Protokoll der Sitzung vom 27.01.2004

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ja, Herr Stoiber, Sie werden in diesen Tagen von Ihrer Vergangenheit eingeholt, die Sie mit aller Macht verdrängen wollten und leugnen wollten. Unter Strauß war doch Ihr gesamter Ehrgeiz darauf ausgerichtet, der untertänigste, willfährigste und eilfertigste Diener des großen FJS zu sein. Herr Gauweiler hat Sie und uns noch mal dankenswerterweise daran erinnert, dass Sie die Anweisungen gerne auch kniend entgegengenommen haben. Und jetzt müssen Sie offenbar lange nachdenken, bevor Ihnen der Name Strauß irgendetwas zu sagen vermag. Aber das ist nun mal nicht nur in der Psychologie so, sondern auch in der Politik, auch im Alltag, dass das Verdrängte wiederkommt. Die Leichen in Ihrem Keller leben noch.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE) – Zuruf von der CSU: Unverschämtheit!)

Genau das ist in dieser blamablen Gruft-Affäre deutlich geworden, meine Herren und Damen von der CSU. Genau das ist deutlich geworden. Sie, Herr Ministerpräsident, haben seit Wochen von der Pfändung gewusst. Erst als diese Tatsache öffentlich bekannt wurde, hatten Sie die Chuzpe sich hinzustellen, laute Empörung zu heucheln und so zu tun, als hätten Sie gerade erst in dieser Minute davon erfahren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Das ist aus meiner Sicht der Gipfel der Scheinheiligkeit und auch der Gipfel der Feigheit. Feige wie immer, wenn etwas schief geht, Herr Stoiber, gehen Sie natürlich erst einmal auf Tauchstation und schicken jemand anderen vor. In diesem Fall einen offensichtlich unfähigen Finanzminister, der dann den Alleinschuldigen mimen darf. Beim letzten Mal sollte diese „ehrenvolle“ Rolle Herr Sauter übernehmen. Das hat nicht ganz so geklappt, wie Sie sich das vorgestellt haben. Aber Herr Faltlhauser ist sich dafür offenbar nicht zu schade. Ich komme gleich noch darauf zurück.

(Zuruf von der CSU: Ihr wärt froh, wenn ihr so ei- nen hättet!)

Sie, Herr Stoiber, tragen die politische Verantwortung für diese hochnotpeinliche Affäre. Sie tragen die politische Verantwortung für all die Vertuschungs- und Täuschungsmanöver, die wir in den letzten Tagen erleben durften. Sie tragen auch die Verantwortung für das miserable Krisenmanagement dieser Geschichte.

(Zuruf von der CSU: Hört doch auf!)

Das soll nicht heißen, dass Herr Faltlhauser nun außen vor wäre. Herr Faltlhauser, was auch immer Sie zu dieser Irreführungsaktion veranlasst hat, ein Mitglied der Staatsregierung, das der Öffentlichkeit ohne rot zu werden eine derart faustdicke Lüge auftischt, so jemand ist in der Staatsregierung nicht tragbar.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich habe der dpa entnehmen dürfen, dass Sie dem Landtag erklären wollen, in keiner Weise gelogen zu haben. Ich bin wirklich sehr gespannt darauf. Denn die mir vorliegende Papierlage belegt eindeutig, dass Sie die Unwahrheit gesagt haben. Da hilft kein Herauswinden und da helfen auch keine Gegenangriffe, meine Damen und Herren von der CSU. Das Schreiben des Zentralfinanzamts München vom 05.01. dieses Jahres ist mittlerweile häufig durch die Medien gegangen, häufig zitiert worden. Ich will es hier noch einmal zur Kenntnis bringen. In diesem Schreiben heißt es unmissverständlich: Es sind von der Pfändung vom 20.11.03 auch die Grundstücke der beiliegenden Urkunde umfasst, nämlich das Objekt Kaiserhof 1 und die Familiengruft. – Da ist ein Missverständnis überhaupt nicht möglich. Es heißt: Kaiserhof 1 und die Familiengruft.

Diese Worte sind sogar noch herausgehoben, sind sogar kursiv gedruckt in diesem Schreiben des Zentralfinanzamtes. Einen Absatz weiter unten heißt es:

Dieses Pfandrecht kann aber durch die Geschwister ausgelöst werden, und zwar durch Zahlung des marktgerechten Wertes an das Zentralfinanzamt.

Eindeutiger, klarer und unmissverständlicher geht es nicht.

In Ihrer Pressekonferenz vom letzten Freitag, Herr Faltlhauser, und auch in Ihrer Pressemitteilung vom Samstag behaupten Sie dann aber:

Die Verwaltung hat nie beabsichtigt, für die vom Finanzamt angebotene Freigabe dieses Grundstücks eine finanzielle Ablöse zu verlangen.

Das ist eindeutig falsch, und diese Lüge ist eindeutig belegt.

Mittlerweile haben Sie selbst einsehen müssen, wie kurz die Beine Ihrer Lügen sind. In Ihrer Pressemitteilung von gestern rudern Sie schon ein Stück weit zurück, oder Sie versuchen es zumindest: Sie sprechen von Missverständnissen. Herr Herrmann hat von einer „saublöden Geschichte“ geredet, Sie selbst in der CSU haben von „großen Peinlichkeiten“ geredet. Das kann ich nur unterstreichen.

Aber auch gestern noch hatten Sie nicht den Mut, zu sagen: Ich hab’ einen Fehler gemacht, ich habe die

Unwahrheit gesagt, ich übernehme die Verantwortung. Auch da versuchen Sie noch, die Leute für blöd zu verkaufen.

In Ihrer Erklärung von gestern sagen Sie wieder:

Die Ablöse bezog sich nur auf die materiell werthaltigen Grundstücke, nicht aber auf ein Grabgrundstück.

Es ist aber – wie ich gerade gesagt habe – in diesem Schreiben vom 05.01. ausdrücklich und auch noch kursiv hervorgehoben, dass es sich um das Gruftgelände, um die Familiengruft handelt. Da ist ein Missverständnis überhaupt nicht möglich.

Es ist ausdrücklich auch darauf hingewiesen, dass das Pfandrecht durch die Geschwister ausgelöst werden kann. Auch das Wort „ausgelöst“ ist kursiv gedruckt.

Wenn diese beiden zentralen Begriffe, die die Streitpunkte sind, so hervorgehoben sind, dann muss dem doch ein Briefwechsel vorausgegangen sein. Das Thema war möglicherweise nicht zum ersten Mal Gegenstand einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem Anwalt von Max Strauß und dem Zentralfinanzamt, sondern offenbar gab es da schon vorher einen Schriftwechsel, in dem nachgefragt wurde, ob es auch um die Gruft geht und wie es mit dem Auslösen aussieht. Deshalb hat das Zentralfinanzamt noch einmal unmissverständlich hervorgehoben und deutlich gemacht, es geht um die Gruft, und sie kann gegen die Zahlung eines marktüblichen Preises ausgelöst werden.

Deswegen ist Ihre Ausrede, Herr Faltlhauser, dass die beteiligten Finanzbeamten offenbar etwas ganz anderes wollten, als sie dann in dem Brief geschrieben haben, dumm, dreist und schäbig. Dreist ist sie, weil Sie sich hinstellen und sagen, es sind Missverständnisse, anstatt zu sagen wie es wirklich war. Im gleichen Atemzug stellen Sie wiederum falsche Behauptungen auf und versuchen weiter, die Öffentlichkeit hinter das Licht zu führen. Schäbig ist so ein Verhalten, weil Sie Dienstvorgesetzter sind. Sie sind Chef der Behörde, Sie sind Chef der Finanzbeamten. Man müsste von Ihnen erwarten, dass Sie sich vor Ihre Beamten stellen, anstatt die Schuld schäbig auf sie abzuwälzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was soll eigentlich der einfache Bürger denken, der ein Schreiben des Finanzamtes bekommt, der vielleicht einen Pfändungsbescheid des Finanzamtes erhält? Hat der die Möglichkeit, herauszufinden, ob vielleicht der Finanzbeamte etwas ganz anderes gemeint hat, als er dann in seinem Brief geschrieben hat? Herr Faltlhauser, Ihre Bemühungen, sich da herauszuwinden, werden mit jeder Äußerung ärgerlicher und grotesker.

Auch Herr Huber hat gestern versucht – da drüben sitzt er -, dem Herrn Faltlhauser freundschaftlich zur Seite zu springen. Er hat ihm attestiert, er hat vielleicht die Fachsprache nicht so ganz verstanden.

Herr Huber: Dem obersten Chef der Finanzbehörden – zugleich studierter Jurist und Volkswirt zu sagen, er verstehe die Fachsprache seiner Finanzbehörden nicht, –

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich weiß nicht, ob das ein Freundschaftsdienst sein sollte.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für mich war das eher ein Tritt vor das Schienbein als ein freundschaftliches Schulterklopfen.

Herr Faltlhauser, gerade in Zeiten, in denen Sie und Ihr Ministerpräsident den Menschen wirklich schmerzhafte Eingriffe und Kürzungen in nahezu allen Bereichen des öffentlichen Lebens zumuten, gerade in diesen Zeiten – sonst auch, aber jetzt besonders – haben die Menschen ein Anrecht auf ein Mindestmaß an Seriosität und Glaubwürdigkeit. Wir brauchen in Bayern keinen Lügenbaron als Finanzminister.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ihre dreisten Luftbuchungen und Zahlentricksereien, mit denen Sie in der Vergangenheit versucht haben, das Milliardensparpaket schön zu rechnen, haben uns auch in einem anderen Bereich schon einen bitteren Vorgeschmack gegeben. Wenn Sie, Herr Faltlhauser, bei der Haushaltskonsolidierung so vorgehen wie bei der Gruft, wenn Sie beim Sparen so vorgehen, wie bei Ihren Lügen, dann gute Nacht schönes Bayern.

Ich fordere Sie auf: Sagen Sie diesem Parlament und der Öffentlichkeit endlich die Wahrheit, hören Sie auf mit Ihren Ablenkungsmanövern, Ihrem Herauswinden und Ihren Vertuschungsmanövern, und bekennen Sie sich endlich zu Ihrer Verantwortung. Das steht jetzt an.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Herrmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Nachricht von der Pfändung des Grabes von Franz Josef Strauß hat am Mittwoch der vergangenen Woche sicherlich viele Menschen in Bayern verwundert, empört, manche auch entsetzt. Die CSU-Fraktion hat am letzten Mittwoch sofort beschlossen, dass sie diese Pietätlosigkeit verurteilt und eine Freigabe des Grabes aus der Pfändung fordert. Innerhalb von wenigen Stunden ist dann eine einvernehmliche Regelung gefunden worden.

Die Pietätlosigkeit, von der die Rede ist, gilt aber auch für vieles, was SPD, GRÜNE und FDP in den letzten Tagen verkündet haben.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und den GRÜNEN)

Es ist unerträglich, wenn in dieser Situation jemand sein politisches Süppchen über dem Grab von Franz Josef und Marianne Strauß kochen möchte.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN)

All Ihre Erklärungen sind scheinheilig und heuchlerisch.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

In Ihrem Manuskript, Frau Kollegin Bause, halten Sie dem Ministerpräsidenten entgegen: „Die Leichen in Ihrem Keller leben noch“. Ich weiß nicht, ob ich das nur als makaber oder als peinlich ansehen soll. Sie sollten sich für so eine Wortwahl schämen.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ganz ruhig und sachlich in fünf Punkten unsere Haltung in dieser Sache skizzieren, die die CSU-Landtagsfraktion gerade einstimmig beschlossen hat: