Protokoll der Sitzung vom 09.11.2006

Wir brauchen aber keinen vierjährigen Modellversuch, um irgendwelche Eigenüberwachungsverordnungen anzupassen. Wir brauchen keinen vierjährigen Modellversuch, um es den Landkreisen zu ermöglichen, nach Anhörung des Jagdbeirates – wie es hier steht – zu entscheiden, ob auf die Pfl icht zur Vorlage von Trophäen bei öffentlichen Hegeschauen verzichtet werden soll. Wir brauchen auch keinen vierjährigen Modellversuch mit einjähriger Evaluierungsphase, um es kreisfreien Städten und Landkreisen zu ermöglichen, ihre Kfz-Zulassungsbehörden zusammenzulegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

All diese Dinge könnte man den bayerischen Kommunen von heute auf morgen ermöglichen, wenn man es wollte.

Daneben verstecken sich in Ihrem Modellversuch einige sehr unschöne Geschichten. Beispielsweise ist meiner Auffassung nach ein Landkreis kein Modelllandkreis, wenn er auf die Aufstellung von Nahverkehrsplänen verzichtet. Es ist auch keine Kommune eine Modellkommune, wenn sie die Personalvertretung bei wichtigen organisatorischen Umgliederungen ausschließt.

Sie verstecken in Ihrem breiten Gesetzespaket viele Dinge, die nicht zusammengehören. Wenn wir allerdings heute von Ihnen hören, dass Sie den umstrittensten Teil des Gesetzentwurfs, nämlich den Denkmalschutz, ausschließen wollen, dann ist das nur zu begrüßen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich meine aber, die bayerischen Kommunen haben einen anderen Gesetzentwurf verdient. Um Bürokratieabbau zu betreiben, genügen die Eindämmung der Verwaltungsvorschriften des Landes und die Eindämmung der Gesetzesfl ut. An dieser Stelle sei nur an das Büchergeld erinnert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Sie sagen, in Bezug auf die Passagen, die den Denkmalschutz betreffen, sollen irgendwelche Regelungen geändert werden, dann muss ich gestehen, ich kenne Ihren genauen Vorschlag nicht. Ich beziehe mich auf die Drucksache, die heute in der Tagesordnung aufgeführt ist. Ich meine, dass es erforderlich wäre, nicht nur den Ermessensvorbehalt zu streichen, sondern auch die Fristen zu beseitigen, die vorsehen, dass dann, wenn auf einen Antrag innerhalb von zwei Monaten nicht reagiert worden ist, quasi positiv Zustimmung erteilt werden soll. Nach unserer Auffassung müsste dieser gesamte Bereich gestrichen werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Denkmalschutz ist nach der Verfassung keine kommunale Aufgabe; er ist Staatsaufgabe. Denkmalschutz ist Verfassungsaufgabe. Wir fordern Sie auf, am besten noch vor den Feierlichkeiten zum 60-jährigen Bestehen der Bayerischen Verfassung diese Verfassung ernst zu nehmen und zu berücksichtigen, dass sie umfangreiche Regelungen zum Schutz der

Kulturgüter enthält. Es würde uns wohl anstehen, diese Verfassung ernst zu nehmen und zu schützen und unsere bayerischen Kulturgüter angemessen zu achten und sie nicht dem Belieben irgendwelcher – in Anführungszeichen – „Modellkommunen“ anheim zu stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Spaenle?

Bitte, Herr Kollege.

Sehr geschätzte Frau Kamm, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Landesdenkmalrat, dem Sie bis vor Kurzem selbst angehört haben, die Erprobung einer sogenannten Genehmigungsfi ktion, also eines Genehmigungsselbsteintritts nach acht Wochen ab Antragstellung, mehrheitlich deutlich gebilligt hat als Verbesserung für einen Denkmalbesitzer?

Herr Dr. Spaenle, ich nehme das gern zur Kenntnis. Allerdings tat dies der Landesdenkmalrat wohl unter dem Eindruck, dass er mit dem Rücken zur Wand steht. Er hat versucht, wenigstens von dem Ermessensvorbehalt wegzukommen. Ich glaube, er hat versucht, quasi einen Kompromiss einzugehen, um das Schlimmste zu verhindern. Dennoch halte ich die Acht-Wochen-Frist für keine vernünftige Idee. In anderen Bereichen gibt es sie auch nicht. Ich bitte Sie daher, diese Passage komplett zu streichen und einen anderen Gesetzentwurf zur Erweiterung der Handlungsspielräume der Kommunen vorzulegen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit ist die Aussprache geschlossen. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zuzuweisen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 b auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes und von Verfahrensgesetzen des Bundes (Drs. 15/6570) – Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird begründet. Das Wort hat Frau Staatsministerin Dr. Merk.

Herr Präsident, Hohes Haus! Wir bleiben beim Thema des Bürokratieabbaus. Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf stellt einen Beitrag der Staatsregierung zum Abbau von Doppelstrukturen dar. Ich möchte Ihnen das kurz darlegen.

In Bayern können Bürgerinnen und Bürger bisher beim Vormundschaftsgericht des Wohnsitzes kostenfrei eine Betreuungsverfügung oder aber die Abschrift einer Vorsorgevollmacht hinterlegen. Rechtsgrundlage dafür ist Artikel 34 a des Ausführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz – AGGVG –. Das Vormundschaftsgericht hat direkten Zugriff auf die dort aufbewahrten Verfügungen. Nur die Länder Bremen, Saarland und SachsenAnhalt haben eine solche Aufbewahrungsmöglichkeit bei Gericht. In den anderen Ländern gibt es eine solche Möglichkeit nicht.

Seit dem Jahr 2005 ist nun bundesweit das zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eingerichtet, bei dem die Bürgerinnen und Bürger ihre Vorsorgevollmachten gegen eine kostendeckende Gebühr von höchstens 18,50 Euro registrieren lassen können. Die Vormundschaftsgerichte haben einen Online-Zugriff auf das Vorsorgeregister und können im Bedarfsfall feststellen, ob eine Vorsorgevollmacht besteht. Das ist vor allen Dingen dann wichtig, wenn das Gericht prüft, ob eine Betreuung eingerichtet werden soll oder nicht.

Bei uns besteht also gegenwärtig eine Doppelstruktur: einerseits die Hinterlegung bei den Gerichten, andererseits die Registrierung beim zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer. Die Staatsregierung hält den Fortbestand einer solchen Doppelstruktur nicht für gerechtfertigt und möchte die Hinterlegungsmöglichkeit bei den Gerichten streichen. Dazu hat sie dem Hohen Haus ihren Entwurf zum AGGVG vorgelegt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte kurz erläutern, welche Gründe zu dieser Initiative bewogen haben:

Erstens. Das zentrale Vorsorgeregister ist bei Wohnsitzwechsel wegen des bundesweiten elektronischen Datenzugriffs wesentlich zuverlässiger. Das Vormundschaftsgericht hat oftmals keine Kenntnis, wenn jemand umzieht. Das hat die Folge, dass in diesen Fällen die Urkunde an das neue Wohnsitzgericht nicht abgegeben werden kann. Bei Umzügen außerhalb Bayerns besteht abgesehen von den genannten Ländern auch keine Möglichkeit, die Urkunde bei einem dortigen Gericht zu hinterlegen. In Zeiten steigender Mobilität ist das unseres Erachtens nicht hinnehmbar.

Zweitens. Wir stellen fest, dass die dauerhafte Aufrechterhaltung von zwei Systemen bei unseren Bürgerinnen und Bürgern für Verunsicherung sorgt. Für sie ist nicht klar, warum es zwei Systeme nebeneinander gibt. Wir können dafür auch keinen plausiblen Grund nennen.

Drittens. Die Aufrechterhaltung der Hinterlegungsmöglichkeit bei den Vormundschaftsgerichten ist auf Dauer mit einem doppelten Rechercheaufwand verbunden. Es ist klar, Sie müssen auf der einen Seite das eigene Hinterlegungsregister untersuchen und auf der anderen Seite auf das Vorsorgeregister zurückgreifen.

Schließlich können wir es uns nicht leisten, überfl üssige Doppelstrukturen bestehen zu lassen. Die Justiz soll sich auf ihre Kernaufgaben beschränken. Aufgaben, die

hervorragend und in diesem Fall aufgrund der von mir genannten Umstände auch besser von anderen wahrgenommen werden können, sollten wir deshalb abgeben. Es besteht kein Zweifel, dass diese Dinge bei der Bundesnotarkammer in einem bundesweiten Register bestens aufgehoben sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie werden fragen, was mit den Urkunden geschieht, die noch bei den Gerichten liegen. Diese bleiben vollumfänglich rechtswirksam, aber sie werden Schritt für Schritt an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben. Zugleich werden diese auf die Möglichkeit der Registrierung bei der Bundesnotarkammer hingewiesen. Es ist so, dass der Bestand ohnehin alle zehn Jahre nach der Einreichung bei Gericht überprüft wird. In diesem Zusammenhang wird jeweils die Rücksendung erfolgen. Verständlicherweise können wir die Unterlagen nicht direkt an das Bundeszentralregister durchreichen, weil Datenschutzgründe dagegen sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt sicherlich auch Argumente, die gegen diese Lösung angeführt werden können, zum Beispiel dass die Gebühren der Bundesnotarkammer Bürgerinnen und Bürger von der Registrierung ihrer Vorsorgevollmacht oder sogar von der Abfassung einer Vorsorgevollmacht abhalten könnten. Das überzeugt jedoch nicht.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Noch einmal: Die Registrierung einer Vorsorgevollmacht mit einer Bevollmächtigung kostet zwischen 8,50 Euro und 18,50 Euro.

Diese Gebühren sind kostendeckend. Schließlich werden beispielsweise auch für die Verwahrung von Testamenten Gebühren erhoben, die von unseren Bürgerinnen und Bürgern akzeptiert werden. Dies kann auch bei der Vorsorgevollmacht zugemutet werden, vor allen Dingen, weil kein Anspruch auf das Vorhalten kostenloser staatlicher Strukturen besteht, erst recht nicht, wenn es mit dem zentralen Vorsorgeregister bereits ein anderweitiges funktionierendes System gibt.

Man könnte auch noch mit dem Einwand kommen, beide Systeme seien nicht deckungsgleich. Das stimmt auch. Die isolierte Betreuungsverfügung, die auch bisher nur beim Amtsgericht hinterlegt werden kann, kann beim zentralen Vorsorgeregister tatsächlich nicht registriert werden. Ich möchte Ihnen aber aus unserer Praxiserfahrung heraus sagen, dass es diese isolierten Betreuungsverfügungen kaum mehr gibt. Viel häufi ger gibt es sie in Kombination mit einer Vorsorgevollmacht, und diese kann selbstverständlich im Register hinterlegt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir noch folgenden wichtigen Hinweis: Wir haben zu diesem Gesetzgebungsverfahren die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspfl ege in Bayern, den Landesverband der Lebenshilfe, den VdK Bayern und die Landesnotarkammer angehört. Soweit Äußerungen eingegangen sind, haben sich die Verbände zu dieser Gesetzesänderung zustimmend geäußert.

Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Schindler.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich war der Meinung, dass dieses Thema unstrittig ist und es nicht erforderlich wäre, den Gesetzentwurf zu begründen und darüber eine Aussprache zu führen, da die Argumente, die die Frau Staatsministerin aufgeführt hat, richtig sind. Es gibt kein vernünftiges Argument dagegen.

Tatsächlich ist es so, dass die Verwahrung von Betreuungsverfügungen und Vorsorgevollmachten bei den Amtsgerichten bislang kostenfrei war, dass davon eine erhebliche Zahl von Bürgerinnen und Bürgern Gebrauch gemacht hat, und dass dies künftighin, da bei der Bundesnotarkammer das Zentralregister eingerichtet worden ist, kostenpfl ichtig sein wird. Der Kostenrahmen von 8,50 bis 18,50 Euro ist genannt worden. Insofern könnte man sagen: Hier entstehen für die Bürgerinnen und Bürger neue Gebühren. Das kann man nicht bestreiten.

Dennoch meine ich, überwiegt das andere Argument, dass dadurch auch größere Rechtssicherheit herbeigeführt wird und dass im Übrigen auch die Gerichte von einer Aufgabe entlastet werden, die sie bislang nur in Bayern ausgeübt haben. In anderen Bundesländern gab es das nicht. Daher überwiegt letztlich doch das Argument, dass die Rechtssicherheit bedeutender als diese relativ geringen Gebühren ist, zumal es ja regelmäßig und durchaus um wichtige Angelegenheiten geht. Es sind doch gerade Bürgerinnen und Bürger, die wohl vermögender als der Durchschnitt sind, die sich überhaupt Gedanken machen und rechtzeitig daran gehen, entsprechende Vollmachten zu erstellen.

Deswegen halten wir es für vernünftig, die bisherige Möglichkeit der Verwahrung bei den Amtsgerichten einzustellen. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen, sondern wir wollen es auslaufen lassen, um künftig alle auf das aus Gründen der Rechtssicherheit zentrale Register bei der Bundesnotarkammer zu verweisen. Dagegen gibt es eigentlich kein vernünftiges Argument; jedenfalls ist uns keines eingefallen. Vielleicht kommt noch eines. Wir bemühen uns aber nicht, jetzt eines zu fi nden, nur um dagegen sein zu können.

Nach heutigem Kenntnisstand werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Zellmeier.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich ist die CSU immer für dezentrale Lösungen. Bei der Änderung des AGGVG bietet sich

aber eine zentrale Lösung an; sie hat große Vorteile. Die bundesweite Hinterlegung der Betreuungsverfügungen und der Vorsorgevollmachten ist ein großer Vorteil für die Bürger; denn dadurch kann man jederzeit bei Umzug oder auch bei Unfällen – das sollte man bedenken – feststellen, ob eine Verfügung hinterlegt ist. Gerade wenn in einem anderen Bundesland ein Unfall passiert und man plötzlich in einem außerbayerischen Krankenhaus landet, was Gott verhüten möge, besteht die Möglichkeit, darauf zurückzugreifen; denn die Vorsorgeverfügung enthält möglicherweise auch die Patientenverfügung. Das bietet große Vorteile.