Meine nach mir redenden Kolleginnen und Kollegen werden zu diesen Programmen noch gezielt Stellung nehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte es für außerordentlich wichtig, dass wir miteinander versuchen, in einer Gemeinschaftsaktion „Berufl iche Bildung“, die das Zusammenwirken aller verantwortlichen Kräfte voraussetzt, eine Weiterentwicklung und Verbesserung der Situation zu erreichen. Zum einen sind hier die Arbeitgeber gefordert. Wir appellieren an die bayerische Wirtschaft, auch in Zukunft in ausreichendem Maße Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen. Die Unternehmen profi tieren letztlich selbst von qualifi ziert ausgebildeten jungen Arbeitskräften. Die Gewerkschaften sollten sich Einstiegsmodellen und fl exibleren Lösungen, die insbesondere lern- und theorieschwachen Jugendlichen helfen sollen, nicht verschließen.
Häufi g werden von den Gewerkschaftsvertretern in der falsch verstandenen Sorge, das Niveau könnte sinken, positive Entscheidungen blockiert und boykottiert.
Das kann nicht im Interesse der betroffenen Jugendlichen sein; es ist deshalb auch arbeitnehmerunfreundlich. Ich appelliere an die Gewerkschaften, sich fl exiblen Lösungen nicht zu verschließen.
Ich appelliere an die Politik – und sehe sie hier in der Pfl icht –, Rahmenbedingungen zur Förderung unbürokratischer Ausbildungsbereitschaft, zur besonderen Unterstützung der Ausbildungsfähigkeit von Jugendlichen und zur Stärkung der Mobilität zu schaffen.
Auch die Verkürzung der Ausbildung auf zwei Jahre kann für theorieschwächere Jugendliche ein Einstieg sein. Es gibt Berufsbilder, bei denen dies praktiziert wird. Es ist aber noch mehr notwendig. Wir brauchen in verstärktem Maße kürzere Ausbildungsgänge. Es ist deshalb notwendig, die bereits bewährten Maßnahmen in der von mir angesprochenen Form künftig zu fördern. Dazu gehört auch die Unterstützung der Mobilität junger Menschen bei unterschiedlicher Ausbildungsnachfrage in den einzelnen
Regionen. In den Ballungsräumen beispielsweise ist das Angebot an Ausbildungsplätzen größer als die Nachfrage; Sie haben das vorhin bereits angesprochen. Dieser Umstand wurde bisher kaum beachtet. Deshalb sind Wohnungshilfen in unterschiedlicher Form und Struktur ein geeigneter Ansatz, um die Mobilität der jungen Leute zu fördern.
Im Gesamtkontext ist es schließlich Aufgabe der Arbeitsagentur, die Vermittlung der Jugendlichen, aber auch Initiativen vor Ort, zu unterstützen und passgenaue Hilfen, die mit der Reform des Arbeitsmarktrechtes verbunden sind, im Interesse der Schaffung von Ausbildungsplätzen zu gewährleisten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, nur mit einem Gesamtkonzept aus Bildungs-, Familien-, Jugendhilfe- und Wirtschaftspolitik, an dem sich alle Gruppen mit den genannten Zielen beteiligen, werden wir diese Zukunftsaufgabe meistern. Dafür haben die Staatsregierung und die CSU-Landtagsfraktion eine gute Grundlage geschaffen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein technisches Problem. Die Uhr am Rednerpult funktioniert nicht. Bitte lassen Sie sich davon nicht irritieren. Die Uhr zeigt die Redezeit nicht richtig an.
Es ist trotzdem besser, wenn die Redezeiten zentral angezeigt werden. Wenn jemand es wünscht, können wir gerne eine Stoppuhr hinlegen. – Herr Worm, bitte legen Sie eine Stoppuhr an das Rednerpult. – Nächster Redner: Herr Kollege Hallitzky. Bitte.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Unterländer, Sie haben es nicht gesagt, und ich weiß nicht, ob Sie es noch realisieren werden oder schon realisiert haben, es ist Fakt: Die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hat sich von der Entwicklung der Ausbildungsmöglichkeiten für unsere Jugendlichen im dualen System abgekoppelt. Die einfache Gleichung – Wirtschaft brummt: Ausbildungsplätze explodieren – funktioniert nicht mehr. Auch in diesem Jahr zeigt sich das, und zwar schärfer als bisher. Wir haben 4,3 % mehr Nachfrage an Ausbildungsplätzen, so die letzten Zahlen. Wir haben 6,6 % weniger Ausbildungsstellen. 100 Bewerberinnen und Bewerber schlagen sich um 70 Ausbildungsstellen. In manchen Gegenden Bayerns ist die Situation noch sehr viel schlechter. Ich sage deshalb gleich vorweg an Ihre Adresse, Herr Kollege Unterländer, bitte führen Sie sich das vor Augen: 100 Bewerberinnen und Bewerber schlagen sich um 70 Stellen.
Sie aber sagen im Rahmen Ihrer Appelle – auf die Appellkultur der CSU und der Staatsregierung komme ich später noch zu sprechen –, die Unternehmen mögen „auch in Zukunft in ausreichendem Maße“ Ausbildungsstellen zur Verfügung stellen. Ihnen sollte nicht entgangen sein, dass
die Wirtschaft schon bisher nicht in ausreichendem Maße Ausbildungsplätze bereitstellte. Die Formulierung „auch in Zukunft“ ist die billigste Form der Bitte. Damit wird außerdem so getan, als wäre das, was die Unternehmen bisher unzureichend leisteten, ausreichend. Das ist es aber nicht.
Trotz relativ guter konjunktureller Aussichten klafft die Schere zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt immer weiter auseinander. Die Situation verschärft sich dramatisch. Das ist, leider, eine Art politischer Bankrotterklärung für Sie. Viel schlimmer aber ist, dass sich hier eine gesellschaftliche Katastrophe anbahnt. Deshalb ist es richtig, dass wir uns dieses Themas im Rahmen der Aktuellen Stunde annehmen. Es geht um nichts weniger als um die Unfähigkeit – ich sage nicht Unwilligkeit – der Bayerischen Staatsregierung, jedem Jugendlichen ein Ausbildungsangebot zu machen. Die Staatsregierung hat es bis heute nicht einmal geschafft, einen Bericht über die Situation der Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz in Bayern zu verfassen und darüber Auskunft zu geben, wie sie dieses Problem zu lösen gedenkt. Diesen Bericht hat sie nicht geschafft. Das zeigt nicht gerade, dass die Staatsregierung den Willen hätte, den Ausbildungsnotstand zu beenden. Offensichtlich hat sie nicht die Kraft dazu.
Ich nenne hier einmal exemplarisch das unverdrossene Setzen der Staatsregierung auf die so genannten Jungarbeiterklassen. Jeder, der sich in den Berufsschulen bei den Lehrern und Schülern umgehört hat, weiß, dass diese Klassen Beschäftigungstherapie sind. So wird es von den Lehrern gesehen, aber auch von den Schülerinnen und Schülern. Die Jugendlichen sind frustriert und fühlen sich abgeschoben. Das Lehrpersonal sieht sich als Dompteure, nicht als Pädagogen. Unsere Aufgabe besteht eben nicht darin, die Jugendlichen in solche – teuren – Warteschleifen zu schicken, die nur dazu führen, dass wir diese Jugendlichen anschließend wie eine Art Stausee vor den betrieblichen Ausbildungsplätzen liegen haben. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, sie aus diesen Warteschleifen herauszuholen und in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts, aber auch gar nichts, wird unsere Gesellschaft so teuer zu stehen kommen wie die Folgen dieser Gegebenheiten, wenn wir weiterhin tatenlos zusehen. Ein erheblicher Teil unserer Jugendlichen fällt in eine prekäre Zukunft ohne stabile Berufs- und Erwerbsperspektive. Wir müssen uns aber auch darüber im Klaren sein, dass staatliche Maßnahmenprogramme das Problem einer nicht ausreichenden Nachfrage der Unternehmen nach Jugendlichen und damit das Problem der Integration der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt nicht lösen können.
Bundeskanzlerin Angela Merkel – als Kronzeugin ist sie für mich unverdächtig – hat in einer kürzlich gehaltenen Rede betont, das deutsche duale System der Berufsausbildung sei ein gutes System. Da hat sie Recht. Als internationale
Kronzeugen führt sie unter anderen – solche Kronzeugen habe ich nicht direkt, sondern nur mittelbar – Kofi Annan und einige Staatspräsidenten an, die davon schwärmten, so Frau Merkel, dass die berufl iche Ausbildung ein Markenzeichen Deutschlands sei. Wenn das so ist, dann ist es nicht nur ein Skandal gegenüber den Jugendlichen, sondern ein volkswirtschaftliches Desaster, wenn heute in über 70 % der Unternehmen keine betriebliche Ausbildung mehr stattfi ndet. In über 70 %!
Es ist deshalb unsere Aufgabe, die Unternehmen zu zwingen, sich ihrer Aufgabe zu stellen. Deshalb ist Ihre Politik des immerwährenden Appells, eine Politik, Herr Kollege Unterländer, der Sie sich in Ihrem Beitrag angeschlossen haben – ich sehe hier gerade Frau Kollegin Scharfenberg, da fällt mir der Appell an den Immerwährenden Reichstag in Regensburg ein –, des immerwährenden Appells an den Industrie- und Handelstag, an die Handwerkskammer, an ausländische Unternehmen oder wen auch immer nicht ausreichend. All diese Appelle sind zwar gut gemeint, doch die Entwicklung zeigt: Sie sind alle gescheitert.
Weil die Unternehmen trotz dieser Appelle immer weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen, sind wir es dem Land schuldig, hier nicht tatenlos weiter zuzusehen. Die Frage der Ausbildungsplatzumlage gehört deshalb unbedingt wieder auf die arbeitsmarktpolitische Agenda.
Wir müssen die Unternehmen fördern, die ihren Ausbildungsverpfl ichtungen über das Soll hinaus nachkommen. Mit dem Programm „Fit for Work“ kommen Sie diesem Auftrag nach, wenn auch in viel zu kleinem Umfang. Die Tendenz ist richtig, auch wenn Sie dafür EU-Mittel einsetzen und nicht bayerische Landesmittel. Das gibt wieder einen Eindruck von der geringen Wertigkeit dieser Aufgabe in der bayerischen Politik. Fordern und Fördern, davon redet die große Koalition an allen Ecken und Enden. Fordern und Fördern heißt aber auch, dass wir die Unternehmen bestrafen müssen, die ihrem gesellschaftlichen Auftrag der Förderung der jungen Generation nicht nachkommen und sich an ihr versündigen. Anders werden wir das Problem der sinkenden Ausbildungsbereitschaft nicht in den Griff bekommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Unternehmerinnen und Unternehmer beklagen als Grund für ihre rückläufi ge Ausbildungsbereitschaft das bei vielen Schulabgängerinnen und Schulabgängern mangelnde Fachwissen, Sozialverhalten und mangelnde Leistungsbereitschaft. Wie Sie wissen, ist das nicht eine reine Schutzbehauptung, sondern die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen haben Recht mit ihrer massiven Kritik am bayerischen Bildungssystem.
Erstens. Für keine Schulart wird deutschlandweit so wenig Geld ausgegeben wie für Berufsschulen. Das ist systembedingt so; okay. Warum aber nur in vier ostdeutschen Bundesländern weniger Geld für Berufsschüler zur Verfügung gestellt wird als in Bayern und warum in BadenWürttemberg pro Schüler rund ein Drittel mehr zur Verfügung gestellt wird als in Bayern, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich sehe hierin eine mangelnde Wertigkeit des Systems der dualen Ausbildung in der tatsächlichen Politik dieser Staatsregierung.
Eine für so manche ländliche Region fatale Konsequenz dieser Sparpolitik am falschen Ende zeigt sich auch darin, dass Sie Berufsschulstandorte dort schwächen, wo ihre Bedeutung für die regionalen Arbeits- und Ausbildungsmärkte besonders groß ist. Ich nenne beispielhaft die Diskussion um den Berufsschulstandort Regen; Regen möchte etwas behalten, was Sie in die Zentren abführen wollen, obwohl die Ausbildungsbetriebe überwiegend im Landkreis Regen sitzen. Auch die Frage der Schulstandorte – dies am Rande – ist Regionalpolitik und möglicherweise eine der wichtigsten Facetten von Regionalpolitik überhaupt.
Der zweite Gedanke betrifft Wirtschaftsschulen. Wirtschaftsschulen sind erfolgreich. Sie sind erfolgreich, weil sie es offensichtlich schaffen, auf dem Ausbildungsmarkt nachgefragte Qualifi kationen zu vermitteln. Deswegen entscheiden sich viele Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit ihren Eltern für den Gang auf die Wirtschaftsschule. Doch statt nach Kräften zu unterstützen, dass Wirtschaftsschulen zusätzliche Klassen anbieten können, wird die Bayerische Staatsregierung einmal mehr zum limitierenden Faktor – so nennt man das wohl. Kein Geld, keine Klassen – vielen Jugendlichen wird damit sozusagen von Staats wegen der Wirtschaftsschulweg in eine erfolgreiche Zukunft verbaut. So viel Unvermögen können und wollen wir an dieser Stelle nicht akzeptieren.
Wenn es stimmt, dass jede Kette – das ist der dritte Gedanke – nur so stark ist wie ihr schwächstes Glied, dann braucht Bayern Schulsozialarbeit nicht nur in homöopathischen Dosen zur Beruhigung des Gewissens der Mitglieder der Staatsregierung, sondern in einem Umfang, welcher der Problemlage an unseren Schulen, an unseren Hauptschulen, Berufsschulen und anderen Schularten, tatsächlich angemessen ist.
Sie versagen hinsichtlich der Bereitstellung der dafür notwendigen Mittel – es ist nicht die Opposition, die Sie daran hindert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, solange Bayern weiter jene Jugendlichen vernachlässigt, die nicht an der Spitze, sondern am unteren Ende unserer Bildungspyramide stehen, solange wird sich unsere Gesellschaft den eigentlich unleistbaren Luxus weiter leisten müssen, dass bei immer mehr Jugendlichen die Integration in den ersten
Arbeitsmarkt und damit auch in die Gesellschaft – denn wir wissen um diese Verbindung – nicht gelingt. Wir, die bayerische Landespolitik – ich fordere uns alle auf –, sind gefordert, die Hoffnungen der Jugendlichen auf Zukunft in diesem Punkt nicht zu enttäuschen.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ausbildungsplätze werden von Unternehmen und Betrieben geschaffen. In Bayern bildet der Mittelstand 83,7 % - und allein das Handwerk 35 % - unserer Lehrlinge aus. Diese Betriebe sind die tragende Säule unseres dualen Berufsausbildungssystems. An dieser Stelle ist auch einmal ein großer Dank für diese enorme Ausbildungsleistung und deren soziale Verantwortung angebracht.
Gerade weil die berufl iche Ausbildung in unserem System von der Wirtschaft, von den Betrieben geleistet wird, hängt die Lage auf dem Ausbildungsmarkt eben auch eng mit der Situation in der Wirtschaft zusammen. Diese ist gerade für die ausbildungsintensiven Handwerksbetriebe und Mittelständler in den Jahren der rot-grünen Bundesregierung immer schlechter geworden. Natürlich hat das auch, und zwar ganz erheblich, auf die Situation auf dem Arbeitsmarkt durchgeschlagen; das ist doch ganz klar.
Allein die jahrelange Diskussion um die Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe – wir haben das eben wieder gehört – hat zu enormen und lang anhaltenden Verunsicherungen geführt und die Ausbildungsbereitschaft stark reduziert. Diese Schuld von Rot-Grün wirkt auch immer noch nach;