Protokoll der Sitzung vom 18.05.2006

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Nichts gegen die Charité!)

- Ich habe nichts gegen die Charité gesagt. Herr Kollege Wahnschaffe, warten Sie doch ein bisschen.

PDS und SPD sind dafür verantwortlich, dass die Tarifvereinbarung dort mit der Maßgabe gekündigt worden ist, dass die Arbeitszeit verlängert wird und die Einkünfte gesenkt werden. So operieren Sie also vor Ort, an anderer Stelle.

Haben Sie keine Angst, dass wir der Meinung sind, dass auch diese Maßnahme der Herstellung einer privaten Rechtsform uns für die eventuelle Führung eines Universitätsklinikums nur weiterbringt. Damit gewährleisten wir Flexibilität und Möglichkeiten zur adäquaten universitären Versorgung in unserem Land.

Ich hätte noch viel mehr zu sagen. Aber die Begrenzung der Redezeit verbietet mir das.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Klinikumgesetz.

(Beifall bei der CSU – Joachim Wahnschaffe (SPD): Das Rollo geht wieder hoch!)

Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Mütze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als grüner Finanzpolitiker betrachte ich das Haushaltsgesetz, zu dem ich reden möchte, unter dem fi nanziellen Aspekt und unter der Prämisse, dass wir alle in diesem Haus, so denke ich, mehr Geld für Bildung ausgeben wollen, also auch für die Hochschulbildung. Wir haben zu schauen, ob ausreichend Geld im System der Hochschule vorhanden ist. Ist genügend Geld vorhanden, um den internationalen Wettbewerb bestehen zu können, um in großer Breite zu Spitzenleistungen zu kommen, um die Talente an den Universitäten fördern zu können, um unsere Studierenden und Nachwuchswissenschaftler sowie die Professoren an unseren Hochschulen halten zu können, um die Lehre signifi kant verbessern zu können, Betreuungsrelationen zu verbessern, Bibliotheken, Labors und Rechenzentren vernünftig auszustatten und um nicht zuletzt die Gebäudesubstanz der Hochschulen zu erhalten?

Unter all diesen Aspekten betrachten wir die Hochschulen. Dabei kommen wir zu dem Ergebnis, dass das Hochschulgesetz in den Rahmenbedingungen für das Gros – ich rede jetzt nicht von LMU und TU und Würzburg – keine Verbesserungen bringt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Antwort auf die Frage, ob genug Geld im System ist, muss für das Gros der Hochschulen also lauten: Nein.

Stattdessen ziehen Sie sich mit dem neuen Hochschulgesetz auf eine Grundfi nanzierung zurück. Wie soll die aussehen? Sie schaffen es doch bisher noch nicht einmal, die Grundversorgung im Sinne eines Erhalts der Infrastruktur in einem vertretbaren Zeitraum zu garantieren. Auch wollen Sie sich da jetzt zurückziehen. Wie lange hat zum Beispiel – es ist unser Lieblingsbeispiel – die Uni in Regensburg warten müssen, bevor sich in diesem Jahr – wir haben vor einigen Wochen dazu im Haushaltsausschuss etwas verabschiedet – ein bisschen getan hat?

Bildung, Herr Minister, insbesondere Hochschulbildung, ist eine öffentliche Aufgabe und muss – ich wiederhole es – muss entsprechend fi nanziert werden. In dem Entwurf fi nden wir dagegen die Formulierung: „nach Maßgabe des Staatshaushalts“. Wollen Sie also nur noch Mittel bereitstellen? Das Mehr an Aufgaben, die die Hochschulen zu schultern haben, wollen Sie den Hochschulen auch nicht ersetzen. So sieht also Ihr Schwerpunkt „Bildung“ aus.

Wie sich das auswirkt, können die Hochschulen bei anderen Stellen im Freistaat erfragen, die unter dem gleichen Finanzvorbehalt „nach Maßgabe des Staatshaushalts“ stehen und ihre Aufgabendichte verringern, Angebote streichen oder Personal entlassen mussten.

In Ihrer Rede vorhin, Herr Minister, die ich aufmerksam verfolgt habe, haben Sie ausgeführt, dass die Hochschulen schon bisher am Rand ihrer Leistungsfähigkeit arbeiten mussten. Und vom Rand bis zum Abgrund ist es nur ein kleiner Schritt. Die steigenden Studentenzahlen der kommenden Jahre könnten dieser kleine Schritt sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, Sie wollen die Spitze in der Breite, geben aber nicht das Geld dazu.

Zum Thema Drittmittelfi nanzierung. Welcher Studiengang hat denn die Möglichkeit, vermehrt Drittmittel einzuwerben? Das sind doch die Bereiche, die für die Wirtschaft von Interesse sind, und nicht diejenigen, die uns intellektuell weiterbringen. Woher bekommen diese Bereiche ihre Drittmittel? Die müssen über Stiftungen oder Sonstiges etwas einwerben. Wenn ihnen das nicht gelingt, steigen Sie dann in die Finanzierung ein?

Zur Grundfi nanzierung und zu Drittmitteln soll dann noch die Finanzierung durch Studiengebühren hinzukommen. Dazu hat Frau Kollegin Gote inhaltlich ausreichend Stellung bezogen. Sie sollen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen beitragen. Die Verbesserung der Lehre ist aber doch Ihre ursprünglichste Aufgabe, Herr Minister. Sie müssen die Verbesserung der Rahmenbedingungen sicherstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die mit den Studiengebühren einhergehenden Versprechungen, die Lehre zu verbessern, hören wir wohl, allein es fehlt der Glaube. Zudem steht das Wort des Finanzministers, dass diese Summen auch zukünftig den Hochschulen von der Grundversorgung nicht abgezogen

werden. Fühlt sich aber ein Nachfolger oder eine eventuelle Nachfolgerin auch noch an dieses Wort gebunden? Wird die Finanznot etwa wieder so dringend werden, dass die Studiengebühren in den ganz normalen Haushalt eingestellt werden und die Hochschulen wiederum in die Röhre schauen?

Einen anderen Aspekt hat mir Kollege Magerl gerade genannt. Er hat sich mit Hauptschülern unterhalten. Ich mache jetzt einen inhaltlichen Sprung. Die Hauptschüler sagen, sie hätten Angst vor den Studiengebühren. Warum haben sie Angst? Natürlich werden die Studiengebühren für einige Gymnasiasten abschreckend sein, und einige Abiturientinnen und Abiturienten werden dann erst einmal eine Lehre machen. Was passiert aber? Sie nehmen den Hauptschülern Ausbildungsplätze weg, die ohnehin schon Schwierigkeiten haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte noch einmal zu dem Text zurückkommen. Ich bleibe bei der Kritik am Text. In Artikel 5 – Finanzierung – heißt es, dass eine Kosten- und Leistungsrechnung nach einheitlichen Grundsätzen notwendig wird. Wer bestimmt diese Grundsätze, Herr Minister? Bei der Unterschiedlichkeit der Fächer ist das doch kaum möglich. Zu befürchten ist, dass den Berechnungen vor allem quantitativ Messbares und ökonomisch Verwertbares zugrunde gelegt wird, wie zum Beispiel Anzahl der Absolventinnen und Absolventen, Veröffentlichungszahlen oder eingeworbene Drittmittel. Paradox ist das, was in der Begründung zu Artikel 5 Absatz 2 steht – ich zitiere:

Dem Ziel der Deregulierung und Straffung des Hochschulrechts dient der Verzicht auf eine weitgehende gesetzliche Beschreibung der leistungs- und belastungsbezogenen Kriterien.

Wenn man böswillig ist wie ich, könnte man das dahin gehend interpretieren, dass die Hochschulfi nanzierung den Volksvertretern und Volksvertreterinnen – also uns hier im Landtag – weitgehend entzogen wird und die Exekutive mit den autonomen Hochschulen auf operativer Ebene mauschelt. Damit ist weder Gleichbehandlung noch Planungssicherheit noch öffentliche Kontrolle noch Mitsprache des Landtags gewährleistet. Das lehnen wir in dieser Form ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Kollege Spaenle hat vorhin das Wort von der „Unternehmung Hochschule“ gebraucht. Die Hochschule ist aber kein eigentliches Wirtschaftsunternehmen mit einem vielleicht noch dazukommenden öffentlichen Interesse an Bildung. Die Hochschulen können ihre Mittel nicht wie ein Unternehmen selbst erwirtschaften. Sie sind davon abhängig, dass wir, der Landtag, ihnen die Mittel im notwendigen Rahmen zur Verfügung stellen, damit sie alle ihre Aufgaben erfüllen können. Diese Voraussetzung erfüllen Sie und das neue Hochschulgesetz nicht. Deswegen lehnen wir das Gesetz ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Wörner.

(Dr. Thomas Zimmermann (CSU): Jetzt kommt der Vertreter der städtischen Krankenhäuser München, jetzt kommt der große Privatisierer!)

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Nachdem über Studierende, Professoren und Universitäten ausreichend gesprochen worden ist, möchte ich Ihr Augenmerk darauf lenken, dass diese Universitäten eigentlich nur funktionieren, weil es dort Beschäftigte gibt. Herr Minister Goppel, Ihnen muss es heute Vormittag fast die Hose zerrissen haben.

(Allgemeine Heiterkeit)

Da haben Sie nämlich einen riesigen Spagat gemacht, indem Sie einerseits die Beamten Ihres Hauses zu Recht für die geleistete Arbeit gelobt haben, während Sie beim Ergebnis dieser Arbeit das Personal der Universitäten völlig ausgeblendet haben. Davon, dass dieses Personal in eine moderne Sklaverei geschickt wird, habe ich nichts gehört. Ich hätte es mir gewünscht, dass Sie die Beschäftigten an den Universitäten im Gesetzgebungsverfahren genauso behandeln, wie Sie es mit dem Personal Ihres Hauses machen. Dann wäre es in Ordnung gewesen. Sie haben nicht nur Ihrem Haus gegenüber Pfl ichten, sondern auch den Beschäftigten gegenüber, die die Arbeit an den Universitäten leisten.

(Beifall bei der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, man muss sich das einmal vorstellen: Ein Staat predigt moderne Unternehmensführung, gibt sich Leitlinien und weiß der Teufel sonst noch was. Alles ist im Ergebnis aber nur ein Papiertiger. Wenn Ihr Ergebnis kein Papiertiger wäre, der nur für Sonntagsreden geeignet ist, hätten Sie nämlich auch dem Teil des Gesetzes zustimmen müssen, wonach sichergestellt werden soll, dass Tarifverträge für die Beschäftigten in den auszugliedernden Kliniken weiter gelten, und zwar nicht nur für ein Jahr, sondern über einen Überleitungstarifvertrag auch länger. Das wäre ein anständiger und fairer Umgang mit den Beschäftigten gewesen.

Das nächste Beispiel: Als es darum ging, dem je nach Konstrukt Personalrats- oder Betriebsratsvorsitzendem einen Sitz im Aufsichtsrat einzuräumen, haben Sie versagt. Gerade im Aufsichtsrat fallen doch wesentliche Entscheidungen, die auch das Personal betreffen. Die Beteiligungsrechte, die völlig normal sind, haben Sie herausgenommen und den Mitarbeitern weggenommen. Woher wollen Sie denn Motivation bekommen? Ein Weiteres kommt hinzu, und das ist ganz fatal. Sie haben damit den Universitäten oder Kliniken das Wissen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, das in solchen Betrieben sehr ausgeprägt ist, entzogen.

Sie haben mit der Gesetzgebung dafür gesorgt, dass weitere Beschäftigte im Aufsichtsrat nicht tätig werden können, obwohl wir das wollten. Das nennen Sie Beteiligung von Beschäftigten. Wie wollen Sie denn eigentlich erreichen, dass das Wissen und das Know-how in den

Häusern erhalten bleibt, wenn Sie die Leute, die von den Maßnahmen in erster Linie betroffen sind, aus den wesentlichen Organen fernhalten? Wie wollen Sie einen vernünftigen Umgang bei Entscheidungsprozessen erreichen, wenn Beschäftigte überhaupt nicht eingebunden werden, geschweige denn Gehör fi nden oder erst im Nachhinein beteiligt werden?

Dem Fass wird der Boden ausgeschlagen, wenn das stimmt, was Kollegin Gote gesagt hat – und ich gehe davon aus, dass es stimmt: In Zukunft wollen Sie mit Studierenden Lohndumping betreiben, indem Sie diese mit sieben Euro bezahlen. Das ist Lohndumping pur. Dafür sollten Sie sich schämen.

(Beifall bei der SPD – Engelbert Kupka (CSU): Wo habt Ihr denn die Horrorszenarien her?)

Wir reden über moderne Personalführung. In Wirklichkeit nutzen Sie das Instrument des Ausgliederns dafür, dass man Tarifverträge absenkt und kündigt und dass man aus bestehenden Verträgen leichter aussteigen kann als bisher. Sie reden von der Freiheit, die die Universitäten dadurch bekommen. Was meinen Sie denn damit? Meinen Sie mit Freiheit, dass Sie das Personal an den Universitäten freisetzen? Das kann man bei Ihrer Diktion nur erwarten. Sie sagen, es wird modern. Ich sage Ihnen, das ist für das Personal Modernität nach Gutsherrnart, sonst hätten Sie das, was wir vorgeschlagen haben, ins Gesetz aufgenommen. Sie nennen es Paradigmenwechsel. Ja, für das Personal ist es ein Paradigmenwechsel von Ausgebeuteten zu wehrlosen Sklaven.

(Engelbert Kupka (CSU): Aber jetzt hör doch auf mit dem Schmarrn!)

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, deswegen kann man einem solchen Gesetz nicht zustimmen. Wenn Sie sich darüber erregen, dass ich hier von Ausbeutung spreche, beweise ich Ihnen das auch. An welchem Klinikum und an welcher Universität wird die Arbeitszeitordnung eingehalten? Wo werden die Regularien des Gesetzgebers, der wir in dem Fall selber sind, eingehalten, wenn es darum geht, Arbeitsplatzsicherheit herzustellen und das Arbeitsrecht ordentlich zu vertreten?

(Dr. Thomas Zimmermann (CSU): Gilt das auch bei der Stadt München?)

Ich rede jetzt nicht über die Streiks, die derzeit laufen, sondern über die Bestimmungen, gegen die in Ihren Häusern täglich verstoßen wird. Wenn diese Entwicklung so weitergeht und in ausgegliederten Betrieben noch verstärkt wird, weil wir die Kontrolle völlig verlieren, dann gnade Gott den Beschäftigten. Vor allen Dingen wünsche ich Ihnen dann viel Spaß bei der Rekrutierung von Personal.

Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, alleine das ist Grund genug, Ihr Gesetz abzulehnen. So kann man mit dem Personal nicht umgehen.

(Dr. Thomas Zimmermann (CSU): Sie reden völlig an der Sache vorbei!)

- Herr Zimmermann, regen Sie sich nicht auf. Sie wollen in München privatisieren, nicht die SPD.