Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

These Nummer 3: Studiengebühren können sozialverträglich gestaltet werden. Es gibt Ausnahmen von der Beitragspfl icht, etwa bei Studierenden, die ein Kind haben, das nicht älter als zehn Jahre alt ist. Warum gerade zehn Lebensjahre eine Grenze sein sollen, leuchtet mir nicht ein. Und es gilt auch bei Promotionsstudien. Diese Ausnahmen sind natürlich zu befürworten; dagegen hat niemand von uns etwas sagen können. Allerdings - das muss uns klar sein - betrifft das nur äußerst wenig Studierende. Es ist deshalb ein soziales Feigenblatt. Die große Masse der Studierenden wird zahlen, und zwar den Höchstsatz; denn keine Universität kann auf diese Gelder verzichten.

Sozialverträglich bedeutet für mich, dass Studierende aus sozial schwächeren Familien die gleichen Chancen haben wie Kinder Besserverdienender. Das ist aber absolut nicht der Fall. Und das ist für uns nicht nachzuvollziehen.

Auch unsere Forderung, die Bafög-Empfänger aufzunehmen, wurde abgelehnt. Die CSU kassiert eben alle ab, ohne Rücksicht auf die Folgen. Deshalb möchte ich hier noch einmal ganz deutlich sagen: Sozialverträgliche Studiengebühren gibt es nicht. Das ist ein Widerspruch in sich selbst.

(Beifall bei der SPD)

Wenn die Studiengebühren durch Kredite fi nanziert werden, dann wird es teuer. Ich möchte ein Zitat bringen, damit wir uns davon einmal eine Vorstellung machen können. In der „Süddeutschen Zeitung“ vom 3. April dieses Jahres wurde ausführlich über die Kreditfi nanzierung eines Studiums berichtet. Es handelte sich um das staatliche Kreditprogramm für die Hochschüler. Ich zitiere:

Billig ist auch der Kredit der KfW nicht. Ein Student, der sich neun Semester lang 500 Euro im Monat auszahlen lassen will, kommt auf eine Auszahlungssumme von 27 000 Euro. Wenn er eineinhalb Jahre nach Beendigung seines Studiums mit der Tilgung beginnt, muss er inklusive Zinsen 31 799 Euro zurückzahlen. Tut er dies innerhalb von zehn Jahren, so laufen in dieser Zeit nochmals 8661 Euro Zinsen auf. Alles in

allem muss er für seine 27 000 Euro Studienkredit 41 269 Euro berappen.

(Zuruf von der CSU: Die braucht er jetzt auch schon!)

Aus der Sicht von Verbraucherschützern wird es vor allem dann problematisch, wenn die Kreditnehmer nach dem Studium längere Zeit keinen Job bekommen oder von Praktikum zu Praktikum tingeln. Dann gerät man leicht in die Schuldenspirale.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

- Das hat natürlich etwas mit den Studiengebühren zu tun, denn genau die, die nicht aus einem reichen Elternhaus kommen, müssen ihr Studium ja auch irgendwie fi nanzieren und sie werden dann natürlich neben den Studiengebühren auch andere Kosten tragen müssen. Deswegen ist es nicht zu hoch gegriffen, wenn ich von 500 Euro im Monat spreche. Und sie werden dann eben nicht nur wegen der Studiengebühren, sondern weil das Studium insgesamt etwas kostet, bei 40 000 Euro Schulden landen. Das empört uns so.

(Beifall bei der SPD)

Man kann doch nicht von sozialer Verträglichkeit reden, wenn einer 40 000 Euro Schulden zurückzuzahlen hat.

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Was faseln Sie da für falsche Zahlen!)

- Das sind Zahlen, die hier nachgerechnet worden sind.

(Anhaltende Zurufe von der CSU)

- Das eine kommt noch zum anderen dazu; lesen Sie es nach oder beweisen Sie mir das Gegenteil. Dann würde ich auch sagen, wenn es so harmlos ist, dann sind wir auch für Studiengebühren.

(Dr. Ludwig Spaenle (CSU): Wenn man rechnen kann, dann schon! – Weitere Zurufe von der CSU)

Die These Nummer 4 möchte ich auch noch ganz kurz bringen: Studiengebühren sind ungerecht, und sie torpedieren die immer wieder geforderte Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Das Gegenteil würde bedeuten, dass die Chancen durch Studiengebühren für Jugendliche in Familien, die ein geringes Einkommen haben gegenüber den Besserverdienenden. Diese These würde wohl kaum einer wagen. Alle historischen Erfahrungen zeigen, dass die relative Chancengleichheit vom Zugang zur Bildung abhängig ist. Oder anders ausgedrückt: Beruf und Einkommen von Kindern aus sozial schwächeren Familien stehen indirekt

proportional im Verhältnis zum Umfang steuerfi nanzierter Investitionen in Bildungseinrichtungen. Dieser kostenlose Zugang zu Bildung und Ausbildung war eine urdemokratische Forderung. Sie wurde und wird von den Sozialdemokraten seit über 140 Jahren erhoben. Die Studiengebühren sind der falsche Weg in die falsche Richtung. Sie verschärfen die ohnehin vorhandene soziale Ungleichbehandlung und widersprechen dem Grundrecht auf Bildung, unabhängig von Herkunft und Geldbeutel der Eltern. Deshalb lehnen wir die Studiengebühren ab.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Zimmermann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich hätte ich gerne gesehen, wenn Herr Kollege Wahnschaffe vor mir gesprochen hätte.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sie wissen sicherlich schon, was ich sagen will!)

- Ja, genau! Nachdem wir uns ja im Sozialausschuss bereits eingehend mit dieser Thematik beschäftigt haben und ich Ihre Argumente kenne, erlaube ich mir schon im Vorlauf Ihrer Anmerkungen, auf Ihre Argumente einzugehen.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE) und Joachim Wahnschaffe (SPD))

Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns heute Vormittag über die Krankenhausversorgung in Bayern und über den Schwerpunkt der allgemeinen Krankenhausversorgung entsprechend dem Bayerischen Krankenhausgesetz sehr eingehend unterhalten. Jetzt ist es an der Zeit, sich über die universitäre Medizin und damit die Versorgung in diesem Bereich hier im Freistaat zu unterhalten. Wir waren der Meinung, dass es richtig und angezeigt ist, die bisherigen Festlegungen, die die Universitätskliniken in Bayern betreffen und die im Hochschulgesetz niedergelegt sind, aufgrund der Bedeutung, die auch die universitäre Medizin im Freistaat Bayern genießt und hat, in ein eigenes Gesetz zu gießen. Deshalb beraten wir heute das erste Bayerische Universitätsklinikagesetz.

Kolleginnen und Kollegen, wir hatten im alten Hochschulrecht in einer Experimentierklausel die Möglichkeit eingeräumt, dass auch sich Kliniken in der Rechtsform einer rechtlich verselbständigen Organschaft aufstellen, also eine Einrichtung in der Rechtsform – -

(Adelheid Rupp (SPD): Anstalt des öffentlichen Rechts!)

- Anstalt des öffentlichen Rechts. Danke, Frau Kollegin Rupp, ich hatte schon gehofft, Sie würden mir kurz beistehen.

(Zurufe von der SPD)

Nein, nein, keine Angst. Und siehe da, das Klinikum Rechts der Isar, das sich unweit des Parlaments befi ndet, hat sich dieser Thematik angenommen und in hervorragender Art und Weise diese Aufgabenstellung nicht nur in Angriff genommen, sondern auch umgesetzt. Es hat uns die Notwendigkeit in Erinnerung gerufen, alle anderen bayerischen Universitätskliniken in eine ähnliche oder gleichgeartete Rechtsform zu überführen.

Aus der Sicht des Ministeriums hat es sich als richtig erwiesen, die positiven Erkenntnisse, speziell was die wirtschaftlichen Gegebenheiten und die Umsetzung anbelangt – dafür bin ich sehr dankbar –, zu dieser Rechtsform der Anstalt des öffentlichen Rechts auf alle anderen vier bayerischen Universitätskliniken zu übertragen, also München-Großhadern, Erlangen, Würzburg und Regensburg.

Ich habe heute Vormittag schon die Problematik der Wirtschaftsführung eines Krankenhauses angesprochen. Diese Problemstellungen, wie ich sie heute Morgen aufgezeigt habe, treffen natürlich auch für ein Universitätsklinikum im gleichen Maße zu.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Dann könntet Ihr doch ein Gesetz machen!)

- Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, Herr Kollege Wahnschaffe, dass ich auf dieses Argument später noch eingehen wollte. Aber weil Sie es jetzt schon sagen, kurz Folgendes: Ich halte die Bedeutung der bayerischen universitären Medizin für so herausragend, dass sie in einem Bayerischen Universitätsklinikagesetz künftig festgehalten werden sollte, nachdem sie schon bisher in einem Hochschulgesetz untergebracht war. Damit soll zwischen Krankenversorgung auf der einen Seite und Lehre und Forschung auf der anderen Seite klar unterschieden werden. Wir waren der Meinung, dass dies eine Möglichkeit der unternehmerischen Freiheit des Wirtschaftsbereichs eines Universitätsklinikums im Bereich der Krankenversorgung nach sich zieht.

Damit stellen sie uns auch gegenüber Mitkonkurrenten in anderen Bereichen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten positiv auf.

Sie mahnen immer wieder an – Frau Kollegin Stahl hat das gerade eben noch einmal verdeutlicht -, dass wir die Krankenversorgung beim Betreiben eines Universitätsklinikums nicht hintanstellen dürften. Aber es heißt, dass Forschung und Lehre auf der einen und Krankenversorgung auf der anderen Seite gleichgewichtig nebeneinander stehen und dass die Medizinerausbildung per se auch den Patienten einbeziehen muss. Die Gleichwertigkeit von Krankenversorgung, Lehre und Forschung muss gegeben sein.

Jetzt soll im Gesetz eine schärfere Trennung dieser beiden Bereiche an einer Schnittstelle stattfi nden. Mir als Nichtjuristen ist mitgeteilt worden, dass dies aufgrund der Einführung der Anstalt des öffentlichen Rechts gesetzestechnisch notwendig sei, weil das Universitätsklinikum nicht mehr Bestandteil der Universität bleibt und das Koopera

tionsmodell, das wir jetzt praktizieren, einer sehr scharfen juristischen Präzisierung bedarf.

Wir haben uns anders als zum Beispiel die Medizinische Hochschule in Hannover nicht für das Integrationsmodell, sondern für das Kooperationsmodell entschieden, um nicht nur nach außen, sondern auch intern ganz klar festzustellen, dass die beiden Bereiche als gleichwertig nebeneinander zu betrachten sind.

Wir haben in Artikel 2 festgelegt, dass die Bereiche, wie ich sie gerade angedeutet habe – Forschung und Lehre – entsprechend dem Kooperationsmodell im Gesetz herausgehoben verankert werden.

Aber jetzt komme ich zu dem spannenden Thema: Artikel 16 des ersten Bayerischen Hochschulgesetzes. Bei der Entwicklung denke ich speziell an die Münchener Situation, wo es zwei Universitätskliniken gibt, die durch einen Fluss getrennt sind, der Isar heißt – links und rechts der Isar -, an gewisse Unstimmigkeiten, was den Fächerabgleich anlangt, an gewisse Kooperationsgedanken, die auch vonseiten des Ministeriums angestellt und etwas zögerlich und mangelhaft umgesetzt worden sind. Wir haben laut nachgedacht und die Überlegung einer Fusion beider Medizinischen Fakultäten ins Auge gefasst.

Ich darf hier etwas vorwegnehmen. Meine Fraktion hat einen Änderungsantrag eingebracht. Für die drei Artikel in § 16 haben wir den so genannten Landtagsvorbehalt eingebaut. Bevor diese drei, wie ich meine, richtigen Überlegungen umgesetzt werden, soll sich das Plenum des Bayerischen Landtags mit dieser Thematik noch einmal auseinandersetzen. Wir sollten in Ruhe die einzelnen Maßnahmen, die angedacht sind, umsetzbar machen.

Dazu gehört nicht nur die Fusion in München. Wir müssen abwarten, wie sich die Entwicklung durch den Lenkungsausschuss tatsächlich darstellt. Dazu gehört auch, was ich für sehr vernünftig halte, dass zum Beispiel Kooperationen über die einzelnen Klinikgrenzen hinweg – ich denke an Regensburg, Herr Kollege Wahnschaffe, an Bereiche der EDV – stattfi nden, damit Dienstleistungsbereiche, die in größeren Zusammenhängen zu sehen sind, in eine gemeinsame Organisationsform gebracht werden. Das wollen wir nicht ausschließen. Auch hierfür wollen wir den Landtagsvorbehalt. Dafür sollte es eine private Rechtsform geben.

Kolleginnen und Kollegen, heute Vormittag und heute Nachmittag habe ich bemerkt, dass bei Ihnen, wenn Sie das Wort „Privatisierung“ hören, irgendwo ein geistiges Rollo herunterfällt, wodurch für Sie das alles erledigt ist. Ich darf Sie, Frau Kollegin Stahl, nur daran erinnern, dass Ihre Kolleginnen und Kollegen aus dem Münchener Stadtrat vor zwei Jahren die Privatisierung der Städtischen Krankenhäuser in München zusammen mit den SPD-Kollegen im Stadtrat beschlossen haben. Es galt der Aspekt, dass gewisse betriebswirtschaftliche und sonstige Notwendigkeiten in einer privaten Rechtsform besser und zeitnäher erledigt werden können.

Das größte Universitätsklinikum der Republik ist die Charité mit insgesamt 15 000 Beschäftigten. Die Regierungs

form in Berlin kennen Sie: SPD und PDS. Es ist eine sehr sozialistisch ausgeprägte Regierungsform.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Nichts gegen die Charité!)