich arbeiten.
Von Ihnen und von den Kollegen der SPD wurde die Hauptschule im Ausschuss immer wieder als Restschule mit geringen Chancen gebrandmarkt. Sie haben argumentiert, die demographische Entwicklung begründet die Zusammenlegung der Haupt- und Realschulen. Das ist auch die Zielrichtung Ihrer bisherigen Überlegungen. Wenn wir den jüngsten Reisebericht der SPD lesen, geht der Besuch in Sachsen wieder in diese Richtung, nämlich ein neues Modell in die Diskussion zu bringen. Die CSUFraktion steht demgegenüber voll dahinter, dass das dreigliedrige Schulsystem mit den Zahlen für das Jahr 2020 durchaus überlebensfähig ist und unseren Schülern bessere Chancen bietet.
Wir sind der Meinung, dass die Schülerzahlen des Jahres 2020 für alle Schularten ausreichen werden. Wenn man die Schülerzahlen der Vergangenheit zusammenrechnet, beispielsweise der Jahre 1989 und 1990, und diese mit den Schülerzahlen des Jahres 2020 vergleicht, dann werden wir im Jahr 2020 tatsächlich mehr Schüler an den Haupt- und Realschulen haben als in den Jahren 1989 und 1990. Damals wurde von niemandem – auch von Ihnen nicht – die Überlegung angestellt, die beiden Schularten unter Umständen zusammenzulegen. Deshalb verstehe ich persönlich Ihre Argumentation nicht. Ich bin über den Rückgang der Schülerzahlen natürlich nicht erfreut; mich erfreut aber in diesem Zusammenhang, dass unsere Schulen wieder überschaubar werden.
Dann legt man sie nicht zusammen. Sonst würden sie noch größer werden, wenn man sie zusammenlegen würde.
(Lachen des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaff- mann (SPD) – Susann Biedefeld (SPD): Das ist eine Logik!)
Meine Damen und Herren, ich bleibe dabei, dass die Schülerzahlen im Jahr 2020 gerade bei den Haupt- und Realschulen ausreichen werden, um ordentliche Schulstrukturen und -organisationen für diese beiden Schularten zu erhalten.
Sie sollten aufhören, alle paar Minuten eine neue Schulstrukturdebatte zu fordern. Ihre Absichten sind uns bekannt; Sie werden uns mit Ihren Wortbeiträgen und Vorschlägen sicherlich nicht erschüttern. Wir stehen unverrückbar. Das hat auch unser Bildungspapier zum dreigliedrigen Schulsystem klar gezeigt. Wir sind der Überzeugung, dass unsere Kinder in diesem gegliederten Schulwesen am besten gefördert werden und die besten Bildungschancen erhalten.
Wir brauchen in der bayerischen Bildungspolitik und in der bayerischen Schullandschaft keine Verunsicherungen, sondern wir brauchen Verlässlichkeit und Ruhe an der schulischen Front. Die täglichen Strukturdebatten, wie sie gerade von der SPD – ich habe es vorhin schon gesagt – nach jedem Besuch des Arbeitskreises in einem anderen Bundesland angestoßen werden, sind überfl üssig.
Diese Debatten schaden. Wir haben eine leistungsfähige und gute Hauptschule, die sich im Vergleich mit den anderen Bundesländern durchaus sehen lassen kann. Selbstverständlich werden wir an ihrer Weiterentwicklung arbeiten. Wir verfügen in Bayern über eine bestens akzeptierte sechsstufi ge Realschule, die wir fl ächendeckend eingeführt haben. Ich glaube, dass die Umstellung auf das achtstufi ge Gymnasium erfolgreich abgeschlossen werden kann. Die demographischen Probleme und Auswirkungen auf unser Schulsystem sind bekannt; sie sind aber nicht so gravierend, dass über eine Änderung der Schulstruktur nachgedacht werden müsste. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, möchte ich schon jetzt darauf hinweisen, dass zum Tagesordnungspunkt 9, es geht da um die Eingabe, namentliche Abstimmung beantragt ist. – Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Pfaffmann.
einige Bemerkungen zum Redebeitrag von Herrn Kollegen Nöth. Zum Ersten. Lieber Herr Kollege Nöth, Sie haben gesagt, dass wir nicht ständig Reformen an den Schulen bräuchten. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie es waren, die ständig Reformen gemacht haben: R 6, ein völlig konzeptionsloses G 8, permanente Änderungen bei der Hauptschule.
Sie sind doch diejenigen, die permanent die Schulstrukturen verändern und damit Unruhe in die Schullandschaft bringen.
Zum Zweiten: Sie wollen Ruhe, Herr Nöth. Das ist klar, das wäre Ihnen am liebsten, wenn überall Ruhe herrschen und jeder sagen würde, das passt schon. Ich sage Ihnen: Hier ist der Ort der parlamentarischen Auseinandersetzung über Schulpolitik. Das hat mit Ruhe nichts zu tun. Auch wir wollen keine Revolutionen in den Schulklassen. Wir behalten uns aber vor, hier im Parlament über die Schulpolitik zu diskutieren. Das hat nichts mit Unruhe zu tun. Sie gehen nach dem Motto vor: Keiner soll etwas merken, auch wenn es auf allen Ebenen schief läuft. Mit Ruhe kommen Sie nicht weiter, vor allen Dingen dann nicht, wenn Sie die Entwicklung einmal genauer analysieren.
Sie werfen uns vor, wir würden die Hauptschule ständig als Restschule bezeichnen. Wenn dem so ist, dass die Hauptschule eine Restschule ist, dann haben Sie sie dazu gemacht.
Wir haben in den letzten 15 Jahren in diesem Hause nicht regiert, doch in diesen 15 Jahren ist die Hauptschule zu einer Problemschule geworden. Verantwortlich dafür sind also nicht wir, die Opposition, sondern Sie; denn Sie regieren. Vielleicht darf ich Sie darauf noch einmal hinweisen.
Ich fi nde es schon bemerkenswert, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie einen einfachen Antrag ablehnen, der darauf abzielt, dass das Parlament sich mit der demographischen Entwicklung und ihren Auswirkungen auf die Schulen in den nächsten fünf Jahren auseinander setzt. Das heißt doch, Sie haben überhaupt kein Konzept. Dabei mahnen wir seit Jahren ein Konzept für das Problem der Hauptschulen an. Sie haben aber kein Konzept, und deshalb wollen Sie dem Antrag auch nicht zustimmen. Es ist sogar noch viel schlimmer, Kolleginnen und Kollegen: Sie wollen gar kein Konzept; denn ein vernünftiges Konzept für die Hauptschulen hätte mit einer
Investition in die Zukunft zu tun. Das wollen Sie aber nicht, Sie wollen unter allen Umständen sparen.
Das ist auch der Grund, weshalb Sie kein Schulkonzept wollen. Das ist die Wahrheit, auch wenn Sie hier immer wieder etwas anderes erzählen.