Protokoll der Sitzung vom 07.03.2007

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Beckstein, Sie haben sich damals auf diesen Kompromiss nicht freiwillig eingelassen. Überhaupt kam die ganze Bleiberechtsregelung nicht freiwillig in die Debatte, sondern es war einfach die Umsetzung von EU-Richtlinien. Sonst wären Sie das Thema überhaupt nicht angegangen.

Man muss dazu sagen: Der Kompromiss SchäubleMüntefering war schon äußerst schwach. Er wurde dann durch die Ergebnisse der Innenministerkonferenz unter Ihrer Leitung noch abgeschwächt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt fallen Sie, Herr Beckstein, auch noch hinter diese Beschlüsse zurück.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man muss sich überlegen: Was kann man von einem künftigen Ministerpräsidenten erwarten, der hinter seine eigenen Beschlüsse zurückfällt, der seinem eigenen Wort, das er noch vor drei Monaten gegeben hat, nicht traut?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Beckstein, der Beweggrund Ihres Handelns ist uns bekannt. Es ist reiner Populismus im Hinblick auf die nächste Wahl.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wollen sich bei Ihren Wählern lieb Kind machen und dafür müssen wieder einmal die Ausländer herhalten. Dabei sind sie wirklich in einer ganz miesen Position; das kann ich Ihnen sagen.

Es handelt sich um eine generell zu beobachtende Tendenz: In der Immigrationspolitik fi ndet zurzeit wieder ein absolutes Rollback statt. Das ist nur eine Ausbringungsform dieses Rollback. Ich fi nde, es ist bedauernswert, dass es in unserem Land wieder dazu kommt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Anstatt die Menschen, die zu uns kommen, die schon lange da sind und die schon hier gearbeitet haben, denen Sie die Arbeit weggenommen haben, als Bereicherung zu empfi nden, sehen Sie diese Menschen als Gefahr und einzig und allein als Kostenfaktor. Als Kostenfaktor kann man sie aber nicht sehen, Herr Dr. Beckstein, denn sie wollen hier arbeiten und würden dann auch Steuern zahlen. Die betroffenen Menschen sollen sich integrieren, werden jedoch durch Sie daran gehindert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es geht um Schicksale und nicht um Kostenfaktoren. Das möchte ich einer christlichen Partei mit auf den Weg geben. Christen kümmern sich normalerweise weniger um Kosten als um Menschen, aber bei Ihnen ist es umgekehrt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie wissen ganz genau, wie schwer es für diese Menschen ist, innerhalb eines halben Jahres Arbeit zu fi nden. Noch dazu können ihnen Deutsche und EU-Bürger vorgezogen werden. Sie aber sagen: Wir geben ihnen nur dann das Bleiberecht, wenn sie Arbeit haben. Diese Menschen fi nden keine Arbeit, weil sie kein Bleiberecht haben. Das erinnert mich an den Hauptmann von Köpenick. Dem Schuster Voigt wurde gesagt: Du hast keine Arbeit, du bekommst keine Wohnung, und wenn du keine Wohnung vorweisen kannst, dann bekommst du auch keine Arbeit. Schuster Voigt – damit möchte ich schließen, ich kann mich seinen Worten anschließen – hat gesagt: Erst kommt die Wanze und dann die Wanzenordnung. – Erst kommt der Mensch, dann die Menschenordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege König.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es? – Es geht um abgelehnte

Asylbewerber, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht aus Deutschland abgeschoben werden können.

(Maria Scharfenberg (GRÜNE): Auch aus humanitären Gründen!)

Sie werden hier geduldet. Es geht um die Frage, ob dem Einzelnen ein Aufenthaltsrecht, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann. Die CSU und Innenminister Dr. Beckstein haben am 17. November 2006 – wie Sie eigentlich wissen sollten – einem Kompromiss der Innenministerkonferenz zugestimmt mit der Zielrichtung, mehrjährig hier geduldeten Ausländern dann eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn sie wirtschaftlich und gesellschaftlich voll integriert sind, das heißt, wenn sie in absehbarer Zeit einen legalen Arbeitsplatz hier im Land haben und darüber hinaus in unserer Gesellschaft integriert sind.

Wo ist der Dissens? – Der Dissens ist der, dass nach der Innenministerkonferenz oder vielleicht schon vorher – was wir noch mehr bedauern würden – an anderem Ort andere politische Kräfte zu der Überzeugung kamen, über den gefundenen Kompromiss hinaus bräuchte man weitergehende Regelungen dahin gehend, dass den Menschen das Bleiberecht zunächst einmal bis zum Jahr 2009 eingeräumt wird, damit sie sich einen Arbeitsplatz suchen können. Der Kompromiss vom 17. November 2006 sah den 30. November 2007 als Stichtag vor. Aus unserer Sicht ein völlig ausreichender Zeitraum.

Frau Kollegin Scharfenberg, Sie betonen immer, die Menschen wollten sich bei uns integrieren und bei uns arbeiten. Ich sage Ihnen: Sie haben die Möglichkeit dazu. Sie hätten auch nach dem Kompromiss der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006 mit der Frist bis zum 30. November 2007 die Möglichkeit, eine Arbeit aufzunehmen und sich damit hier im Lande voll zu integrieren und damit ein Aufenthaltsrecht zu erlangen.

Kollege Volkmann sagt, wir würden Angst in der Bevölkerung schüren. Herr Kollege Volkmann, Sie schüren die Angst bei den Menschen.

(Lachen des Abgeordneten Rainer Volkmann (SPD) und weiterer Abgeordneter der SPD)

Sie schüren die Angst bei den Menschen, bei den HartzIV-Empfängern, die oft nach Jahren ehrlicher Arbeit, nach jahrelangem Einzahlen in die Sozialsysteme mit sehr wenig Geld auskommen müssen. Diesen Menschen wird von Ihnen, Herr Kollege Volkmann, sinngemäß gesagt: Wir sind bereit, es hinzunehmen, dass unseren Sozialsystemen 700 Millionen Euro bis zu 1,3 Milliarden Euro an zusätzlichen Kosten pro Jahr entstehen. Sie machen diesen Menschen Angst. Dafür sollten Sie sich schämen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin Weikert, Sie glauben eine Lüge des Innenministers zu erkennen, der sagt, es handle sich um eine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Frau Weikert, was ist es denn sonst, wenn jemand wiederum ohne Arbeitsaufnahme weitere zweieinhalb Jahre hier nach

einem Arbeitsplatz suchen und sich dadurch die Aufenthaltserlaubnis verdienen soll, wenn das dazu führt, wie Kollege Weidenbusch richtig ausgeführt hat, dass wir völlig falsche Signale aussenden? Wir fordern die Leute geradezu auf, zu uns zu kommen und unsere Sozialsysteme auszunutzen.

Herr Kollege Werner, nicht wir haben dieses Thema heute auf die Tagesordnung gesetzt, sondern die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Wir sind aber nicht böse wegen dieses Themas, weil wir dazu einen klaren Standpunkt haben und ihn weiter vertreten werden.

Frau Ackermann behauptet, der Innenminister würde hinter sein eigenes Wort zurückfallen. Ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Das ist schlichtweg falsch. Innenminister Dr. Beckstein fällt nämlich nicht hinter sein gegebenes Wort zurück; wir fallen nicht hinter den Kompromiss zurück, den wir mitgetragen haben, sowohl beim Zuwanderungsrecht als auch beim Beschluss der Innenministerkonferenz vom 17. November 2006, sondern im Gegenteil: Wir wollen daran festhalten. Wir wollen die geltenden Regelungen weiter umsetzen. Sie wollen aber noch mehr. Sie wollen die Zuwanderung in die Sozialsysteme. Das wollen wir nicht.

Zu Ihren Vorwürfen, Kollegen von mir hätten hier zu anderen Themen gesprochen, sei kurz angemerkt: Natürlich ist nicht nur dieser Themenkreis, den wir jetzt ausführlich besprechen, strittig, zum Teil auch unter den Koalitionspartnern; darüber hinaus ist auch unsere Meinung strittig, ob nach Deutschland zuwandernde Ehegatten zum Zeitpunkt der Zuwanderung bereits ausreichende Deutschkenntnisse haben sollten. Es ist auch strittig, ob Zwangsehen – dieses Thema sollten Sie viel ernster nehmen, meine Damen und Herren – dadurch bekämpft werden sollten, dass man das Zuzugsalter auf 21 Jahre setzt und nicht, wie Sie es wollen, auf 18 Jahre. Viele junge Frauen im Alter zwischen 18 und 21 Jahren werden hier in Deutschland zwangsverheiratet. Das sollten Sie gemeinsam mit uns bekämpfen, indem Sie sich unserer Meinung anschließen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Volkmann.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Zunächst einmal danke ich Herrn Dr. Beckstein, dass er seine Redezeit um 22 Sekunden überzogen hat. Das gibt mir die Gelegenheit, Herrn König und Herrn Weidenbusch und allen Mitgliedern der CSU zum wiederholten Male zu sagen: Zwangsverheiratung ist in Deutschland seit dem 11.02. des Jahres 2005, das war noch unter der rot-grünen Koalition, ein Straftatbestand der besonders schweren Nötigung des § 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches. Nehmen Sie das endlich einmal zur Kenntnis.

(Lebhafter Widerspruch bei der CSU – Beifall bei der SPD)

Hören Sie endlich damit auf, in der Republik den Eindruck zu erwecken, die Sozialdemokraten und die GRÜNEN

hätten das verhindert. Verdammt noch mal! Rot-Grün haben das alleine betrieben, ohne Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Nehmen Sie das zur Kenntnis und hören Sie damit auf, ständig – –

(Lebhafter Widerspruch von der CSU – Glocke des Präsidenten – Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist unmenschlich!)

Kapieren Sie das jetzt wirklich nicht, Herr Weidenbusch?

(Ernst Weidenbusch (CSU): Das ist zynisch gegenüber den betroffenen Frauen!)

Ich sage doch, dass das bei uns unter Freiheitsstrafe gestellt ist.

(Weitere Zurufe von der CSU)

Also, der hat einen Intelligenzquotienten, das ist sensationell.

(Lachen bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ich glaube, Sie sind ein medizinisches Wunder: Der erste Mensch mit einem Intelligenzquotienten unter null. – Jetzt sage ich es Ihnen zum fünften oder zum sechsten Male hier – –