Protokoll der Sitzung vom 10.11.2006

Zu Ihrem Antrag: Das, was Sie uns heute vorlegen, ist wirklich beinahe lächerlich. Dies beginnt schon mit den interessengerechten Ladenöffnungszeiten. Welchen Interessen sollen sie denn gerecht werden? Dieser Antrag wird maximal Ihrem Interesse gerecht, mit einem entschiedenen Sowohl-als-auch im Moment weder ihre eigenen Reihen noch irgendeine Klientel draußen zu bedienen. Das wird aber nicht gehen.

Zu diesem Thema gibt es unterschiedliche Positionen. Man muss sich entscheiden, so weh das an der einen oder anderen Stelle auch tun mag. Wir als SPD-Landtagsfraktion sehen keine Notwendigkeit mehr, irgendetwas zu beobachten. Wir beobachten die Ladenöffnungszeiten seit Jahrzehnten. Wir beobachten auch die Auswirkungen. Wir beobachten das hier in Bayern. In diesem Fall reicht uns das. Ich muss gar nicht nach anderen Bun

desländern blicken, wie es dort mit einer weiteren Liberalisierung aussehen mag. Wir haben im Übrigen auch während der WM beobachtet, wie sich uneingeschränkte Öffnungszeiten auswirken. Einhellige Bewertung ist, dass dies nicht zu mehr Qualität und mehr Kaufkraft geführt hat. Im Übrigen werden uneingeschränkte Öffnungszeiten auch nicht so angenommen, wie Sie uns das darstellen wollen, selbst zu einer Zeit, wo bei schönstem Sommerwetter tatsächlich alle Leute auch nachts auf der Straße waren, was bei uns in Deutschland oder in Bayern auch nicht das ganze Jahr über der Fall ist.

Was Sie hier machen, ist ein scheinheiliges Geeiere.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich fordere sie auf: Ziehen Sie Ihren schwammigen Antrag zurück und stimmen Sie über unseren Antrag ab, damit die Menschen an Ihrem Abstimmungsverhalten erkennen können, was Sie wollen oder was Sie nicht wollen.

(Zurufe von der CSU)

Ich verstehe Ihre Aufregung; das habe ich schon gesagt.

(Zurufe von der CSU)

Wenn Sie ruhig sind, brauche ich nicht so lange. Seien Sie ruhig, und plärren Sie nicht immer dazwischen.

(Beifall bei der SPD)

Stimmen Sie unserem Antrag zu, so oder so, dann wissen die Menschen draußen im Lande, woran sie sind.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Sonnenholzner. Ich habe Ihren Ausführungen entnommen, dass Sie für Ihre Fraktion namentliche Abstimmung über Ihren Antrag beantragt haben. Ich bitte, dies im Hause durchzugeben, damit wir gleich nach der Debatte die namentliche Abstimmung vornehmen können.

Als Nächster hat der Vorsitzende der CSU-Fraktion, Herr Kollege Herrmann, um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Wirtschaft hat den Menschen zu dienen, nicht umgekehrt. Das gilt natürlich auch für den Ladenschluss.

(Beifall bei der CSU –-Zurufe von der SPD: Ach!)

Beim Thema Ladenschluss geht es um die Interessen der Menschen. Doch diese Interessen sind höchst unterschiedlich und zum Teil sogar gegensätzlich. Es gibt gute Gründe dafür zu sagen: Lassen wir das doch die Einzelhändler selber entscheiden; lassen wir es die Menschen

selber entscheiden, zu welcher Tages- und Nachtzeit sie einkaufen wollen. Es gibt gute Gründe – ich komme darauf gleich zurück –, sich über die Wettbewerbsfähigkeit

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): 51 Gründe!)

des Einzelhandels in Bayern gerade an den Grenzen zum Ausland und zu den deutschen Nachbarländern Gedanken zu machen. Es gibt gute Gründe dafür, die Entwicklung beispielsweise in den Tankstellen-Shops zu beobachten, um zu sehen, wie viel Einzelhandelsumsatz in diese Tankstellen-Shops abwandert, weil dort inzwischen rund um die Uhr geöffnet sein kann. Übrigens ist dies auch ein Beispiel, bei dem gleichzeitig darauf hingewiesen wird, dass viele Tankstellenpächter ihre Läden nachts um 24 Uhr nur deshalb geöffnet haben, weil sie von den großen Mineralölkonzernen dazu gezwungen werden; wenn sie frei entscheiden könnten, würden sie ihren Laden nachts um 1 Uhr nicht mehr offenhalten.

Natürlich geht es um die Frage, ob man mit anderen Öffnungszeiten auch in Deutschland mehr Konsum, mehr Umsatz und insgesamt mehr Wirtschaftskraft in Gang bringen könnte.

Wenn es um die Interessen der Menschen geht, gibt es aber auch gute Gründe, sich damit zu beschäftigen: Wie sieht es mit den Arbeitnehmerinteressen in den Betrieben aus?

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): 51 Gründe!)

Wie sieht es mit dem Zwang zur Nachtarbeit und den Arbeitsbedingungen aus? Wie sieht es mit den Konsequenzen für die Familien aus? Eine Konsequenz ist, dass eine Familie mit unterschiedlichen Arbeitszeiten der Eltern mehr Möglichkeiten hat, auch noch zu einem späteren Zeitpunkt einzukaufen. Umgekehrt ist nach der Situation der Familien mit Mitarbeitern im Einzelhandel zu fragen, die in ihrer familiären Situation letztendlich noch weiter betroffen und eingeschränkt werden, wenn noch mehr Mitarbeiter auch durch die Nacht hindurch arbeiten müssen.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Das sind überraschende Probleme!)

Bei einer Liberalisierung – das ist gerade angeführt worden – würden vielleicht noch mehr geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und weniger reguläre entstehen. Es stellt sich die Frage der generellen Auswirkungen auf das ehrenamtliche Engagement vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger. Es gibt die Diskussion darüber, ob das letztendlich nur zugunsten der großen Handelsketten ausgehen würde und andere, kleinere mittelständische Betriebe womöglich noch stärker unter Druck geraten würden. Es gibt eine Diskussion darüber, ob das eine noch stärkere Konzentration in den großen Ballungsräumen zur Folge hätte

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Lauter überraschende Fragen!)

und der Einzelhandel im ländlichen Raum darunter eher leiden würde. Es gibt aber genauso die Diskussion – ich habe das angesprochen –, inwieweit im ländlichen Raum dort besonderer Wettbewerbsdruck entsteht, wo er an Nachbarländer angrenzt.

Ich meine, es ist völlig legitim, diese sehr kontroversen Positionen offen zu diskutieren.

(Zuruf des Abggeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Herr Kollege Dürr, wir hatten das im letzten Ältestenrat schon diskutiert. Ich sage jetzt ausdrücklich auch hier: Zwischenrufe sind eine gute parlamentarische Tradition. Wenn aber jemand während einer Debatte sozusagen jede Minute einen Zwischenruf macht, dann hat dies mit parlamentarischen Traditionen nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie das nicht endlich einsehen, werde ich das in der nächsten Ältestenratssitzung wieder zur Sprache bringen.

Die Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und ich lassen uns das nicht mehr gefallen. Das hat mit parlamentarischen Diskussionen nichts zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Es gibt gute Gründe dafür, diese Positionen offen auszudiskutieren. Nun hat es sich zufällig so ergeben, dass in der CSU-Fraktion das Pro und das Kontra genau ausgeglichen waren. Wenn ich mir die in der „Abendzeitung“ veröffentlichte Forsa-Umfrage ansehe, stelle ich fest – was mich nicht überrascht –, dass unsere Diskussion ein genaues Spiegelbild des Denkens der bayerischen Bevölkerung war.

(Alexander König (CSU): Näher am Menschen!)

In dieser Umfrage wurden die Menschen gefragt, was sie von einer Ausweitung der Ladenöffnungszeiten auf 22 Uhr halten würden. 51 % der Befragten haben erklärt, dass ihnen ein Ladenschluss um 22 Uhr zu weit gehen würde. Diese Haltung hat sich in der CSU-Fraktion wiedergefunden. Das ist halt die Volkspartei CSU.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich habe kein Problem damit, dies so offen anzusprechen. Wir stehen dazu: Die Breite unserer Fraktion gibt die ganze Breite der Meinungen und Wahrnehmungen in der bayerischen Bevölkerung wieder. Dafür haben wir uns nicht zu entschuldigen, und wir brauchen uns auch nicht dafür zu schämen. Darauf sind wir stolz. Dies ist letztlich das Erfolgsgeheimnis der CSU.

(Beifall bei der CSU – Franz Maget (SPD): Wie wäre es mal mit einer Entscheidung?)

Lieber Herr Kollege Maget, da und dort ist in diesem Zusammenhang von „Chaos“ und „Geeiere“ die Rede. Ich halte es für absurd, wie die Kommentare derzeit von Woche zu Woche wechseln. Wenn die CSU – wie das sehr häufi g der Fall ist, insbesondere hier im Plenum – eine einstimmige Entscheidung trifft, fi ndet sich schnell jemand, der sagt, hier hätte wieder ein Abnicken stattgefunden; da sei ein Vorschlag der Staatsregierung durchgewinkt worden, und dies sei typisch für die Situation in der CSU. Wenn jedoch einmal bei der Diskussion über ein Thema, das viele Kolleginnen und Kollegen emotional bewegt, unterschiedliche Auffassungen zum Ausdruck kommen, ist von „Chaos“ und „Geeiere“ die Rede. Meine Damen und Herren, wir sind eine demokratische und diskussionsfreudige Fraktion, in der auch für solche unterschiedlichen Auffassungen Platz ist.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Herrmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Sonnenholzner?

Bitte, Frau Kollegin Sonnenholzner.

Herr Kollege Herrmann, darf ich Ihren Ausführungen entnehmen, dass jeder und jede Abgeordnete Ihrer Fraktion in der nun folgenden namentlichen Abstimmung frei nach seinem oder ihrem Gewissen entscheidet?

Davon können Sie in der Tat ausgehen, weil das bei uns immer so ist.

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie werden hier im Saal keinen Abgeordneten fi nden, der jemals gegen sein Gewissen abgestimmt hätte.