Protokoll der Sitzung vom 25.04.2007

(Franz Maget (SPD): Kroatien also nicht?)

Ich möchte jetzt mit meiner Rede fortfahren.

Ich bin der Überzeugung, dass mit der Aufnahme von Rumänien und Bulgarien ein Beitrag dazu geleistet wird, dass Frieden, Demokratie, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Stabilität und Wohlstand auf unserem Kontinent gestärkt werden und damit das Gewicht Europas in der Welt. Aus diesem Grund hat Bayern dem Beitrittsgesetz im November des letzten Jahres im Bundesrat zugestimmt. Wir waren der Auffassung, dass durch die Übernahme des Acquis communautaire, also der rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union zum Beispiel zu den Bereichen Umwelt, Sozialstandards, Verbraucherschutz, Sicherheit und Hygiene, die Kostenvorteile der Beitrittsländer verringert werden und der unfaire Wettbewerb insgesamt abgebaut wird.

Uns ist selbstverständlich bewusst, dass Bulgarien und Rumänien in vielen Bereichen erhebliche Defizite bei der Umsetzung des EU-Rechtes aufweisen wie zum Beispiel im Justizwesen, bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität sowie bei der Verwaltung von EU-Agrarfördermitteln. Aus diesem Grund kann ich sagen: Das ist in dem Dringlichkeitsantrag treffend formuliert. Die Staatsregierung hat frühzeitig auf die im Beitrittsvertrag vorgesehenen Schutzklauseln hingewiesen und beim ersten Durchgang des Beitrittsgesetzes im Bundesrat im Juli 2006 die Kommission zur Vorbereitung der Anwendung der Schutzklauseln aufgefordert. Wir haben dazu auch einen Entschließungsantrag formuliert. Auch der Bundestag hat einen Entschließungsantrag formuliert, wie bereits angesprochen worden ist. Wir haben aber im Rat keine Mehrheit dafür gefunden und auch nicht in der Kommission; das möchte ich in aller Deutlichkeit sagen.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Kommission Ende 2006, wie von Bayern gefordert, in vielen Bereichen, zum Beispiel beim Agrarfonds, bei der Lebensmittelsicherheit, aber auch bei der Flugsicherheit Schutzmaßnahmen beschlossen hat, die sich allerdings bei der Justiz und bei der Korruptionsbekämpfung zunächst auf weitere Überprüfungen beschränken. Zur Lebensmittelsicherheit ist zu bemerken, dass diese Länder den europäischen Binnenmarkt nicht bedienen können, wenn ihre Produkte nicht den Kriterien entsprechen. Auch in den Schutzmaßnahmen, die die Europäische Union gegen Rumänien und Bulgarien betreffend die Lebensmittelsicherheit verhängt hat, ist dies klar zum Ausdruck gekommen. Wir unterstützen das ausdrücklich.

Nach Auffassung der Staatsregierung hätte die Kommission gerade in den besonders sensiblen Bereichen der Justiz und der Korruptionsbekämpfung einen Schritt weiter gehen und zum Beispiel die Aussetzung der EUweiten Anerkennung von Haftbefehlen und Gerichtsurteilen beider Länder als konkrete Schutzvorschriften erlassen müssen, und zwar zum Beitritt am 01.01.2007. Dies hätte nach unserer Auffassung gegenüber reinen Berichtspflichten einen ungleich stärkeren Anreiz für Rumänien und Bulgarien geboten, der verbleibenden Defizite so schnell wie möglich Herr zu werden und diese abzubauen. Ich möchte klar darauf hinweisen, dass die Kommission am 13. Dezember 2006 in ihren Entscheidungen die künftige Zusammenarbeit und die Überprüfung der Fortschritte Rumäniens und Bulgariens in den Bereichen Justiz und Inneres ausdrücklich vereinbart und auf die weiteren bestehenden Möglichkeiten hingewiesen hat, konkrete Schutzmaßnahmen wie die Aussetzung der Verpflichtung zur Anerkennung von Gerichtsurteilen zu ergreifen.

Jetzt wird es ganz entscheidend darauf ankommen, den Druck auf Bulgarien und Rumänien weiter aufrechtzuerhalten, dabei kontinuierlich die Reformen einzufordern und diese beiden Länder auf die Notwendigkeit hinzuweisen, diese Reformen durchzuführen.

Bayern – auch das ist eine Forderung dieses Antrags – wird beide Länder weiterhin bei ihren Reformanstrengungen unterstützen. Seit Längerem unterhält der Freistaat Bayern bilaterale Partnerschaften mit den beiden Ländern und betreibt auch Twinning-Projekte. Der Frei

staat Bayern hat ein Kontaktnetzwerk zu diesen beiden Ländern, eine Partnerschaft mit Bulgarien und natürlich eine Partnerschaft dortiger mit bayerischen Staatsanwaltschaften aufgebaut. Wir arbeiten daran, die Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten zu fördern. Wir organisieren Veranstaltungen für Führungskräfte der Justiz, für moderne Personalführung und Seminare zur Bekämpfung verschiedener Korruptionsstraftaten. Mit der Zusammenarbeit in den Regierungskommissionen werden wir beide Länder weiterhin, insbesondere bei der Entwicklung einer funktionierenden Verwaltung, unterstützen. Das ist vor allem in Bezug auf europäische Fördergelder von entscheidender Bedeutung.

Konsequente Reformen sind für die Zukunft von entscheidender Bedeutung. Deswegen erfüllt mich die aktuelle Entwicklung in Bulgarien und Rumänien mit ganz großer Sorge. Kollegin Schorer hat vorhin schon darauf hingewiesen. In Bulgarien hat Justizkommissar Frattini bereits im Februar dieses Jahres die Beschleunigung der Ermittlungs- und Gerichtsverfahren im Kampf gegen die Kriminalität angemahnt.

Große Sorge insgesamt bereitet die Entwicklung in Rumänien. Ich denke dabei insbesondere an die Ablösung der rumänischen Justizministerin Macovei, die seit ihrem Amtsantritt im Jahr 2004 gegen massive Widerstände die über Jahre verschleppten Reformen des Justizwesens angeschoben und so erst den Beitritt Rumäniens ermöglicht hat. Sie war für uns auch ein Garant für konsequente Reformen in der Justiz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Besorgnis wird auch von der Europäischen Kommission in Brüssel geteilt. Ich hoffe deshalb, dass die Kommission die Berichte Bulgariens und Rumäniens mit größter Sorgfalt prüft und die aktuellen Entwicklungen in ihre eigenen Berichte einbezieht. Die Kommission hat soeben mit der Prüfung der von Bulgarien und Rumänien Ende März übermittelten Fortschrittsberichte über ihre Bemühungen zur Erfüllung der Kommissionsvorhaben begonnen und Expertenmissionen nach Bulgarien seit dem 16.04. und nach Rumänien seit dem 23.04. dieses Jahres entsandt. Über die Ergebnisse dieser Überprüfungen wird sie das Europäische Parlament und den Rat voraussichtlich noch im Juni informieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Rat hat auf deutsche Initiative hin am 10.01.2007 eine Ad-hoc-Arbeitsgruppe zur Begleitung des Überprüfungsverfahrens für Rumänien und Bulgarien eingerichtet. Ich kann dazu nur sagen: Wenn die Kommission und auch die Ad-hoc-Gruppe zu dem Ergebnis kommen, dass dort Defizite vorhanden sind, dann müssen Sanktionen überlegt werden, und es müssen Einschränkungen im Binnenmarkt und Kürzungen der Finanzhilfen forciert werden. Für die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union und ihre Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern – das wurde vorhin angesprochen – ist es von entscheidender Bedeutung, dass diese Überprüfungsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden. Das heißt für uns, dass sie bis zum Wegfall der Defizite bzw. der Erfüllung der Zielvorgaben Anwendung finden. Die Staatsregierung wird die weitere Entwicklung genau beobachten und ihre Forderung nach konkreten Schutzmaßnahmen in aller Deutlichkeit wiederholen,

wenn Bulgarien und Rumänien keine überzeugenden Fortschritte bei der Erfüllung der EU-Vorgaben gemacht haben.

Der bayerische Ministerrat wird sich im Juni erneut mit diesem Thema befassen. Ich werde Sie auf dem Laufenden halten, wenn wir die Berichte und die klare Beurteilung der Kommission haben. Herr Runge und Herr Förster, Sie dürfen dessen versichert sein, dass uns in Europa kaum etwas entgeht. Wir sind gut aufgestellt. Deshalb ist hier jede Art von Befürchtung unbegründet.

Ich unterstütze diesen Dringlichkeitsantrag ausdrücklich und halte ihn auf jeden Fall für zielführend.

(Beifall bei der CSU)

Frau Ministerin, vielen Dank. Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 15/8036 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist der Antrag mit den Stimmen der CSU-Fraktion gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen angenommen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): War das wirklich die Mehrheit?)

Wir haben schon nachgezählt: Das waren 34 : 30 Stimmen. Herr Kreuzer, da haben Sie gerade noch Glück gehabt.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Das ist aber armselig bei 124 Mitgliedern! – Thomas Kreuzer (CSU): Die beiden Mitglieder der Staatsregierung müssen dazugezählt werden!)

Die haben nicht die Hand gehoben, also konnte ich sie nicht mitzählen.

(Johanna Werner-Muggendorfer (SPD): Von 124 Abgeordneten der CSU sind 34 anwesend, Respekt!)

Frau Kollegin, Sie haben recht. Ich drücke deswegen auch wieder einmal auf den Gong.

Ich rufe zur gemeinsamen Behandlung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abg. Franz Maget, Johanna Werner-Muggendorfer, Susann Biedefeld u. a. u. Frakt. (SPD) Keine Kopfpauschale für die Pflegeversicherung (Drs. 15/8037)

und den nachgezogenen

Dringlichkeitsantrag der Abg. Margarete Bause, Dr. Sepp Dürr, Maria Scharfenberg u. a. u. Frakt. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Keine Kopfpauschale in der Pflegeversicherung (Drs. 15/8045)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Kollege Maget.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise spricht zu diesem Thema entweder mein Kollege Wahnschaffe oder meine Kollegin Frau Sonnenholzner sehr sachkundig. Ich war aber am Samstag Zeuge einer besonderen Begegnung bei einem großen Kongress des VdK, in dem, wie wir wissen, auch Repräsentantinnen und Repräsentanten aller hier im Haus vertretenen Parteien aktiv sind. Wir haben dort Grußworte und Referate gehört, unter anderem von Frau Ministerin Stewens,

(Zuruf des Abgeordneten Christian Meißner (CSU))

die sich ausgerechnet jetzt bedauerlicherweise absentiert hat. Es ist, wie auch sonst immer, schade, dass wir uns mit ihr jetzt nicht auseinandersetzen dürfen. Das ist wirklich ein Zufall. Zum Thema Pflegeversicherung hat noch ein anderer großer Repräsentant der CSU gesprochen, nämlich der stellvertretende Vorsitzende, der sich anschickt, Vorsitzender zu werden, Herr Seehofer. Die beiden haben dort zum Thema Pflegeversicherung diametral unterschiedliche Forderungen gestellt.

(Zuruf des Abgeordneten Christian Meißner (CSU))

Herr Kollege Seehofer hat dort ausdrücklich gesagt – wie ich meine, völlig zu Recht; ich würde mich wundern, wenn Sie dem nicht beitreten würden –, wir bräuchten in der solidarischen Sozialversicherung weiterhin das Prinzip der Parität und wir müssten alles verhindern, was zur Einführung von Kopfpauschalen in der Sozialversicherung führt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Dem ist zuzustimmen. Jeder relevante Sozialpolitiker in diesem Raum – ich glaube, sogar jeder aus Ihren Reihen, selbst wenn es nur innerlich wäre –

(Lachen bei der SPD)

würde dieser Position zustimmen, weil jede Kopfpauschale natürlich eine Verletzung des Solidarprinzips ist; denn sie stellt nicht mehr auf die Leistungsfähigkeit des einzelnen Versicherten ab.

(Beifall bei der SPD)

Es ist unsozial und unsolidarisch, wenn ein Spitzenverdiener für die gleiche Leistung einen gleich hohen Beitrag zu entrichten hat wie ein Verdiener der untersten Gehaltsklasse.

Darüber waren wir uns einmal im Prinzip historisch und aktuell einig. Nun legen Frau Stewens und die Bayerische Staatsregierung einen Vorschlag zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vor, der diesem Grundgedanken eklatant und in einer Weise widerspricht, die man nicht

hinnehmen kann. Der Gedanke, alterskranke, altersverwirrte und demente Menschen in den Leistungskatalog einzubeziehen, was jetzt noch nicht möglich ist, ist richtig. Hinter diesem humanen Gedanken versteckt sich jedoch die unsoziale Einführung der Kopfpauschale.

(Beifall bei der SPD)

Die Staatsregierung sagt nämlich: Das finanzieren wir dann mit einem einheitlichen Beitrag von 6 Euro pro Monat von jedem Versicherten, das sind 72 Euro im Jahr. Dann wird pro Jahr ein Euro mehr erhoben. Der Betrag summiert sich dann ganz schön. Am Ende wird man die Frage stellen müssen, warum jemand, der 500 oder 600 Euro sozialversicherungspflichtiges Einkommen pro Monat hat, 10 Euro zusätzlichen Beitrag zur Pflegeversicherung bezahlen muss und jemand, der 10 000 Euro im Monat verdient, ebenfalls 10 Euro, also den gleichen Betrag. Mir erschließt sich nicht, woher Sie die soziale Grundlage für einen solchen Vorschlag hernehmen. Dieser Vorschlag ist unsozial, unsolidarisch und muss deswegen wieder vom Tisch verschwinden.

(Beifall bei der SPD)

Schade, dass sich Frau Staatsministerin Stewens dieser Debatte nicht stellt. Dieser Vorschlag ist nämlich auch unseriös vorgetragen worden. Erstens ist gesagt worden, aus diesem Antrag werde eine Bundesratsinitiative. Wo ist diese Bundesratsinitiative? – Dann ist gesagt worden, dieser Antrag sei mit den B-Ländern abgestimmt worden. Das sei der Vorschlag der Union. Davon höre ich auch schon längst nichts mehr. Andere CDU-Vertreter sagen längst, diese Vorschläge hätten nicht ihr Einverständnis.

Jetzt muss die CSU auf diesem sozialpolitischen Gebiet schon von der CDU links überholt werden. Soweit sind Sie gekommen. Sie brauchen die CDU, damit sie Sie auf diesem Gebiet auf den rechten Weg zurückbringt. Wir haben eine Konsequenz, die wir in einen einzigen Satz verpacken. Mehr muss dazu auch nicht gesagt werden. Wir brauchen keine langen Abhandlungen, wie es mit der Pflegeversicherung weitergehen soll. Hier muss noch viel und gründlich überlegt werden. Einen Satz müssen wir jedoch festhalten: Keine Kopfpauschale in der Pflegeversicherung.

(Beifall bei der SPD)

Schon jetzt zahlen die Versicherten durch den Verzicht auf einen Feiertag faktisch den Beitrag der Arbeitgeber mit. Wir haben auf diesem Gebiet schon einmal das Prinzip der Solidarität eingeschränkt. Deshalb darf dies nicht erneut geschehen. Dies wäre im Übrigen das Einfallstor für die Einführung von Kopfpauschalen in den anderen Zweigen der Sozialversicherung. Das will Herr Kollege Imhof nicht. Herr Kollege Unterländer möchte dies auch nicht. Deshalb möchten wir zu diesem Antrag eine Abstimmung haben. Der Einfachheit halber beantragen wir eine namentliche Abstimmung.

(Beifall bei der SPD)

Namentliche Abstimmung ist beantragt. Ich bitte darum, dies bekannt zu geben. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Ackermann.