Protokoll der Sitzung vom 10.11.2006

Sie werden hier im Saal keinen Abgeordneten fi nden, der jemals gegen sein Gewissen abgestimmt hätte.

(Beifall bei der CSU)

Ich gehe bislang davon aus, dass das in der SPD-Fraktion auch so ist.

(Franz Maget (SPD): Sowieso!)

Gleichwohl kann ich Ihnen in Aussicht stellen, dass die Kollegen der CSU-Fraktion – soweit ich den Eindruck habe – Ihrem Antrag nicht folgen werden.

(Franz Maget (SPD): Schade! – Susann Biedefeld (SPD): Haben wir heute Märchenstunde?)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat gute Gründe. Wir bringen mit unserem Antrag, den wir alternativ eingebracht haben, zum Ausdruck, dass wir in den nächsten Monaten die Entwicklung in anderen Bundesländern beobachten werden. Liebe Kolleginnen und Kollegen von

der SPD, eines muss ich schon sagen: Wir leben nicht auf einer Insel, weit abgeschottet von anderen Märkten. Wir können nicht sagen: Uns interessiert nicht, was woanders abläuft. Natürlich befi nden wir uns in einer Wettbewerbssituation mit den umliegenden Ländern. Diese Länder sind jedoch nicht die alleinige Richtschnur.

Wenn bestimmte Verbände jetzt erklären, da oder dort würde ein „Fleckerlteppich“ entstehen, muss ich sagen: Föderalismus bedeutet, dass bestimmte Dinge in Bayern anders als zum Beispiel in Schleswig-Holstein geregelt werden können und es in Niedersachsen anders als in Brandenburg sein kann. Das ist das Wesen des Föderalismus. Wir stehen auf dem Standpunkt, dass bei uns nicht automatisch das gemacht werden muss, was in dem einen oder anderen Bundesland gemacht wird. Das war von jeher das Selbstverständnis der CSU in Bayern. Wettbewerbsföderalismus bedeutet jedoch, dass wir beobachten, was sich in anderen Ländern tut, um daraus gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in den Ländern, in denen die SPD regiert oder mitregiert, werden bemerkenswerte Zeichen gesetzt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Genau! Das ist Demokratie!)

Gestern hat das Abgeordnetenhaus von Berlin mit den Stimmen der SPD und der PDS die Öffnung von 0.00 bis 24 Uhr und die Öffnung an allen vier Adventssonntagen beschlossen.

(Zurufe von der CSU: Pfui! – Franz Maget (SPD): Die entscheiden wenigstens!)

In Brandenburg wurde mit den Stimmen der SPD beschlossen, die Läden von 0.00 bis 24 Uhr zu öffnen. In Sachsen werden die Läden unter Beteiligung der SPD von 0.00 bis 22 Uhr aufgemacht und alle Adventssonntage freigegeben.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist Demokratie! – Franz Maget (SPD): Das wollen wir mit der Föderalismusreform erreichen! Jedes Land entscheidet für sich selbst!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können die Augen vor dieser Entwicklung nicht verschließen. Deshalb sagen wir klar: Wir beobachten diese Entwicklung sorgfältig und werden zu gegebener Zeit klären, ob sich aus der Entwicklung in anderen Ländern die Notwendigkeit zum Handeln ergibt. Wann das sein wird, ergibt sich aus der Sache. Darauf legen wir uns heute noch nicht fest. Wir werden klären, ob sich eine Notwendigkeit zum Handeln in Sachen Wettbewerb oder im Hinblick auf die Chancen oder die Befürchtungen ergibt. Wir werden beobachten, ob sich die Hoffnungen, die manche mit der völligen Freigabe und Liberalisierung verbinden, erfüllen und ob es zu neuen Arbeitsplätzen, zu Umsatzwachstum und zu einer freudigen Annahme dieser Öffnungszeiten durch die Verbraucher kommt. Wir werden aber auch beobachten, ob sich die Befürchtungen, die manche hinsichtlich der Auswirkungen auf die Lebensgewohnheiten der Menschen,

auf die Situation der Familien und vieles andere haben, bewahrheiten oder nicht. Ich glaube, dies ist eine seriöse und gut vertretbare Position. Ich bin sicher, dass der bayerische Einzelhandel dabei keineswegs ins Hintertreffen geraten wird.

Ich habe gerade die Situation in Berlin und Sachsen hinsichtlich der Adventssonntage angesprochen. Deshalb möchte ich abschließend ganz klar sagen: Am Sonn- und Feiertagsschutz wird auf gar keinen Fall gerüttelt. Darin ist sich die CSU-Fraktion völlig einig, und wir bekräftigen das mit diesem Antrag.

(Beifall bei der CSU)

Wir stehen dazu und unterscheiden uns dabei deutlich von anderen Bundesländern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die CSU-Fraktion ist das Thema Ladenschluss für die nächste überschaubare Zukunft von der Tagesordnung. Wir werden die Entwicklungen in den anderen Ländern beobachten und gemeinsam mit Ihnen zu gegebener Zeit wieder darüber sprechen, ob, und wenn ja, in welcher Hinsicht, Handlungsbedarf besteht. Auf dieser Grundlage wird die CSU-Fraktion den vorliegenden Antrag beschließen und Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Runge.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier eine ernsthafte Debatte über die Ladenöffnungszeiten. Wir sagen: In der Debatte und der Entscheidungsfi ndung über die Ladenöffnungszeiten gilt es, zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und ihren Familien sowie dem Schutz der Sonn- und Feiertage einerseits und einzel- und gesamtwirtschaftlichen Überlegungen sowie den Wahlfreiheiten der Verbraucher andererseits abzuwägen.

Wir von der GRÜNEN-Fraktion sehen mehrheitlich in der Möglichkeit zu längeren und fl exibleren Öffnungszeiten Chancen für Klein- und Kleinstanbieter sowie Chancen für Nischenanbieter. Wir sehen auch, dass sich gerade der innerörtliche Handel bei fl exibleren Öffnungszeiten gegenüber seinen Konkurrenten auf der grünen Wiese profi lieren kann und somit von fl exibleren Öffnungszeiten profi tieren kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sicher ist es eine Frage der Abwägung; das ist völlig klar. Eines müssen wir wissen: Hinsichtlich der Arbeitsschutzbestimmungen – was immer thematisiert wird und wofür ursprünglich der Ladenschluss entwickelt worden ist – gibt es ganz andere Möglichkeiten. Arbeitsschutzbestimmungen lassen sich künftig bekanntermaßen wesentlich leichter durch eine bundeseinheitliche Arbeitsschutzgesetzgebung regeln, nachdem im Zuge der Föderalismusreform das Arbeitsrecht mittlerweile von der Erforderlichkeitsklausel ausgenommen worden ist. Wir sind in dieser Frage seit vielen Jahren positioniert. Wir haben unsere Position auch immer wieder abgefragt und abgestimmt.

Diese Position ist mehrheitlich eine für Freigabe und Flexibilisierung. Das heißt, wir vertreten die gleichen Positionen, zu denen sich mittlerweile auch die beiden nunmehr anwesenden Minister Sinner und Huber bekannt haben.

Mehrheitlich bedeutet bei uns aber: Wir haben keinen Fraktionszwang. Wir müssen auch klar sagen, wir haben uns nicht soweit aus dem Fenster gelehnt wie andere. Eines muss man dabei festhalten: Staatsregierung und CSU sind vorgeprescht und haben sich weit aus dem Fenster gelehnt, und zwar lange vor der Debatte um die Föderalismusreform. Ich erinnere an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Juni 2004. Das Bundesverfassungsgericht hat damals gesagt, die jetzige Regelung sei durchaus mit dem Grundgesetz vereinbar, aber dem Bundesgesetzgeber seien zukünftig substanzielle Änderungen verwehrt. Was ist passiert? – Die CSU und die Staatsregierung haben kundgetan – ich zitiere jetzt aus Zeitungsartikeln –: „Einkaufen in Bayern rund um die Uhr“ – das war die „Augsburger Allgemeine“ vom 25. Dezember 2004 – oder „Staatskanzleichef Huber vorgeprescht“ – die „Abendzeitung“ in München am gleichen Tag.

Was gab es hinsichtlich der Föderalismusreform für Zitate? „Das können wir alles besser“, „Das packen wir gleich an“, „Da erfolgt sofort eine vernünftige Lösung“. Was ist jetzt? Jetzt soll erst einmal gar nichts passieren. Das heißt, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, Sie haben den Mund ganz, ganz voll genommen, und jetzt kommt nicht einmal heiße Luft heraus.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Tiger gestartet, und nicht einmal der berühmte Bettvorleger ist daraus geworden, also noch viel weniger.

Nun komme ich zu unserem famosen Ministerpräsidenten, der ja auch, soweit wir wissen, Landtagsabgeordneter und somit Mitglied der CSU-Fraktion ist. Er hat die Fraktionssitzung, obwohl es doch um ein wichtiges Thema gegangen ist, vor der Abstimmung verlassen. Dann gab es das Patt, und was macht er? – Sie können heute lesen: Dann mault der Herr nach. Dann hätte er doch bleiben sollen, statt nachzumaulen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CSU-Fraktion – ich sehe, sie sind lernfähig – hat nichts anders gemacht, als den Stoiber gegeben: Ja, nein, weiß nicht, äh, links, rechts, hü, hott, äh, vor, zurück, äh und nochmal äh. Genau das haben Sie gemacht, Sie haben den Stoiber gegeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damit, meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion, haben Sie sich zum Ladenhüter gemacht, zu dem, was Herr Stoiber schon lange ist, spätestens seit der letzten Regierungsbildung in Berlin.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich sehe, Herr Herrmann, Sie lächeln gequält. Damit bin ich bei Ihrem Dringlichkeitsantrag. Das ist ein ganz famoser Dringlichkeitsantrag. Es ist dringlich, nichts zu tun.

Was ist denn daran dringlich?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Noch komischer ist, dass es im Antrag heißt: Wir beobachten. Warum brauchen wir, warum brauchen Sie oder warum braucht die Staatsregierung jetzt einen Antrag des Landtags und ein entsprechendes Votum, um beobachten zu dürfen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie brauchen also einen Antrag, um zu beobachten. Da kommen wir schon ordentlich ins Schwitzen, um Ihr Schwitzen nachvollziehen zu können.

Fazit ist: Die SPD hat eine Position, und für diese gibt es gute Argumente. Wir haben eine andere Position, denn wir haben anders abgewogen, aber die CSU-Fraktion hat zu keiner Position gefunden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Allerdings haben einzelne Mitglieder in der CSU-Fraktion durchaus ihre eigene Meinung und haben diese klar und eindeutig kundgetan, und zwar die einen in diese Richtung und die anderen in jene Richtung. Wir müssen sagen: Diejenigen Kollegen von der CSU-Fraktion, die gesagt haben, es solle alles so bleiben, wie es ist, müssten mit dem Antrag der SPD stimmen; sie haben eigentlich gar keine andere Möglichkeit. Ich meine konkret die Herren Traublinger und Kreidl; ich sehe sie gerade nicht. – Herr Kollege, schön, dass Sie da sind, aber Herrn Traublinger sehe ich nicht. Er ist oft bei solchen Abstimmungen nicht anwesend, um dann hinterher in der Zeitung das Gegenteil von dem zu verkünden, worüber er hätte abstimmen müssen. Diejenigen müssen ganz klar mit dem Antrag der SPD stimmen, weil ansonsten das Abstimmungsverhalten als nichts anderes als eine unendliche Feigheit zu werten wäre.

(Beifall bei den GRÜNEN – Engelbert Kupka (CSU): Werben Sie für oder gegen Ihren Antrag? – Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Führungsschwäche!)

Herr Kollege Kupka, weil Sie das gerade einwerfen: Die GRÜNEN-Fraktion hat mehrheitlich eine andere Position, als sie im Antrag der SPD-Fraktion festgehalten ist. Deshalb werden wir auch mehrheitlich diesen Antrag ablehnen. All diejenigen, die in unserer Fraktion der Meinung der SPD sind, dürfen selbstverständlich dem SPD-Antrag zustimmen. Genau das erwarten wir auch von Ihrer Fraktion. Unsere Leute haben den Mund nicht voll genommen, Ihre Leute haben das getan. Deswegen sind wir gespannt auf die Abstimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Maget.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann die Lage, in der sich Herr Kollege Herrmann befi ndet, durchaus nachvollziehen. Es ging mir auch schon einmal so, dass ich hier sprechen musste, weil die Meinungen in unserer Fraktion geteilt waren. Selbstverständlich hat Herr Kollege Herrmann auch recht, wenn er das als Ausweis innerparteilicher Demokratie beschreibt. Aber ein solches Geeiere, mit Verlaub, Herr Kollege Herrmann, wurde mir noch nie zugemutet.