Protokoll der Sitzung vom 18.07.2006

Nun zur Durchlässigkeit des gegliederten Schulwesens. Die OECD-Zahlen sind trotz ständiger Wiederholung falsch. Die Gesamtzahl derjenigen, die in Bayern den Hochschulzugang erreichen, liegt nicht bei 20 %, sondern bei 30 % plus X. All diejenigen, die über die Fachhochschule, die Berufsoberschule oder andere berufl iche Wege die Hochschulzugangsberechtigung erwerben, werden in diesen Faktor nicht eingerechnet. Dies muss man genauso oft wiederholen, wie von Ihnen in Abrede gestellt wird, dass wir weit über ein Drittel – mit steigender Tendenz – Schulabgänger aufweisen, welche die entsprechende Hochschulzugangsberechtigung haben. Das entscheidende Moment ist, jedem Kind, jedem

Schüler und jeder Schülerin von jedem Punkt des Bildungssystems aus die ihm gemäßen Durchstiegschancen und den Bewährungsaufstieg zu ermöglichen.

(Zuruf der Abgeordneten Dr. Hildegard Krona- witter (SPD))

Dabei ist die bayerische Schullandschaft mit die erfolgreichste in der gesamten Republik. Bereits ein Drittel der Schüler, mit steigender Tendenz zu 40 %, haben die Hochschulzulassung nicht auf dem klassischen Weg über das Gymnasium erworben. Das ist eine Erfolgsgeschichte, die es voranzutreiben gilt. Die Ausdifferenzierung der Hauptschule, die Fortentwicklung der R 6, die Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe, die stärkere strategische Verzahnung zwischen Universität, Fachhochschulen und den abgebenden Einheiten, insbesondere den Gymnasien neuen Zuschnitts, den Berufsoberschulen und Fachoberschulen sind in dem verabschiedeten Hochschulgesetz und den vorliegenden, morgen zu verabschiedenden Novellen zum Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz vorgesehen, womit ein Grundstock gelegt ist. Hier sind Schulstruktur und das Aufgreifen der Bildungsreserven nahezu optimal gelöst.

(Lachen bei der SPD)

Dass Ihnen die Willy-Brandt-Gesamtschule in München weh tut, glaube ich gerne. Das ist halt so. Ich kann das nicht ändern.

(Zurufe von der SPD)

Die Nachhaltigkeit des positiven Beispiels der Union wird dafür sorgen, dass Sie sich, wenn Sie bei uns angekommen sind, gut aufgehoben fühlen können.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatssekretär Freller. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst bei Herrn Pfaffmann, dass er den Bericht gelobt hat. Sie haben gelobt, dass wir wichtige Zahlen unseres Schulwesens veröffentlicht haben. Wir haben das in der Tat getan, weil wir nichts zu verbergen haben, sondern – ganz im Gegenteil – sich Bayern mit seinen Zahlen sehen lassen kann. Wir sind in einer Weise transparent, wie es kein anderes Bundesland ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin gerne bereit, auf Vorwürfe einzugehen, die von Ihrer Seite gekommen sind. Ich möchte zwei, drei Stichworte aufgreifen und einige Aussagen so nicht im Raum stehen lassen.

Erstes Stichwort: Sie haben den Vorwurf erhoben, wir würden nicht genügend tun, um Kinder mit Migrationshintergrund zu integrieren. Wer sich genau informiert, wird sehr schnell sehen, dass in Bayern das Gegenteil der

Fall ist. In Deutschland gibt es kein Land, das sich in den letzten 20 Jahren mit einer derartig großen Intensität, mit so viel Personal und Unterrichtsstunden bemüht hat, ausländische Kinder in das einheimische Schulsystem zu integrieren.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, wir haben an den Schulen zum Teil schwierige Situationen. Bei mir im Nürnberger Süden gibt es – Kollege Imhof kann das bestätigen – die Schule an der Wiesenstraße mit Kindern aus 34 Nationen. Der Schulleiter hat all die Länderfahnen in die Aula gehängt. Dort sieht es aus wie bei Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft oder bei den Olympischen Spielen. Die Lehrkräfte dort bringen jeden Tag ungeheuer viel Kraft auf, um die Kinder zu integrieren. Sie tun es mit Erfolg, und sie tun es gerne. Ich möchte hier an dieser Stelle all den Lehrkräften danken, die sich um die Integration unserer ausländischen Schülerinnen und Schüler bemühen.

(Beifall bei der CSU)

Ich würde mir wünschen, dass zu den großen Talkshows, wo es um die Integration in Deutschland geht, künftig auch ein Hauptschullehrer eingeladen wird, der dort sagen kann, was auf ihn zukommt, wenn Kinder aus verschiedenen Kulturkreisen in eine Klasse kommen. Ich würde mir wünschen, dass auch Sie die Diskussion intensiv führen.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Geben Sie ihnen mehr Lehrer!)

Auf Ihre Aufforderung „Geben Sie ihnen mehr Lehrer“ will ich gerne entgegnen.

(Zuruf der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Ich glaube, Sie kennen die Zahlen nicht. Ich habe alle Zahlen vorliegen.

(Zuruf der Abgeordneten Christa Steiger (SPD))

Sie versuchen, aus den Berichten die Zahlen herauszusuchen, von denen Sie glauben, dass Sie uns damit kritisieren können. Nehmen Sie die Zahlen aus dem Ländervergleich, die besagen, dass Bayern besser ist als all die von Ihnen regierten Länder. Das würde ich mir wünschen. Alleine, was wir in Bayern investieren – –

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Immer dieselbe Platte!)

Herr Pfaffmann, seien Sie mir nicht böse, aber langsam bin ich es leid, auf Sie einzugehen. Ich gebe Ihrem Parteivorsitzenden Stiegler ungern Recht. Aber in einem Punkt hat er wirklich Recht, nämlich als er im Herbst letzten Jahres Herrn Pfaffmann als einen notorischen Nörgler bezeichnete.

(Beifall bei der CSU)

Seien Sie mir nicht böse, aber hier hat Herr Stiegler Recht. Ich hätte das nicht gesagt, wenn Sie nicht wieder dazwischen gerufen hätten.

(Susann Biedefeld (SPD): Schauen Sie sich mal Ihre Fraktion an, was die über den Ministerpräsidenten reden!)

Lassen Sie mich berichten, was wir allein für die Fördermaßnahmen „Deutsch“ an den Grundschulen eingesetzt haben.

(Susann Biedefeld (SPD): Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen!)

Wir haben fast 400 Lehrkräfte nur für die Fördermaßnahmen „Deutsch“ an den Grundschulen eingesetzt. An den Hauptschulen sind es noch einmal 270 Lehrkräfte. Das ist eine Leistung, die ihresgleichen sucht.

Sie haben vorhin so abfällig über Pisa gesprochen. Ihnen passt nicht, dass wir bei Pisa gut abgeschnitten haben. Ihnen passt nicht, dass wir, wenn Bayern eine eigene Nation wäre, an fünfter Stelle der Weltrangliste bei den Schulleistungen wären. Noch zwei Zahlen passen Ihnen nicht. Die wollen Sie überhaupt nicht hören. In der Gruppe der Fünfzehnjährigen hat Bayern den kleinsten Anteil an besonders schwachen Schülern. Das heißt, dass wir in Bayern mehr als alle anderen Länder tun, um zu verhindern, dass Kinder aus bildungsfernen Schichten abfallen und schwächere Leistungen zeigen.

Ich zitiere aus dem Pisa-Bericht und bitte Sie, sich das auf der Zunge zergehen zu lassen oder das bei Gelegenheit im Protokoll nachzulesen und dann gelb anzustreichen: Schüler mit Migrationshintergrund erreichen in Bayern das höchste Leistungsniveau unter allen 16 deutschen Ländern. Dies gilt für alle bei Pisa untersuchten Kompetenzbereiche: Mathematik 486 Punkte, Lesen 477 Punkte, Naturwissenschaften 481 Punkte. Diese Werte – es geht um Kinder mit Migrationshintergrund – übertreffen die Gesamtergebnisse der Kinder – also auch die Ergebnisse der deutschen Kinder – der Länder Hamburg und Bremen in Mathematik, der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Bremen im Lesen und der Kinder des Landes Bremen in Naturwissenschaften. Das heißt, bei uns haben die Kinder mit Migrationshintergrund bessere Ergebnisse als die Gesamtheit der Kinder in Ländern, die von Ihnen regiert werden. Ich möchte, dass auch das endlich einmal zur Kenntnis genommen wird.

(Beifall bei der CSU – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das widerspricht Ihrem eigenen Bildungsbericht!)

Nun noch kurz zur Übertrittsquote. Sie, Frau Pranghofer, haben vorhin die Übertrittsquote als Messlatte für die Leistungsfähigkeit einer Schule bezeichnet. Das ist eine Abwertung der Leistung, die unsere Lehrkräfte an schwierigen Standorten in Bayern erbringen.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Sie machen die Übertrittsquote zum Maßstab der Leistung einer Schule und der dort unterrichtenden Lehrer. Eine Schule mit einem schwierigen Hintergrund, in der bildungsferne Familien den Kindern oft nicht den nötigen Rückhalt geben und in der folglich die Übertrittsquote geringer ist, ist damit in Ihren Augen eine schlechte Schule. Das ist eine harte Kritik an den Lehrern, die dort unterrichten. Doch gerade diese Lehrer gehören zu den fl eißigsten.

(Beifall bei der CSU)

Zu einem weiteren Stichwort: Ich habe es langsam satt, dass die Qualität der Bildung in einem Land an der Übertrittsquote bzw. an der Abiturientenquote gemessen wird. Ich freue mich über jedes Kind, das die Fähigkeit hat, das Abitur zu schaffen, und den Weg zum Abitur bewältigt. Es gibt aber deutsche Länder, die nach der Pisa-Studie an 23. Stelle der Weltrangliste stehen und die eine Abiturientenquote zwischen 50 und 60 % haben.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Die studieren in Bayern!)

Diese Quote ist fast doppelt so hoch wie in Bayern. Die wollen Sie als Maßstab nehmen. Sie qualifi zieren alle Menschen in diesem Lande ab, die kein Abitur haben.

(Beifall bei der CSU)

Das ist es, was mich ärgert. Wenn Sie die Qualität eines Bildungssystems nur an der Abiturientenquote messen, dann sagen Sie automatisch, dass die Absolventen mit Mittlerer Reife, dem Quali oder dem normalen Hauptschulabschluss der Gesellschaft weniger bringen. Wir in Bayern haben einen anderen Weg eingeschlagen. Wir haben auch die berufl iche Bildung gestärkt und über sie den Weg zur Reifeprüfung geebnet. 42 % kommen über diesen Weg zur Hochschulreife. Aber das ist für mich nicht der entscheidende Punkt. Wir wissen, dass die Eliten eines Landes sehr wohl von Studierenden gebildet werden können, sie werden aber auch von Handwerkern oder anderen Berufen gebildet.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie das nicht glauben, dann betrachten Sie doch den Zusammenhang zwischen der Wirtschaft und dem Schulsystem. Bayern hat ein hervorragendes Schulsystem und verfügt über die besten Wirtschaftsdaten. Das möge man bitte zur Kenntnis nehmen. Wir werden sehr wohl Verbesserungen, wo sie nötig sind, vornehmen, aber wir lassen uns nicht die Leistungen unseres bayerischen Bildungssystems absprechen.

(Beifall bei der CSU)

Die nächste Wortmeldung kommt von Staatsminister Dr. Goppel. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und

Kollegen! Wenn man 32 Jahre in diesem Hohen Hause sitzen durfte und vom ersten bis zum letzten Tage der Bildungspolitik sein Ohr geliehen hat, dann hat man eine ganze Menge mitbekommen; die kann man dann ganz gut beurteilen. 36 Jahre habe ich mich der Schule verschrieben. Daher kenne ich diesen Bereich ganz gut. Damals habe ich für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen studiert. Das ging damals noch. Ich bin daher ein Lehrer aus der Gruppe, die heute besonders im Feuer steht. Deswegen habe ich mich zu Wort gemeldet. Ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich mich von der Regierungsbank aus gemeldet habe.

Es wurde an diesem Nachmittag mehrmals davon geredet, dass die CSU immer dieselbe Platte aufl ege, Bayern sei Weltmeister. Erstens. Ich kenne diesen Titel nur aus Ihren Zitaten. Ich selber habe ihn nie gebraucht, andere auch nicht. Ich stelle jedoch fest: Die Ergebnisse, die bei Pisa und anderen Berichten entgegen den Erwartungen des Rests der Welt herausgekommen sind, belegen eine solche These, und das fi nden wir gut. Das ist unser gutes Recht.