Protokoll der Sitzung vom 08.03.2006

Ich kann das aus eigener Erfahrung berichten, weil ich früher selber einmal für solche Genehmigungsbescheide zuständig war. Da werden umfassende Untersuchungen vorgenommen, Gutachten erstellt und letztlich Aufl agen im Genehmigungsbescheid formuliert, damit so etwas nicht geschehen kann. Unabhängig davon haben wir natürlich immer ein gesamtökologisches System, sodass auch stets Abhängigkeiten bestehen.

Dritte und letzte Zusatzfrage.

Herr Staatssekretär, Sie haben darauf hingewiesen, dass die Festlegung, dass das Grundstück hochwasserfrei ist, höchstens in einem Gutachten enthalten sein kann. Glauben Sie nicht, dass, auch wenn es für die Baugenehmigung rechtlich nicht bindend ist, dennoch eine politisch-moralische Verpfl ichtung besteht, wenn man die Bürger sozusagen schon in Sicherheit gewiegt hat, verstärkt etwas für die spezielle Problematik dieses Hochwasserdorfes Moos zu tun?

Herr Staatssekretär.

Ich denke, Sie müssen eher umgekehrt argumentieren. Damals ist ein Bauantrag gestellt worden. Der Antragsteller hat einen Rechtsanspruch auf eine Baugenehmigung, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Die Behörde hat damals so entschieden, die Baugenehmigung zu erteilen, auch um Schadenersatzansprüchen wegen der Nichterteilung zu begegnen, denn sie ist damals davon ausgegangen, dass das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht.

Damit ist dieser Fragenkomplex abgeschlossen.

Nächste Fragestellerin: Frau Kollegin Gote.

Herr Präsident, Herr Staatssekretär! Wie beurteilt die Staatsregierung das Instrument BID – Business Improvement District oder auch „Bündnis für Investitionen und Dienstleistungen“ – zur Stärkung innerstädtischer Einzelhandels- und Dienstleistungszentren, wo liegen rechtliche Schwierigkeiten und wird die Staatsregierung die rechtlichen Grundlagen für die Einrichtung von BIDs zum Beispiel in Form eines BIDGesetzes nach dem Vorbild anderer Bundesländer, etwa Schleswig-Holstein und Hessen, schaffen?

Herr Staatssekretär.

Frau Kollegin Gote, ein BID, ein Business Improvement Distict, ist ein räumlich begrenzter, meist innerstädtischer Bereich, in dem sich die Grundeigentümer und Gewerbetreibenden zusammenschließen, um Maßnahmen zur Verbesserung ihres Umfeldes durchzuführen.

Die zu diesem Zweck in Hamburg und Hessen erlassenen BID-Gesetze zielen darauf ab, die Rahmenbedingungen für Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe zu verbessern, die Attraktivität für Kunden zu erhöhen und damit den betreffenden Handels- und Dienstleistungsstandort zu stärken. Die Gesetze schaffen die Grundlage dafür, alle Grundstückseigentümer in einem bestimmten, durch gemeindliche Satzung bzw. Rechtsverordnung festgelegten Gebiet, dem so genannten Innovationsgebiet, zu Abgaben heranzuziehen, die der Finanzierung von Aufwertungsmaßnahmen dienen. Grundlage für die Festlegung eines derartigen Bereichs ist die Erstellung eines Maßnahmen- und Finanzierungskonzepts durch einen privaten Aufgabenträger, der dieses in eigener Organisation und Verantwortung erstellt.

Für die Einrichtung eines Innovationsbereichs ist die Zustimmung einer bestimmten Anzahl von Grundstückseigentümern notwendig. Nicht alle müssen zustimmen, aber ein gewisser Prozentsatz. In manchen Bereichen wird beispielsweise von 15 % ausgegangen.

Unabhängig von grundsätzlichen rechtlichen Bedenken sprechen insbesondere die zusätzliche Abgabenlast für Wirtschaft und Bürger und die damit verbundenen neuen bürokratischen Strukturen gegen ein solches BID-Gesetz. In einer Zeit, in der über zu hohe Steuer- und Abgabenlast vor allem von Mittelstand und Handwerk geklagt wird, ist es aus meiner Sicht nicht vertretbar, einer ganzen Gruppe eine neue Zwangsabgabe aufzuerlegen. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass die zur Abgabe herangezogenen Immobilieneigentümer die Abgabenlast an Gewerbetreibende und sonstige Mieter weitergeben, ohne dass sie davon zu fi nanzierenden Maßnahmen für diese von Vorteil sind oder für ihre Geschäftskonzepte passen müssen.

Wir haben daher einen anderen Weg beschritten: Unter dem Motto „Leben fi ndet Innenstadt – Öffentlich-private Kooperationen zur Standortstärkung“ werden in Bayern in einem zweijährigen Modellvorhaben öffentlich-private Partnerschaften zur Stärkung innerstädtischer Zentren erprobt. Ziel der Aktivitäten von Einzelhändlern, Gewerbetreibenden, Immobilieneigentümern und Bürgern ist es, gemeinsam mit der Kommune einen innerstädtischen Standort aufzuwerten und konkurrenzfähig zu halten. Bayern setzt mit diesem Modellvorhaben auf die Optimierung freiwilliger Kooperationen an innerstädtischen Standorten ohne gesetzliche Vorgaben. Weitere Informationen zum bayerischen Kooperationsmodell sind im Internet unter der entsprechenden Adresse abzurufen.

Zusatzfrage: Frau Kollegin.

Dieses angesprochene Modellprojekt „Leben fi ndet Innenstadt“ ist zunächst ein einmaliges Projekt. Ist daran gedacht, es weiterzuführen, und mit wie viel Mitteln ist es ausgestattet? Das sind, wenn ich es richtig sehe, Städtebaufördermittel.

Herr Staatssekretär.

Wir haben vorige Woche begonnen. Ich habe selber bei einer gut besuchten Veranstaltung mit ausgewählten Kommunen den Startschuss geben können. Wir müssen jetzt zunächst zu klären versuchen, wie sich das bewährt, es muss evaluiert werden, wir schauen, wie das läuft.

Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass diese freiwilligen Kooperationen sicherlich der bessere Weg und vernünftiger sind, um die private Seite und die öffentliche Seite zusammenzuspannen. Wir haben das im Übrigen letztlich auch bei der Städtebauförderung: Wenn private Maßnahmen im innerstädtischen Bereich einer Kommune durchgeführt werden, gibt es auch diese Kooperation des Privaten mit der staatlichen Hand. Diese Zusammenarbeit hat sich in bester Weise bewährt.

Im Übrigen ist der Einzelhandelsverband, der sich zunächst in dieser Frage auf die Seite des BID-Gesetzes geschlagen hatte, nunmehr davon abgekommen. Ich war selber bei einer großen Podiumsdiskussion mit vielen Vertretern des Einzelhandels dabei. Es ist sicherlich eine Überlegung zu sagen: Wir gehen in diese Zwangsverpfl ichtung hinein. Es ist eine mögliche Alternative. Ich halte sie letztlich für den falschen Ansatz und für den falschen Weg, und auch der Einzelhandelsverband ist, wie gesagt, jetzt davon abgekommen, dem Modell Hamburgs zu folgen, das das erste Modell in dieser Richtung war, und will nun den Weg gemeinsam mit uns gehen, eine freiwillige Kooperation zu starten.

Weitere Zusatzfrage: Frau Kollegin.

Kann man Ihre grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich einer Zwangsabgabe nicht durch folgende zwei Argumente entkräften, dass man nämlich erstens diesen Anteil der Zustimmung, also den Prozentsatz der Betriebe oder Eigentümer, die zustimmen müssen, erhöhen könnte? 15 % sind sicherlich recht wenig; dadurch bekäme das Ganze eine andere Legitimation – und dass zweitens die Abgabe direkt wieder als Investition in diesen Bereich zurückfl ießt, also sehr zielgerichtet ist?

Herr Staatssekretär.

Frau Kollegin Gote, wenn es eine Zwangsabgabe ist, so ist es eine Abgabe, die einen trifft. Davon müssen Sie ausgehen. Wenn Ursache für eine solche Abgabe ist, dass Entscheidungen getroffen werden, auf die ich beispielsweise als Mieter oder Einzelhändler keinen Einfl uss habe, weil 15 %, 20 % oder 25 % der Grundstückseigentümer ausreichen, um dies zu beschließen, dann meine ich, dass das Ergebnis nicht gut ist. Es geht auch darum, dass es zu einer Kooperation auf breiter Basis kommt. Je breiter diese Basis angelegt ist, desto besser ist auch das Ergebnis. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie, wenn Sie in einer Innenstadt eine Verbesserung in einem konkreten Areal kooperativ und freiwillig vereinbaren, ein wesentlich besseres Ergebnis erzielen werden, als wenn Sie sagen würden: Das machen wir von oben herab, wir machen eine Zwangsabgabe, über diese entscheiden eigentlich nur 20 % oder 25 %, aber trotzdem versuchen wir, ein gutes Ergebnis zu erzielen. Das sage ich auch als einer, der seit über 20 Jahren in der Kommunalpolitik ist.

Mit diesem Modell, das wir kreiert haben und das, wie ich meine, von der Kommunalpolitik exzellent angenommen wird, sind wir auf einem besseren, auf einem vernünftigeren Weg. Weitere Zwangsabgaben halte ich an dieser Stelle auch vom Ansatz her für nicht zielführend.

Dritte und letzte Zusatzfrage.

Wie beurteilen Sie aktuell die Vorstöße aus Ihrer Partei und ganz besonders der Jungen

Union in Bayreuth, die immer wieder das BID fordert? Kennen die Ihre Haltung nicht oder wollen sie Sie umstimmen?

Herr Staatssekretär.

Ich weiß nicht, welche einzelnen Gruppierungen an welcher Stelle welche Ideen haben. Ich bin froh und dankbar, dass es gerade junge Menschen gibt, die sich mit den Problemen in ihrer Stadt auseinandersetzen und nach Lösungen und Wegen suchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich habe gerade gesagt, dass dies auch ein Weg ist, den ich allerdings für den falschen halte und den auch die Staatsregierung nicht weiter verfolgen will. Wir setzen auf die freiwilligen Kooperationen, und ich bin der festen Überzeugung, dass damit ein vernünftiger Weg beschritten wird, um unsere Innenstädte attraktiv zu machen und sie neu zu beleben.

Nächster Fragesteller: Herr Kollege Winter.

Herr Staatssekretär, ich frage die Staatsregierung, ob es angesichts des Schneechaos vom vergangenen Wochenende mit circa 280 Unfällen und 1800 Notrufen Probleme mit der Alarmierung über die im Rahmen des Pilotprojektes neu geschaffene Einsatzzentrale der Polizei in Würzburg im Bereich Unterfranken gab bzw. wie sich die Alarmierung für den Bereich der früheren Polizeidirektionen Aschaffenburg und Schweinfurt auswirkte, ob es hier Verwerfungen gab oder die neue Einsatzzentrale diese besondere und außergewöhnliche Anforderung bewältigen konnte?

Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Winter, der in seiner Intensität nach Aussagen von Meteorologen in Unterfranken seit 20 Jahren stärkste Schneefall hat von Freitagnachmittag, den 03.03.2006, bis zum frühen Samstagvormittag nicht nur zu massivsten Verkehrsbehinderungen auf den unterfränkischen Straßen geführt, sondern auch Rettungs-, Räum- und natürlich auch Polizeikräfte bis an die Belastungsgrenzen gefordert. In relativ kurzer Zeit kam der Verkehr auf der A 3 Würzburg-Frankfurt zum Erliegen. Auf der RhönAutobahn A 7 konnte im Laufe des Nachmittags nur noch im Schritttempo gefahren werden, bis schließlich alle Straßen in Unterfranken von den gewaltigen Schneefällen betroffen waren.

Dabei hatte die im Rahmen der bayerischen Polizeireform eingerichtete Einsatzzentrale Unterfranken ihre erste große Bewährungsprobe zu bestehen. Circa 1500 Notrufe waren von Freitagmittag bis Samstagmorgen eingegangen, wobei fast 300 Unfälle gemeldet worden waren. Dabei wurden ein Mensch getötet und zahlreiche Fahrzeuginsassen verletzt. Zur Bewältigung der Lage wurde zudem vom Polizeipräsidium Unterfranken entsprechend dem Katastrophenschutzsonderplan für Autobahnen eine

Koordinierungsgruppe unter Beteiligung der Regierung von Unterfranken und der Autobahndirektion Nordbayern eingerichtet.

Die im Dezember 2005 neu in Betrieb genommene Einsatzzentrale in Würzburg hat diese außergewöhnliche und große Einsatzlage sowohl personell als auch technisch gut gemeistert. Während in der alten Organisation die Notrufe noch bei den drei Einsatzzentralen der Polizeidirektionen und zahlreichen Polizeiinspektionen eingegangen wären, liefen nunmehr alle 1500 Notrufe aus dem Mobil- und dem Festnetzbereich zentral in der neuen Einsatzzentrale ein, wurden dort von einer personell verstärkten Besatzung entgegengenommen, gesteuert und auch koordiniert. Die neu installierte Technik hat hervorragend funktioniert und einen wesentlichen Teil dazu beigetragen, die schwierige Situation zu bewältigen.

Herr Kollege Winter, wenn ich es zusammenfassend sagen darf: Weder beim einsatzführenden Polizeipräsidium Unterfranken noch bei den mit der Abarbeitung vor Ort befassten Polizeidienststellen wurden Probleme bekannt, die auf die geänderte Einsatzphilosophie und die neue Einsatzzentrale zurückzuführen gewesen wären.

Noch einmal: Herr Kollege Winter.

Herr Staatssekretär, sind Ihnen Fälle bekannt, dass es zu Zeitverzögerungen beim Einsatz der Polizei bzw. von Hilfsdiensten durch Namensverwechslungen kam, zum Beispiel: Kleinostheim, Ostheim vor der Rhön oder Großostheim? Gab es da Probleme, oder hat auch dies reibungslos geklappt?

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Georg Schmid (Innenministerium) : Solche Fälle, Herr Kollege Winter, sind mir nicht bekannt. Dass es natürlich bei den Einsätzen unmittelbar vor Ort dann zu Verzögerungen gekommen ist, ist bei solchen Verkehrssituationen klar. Wenn man sich durch diese schneebedeckten Fahrbahnen zu kämpfen hat, kommt es natürlich zu dieser Sondersituation. Aber die Namensverwechslungen sind mir nicht gemeldet worden.

Nächster Fragesteller: Herr Kollege Boutter.

Herr Präsident, Herr Staatssekretär, ich frage die Bayerische Staatsregierung: Wie beurteilt die Staatsregierung die von der „Bürgerinitiative für eine bessere und kostengünstigere Ortsumgehung für Wollbach“ – das liegt in der Rhön – vorgelegte Alternativplanung im Vergleich zum bisherigen 30 Jahre alten Planungskonzept, welche Voraussetzungen müssten geschaffen werden, um die von der Bürgerinitiative gewünschte Alternative zu realisieren, und ist die Staatsregierung bereit, diese Voraussetzungen zu schaffen?

Herr Staatssekretär.

Herr Kollege Boutter, für die rund 3,6 Kilometer lange Ortsumgehung Wollbach läuft seit November 2005 das Planfeststellungsverfahren bei der Regierung von Unterfranken.

Die Antragsplanung des Staatlichen Bauamtes Schweinfurt ist eine wirtschaftliche Planung, die die Verkehrsverhältnisse auf der Staatsstraße 2292 wesentlich verbessern und die geschlossene Ortslage von Wollbach von der Lärm- und Abgasbelastung des Durchgangsverkehrs entlasten wird. Der Immissionsschutz der nächstgelegenen Wohnhäuser ist gewährleistet, indem die gesetzlich verankerten Grenzwerte für Lärm- und Luftschadstoffbelastungen eingehalten werden.

Nach überschlägiger Prüfung sind keine entscheidenden Vorteile der von der Bürgerinitiative vorgeschlagenen Alternativtrasse erkennbar. Wirtschaftliche Vorteile sind bei der rund 300 bis 400 Meter längeren Alternativtrasse nicht zu erwarten, zumal diese damit einen größeren Flächenbedarf an naturschutzfachlich hochwertigen und landwirtschaftlich bewirtschafteten Flächen auslösen würde. Ein Umschwenken auf diese Lösung würde zudem einen Zeitverlust von mehreren Jahren bedeuten, da für eine neue Linienführung die technische Planung nochmals erarbeitet und ein neues Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden müsste.

Über die Einwendung der Bürgerinitiative, die ja im Rahmen dieses derzeit laufenden Planfeststellungsverfahrens vorliegt, entscheidet die Planfeststellungsbehörde. Dieser Entscheidung kann und soll auch nicht vorgegriffen werden.