Protokoll der Sitzung vom 27.01.2004

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz ruhig und sachlich in fünf Punkten unsere Haltung in dieser Sache skizzieren, die die CSU-Landtagsfraktion gerade einstimmig beschlossen hat:

Erstens. Die CSU-Fraktion bedauert das unsensible Vorgehen der Finanzverwaltung bei der Pfändung des Miterbenanteils von Max Strauß. Es ist nicht vertretbar und pietätlos, dass die bei der Pfändung des Miterbenanteils erfasste Grabstätte von Franz Josef und Marianne Strauß nicht sofort freigegeben wurde.

Zweitens. Die CSU-Fraktion bedauert, dass die Finanzverwaltung nicht umgehend dem Auftrag des Finanzministers nachgekommen ist, einen rechtmäßigen Weg zur Herauslösung der Gruft aus der Erbengemeinschaft unmissverständlich aufzuzeigen und diesen Weg der Familie Strauß klar und deutlich darzulegen.

Drittens. Die CSU-Fraktion begrüßt die gefundene Lösung, dass die Familiengruft aus der Erbengemeinschaft herausgelöst wird. Sie begrüßt ferner, dass sich der Staatsminister der Finanzen für den missverständlichen Eindruck, dass die Freigabe des Grabgrundstücks von einer Geldzahlung abhängig sein könnte, der durch den Brief des Zentralfinanzamts München vom 5. Januar 2004 entstanden ist, entschuldigt hat.

Mit dieser Entschuldigung sehen wir in Übereinstimmung mit Frau Staatsministerin Monika Hohlmeier die Angelegenheit um das Familiengrab als erledigt an.

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Viertens. Auch über das Andenken an unseren früheren Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß hinaus halten wir es aus Gründen der Pietät für geboten, Gräber und Gruften grundsätzlich nicht in Pfändungsverfahren einzubeziehen. Das muss auch für jeden so genannten Normalbürger gelten, und wir erwarten, dass das von der Finanzverwaltung oder anderen Behörden grundsätzlich in Zukunft beachtet wird.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Fünftens. Die CSU-Fraktion verurteilt den vordergründigen und allzu durchsichtigen Versuch der Opposition, aus dieser Angelegenheit politisches Kapital zu schlagen, und weist Rücktrittsforderungen gegenüber Staatsminister Prof. Dr. Faltlhauser als völlig absurd zurück.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zuruf des Abge- ordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE) - Zuruf von der SPD: Und was ist mit den Äußerungen von Gauweiler und Sauter?)

Soweit der Beschluss der CSU-Landtagsfraktion.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschliessend feststellen: Das Andenken an Franz Josef Strauß gebietet uns nicht nur Pietät, sondern sein politisches Erbe bedeutet vor allem einen politischen Auftrag an uns alle, auch weiterhin eine kraftvolle Politik für Bayerns Zukunft zu gestalten. Ich denke, deshalb sollten wir uns jetzt, nachdem diese Sache in der Tat erledigt ist,

(Zurufe von den GRÜNEN)

wieder den eigentlichen politischen Herausforderungen und Aufgaben in Bayern zuwenden. Dafür wird die CSU-Landtagsfraktion gemeinsam mit der Staatsregierung mit aller Energie weiter arbeiten.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zuruf von den GRÜNEN: Die Verwaltung wird für politische Zwecke missbraucht! – Allgemeine Unruhe)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Maget.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe vernommen, Herr Herrmann, dass Sie uns Pietätlosigkeit in dieser Frage vorwerfen.

(Lachen bei der SPD)

Das ist an Unverfrorenheit, meine ich, nicht mehr zu überbieten.

(Lebhafter Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Wenn man nicht mehr weiter weiß, dann versucht man, den politischen Gegner mit haltlosen Vorwürfen

zu überziehen, statt sich selber in aller Ruhe und Ehrlichkeit mit dieser Affäre und Angelegenheit zu befassen. Man mag darüber streiten, ob eine Aktuelle Stunde die richtige Form ist.

(Beifall bei der CSU)

Aber über dieses Ausmaß an Verlogenheit, Unwahrheit und Heuchelei, was in den letzten Tagen hier stattgefunden hat – nicht von uns, sondern aus Ihren Reihen -, darüber muss doch wohl geredet werden.

(Beifall bei der SPD)

Und da sind mehr Fragen offen als beantwortet.

Was finden wir denn vor?

Erstens. Wir finden einen Angeklagten Max Strauß vor. Der Versuch, dass er schuldunfähig und prozessunfähig ist oder sein soll, scheitert. Just an dem Tag, als der Prozess beginnt, erblickt die Gruft-Affäre das Licht der Öffentlichkeit. – Ein bemerkenswerter Zusammenhang, den ich nicht näher kommentiere; ich stelle den zeitlichen Zusammenhang fest.

Dann steht an der Spitze der Empörung, völlig überrascht von dieser Angelegenheit, einer, der den Sachverhalt seit Wochen genauestens kennt, nämlich der Bayerische Ministerpräsident. Der Bayerische Ministerpräsident ist plötzlich empört und überrascht über diese Pietätlosigkeit und sagt: Das darf doch wohl in Bayern nicht sein. Und er tut so, als kenne er den Vorgang gar nicht, als wäre er zum ersten Mal damit befasst. Die „tz“ überschreibt ihren Bericht mit: „Stoiber fordert: Das muss sich sofort ändern, das wird zurückgenommen!“ Warum hat er dann vorher wochenlang nicht reagiert, sondern das Ganze und die ganze Pietätlosigkeit so laufen lassen, wie sie gelaufen ist?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Warum steht er plötzlich an der Spitze der Empörung? – Diese Frage ist unbeantwortet.

Zweitens. Die bayerischen Finanzbehörden wollen tatsächlich eine Grabstätte pfänden. Ich teile Ihre Meinung: Das darf nicht sein, und zwar bei keinem Bürger und bei keiner Bürgerin.

Ich habe mich, ehrlich gesagt, gewundert, dass das bayerische Praxis sein soll. Herr Dr. Gauweiler hat es ja auch so formuliert, dass das wohl ein einmaliger Akt ist. Ich glaube das nicht. Ich fürchte, dass das gängige Praxis ist.

Deswegen sollten wir an dem Punkt wenigstens übereinstimmen: Das darf es ja wohl nicht geben – nicht nur beim Grab von Franz Josef Strauß! Das darf es nicht geben!

Jetzt stelle ich aber einfach einmal fest: Offenbar hat sich der Finanzbeamte X zunächst einmal korrekt verhalten. Es ist immerhin jemand da, der Steuerschulden hat und dem zur Sicherungspfändung möglicherweise erhebliche Steuerrückzahlungen ins Haus stehen. Also wird der Beamte tätig und stellt der Familie Strauß anheim, zumindest die Grabstätte herauszulösen.

Gestatten Sie mir eine persönliche Bewertung in dieser Frage. – Ich hätte es normal empfunden, wenn die Familie dieses – sozusagen – Angebot der Finanzverwaltung annimmt. Wenn es sich um das Grab meiner Eltern gehandelt hätte und ich finanziell dazu in der Lage wäre, würde ich versuchen, jegliches öffentliche Ärgernis zu vermeiden und das Ansehen und die Grabesruhe meiner Eltern dadurch sicherzustellen, dass ich sage: Ja, wie macht man das, wie kann man das regeln, muss das überhaupt öffentlich breitgetreten werden, kann man einen anderen Weg beschreiten?

Das ist aber eine private Entscheidung, eine völlig private Entscheidung der Familie Strauß.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Zu- rufe von der CSU)

Aber ich hätte das als normal empfunden, und viel von dem, was wir jetzt als pietätlos empfinden, wäre in der Öffentlichkeit nie diskutiert worden.

Dann aber passiert Folgendes: Es kommt an die Öffentlichkeit, und Herr Stoiber als Ministerpräsident gerät unter Druck, weil nicht bekannt war, dass er diesen Vorgang seit Wochen genauestens kennt, aber so gespielt empört ist. Und dann muss wieder ein Sauter her – Entschuldigung, Herr Sauter! Es ist wie immer: Wenn es brennt, muss einer den Kopf hinhalten, damit es ja den Chef nicht erwischt – und wenn er noch so wenig dafür kann. Das war das Strickmuster bei der LWS; das war das Strickmuster – Entschuldigung, Frau Stamm. - bei BSE; das war das Strickmuster beim Deutschen Orden: Er darf nie einen Fehler machen, drum muss ein anderer herhalten, sich vielleicht dann auf der Abgeordnetenbank zurechtfinden.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE)

Vielleicht sitzt Herr Faltlhauser dort auch bald.

Er musste den Sauter spielen und die Schuld auf sich nehmen. Aber er hat einen Fehler dabei gemacht: In der Hoffnung, dass es nicht aufkommt, hat er die Öffentlichkeit mit der Unwahrheit bedient. Sie haben diesen Brief, der erst, nach Ihrer Pressekonferenz das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat, bei dieser Pressekonferenz verschwiegen und unterdrückt. Sie haben ihn nicht zum Gegenstand der Information der Öffentlichkeit gemacht. Sie hätten alle Chancen gehabt, diesen Brief zu erläutern, richtig zu stellen, was Sie jetzt als Missverständnis darstellen.

Aber Sie haben der Öffentlichkeit verschwiegen, dass es diesen Brief überhaupt gibt. Ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen wussten am Wochenende gar nicht, dass es diesen Brief des Zentralfinanzamts München gibt. Erst die Aktion von Franz Georg Strauß hat der Öffentlichkeit diesen Brief bekannt gemacht und damit offenbart, dass Sie, Herr Faltlhauser, gelogen haben.

Das ist doch die gesamte Geschichte, ohne etwas hinzuzufügen, und dazu müssen Sie auch stehen! Das jetzt als Missverständnis darstellen zu wollen,

(Lachen bei der SPD)

ist doch absurd. Seien Sie ehrlich, stellen Sie sich hierher und sagen Sie: Ich habe leider gelogen, ich habe die Wahrheit unterdrückt!

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Das wäre endlich einmal ein wahres Wort.

Was passiert jetzt? Letzter Gedanke. Erstens. Ein Minister, der die Unwahrheit sagt, kann nicht Minister bleiben; es muss Konsequenzen haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Leb- hafte Zurufe von der CSU)