Protokoll der Sitzung vom 07.03.2006

Das ist auch der Grund, weshalb Sie kein Schulkonzept wollen. Das ist die Wahrheit, auch wenn Sie hier immer wieder etwas anderes erzählen.

Zur demographischen Entwicklung: Es wurde schon gesagt, in den nächsten 10 bis 15 Jahren werden wir insgesamt 330 000 Schülerinnen und Schüler weniger haben. Wir müssen doch eine Antwort auf die damit zusammenhängenden Probleme fi nden. Steht es diesem Parlament nicht gut an, wenn wir darüber diskutieren? – Hier geht es nicht nach CSU-Manier: Wir brauchen Ruhe, und deshalb tun wir nichts. Das ist doch keine Politik! Das ist doch nichts anderes, als den Kopf vor den Problemen in den Sand zu stecken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das stimmt nicht!)

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie haben doch einfach keine Antworten. Sie wissen nicht, wie Sie auf diese Herausforderung reagieren sollen.

Dabei handelt es sich nicht nur um ein Problem des Rückgangs der Schülerinnen und der Schüler. Es sind davon auch Regionen betroffen, und auch dieses Problem muss hier angesprochen werden. Es geht nicht nur darum, dass wir künftig weniger Schülerinnen und Schüler haben, es geht auch darum, dass wir dann weniger Klassen haben, und das wiederum bedeutet weniger Schulstandorte, zumindest, wenn es nach Ihrer Philosophie geht. Ich sage Ihnen voraus: Sie werden den Schülerrückgang nicht nutzen, um eine bessere Förderung zu betreiben, um die Klassen kleiner zu machen, um Unterrichtsausfall zu verhindern oder um die Zahl der Schülerinnen und Schüler zu reduzieren, die ohne Abschluss die Schulen verlassen. Dazu werden Sie den Schülerrückgang nicht nutzen. Sie wollen den Schülerrückgang nämlich einzig zum Sparen nutzen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das haben wir in der Vergangenheit doch auch gesehen. Die Schließung der Teilhauptschulen war doch nichts anderes als Ausdruck Ihrer Sparpolitik. Sie haben an den Volksschulen Lehrerplanstellen abgezogen, und das ist nichts anderes als Sparpolitik. Ich sage voraus: Wenn die demographische Entwicklung an den anderen Schulen durchschlägt, dann werden Sie auch an den anderen Schulen die Lehrerplanstellen streichen. Das werden Sie tun, nichts anderes.

Ich möchte noch ein paar andere Dinge ansprechen. Wir haben einen unterschiedlichen Schülerrückgang an den einzelnen Schulen. Das wurde zwar schon gesagt, ich möchte es aber noch einmal erwähnen. Die Grundschulen werden 17 % weniger Schülerinnen und Schüler haben, die Hauptschulen werden zwischen 33 und 40 % weniger Schülerinnen und Schüler haben – hierzu liegen verschiedene Zahlen vor –, an den Realschulen wird die

Zahl um 11 % zurückgehen und an den Gymnasien um 16 %. Das heißt, dass es die Hauptschulen am schwersten trifft, sie sind vor allem die Leidtragenden. Trotzdem gibt es von Ihnen kein Konzept für die Hauptschulen.

Ich möchte den Vorsitzenden des BLLV Oberfranken zitieren. In Oberfranken liegen die Regionen, die es am meisten betrifft. Er sagte, wenn nicht bald etwas geschieht, dann gehen in unseren Hauptschulen in zehn Jahren die Lichter aus. Ich sage voraus: Genau das wird kommen. Sie werden die Schulstandorte schließen und damit nicht nur pädagogischen Unsinn treiben, sondern damit auch die Regionen schwächen. Sie wissen ganz genau, dass ein Schulstandort für eine Region ein entscheidender Faktor ist. Wenn Sie die Schulen schließen, werden Sie die strukturschwachen Regionen noch stärker ins Knie treten, als Sie das ohnedies schon tun. Genau das ist Ihre Strategie. Ihre Strategie heißt nicht Bildungspolitik, sondern Sparpolitik.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Damit wollen Sie weiter Geld sparen. Es wäre im guten demokratischen Sinne sinnvoll, im Parlament darüber zu diskutieren, was man tun kann. Was kann man beispielsweise tun, um die wohnortnahe Schule zu erhalten? Was kann man tun, um kurze Schulwege zu sichern, um gute pädagogische Konzepte regional sicherzustellen? Was also kann man tun? – Diese Fragen sind doch eine bildungspolitische Debatte in diesem Hause wert. Wenn das keine parlamentarische Auseinandersetzung wert ist, dann sieht es aber schlecht aus. Dann können wir uns hier vielleicht noch über Ameisen unterhalten. Es wäre deshalb gut gewesen, wenn Sie dem Antrag zugestimmt hätten, damit wir uns in diesem Hohen Hause mit dem Thema auseinander setzen.

Gleichzeitig haben wir eine Veränderung bei den Übertrittsquoten festzustellen. Das Kultusministerium teilt mit, dass künftig 30 % der Schülerinnen und Schüler von der Grundschule auf die R 6 gehen werden. Das ist eine Steigerung um 5 %. Das Kultusministerium teilt außerdem mit, 35,6 % der Schülerinnen und Schüler werden von der Grundschule aufs Gymnasium wechseln. Auch das bedeutet eine Steigerung um 5 %. Die Konsequenz ist: Immer weniger Schülerinnen und Schüler werden an die Hauptschule gehen. Die demographische Entwicklung wird dadurch noch verstärkt, Kolleginnen und Kollegen, dass immer mehr Schülerinnen und Schüler ans Gymnasium und an die Realschule gehen werden. Nicht nur die demographische Entwicklung ist also ein Problem, sondern auch das Übertrittsverhalten. Das aber führt dazu, dass, regional gesehen, an den Hauptschulen die Lichter ausgehen werden. Vor allem die strukturschwachen Gebiete werden davon betroffen sein. Das müssen Sie doch in Ihren Kopf bekommen. Eine vernünftige Analyse, ein vernünftiges Konzept und die Diskussion hierüber wären deshalb sehr sinnvoll.

Es gibt bereits heute große strukturelle Probleme. Ihr Kollege Dr. Schnappauf sagt das doch nicht ohne guten Grund. Er sagt das, weil seine Kreisräte und weil seine

Schulstandorte Sorge haben, dass Schulen zugemacht werden. Das ist der Grund, warum er darauf hinweist. Wir haben bereits heute Probleme: In Niederbayern gingen 1997 55 000 Schülerinnen und Schüler auf die Grundschule. Im Jahr 2003 waren es 52 000. Das ist schon ein Rückgang von 3000. Diese Entwicklung wird sich noch verstärken. Gerade die strukturschwachen Gebiete wird es besonders treffen. Dies hier zu diskutieren, wäre ein bildungspolitisch wichtiger Ansatz, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Rednerin: Frau Kollegin Heckner. Anschließend Herr Kollege Strobl, dann Frau Kollegin Tolle.

Sehr verehrter Herr Präsident, verehrte, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pfaffmann, wir würden uns bei manchen Diskussionen bezüglich Ihrer Anträge leichter tun, wenn Sie sich auf den Antragstext beziehen und nicht jedes Mal bildungspolitische Grundsatzdebatten anstrengen würden, bei denen man am Schluss nicht mehr weiß, was hier alles im Raum steht.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind jetzt ganz konkret bei dem Antrag, dass die Staatsregierung einen Bericht über die Schülerentwicklung in den nächsten Jahren geben soll. Dieser Bericht liegt bereits vor, Herr Kollege Nöth hat schon darauf hingewiesen. Sie aber wollen eine generelle Strukturdebatte führen, zu der wir keinen Anlass sehen. Aus Ihren Beiträgen in den letzten Wochen wissen wir sehr wohl, dass Sie Strukturdebatten immer zum Anlass nehmen, um eine längere Beschulung unserer Schülerinnen und Schüler zu fordern. Sie wollen, dass wir die Gesamtschule in Bayern einführen.

(Lachen des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaff- mann (SPD))

Sie wollen dies, obwohl wir ein nachgewiesen leistungsfähiges Schulsystem haben, bei dem sich unsere Schüler im internationalen Vergleich nicht verstecken müssen.

Kollege Nöth hat es bereits angesprochen: Die Schülerzahlen, die derzeit vorliegen und die bis zum Jahr 2020 prognostiziert wurden, sind mit denen aus den Jahren 1989 und 1990 vergleichbar. Der einzige Unterschied, meine Damen und Herren, besteht darin, dass wir heute andere bildungspolitische Ansprüche haben, als dies in den Jahren 1989 und 1990 der Fall war. Wir haben höhere Ansprüche an die individuelle Förderung, wir haben an den Hauptschulen neue Lehrpläne, wir haben M-Klassen, und wir haben P-Klassen.

Sie fragen nach einem Hauptschulkonzept. Informieren Sie sich doch über das, was wir auch in unserem Ausschuss durchaus diskutieren, und bringen das auch in die Plenardebatte mit ein. Wir denken mit unserem Hauptschulkonzept an eine noch weitere Individualisierung. Unser Minister spricht von einer P 8 bzw. von einer P 10,

um Schüler zu einem erfolgreichen Hauptschulabschluss zu bringen. Ich möchte Ihnen hier auch sagen: Die von Ihnen so favorisierte Gesamtschule ist doch auch nicht wohnortnah in Kleinschulen durchzuführen. Wenn wir nicht individuell fördern, so ist dies ein Verbrechen an unseren Kindern. Das heißt, auch wenn wir mehrere Schularten zusammenführen würden, wonach uns nicht der Sinn steht, müssten wir eine gewisse Anzahl von Schülern haben, um individuelle Gruppen zu bilden.

Wenn dann gefordert wird, wir müssten mehr Lehrer in den Hauptschulen beschäftigen, wenn gesagt wird, wir betrieben nur Sparpolitik, dann darf ich schon daran erinnern, dass wir mit unseren Kreuther Beschlüssen das Geld für die rechnerisch entstandenen mehr als 700 Lehrerstellen, die durch den Schülerrückgang an den Hauptschulen frei geworden wären, keineswegs zum Sparen in irgendwelche Haushaltskassen gesteckt haben,

(Zuruf der Abgeordneten Angelika Weikert (SPD))

sondern dass wir diese Lehrer an Realschulen und an Gymnasien untergebracht und 343 davon an den Volksschulen belassen haben, genau zu dem Zweck, unsere Kinder besser zu fördern, individuell auf sie eingehen zu können und um sie auch zu Abschlüssen zu führen, die ihnen den Weg in ein erfolgreiches Leben möglich machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sollten sich einmal entscheiden, wann Sie wie argumentieren wollen. Einmal sagen Sie, wir hätten zu viele Reformen in der bayerischen Schulpolitik.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Zu schlechte!)

Die Leute draußen wollen endlich Ruhe haben, sie wollen Beständigkeit haben. Aber immer dann, wenn wir Veränderungen, wenn wir Verbesserungen planen

(Susann Biedefeld (SPD): Verbesserungen? Glauben Sie wirklich daran?)

und wenn wir nicht in die Richtung gehen, die Sie gerne hätten, heißt es auf einmal, wir seien rückständig und trieben nichts voran.

Sie bewirken mit Ihrer generellen Strukturdebatte und damit, dass Sie in öffentlichen Veranstaltungen das Thema Gesamtschule, das Thema acht Jahre gemeinsame Schulzeit immer wieder hochziehen, nur eines: Sie bewirken, dass bei den Eltern weiter Unsicherheit herrscht, was an unseren Schulen demnächst geplant wird.

(Susann Biedefeld (SPD): Das können Sie doch schon gut; dazu brauchen Sie uns nicht!)

Meine Damen und Herren, wir wollen keine Mammutschulen, was natürlich so genannte Regionalschulen werden müssten. Wir wollen dort die wohnortnahe Schule behalten, wo das machbar ist. Wir zeigen es an den Grundschulen mit den jahrgangsübergreifenden Klassen. Wir wollen keine Schulhauspolitik, sondern eine Politik für unsere Kinder. – Wir lehnen den Antrag ab.

(Beifall bei der CSU)

Zu einer Zwischenintervention hat sich Kollege Pfaffmann gemeldet. Frau Kollegin Heckner, wenn Sie darauf antworten wollen, können Sie noch einmal ans Rednerpult gehen oder gleich dableiben. – Eigentlich erfolgt die Zwischenintervention vom Platz aus, Herr Kollege. Aber wenn Sie jetzt da sind, bleiben Sie bitte vorn. Generell würde ich sagen, von einer Zwischenintervention Gebrauch zu machen, ist gar nicht schlecht, aber sie fi ndet vom Platz aus statt.

Aufgrund der Wortmeldung von Frau Heckner möchte ich erstens klarstellen, dass die SPD-Fraktion keine Gesamtschule fordert.

(Beifall bei der SPD)

Möglicherweise verwechselt sie das mit der Ganztagsschule. Das kann natürlich sein.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Nein, nein!)

Eine Gesamtschule wurde von unserer Fraktion nicht gefordert.

(Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): Na ja!)

Um das klarzustellen: in den letzten zehn Jahren in diesem Hause nicht.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens möchte ich klarstellen, dass wir nicht eine achtjährige, sondern eine sechsjährige gemeinsame Schulzeit fordern.

(Beifall bei der SPD)

Frau Heckner, wenn Sie schon die bildungspolitischen Forderungen der SPD zitieren, dann zitieren Sie sie doch bitte richtig. Damit wäre uns allen gedient.

(Beifall bei der SPD)