Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was wollen die GRÜNEN jetzt eigentlich wirklich? – Das ist die Frage.
Es ist dies die Frage, die wir uns bei der Kenntnisnahme des Themas dieser Aktuellen Stunde gestellt haben. Auch nachdem Frau Kollegin Tolle das hier nur sehr vage dargestellt hat, ist für mich nach wie vor ungeklärt,
Dann kommen von Ihnen Unterstellungen en masse. Aber ich kann Ihnen eines versprechen, Frau Kollegin Tolle. Die Furcht, die Sie vor der Zukunft der bayerischen Schullandschaft haben, kann ich Ihnen nehmen. Sie sollten nur ein klein bisschen aufpassen und darauf achten, welche Maßnahmen vonseiten der Staatsregierung im engen Schulterschluss mit der CSU-Landtagsfraktion eingeleitet werden.
Wenn Sie zuhören würden, hätten Sie eine klare Kenntnis davon, dass es für uns eine eminent wichtige Aufgabe ist, die Schulen vor Ort zu erhalten,
und zwar leistungsfähige Schulen, zu denen selbstverständlich die Schülerinnen und Schüler gehören. Dabei ist das Wichtigste für die Schülerinnen und Schüler die Tatsache, dass Qualität an der ersten Stelle steht.
Wenn Sie hier nun eine andere Sprache sprechen, wenn Sie hier von Öffnungsklauseln sprechen, etwas, worunter sich jeder etwas anderes vorstellen kann – –
Ich will Sie in gewisser Weise auch glücklich machen. Vielleicht sind Sie ja auf dem richtigen Wege. Das kann ich jetzt noch nicht absehen. Aber wir können durchaus zusammenkommen, wenn Sie unter Öffnungsklausel verstehen, dass man auch Schulverbünde anbietet, wo wir dann sehr wohl eine Möglichkeit der Gestaltung haben und sagen können: Wir tun uns zusammen bei zurückgehenden Schülerzahlen und versuchen, eine leistungsfähige schülergerechte Struktur zu schaffen.
Wenn ich mir die Papiere anschaue, die Sie zu dem Thema „Schulsterben stoppen – mehr Freiheit wagen“ veröffentlicht haben, dann stelle ich fest: Die GRÜNEN Konzepte lesen sich wie ein pädagogisches Märchenbuch ohne irgendeine nachvollziehbare Stimmigkeit, garniert mit Wunschträumen einer längst gescheiterten ideologischen Bildungslandschaft. Aber wenn das Ihre Zukunft ist, dann handelt es sich um einen klassischen Utopos, den Thomas Morus schon einmal beschrieben hat. Das ist eine Utopie; auf Deutsch: ein Nichtort.
Ich möchte dies wegen der Kürze der Zeit nur mit einigen Punkten belegen. Wenn Sie mit uns übereinstimmen, dass wir eine frühzeitige kindgerechte Förderung haben wollen und diese den unterschiedlichen Begabungen und Talenten entsprechen muss – die Kinder haben bekanntlich unterschiedliche Begabungen –, dann wäre es ja gut.
Ich verweise hier auf die Lektüre eines Artikels von Prof. Kurt Heller, der Forschungsergebnisse unter dem Titel „Schullaufbahnentscheidungen und Schulerfolg“ gebündelt hat. Der Artikel ist im Jahr 2005 erschienen. Da ist etwas nachzulesen, was Ihnen natürlich nicht passt. Da wird nämlich festgestellt, dass nicht der Zeitpunkt des Beginns einer Schullaufbahn, sondern die Qualität des Unterrichts für den Schulerfolg maßgebend ist.
Der Bildungserfolg in Bayern wurde in allen bekannten Schulleistungstests eindrucksvoll bestätigt. Dies haben wir schon mehrfach erörtert. Dazu kann ich nur sagen: Das ist gut für unsere Schülerinnen und Schüler, aber schlecht für die Opposition. Und es ist gut, dass es so ist.
Kolleginnen und Kollegen, es wird immer die Chancengerechtigkeit erwähnt. Das bedeutet eine differenzierte Bildung und Erziehung. Nichts ist für das Kind ungerechter
als eine gleiche Behandlung bei ungleichen Lernfähigkeiten und Fertigkeiten. Leider ignoriert die Opposition dies mit ihrer Forderung nach einer Einheitsschule beständig.
Des Weiteren: Ein sozialer Chancenausgleich und individuelle Bildungserfolge gelingen im gegliederten Schulwesen nachweisbar besser als in einem von Ihnen propagierten Einheitsschulsystem. Das ist mehrfach wissenschaftlich untersucht und belegt worden.
Sie können bei Treiber und Weinert nachlesen, was in den Jahren 1982 und 1985 bei Hauptschülern nachgewiesen worden ist. 1986 hat Baumert den Nachweis bei Gymnasiasten geführt. Aktuell verweise ich auf die Auswertungen von Baumert und Schümann aus dem Jahr 2002 zur Pisa-Studie. Da wird unisono nachgewiesen, dass der frühe Übergang zu einer spezifi schen Schulart für Schüler positive Auswirkungen zeigt.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wenn Ihnen das noch nicht reicht, dann sage ich: Dies wurde auch vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin bestätigt, welches bereits 1994 unter dem Titel „Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland“ zu folgendem eindeutigen Resümee kommt. Ich zitiere:
Bei einem Vergleich der Schulleistungen von Gymnasiasten der siebten Jahrgangsstufe in Mathematik, Englisch und Deutsch zeigten sich hier beträchtliche Leistungsnachteile bei den Kindern, die eine sechsjährige Grundschule (Berlin und Bremen) besucht hatten, im Unterschied zu den Übergängen nach Klasse 4 in den anderen Bundesländern; diese Unterschiede hatten sich auch am Ende der siebten Klasse noch nicht ausgeglichen.
Nach Röder – nachzulesen auf Seite 407 ff. seiner im Jahr 1991 erschienenen Veröffentlichung – betrug der Leistungsabstand in Mathematik und Englisch jeweils eine, in Deutsch immerhin noch eine halbe Standardabweichung. So wird es auf Seite 338 des genannten Berichts zitiert und kann von jedem nachgelesen werden, auch von der Opposition.
Jetzt komme ich zu etwas, was nicht dadurch richtig wird, dass man es beständig falsch fordert: Schuleignungsprognosen. Frau Kollegin Tolle will eine gemeinsame Schulzeit von neun Jahren haben. Schuleignungsprognosen sind nach einer gemeinsamen sechsjährigen Schulzeit längst nicht treffsicherer als nach der vierten Jahrgangsstufe. Das haben Weinert und Helmke bereits 1997 in der Scholastikstudie überzeugend nachgewiesen. Es gibt keine ernst zu nehmende Studie, die eine höhere Prognose bei Zuwarten signifi kant nachweist. Vielmehr gilt: Bei späterer Laufbahnentscheidung hat die weitaus größere Mehrzahl der Schüler erhebliche Nachteile und weniger Vorteile, weil eben das Risiko einer Über- oder Unterfor
derung erheblich wächst. Das Wichtigste ist: Die Nutzung der Lern- und Bildungszeiten kann auf einem hohen Niveau stattfi nden. Dieser Vorteil würde auf diese Weise aber verloren gehen. Es kann doch nicht im Interesse der Opposition sein, dass unsere Schülerinnen und Schüler keine begabungsgerechte Unterweisung in Richtung auf Bildungs- und Erziehungserfolg bekommen.
Ich kann infolge der Kürze der Zeit jetzt nur noch auf ein paar Fakten hinweisen, die für die Opposition ebenfalls schmerzhaft sind. Sie kennen den Artikel in der Fachzeitschrift „Pädagogik“ aus dem Jahr 1998. Da steht im JuniHeft auf Seite 17 geschrieben: „NRW-Schüler haben am Ende der zehnten Jahrgangsstufe in Mathematik gegenüber anderen, sogenannten Normalgymnasiasten zwei Jahre Rückstand.“
Werfen wir auch einmal einen Blick auf Portugal. Da geht man auf neun Jahre gemeinsame Schulzeit. Das ist, Frau Kollegin Tolle, ein EU-Land. Der Bildungserfolg dort gehört eindeutig in die Schlussränge von Pisa. Das kann für uns in Bayern aber nicht das Ziel sein. In Bayern gelingt es uns nachweislich am besten, die von Ihnen immer wieder reklamierte soziale Benachteiligung auszugleichen. Das wird uns unter anderem vom Institut für Wirtschaft in Köln bei der Untersuchung von Umfang und Auswirkung von Bildungsinvestitionen bescheinigt. Dort heißt es:
In Bayern ist die Bildung gut und gerecht. Die Investition ist gut angelegt. Das ist auch gerecht. Damit ist Bayern unter anderem mit Finnland in der Spitzengruppe angesiedelt.
Wenn Sie uns bei diesen Bemühungen unterstützen, dann könnte ich Übereinstimmung signalisieren. Selbstverständlich ist das Bessere immer der Feind des Guten, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen besser zu gestalten.
Selbstverständlich stehen wir zum bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagsschulen und entsprechender Ganztagsbetreuung. Auch wir wollen kleinere Klassen. Wir intensivieren die Frühförderung.
Ich interpretiere Sie jetzt so, dass Sie begeistert zustimmen. Daher hoffe ich, dass Sie alle Bemühungen um die Erhaltung eines leistungsfähigen, gegliederten Schulsystems in der Weise unterstützen, wie es sich in Bayern bewährt hat und sich auch bis weit in die Zukunft hinein bewähren wird. Sie sollten nicht falsche Parolen von sich geben, zum Beispiel in puncto Streichung von Lehrerstellen, die als solche gar nicht vorhanden sind, weil Schüler in andere Schularten wandern.
Ja, Sie sprechen eine andere Sprache. Das hatte für keine einzige Lehrerstelle durch Eintreten in den Ruhestand oder andere Maßnahmen eine Auswirkung.
Frau Kollegin Tolle und Herr Kollege Maget, wenn Sie aufgepasst hätten, hätten Sie möglicherweise etwas dazugelernt. Aber dies bezweifl e ich aufgrund Ihrer Reaktionen. Wir werden uns dadurch nicht irritieren lassen.
Meine Kolleginnen und Kollegen der CSU-Landtagsfraktion werden anschließend einige weitere überzeugende Argumente vorbringen.