Protokoll der Sitzung vom 14.12.2006

Zweitens: Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik müssen ebenso wie die Bildungspolitik im Freistaat Bayern darauf ausgerichtet sein, auch denjenigen eine Perspektive zu geben, denen droht, die Schule ohne qualifi zierten Abschluss verlassen zu müssen. Gleiches gilt für Fördermaßnahmen für Beschäftigungslose mit geringerer Qualifi kation. Die vorhandenen Förderprogramme sind hierfür die angemessene Basis.

Drittens: Neben der schon genannten frühen Förderung von Kindern und Jugendlichen ist eine auf Wahlfreiheit der Eltern ausgerichtete Familienpolitik Hauptanliegen der CSU-Landtagsfraktion.

(Christa Steiger (SPD): Genau, deshalb gibt es die Gastkindregelung!)

Sie ist sich darin mit der Bayerischen Staatsregierung einig. Deshalb ist es ein klares und eindeutiges Signal, dass die Mittel für das Landeserziehungsgeld des Freistaates Bayern auch nach Einführung des Elterngeldes des Bundes bereitgestellt werden.

(Beifall bei der CSU)

Hierfür ist ein Konzept zu entwickeln, das den Bedürfnissen von Familien und Kindern gerecht wird. Dies ist übrigens auch ein Weg, um Armut bei Kindern und Jugendlichen zu vermeiden.

Viertens: Armutsbekämpfung erfolgt über eine gute Familienförderung, ebenso wie eine Förderung von Langzeitarbeitslosen über die verfügbaren Instrumente.

(Christa Steiger (SPD): Fangen wir mit dem kostenlosen letzten Kindergartenjahr an!)

Darüber hinaus sehen wir aber auch eine steigende Zahl von Menschen in struktureller Armut, die verschuldet sind und sich in einer schwierigen materiellen Situation befi nden. Ohne die Diskussion in der vergangenen Woche zur Insolvenzberatung wiederholen zu wollen, sage ich, es ist ein klares Zeichen von Staatsregierung und CSU-Landtagsfraktion, in diesem Bereich auch in Zukunft stärker zugunsten derjenigen zu investieren, die gerade mit Hilfe der Insolvenzberatung eine positive Perspektive fi nden.

(Beifall bei der CSU)

Fünftens: Die Förderung bedarfsgerechter Angebote für ältere Menschen mit Behinderungen muss in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt der Politik sein. Der sozialpolitische Arbeitskreis der CSU-Landtagsfraktion hat hierzu eine Initiative „Ältere Menschen mit Behinderung – eine wachsende politische Aufgabe“ gestartet, wobei am Ende des Dialogprozesses ein umsetzbares Konzept stehen wird.

Sechstens: Über die sozialpolitischen Anreizsysteme gemeinsam mit den Kostenträgern und dem Landespfl egeausschuss hinaus müssen ambulante und betreute Wohnformen und der Grundsatz „ambulant vor stationär“ die Weiterentwicklung der Pfl egelandschaft im Freistaat Bayern kennzeichnen.

(Renate Ackermann (GRÜNE): Investitionskostenförderung!)

Wir müssen die Entwicklung im stationären Bereich darüber hinaus – das hat auch die Diskussion zum Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze – AGSG – in den vergangenen Wochen gezeigt – mit einem zinsgünstigen Förderprogramm bei der Umstellung der Finanzierung von Modernisierungsmaßnahmen in der stationären Altenhilfe begleiten und kontrollieren.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Jetzt sind Sie doch noch aufgewacht! – Christa Steiger (SPD): Guten Morgen! Das hat lange gedauert! – Renate Ackermann (GRÜNE): Winterschlaf!)

Dieses Programm ist ein wesentlicher Bestandteil des AGSG – nicht im Gesetz, aber zur Umstellung der Finanzierungsform.

Siebtens: Die Gesundheitsreform muss für Krankenhäuser, Patienten, Ärzte, Apotheken und sonstige Beteiligte bayernfreundlich gestaltet werden. Dabei muss auf die Bedürfnisse des Flächenstaates und die positiven Leistungsvereinbarungen hingewirkt werden. Eine zunehmende Staatsmedizin und ein Einheitskassenprinzip lehnen wir mit Nachdruck ab.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Achtens: Das soziale Bayern ist durch ein vielfältiges Netzwerk von Eigeninitiativen, bürgerschaftlichem Engagement und Selbsthilfebewegungen gekennzeichnet. Dieses Netzwerk, angefangen bei der offenen Behindertenarbeit bis hin zu den Landesnetzwerken für bürgerschaftliches Engagement und Selbsthilfekoordination sowie den Mütterzentren, muss in seiner Arbeit eine Perspektive haben und stabilisiert werden. Dabei ist eine bürgerfreundliche Sozialpolitik in diesem Bereich zielgenau zu bewerkstelligen.

(Christa Steiger (SPD): Was heißt das?)

Neuntens: Sozialpolitische Maßnahmen im Freistaat Bayern, von der Kinderbetreuung bis hin zur Krankenhausversorgung und Hospizentwicklung, müssen darauf überprüft werden, ob sie den Bedürfnissen im ländlichen Raum entsprechen. Wir machen eine Politik sowohl für die Ballungsräume als auch für die ländlichen Räume.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Sie machen gar nichts! Sie ziehen sich zurück!)

Das ist ein entscheidender Schwerpunkt unserer Sozialpolitik.

(Beifall bei der CSU)

Zehntens: Wesentlicher Bestandteil der Zukunft des sozialen Bayerns ist die Fortsetzung der Dialogkultur zwischen Staatsregierung, Bayerischem Landtag, den Wohlfahrtsverbänden und den sonstigen Initiativen. Dafür ist das Forum „Soziales Bayern“ eine ausgezeichnete Grundlage.

(Christa Steiger (SPD): Oh ja!)

Wir wünschen uns, Frau Staatsministerin, dass dieser Dialog fortgesetzt wird. Dazu gehört auch die Neugestaltung eines Sozialberichtes, der die beteiligten Akteure ebenso einbezieht wie er gemeinsame soziale Maßstäbe entwickeln soll.

(Christa Steiger (SPD): Acht Jahre haben Sie bis zu dieser Entscheidung gebraucht!)

Die Zielgenauigkeit sozialpolitischer Maßnahmen soll an diesen Maßstäben immer wieder überprüft werden. Dazu

gehört auch eine verlässliche Planungs- und Finanzierungsentwicklung für die Maßnahmenträger.

Frau Kollegin Steiger, ich hoffe, dass Sie es irgendwann einmal begreifen werden, dass in den vergangenen Jahren die Erstellung eines Sozialberichtes absolut unsinnig gewesen wäre, weil er auf veralteten und nicht zielgenauen Zahlen hätte basieren müssen. Durch „Hartz IV“ haben sich erhebliche Veränderungen ergeben, die berücksichtigt werden mussten.

(Christa Steiger (SPD): Das gilt für den Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nicht?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Haushaltsentwurf, diese zehn Schwerpunkte und darüber hinaus die Umsetzung der Ziele einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung im Kontext mit dem Sozialhaushalt und die Erreichung des Ziels eines nachhaltigen Haushalts ohne Neuverschuldung werden die Zukunft des Erfolgsmodells „Soziales Bayern“ prägen.

Ich darf an dieser Stelle den Dank an Frau Staatsministerin Christa Stewens, an Herrn Staatssekretär Heike und vor allen Dingen auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums für eine nicht nur im Ländervergleich hervorragende Arbeit aussprechen. Bayern nimmt bundesweit immer wieder eine politische Führungsrolle bei der Entwicklung von Konzepten ein. Ich darf hier die Familienpolitik, die Kinderbetreuung, die Rentenversicherung, die Reform der gesetzlichen Krankenversicherung und die Pfl egepolitik nennen, mit der Sicherung der Rahmenbedingungen und der Qualitätssicherung. Dies sind Beispiele, wo der Bund und die anderen Bundesländer immer wieder auf den Freistaat Bayern schauen und Konzepte aus dem Freistaat Bayern in anderen Ländern übernommen werden. Deshalb ein herzliches Dankeschön an Sie, Frau Staatsministerin Stewens, Herrn Staatssekretär Heike und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen.

Die CSU-Landtagsfraktion hofft, dass Sie mit den Rahmenbedingungen, die der Haushaltsentwurf für Ihre Arbeit setzt, Ihren Auftrag weiter erfüllen können. Zu den Schwerpunkten der Haushaltsberatungen wird die Berichterstatterin der CSU zu Einzelplan 10 im Haushaltsausschuss, Frau Kollegin Monika Hohlmeier, weitere Ausführungen machen.

(Joachim Wahnschaffe (SPD): Da sind wir jetzt schon gespannt!)

Ich bin der Meinung, dass die Sozialpolitik der Bayerischen Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion im Hohen Haus für die Bürgerinnen und Bürger modern und zukunftsorientiert ist. Daran werden wir auch in Zukunft arbeiten.

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Joachim Wahnschaffe.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sie sich für die Sozialpolitik interessieren – offenbar werden es immer mehr! Herr Kollege Unterländer, Sie haben von der zentralen Botschaft gesprochen, der Sozialstaat habe Zukunft. Ich weiß nicht, aus welchem Märchenbuch Sie zitiert haben. Jedenfalls können Sie dabei den bayerischen Sozialhaushalt nicht im Auge gehabt haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, der Landtagspräsident hat in seiner Weihnachtsansprache am vergangenen Dienstag zu Recht darauf hingewiesen, dass sich die soziale Kluft auch in unserem Lande vertieft hat. Materielle Armut von Kindern und Familien, mangelnde Chancengleichheit beim Zugang zu Bildung, Defi zite bei der Gesundheitsversorgung und das Wegbrechen sozialer Strukturen gelten heute, wie Heribert Prantl einmal in der „Süddeutschen Zeitung“ schrieb, nicht mehr als Ausfl uss der göttlichen Weltordnung, sondern als massives gesellschaftliches Problem.

Doch was tut die Bayerische Staatsregierung? – Sie tut so, als gäbe es dieses Problem nicht. Sie betreibt stattdessen Kulissenschieberei zu dem immer gleichen Stück: Bayern ist ein schönes Land, und schuld daran ist nur die CSU.

(Herbert Fischer (CSU): Natürlich! – Beifall bei der SPD und bei der CSU)

Meine Damen und Herren, damit werden Sie aber der verfassungsrechtlichen Verpfl ichtung eines Sozialstaates Bayern nicht gerecht. Nach den brutalen Kürzungen des Nachtragshaushaltes 2004 – daran sollten Sie denken, Herr Kollege Unterländer – bleiben die Haushaltsansätze 2007 und 2008 im Wesentlichen auf dem niedrigen Niveau der Vorjahre. Keine Besserung ist in Sicht. Das Bild, das Kollege Maget am Dienstag von den ausgeraubten Sozialdienstleistern gezeichnet hat, die froh sind, dass sie nicht abermals beraubt worden sind, trifft die Stimmung, wie ich glaube, ziemlich genau.

(Beifall bei der SPD)

Frau Staatsministerin, dass Sie die Wohlfahrtsverbände ruhig gestellt hätten, wie die „Süddeutsche Zeitung“ mutmaßt, und damit Ihre Stellung im Kabinett gestärkt sei, ist ein Umstand, auf den Sie nicht stolz sein sollten.

Wie wir am Dienstag gehört haben, gibt es einen neuen Dreiklang: Kinder, Bildung, Arbeitsplätze. Das hat der Ministerpräsident abermals angekündigt. Davon fi ndet sich im Haushalt aber wenig. Darum hat er wohl auch den Zusatz „2020“ gebraucht. Seit dem Amtsantritt – leider ist Kollege Herrmann jetzt nicht da – von Ministerpräsident Stoiber seien eine Million Menschen nach Bayern gekommen, hat der Fraktionsvorsitzende am Dienstag hier verkündet. Was wollte er uns damit sagen? Sind die Menschen wegen Stoiber gekommen? – Das ist genauso unsinnig, wie wenn ich behaupten wollte, Frau Staatsministerin, der Herr Ministerpräsident sei schuld daran, dass

die Geburtenzahl seit seinem Amtsantritt von 134 000 auf 107 000 gefallen ist.

(Beifall bei der SPD)

Das ist im Übrigen die niedrigste seit 1979, und das muss man ernst nehmen. Es ist ein Indiz dafür, Herr Kollege Unterländer, dass Bayern eben kein kinderfreundliches Land ist und erst recht nicht das Familienland Nummer 1, zu dem es Ministerpräsident Stoiber in seiner Regierungserklärung von 2003 gemacht hat.

(Beifall bei der SPD)