Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Es hat sich zu einer persönlichen Erklärung nach § 112 unserer Geschäftsordnung der Vorsitzende der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN gemeldet, Herr Kollege Dr. Dürr. Bitte sehr.
Ich bitte, diese persönliche Erklärung jetzt anzuhören. Es hat keinen Sinn, wenn wir auf diese Art und Weise weitermachen.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme nicht so leicht etwas persönlich übel, weil ich weiß, dass Emotionen zur Politik gehören. Ich bin mir auch sicher, dass sich der Herr Staatssekretär später noch persönlich bei mir entschuldigen wird. Ich zumindest würde so etwas tun, ich habe das auch immer gemacht, wenn mir einmal so etwas herausgerutscht ist.
Ich möchte aber noch zwei Dinge sagen. Zum einen kann es nicht so sein, wie das Herr Kollege Kreuzer versucht hat, dass unserer Fraktion der Mund verboten wird. Das darf nicht passieren.
Zum anderen möchte ich zurückweisen, was Frau Präsidentin Stamm mir unterstellt hat, ich hätte etwas Vergleichbares wie der Herr Staatssekretär gesagt. Ich habe nichts Vergleichbares gesagt. Ich habe ganz klar dazwischen gerufen, aber ich habe nichts gesagt, was dem inhaltlich vergleichbar gewesen wäre.
Außerdem möchte ich ganz deutlich machen, dass ich kein „Maul“ habe, zumindest kein dummes, allenfalls ein freches. Ich bin bereit einzustecken, aber ich bin nicht bereit, Attacken, die nur vordergründig mir gelten, in meiner Person hinzunehmen, wenn sie in Wirklichkeit dem Instrument der Zwischenrufe gelten. Zwischenrufe sind
parlamentarisches Recht, und das lassen wir uns nicht nehmen. Ich zitiere deshalb Frau Kollegin Barbara Stamm. Es ist ein etwas älteres Zitat, es stammt vom 19. Dezember 1986. Damals war Frau Stamm noch stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU. Ich zitiere jetzt wörtlich aus der „Passauer Neuen Presse“: „Außerdem gehören Äußerungen, bis an die Grenze zur Beleidigung, sowie hämische Zwischenrufe seit Urzeiten zum parlamentarischen Alltag.“ – Frau Stamm, erinnern Sie sich, wie das früher war, wie die alten Gepflogenheiten waren. Hören Sie endlich auf, diese Stimmung zu erzeugen, durch Ihre Rügen, die nicht immer sachgerecht sind, und schon gar nicht parlamentarisch.
Herr Kollege Dr. Dürr, ich erwarte, dass Sie sich in Zukunft bitte an die Geschäftsordnung halten. Sie können mich persönlich rügen, wo Sie wollen, Sie können mich aber nicht in meiner Amtsführung als Präsidentin während der Plenarsitzung rügen.
So gut sind Sie in der Geschäftsordnung bewandert, dass ich von Ihnen verlangen kann zu wissen, dass der Ort, an dem Sie die Präsidentin in der Amtsführung rügen können, der Ältestenrat ist und kein anderer Ort. Dort haben Sie alle Möglichkeiten, dies zu tun.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Dr. Dürr hat von der Möglichkeit einer persönlichen Erklärung Gebrauch gemacht. Ich möchte dies deshalb auch tun. Herr Kollege Dr. Dürr, was Herr Kollege Kreuzer vorhin gesagt hat, ist zutreffend. Ich empfinde das auch so. Ich sitze an diesem Platz und kann mitverfolgen, dass es bisweilen sehr störend ist, wenn reingerufen wird. Ich sage das hier einfach einmal, um es festzuhalten.
Für den Fall, Herr Kollege Dr. Dürr, dass ich Sie beleidigt habe, nehme ich meine Bemerkung ausdrücklich zurück. Ich erwarte aber auch von Ihnen, dass Sie die Bemerkung, die Sie mir gegenüber gemacht haben, ebenfalls zurücknehmen.
Ich jedenfalls habe die Kraft, zu sagen, das habe ich gesagt, es tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint. Ich bitte aber auch, dass Sie die Beleidigung mir gegenüber zurücknehmen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt. Ich
Der Abstimmung liegt der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 15/4586 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt auf Drucksache 15/6426 die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dem Gesetzentwurf hingegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt.
Nun lasse ich über Tagesordnungspunkt 6 abstimmen. Dieser Abstimmung liegt der Gesetzentwurf des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 15/4587 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt auf Drucksache 15/6427 wiederum die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Dann ist der Gesetzentwurf ebenfalls abgelehnt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich schlage vor, jetzt in die Mittagspause zu gehen. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Mittagspause. Wir machen Pause bis 12.30 Uhr. Dann machen wir mit der Fragestunde weiter.
Ich darf zunächst Herrn Staatsminister Sinner um die Beantwortung der ersten Frage bitten. Erster Fragesteller ist Herr Kollege Dr. Dürr.
Herr Minister, nachdem die Staatsregierung wieder einmal eine Bürokratieabbauoffensive eingeleitet hat, frage ich Sie, zu wie viel weniger Bürokratie und mehr Bürgerfreundlichkeit die ersten, vor gut zehn Jahren von Ministerpräsident Dr. Stoiber angekündigten Anstrengungen zum Bürokratieabbau geführt haben, welche Verbesserungen seit der letzten großen Bürokratieabbauoffensive errungen wurden, ob sich etwa inzwischen das Schicksal der Wurstschneidemaschine gebessert hat, von der Minister Huber bei seiner Regierungserklärung am 8 Juli 2003 geklagt hatte, es sei „nicht zumutbar“, dass die Wurstschneidemaschine eines Metz
gers, die ja ohnehin sicher gebaut sein müsse, vor Ort von der Berufsgenossenschaft überprüft werde und dann noch von der staatlichen Gewerbeaufsicht und der Lebensmittel-Überwachung des Landratsamtes, und er empört ausgerufen hatte, als ob die Staatsregierung gar nichts dafür könnte: „Das ist Bürokratismus“, und welche Verbesserungen von der neuen Bürokratieabbauoffensive zu erwarten sind, ob etwa das Brotzeit-Stüberl, über das die „Passauer Neue Presse“ am 26.08.06 unter dem Titel „EUMittel für Jausenstation im Mühlviertel. Der kleine Unterschied: Bayerische Beamte verhindern Brotzeitstüberl in Wegscheid, Oberösterreich macht den Weg frei“ berichtete, künftig unbürokratisch und schnell genehmigt werden wird.
Frau Präsidentin, Herr Kollege Dr. Dürr, Bürokratieabbau in Form der Deregulierung ist eine Daueraufgabe, der wir uns nicht entziehen können und auch nicht entziehen wollen. Wir brauchen einen langen Atem und manchmal ist es schwierig, Fortschritte zu erzielen. Die Forderung, Bürokratie abzubauen ist in aller Munde, wenn es aber konkret wird, dann marschieren sämtliche Bedenkenträger auf und fordern auf einem bestimmten Gebiet genau die Regelungen und Paragrafen.
Trotzdem haben wir durchaus beachtliche Erfolge gehabt. Wir haben in den Jahren von 2003 bis 2006 die Zahl der Gesetze von 346 auf 306 gesenkt. Das sind 12 %. Wir konnten die Zahl der Verordnungen von 1162 auf 871 senken; das ist ein Rückgang um 25 %. Wir arbeiten an der Datenbank Bayernrecht, die zum 01.01.2007 den gesamten bayerischen Rechtsbestand beinhalten soll und auch die Verwaltungsvorschriften, die sehr wichtig und relevant sind, das heißt sowohl die veröffentlichten als die nicht veröffentlichten, einbeziehen soll. Wir kommen auf eine Reduktion von tatsächlich 30 %. Als ich einmal im Landtag einen Antrag gestellt habe, der in diese Richtung gegangen ist, wurde ein Rückgang von 30 % als absolut unmöglich bezeichnet. Es wurde entgegengehalten, es sei fraglich, ob überhaupt ein einziges Gesetz aufgehoben werden könne. Das war etwa um das Jahr 1999.
Sie sprechen ganz gezielt die Wurstschneidemaschine an, die zu meinem früheren Ressort als Verbraucherschutzminister gezählt hat. Wir hatten in der Tat Mehrfach- und Doppelprüfungen. Die Situation ist inzwischen durch eine Kooperationsvereinbarung zwischen den Berufsgenossenschaften und der Gewerbeaufsicht verbessert worden. Es wird nur noch einmal kontrolliert und Doppelprüfungen werden so weit wie möglich vermieden. Darüber hinaus wird bei der Gewerbeaufsicht seit Ende 2003 völlig auf Routinekontrollen verzichtet. Man geht stattdessen risikoorientiert vor; wo Probleme auftreten, wird kontrolliert. Wenn zum Beispiel in Pirk Probleme auftreten, wird in Pirk in der Zoiglwirtschaft kontrolliert, während in anderen Bereichen nicht kontrolliert wird. Ich habe das Beispiel herausgegriffen, weil Herr Kollege Stahl gerade aufmerksam zuhört. Routinekontrolle bedeutet, dass man überall hingeht, während eine anlassbezogene Kontrolle sich an Risikoschwerpunkten orientiert.
Es zeigt sich natürlich auch, dass wir bei der Lebensmittelkontrolle – ich beziehe mich auf die Diskussionen der letzten Zeit zum Thema Gammelfleisch – sehr sensibel vorgehen müssen, weil wir auch das Sicherheitsbedürfnis der Menschen berücksichtigen müssen. In solchen Kernbereichen gehen wir mit den Kontrollen eher nicht zurück. Daher ist es wichtig, Kernbereiche und eher zu vernachlässigende Bereiche zu unterscheiden.
Sie sprechen den Artikel aus der „Passauer Neuen Presse“ vom 26.08. an. Es geht um ein Brotzeitstüberl. Ich kann Ihnen dazu sagen, dass wir in unserer letzten Klausur am 04.10.2006 beschlossen haben, für die Gaststättenerlaubnis, soweit es sich um eine Personalkonzession handelt, eine Genehmigungshöchstfrist mit Fiktionswirkung einzuführen. Es wird also eine Erleichterung geben. Darüber hinaus haben wir vorgesehen, detaillierte Regelungen für Straußwirtschaften deutlich zu verringern. Das bedeutet, dass räumliche Einschränkungen, wie sie bisher gefordert werden, wie zum Beispiel Sitzplatzeinschränkungen sowie Vorgaben für die verabreichten Speisen, geändert werden. Wer weiß, was eine Straußwirtschaft ist, hat sich gewundert, dass für diese Form der Gaststätten Speisevorschriften bestehen. Ich habe selbst einmal eine Petition von einer unterfränkischen Straußwirtschaft zu behandeln gehabt. Dort sind „Schnickerli“ angeboten worden. Ein Beamter hat erklärt, bei den „Schnickerli“ handelt es sich um ein kompliziertes Gericht. Also Boeuf à la mode, wenn man in der höheren Gastronomie verkehrt, in Franken jedenfalls heißt es „Schnickerli“. Das „Schnickerli“ wird über viele Generationen angeboten und der Beamte erklärte dem Gastwirt, er solle anstelle von „Schnickerli“ Gulaschsuppe, Wiener Würstchen oder Frankfurter Würstchen anbieten. Das ist ein Tiefschlag für die gastronomische Kultur. Das hat in der Petition einen Niederschlag gefunden und wir haben zunächst einen Sieg errungen, in dem „Schnickerli“ weiter angeboten werden durften. Die Beamten des Wirtschaftsministeriums haben mich dann entnervt angesehen und haben erklärt, sie seien Juristen und kein Koch. Deshalb haben wir jetzt hier entsprechende Freiheiten gegeben.
Das aktuelle Problem ist im Baurecht angesiedelt. Zu einem Brotzeitstüberl in einem Austragshaus gab es eine Petition, in der nach der Privilegierung gefragt wurde, also dem Funktionszusammenhang des Brotzeitstüberls mit dem vom Antragssteller geführten Betrieb und der Vermarktung selbstproduzierter Erzeugnisse. Dazu gibt es eine Reihe von Behördenstellungnahmen, die letzten Endes im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden ihren Niederschlag gefunden haben. Die Eingabe wurde auf der Grundlage der Stellungnahme des Innenministeriums am 5. Juli 2006 für erledigt erklärt. Sollten noch Fragen bestehen, bitte ich, sich an das Innenministerium zu wenden.
Ich werde mir den Fall ansehen. Wenn Sie in Unterfranken in eine ganz bestimmte Winzerhütte gehen, können Sie einen Gästebucheintrag mit meiner Unterschrift finden: „Gerettet vor Bürokratentücke, wurde diese Winzerhütte.“
Herr Minister, nachdem sich eine solch komplizierte Materie am Besten an einem konkreten Beispiel entfaltet und ich davon ausgehen kann, dass die Wurstmaschine endlich Ruhe hat – das entnehme ich Ihren Worten –,
frage ich Sie, ob nach den jetzigen Plänen der Staatsregierung künftig ein Brotzeitstüberl schneller genehmigt – schließlich war von „One Stop Agency“ die Rede – und mit EU-Förderung wie in Österreich gerechnet werden kann.
Ich wiederhole: Wir haben am 4. 10. 2006 in die Wege geleitet, dass dann, wenn es nur um eine Konzession für den Gastwirt geht, künftig schneller genehmigt wird. Die Genehmigung für Straußwirtschaften – ähnliche Einrichtungen – wird die Genehmigung wesentlich unkomplizierter. Ich habe das an dem Beispiel deutlich gemacht. Ein Problem kann ein Umbau sein, wenn für das Baurecht die Privilegierung nachzuweisen ist. Hier muss man den Einzelfall prüfen. Das Baurecht kann – das gilbt vor allem für die Privilegierung – nicht einfach weggewischt werden. Hier gilt meine Zusage, dass ich mir einen solchen Fall ansehen werde. Man lernt aus jedem Fall. Die baurechtliche Genehmigung ist jedoch schwieriger als die gaststättenrechtliche Genehmigung.
Nun eine allgemeine Frage: Herr Staatsminister, wie erklären Sie sich, dass, wie die HenzlerKommission festgestellt hat, Bayern mit großem Abstand – weit vor Baden-Württemberg – unangefochten deutscher Bürokratiemeister ist,
obwohl der Ministerpräsident seit gut 10 Jahren den Bürokratieabbau zu seiner zentralen Aufgabe gemacht hat und stets darauf hingewiesen hat, wie wichtig Bürokratieabbau nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für die Wirtschaft sei.